Beschreibung des gesellschaftlichen Bildes von beruflicher Pflege anhand von "Enteignet – Warum uns der Medizinbetrieb krank macht"


Hausarbeit, 2014

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

Pflege aus verschiedenen Blickwinkeln
Darstellung der Pflege aus Patientensicht
Das Bild der Pflege aus der Sicht anderer Berufsgruppen des Gesundheitssystems
Pflege über Pflege - die berufsinterne Selbstdarstellung

Ein Fazit unter Berücksichtigung eigener Erfahrungen

Quellen
Buch
Internetseiten

Einleitung

Sonia Seymour Mikich ist eine renommierte Journalistin des deutschen Fernsehens. Die 1951 in England geborene und in Deutschland ausgebildete Reporterin beendete 1979 ihr Studium in Politologie, Soziologie und Philosophie mit einem Magisterabschluss. 1982 arbeitete sie als Volontärin beim „Westdeutschen Rundfunk“, wo sie seit 1984 auch als Moderatorin, Reporterin und Redakteurin eingesetzt wurde. Ab 1992 übernahm Sonia Mikich einige Auslandskorrespondenzen, z.B. in Moskau und Paris, bei denen sie oftmals aus Krisengebieten berichtete und dadurch 1998 das Bundesverdienstkreuz ver- liehen bekam. 1998 bis 2002 leitete sie die ARD-Studios in Paris, bevor sie 2002 die Redaktionsleitung der Sendung „Monitor“ übernahm. In dieser Sendung werden gesell- schaftliche Themen kritisch hinterfragt, wofür die deutsche Erfolgsreporterin u.a. 2006 sowie 2007 den „Marler Fernsehpreis für Menschenrechte“ erhielt (Vgl.2;5).

Als Sonia Mikich schließlich im Sommer 2011 wegen anhaltender Bauchschmerzen ins Krankenhaus eingewiesen wurde, begann für sie eine erschreckende Reise durch einen Irrgarten voller Fremdwörter, Diagnosen, Komplikationen, Schmerzen und vor allem Fragen. Nach einigen Untersuchungen vermuteten die Ärzte Darmkrebs, welcher ope- riert werden sollte. Es folgten weitere Operationen, einige Komplikationen und Unter- suchungen sowie unbefriedigende Gespräche mit medizinischem Personal, was nach und nach zum Verfall ihrer Motivation und der Genesungshoffnung beitrug. Diese ein- schneidenden Erfahrungen hat sie in ihrem Buch „Enteignet - Warum uns der Medizin- betrieb krank macht“ (Vgl.1) festgehalten. In Diesem Buch stellte sie mit Hilfe von Ursel Sieber, Autorin und Journalistin der ARD-Politmagazine „Monitor“ und „Kon- traste“ sowie dem ARD-Autor Jan Schmitt, mehr als nur die Eindrücke einer Patientin vom Krankenhausalltag dar. Auf 352 Seiten entstand eine Art Sammlung von Inter- views, Meinungen und Berichten von Personen, die in verschiedenster Art und Weise mit dem Gesundheitssystem in Verbindung stehen und ihre Ansichten über selbiges kritisch äußern. Diese schonungslose Darstellung eines so mächtigen Systems erntete Äußerungen, wie „Das Buch rüttelt auf“ (Die Zeit 25.04.2013, Vgl.3) oder „Nach Lektüre dieses Buches wird ein jeder und eine jede den nächsten Arztbesuch oder gar einen unerlässlich scheinenden Krankenhausaufenthalt klarsichtiger und chancenreicher durchstehen.“ (EMMA 01.05.2013, Vgl.4). Im Erscheinungsjahr von Enteignet - Warum uns der Medizinbetrieb krank macht, 2013, wurde Sonia Seymour Mikich vom medium magazin schließlich zur politischen Journalistin des Jahres gewählt (Vgl.5). Ich als Gesundheit- und Krankenpfleger, als Teil dieses Systems, war an diesem Buch sehr interessiert. Es fesselte mich inhaltlich, ermöglichte mir neue, interessante Blick- winkel auf meinen Arbeitsalltag und erweiterte mein Verständnis für die Maschinerie Krankenhaus. Da Pflege ein großer Teil der Patientenbehandlung und des Gesundheits- systems ist, wird natürlich auch diese Thematik in ihrem Buch oftmals kritisch betrach- tet. Dieses Bild der Pflege möchte ich auf den folgenden Seiten darstellen und mit Textzitaten des Buches belegen. Dabei wird unter anderem die Darstellung des vermit- telten Bildes der Pflege in verschiedenen Situationen, Aufgabenbereichen oder auch die Interaktion mit anderen Berufsgruppen oder Angehörigen sowie die Stellung der Pflege innerhalb des Gesundheits- und Krankenhaussystems eine zentrale Rolle einnehmen.

Pflege aus verschiedenen Blickwinkeln

Wie bereits erwähnt schilderte Sonia Mikich in ihrem Buch nicht nur ihre eigenen Ansichten sondern ließ auch andere Menschen, welche auf verschiedene Weise mit dem Gesundheitswesen verbunden waren, zu Wort kommen. Somit wurden Sichtweisen verschiedener Blickwinkel auf die Pflege beschrieben. Es bildeten sich vier große Blickwinkel heraus, welche im Folgenden dargestellt werden.

Darstellung der Pflege aus Patientensicht

In Sonia Mikichs Buch sind häufiger Bemerkungen von Patienten eingebaut, die über ihren Krankenhausaufenthalt berichten. Dabei gibt es natürlich auch Schnittstellen mit dem pflegerischen Personal, welche teilweise nachfolgend aufgeführt werden. Im Allgemeinen ist zu sagen, dass das Pflegepersonal oftmals als Ansprechpartner wahrgenommen wird, ob es um medizinische, pflegerische oder logistische Belange geht, ist dabei nicht von Belangen. So beschrieb Sonia Mikich aus ihrem eigenen Kran- kenhausaufenthalt, als sie frühzeitig aus dem Wochenendausgang wieder ins Kranken- haus kam, weil sich ihr Zustand verschlechterte, beispielsweise: „Eine einsame Schwes- ter wird von meinem Mann bedrängt, doch schnell einen Arzt zu rufen“ (S.20). Dies liegt wahrscheinlich daran, dass die Schwestern und Pfleger als nahbarer wahrgenom- men werden, als z.B. das ärztliche Personal. Möglicherweise auch deshalb, weil man mit Pflegenden in ganz anderen Situationen im Krankenhausalltag aufeinander trifft, wie z.B. bei der Körperpflege, wo Schamgrenzen überwunden werden müssen. So be- richtete Sonia Mikich z.B.: „Niemand im Krankenhaus kommt einem Patienten so nah wie ein Krankenpfleger, eine Krankenschwester“ (S. 133). Wenn man einen Fremden so nah an sich heran lassen muss, kann man auch mit anderen Bedürfnissen und Problemen auf ihn zugehen. Es wird ein gewisses Vertrauensverhältnis aufgebaut, da man als Pfle- gekraft die Defizite der Patienten, unbedeutend ob intim oder körperfern, ausgleicht. In diesem Zusammenhang äußerte sich Mikich über die Tätigkeitsfelder der Pflege wie folgt: „Über Tage und Wochen bringen sie Medizin, Ernährung, Sauberkeit. Sie sorgen für gutes Liegen oder Sitzen, sie können Blasenkatheter setzen, Darmeinläufe machen, eine Magensonde legen […]. Sie können Wohlergehen spenden, Versorger, Beschützer und Vermittler sein - im Idealfall.“ (S.133). Mikich konkretisierte die Beziehungen zwischen Patienten und Pflegepersonal weiter: „Ich erlebte sie auch als heimliche Ver- bündete, wenn Komplikationen auftauchten. Sie besorgten besser verträgliche Pillen, sie holten fix die Salbe gegen den fürchterlichen Herpes, den ich nach meinen Medikamen- tencocktails bekam.“ (S. 133). Durch die Zuwendung der Pflegepersonen zum Patienten ergibt sich demnach für die Pflegekräfte auch die Rolle eines Verbündeten, der kleinere Leiden lindert oder Patienten im Kampf gegen fragliche medizinische Aspekte unter- stützt. Dazu Mikich: „Wir tauschten tiefe Seifenoper-Blicke aus bei der Chefarzt-Visite, die besagten: Ärztliche Analysen gelten dem >Fall<, das Leben zwischen Bettpfanne und Infusion spielt sich etwas anders ab.“ (S.133). Sie nahm also die Pflege als eine Art klinische Instanz wahr, die mehr dem Patienten, als der Medizin selbst oder dem „Fall“ zugewandt ist. Ihre gefühlte Verbindung zum Pflegepersonal ging so weit, dass sie schrieb: „[…] manche Pflegekräfte wurden mir mit der Zeit so vertraut, wie eine echte Schwester.“ (S.133). Durch das notwendige Eindringen der Pflege in die Privatsphäre der Patienten, wodurch die Erschließung von Bedürfnissen und Gefühlen erfolgt, kann folglich ein Ausbau der zwischenmenschlichen Beziehung auf mehreren Ebenen statt- finden. Diesen Aussagen zufolge zeichnet sich eine Pflegekraft durch Offenheit gegen- über anderen Menschen, einer ausgeprägten Sozialkompetenz und einem Sinn für Menschlichkeit sowie Hilfsbedürftigkeit aus.

Ein wichtiges Instrument im Krankenhausalltag, nicht nur zur Erfüllung pflegerischer Aufgaben, ist die Kommunikation. Doch Kommunikation wird, so macht es in der Kli- nik manchmal den Anschein, rudimentär eingesetzt, was die Patienten ebenfalls bemer- ken. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass persönliche Gespräche mit dem Patienten fehlen oder die Absprachen unter den Abteilungen sowie stationsintern nicht zielfüh- rend sind. So berichtete auch Sonia Mikich über einen Besuch in der Röntgenabteilung, bei welchem die Kommunikation zwischen einer Schwester der Station und der Rönt- genabteilung nicht funktionierte. Auf Nachfragen an die Schwester der Station, an wen man sich in der Abteilung wenden solle, hieß es: „Da sind Überwachungskameras, da wird man Sie schon wahrnehmen…“ (S.21). Als sie sich im Wartebereich der Radiolo- gie befand, wusste das Personal vor Ort nichts von einer geplanten Untersuchung: „aber prinzipiell sind sie hier richtig“ (S.21) hieß es dort. Eine typische Fehlkommunikation durch mangelnde oder ungenaue Absprachen. Darüber hinaus wurde Kommunikation im Krankenhaus als sehr bürokratisch beschrieben. Wenn die Kommunikation zwischen Mitarbeitern und verschiedenen Abteilungen ausschließlich über Dokumente erfolgt, schleichen sich Fehler ein und der Patient wird nicht mehr als Ganzes gesehen, sondern oftmals nur noch auf sein Anliegen reduziert: „Sie sind die mit dem Blinddarm? Nein, in der Akte, die sie ungeöffnet in der Hand hält, steht worum es geht. Meinen Wurmfort- satz habe ich seit vierzig Jahren nicht mehr.“(S.21). Im Allgemeinen wurde bei Gesprä- chen zwischen Krankenhauspersonal und Patient oftmals die fehlende Menschlichkeit bedauert: „Menschlichkeit ist im System ein Faktor, der sich nicht beziffern und ab- rechnen lässt. Gespräche? Nice to have, aber kein Recht. […] Für aufrichtige Empathie ist keine Zeit, ist kein Personal da.“ (S.35). An dieser Stelle ergibt sich ein Zwiespalt zwischen der sozial kompetenten und menschlichen Pflegekraft und der fehlenden Em- pathie. Demnach ist das Bild der Pflege auch einer situativen Abhängigkeit unterwor- fen.

Sehr oft wurde in Enteignet die Wahrnehmung des Pflegeberufs aus Sicht des Patienten als sehr anstrengend und unterbezahlt beschrieben: „Die Schwestern dürfen sich seit 2004 Gesundheitspflegerin nennen, was ihren Beruf aber nicht besser bezahlt oder we- niger anstrengend macht.“ (S.26). Die Änderung der Berufsbezeichnung geht mit der Erweiterung des pflegerischen Tätigkeitsfeldes einher, was die berufliche Überlastung nicht mindert: „ […] als ob nicht jetzt schon 1001 Ansprüche täglich auf sie einpras- seln.“ (S.134). In anderen Textstellen hieß es: „Ich traue mich selten, den >Persönlichen Service< zu verlangen, das kommt mir verwöhnt und egoistisch vor angesichts der deut- lichen Überlastung des Pflegepersonals.“(S.26). In der schon beschriebenen Situation, in der die Patientin Mikich niemanden in der Röntgenabteilung vorfand und ihr Ehemann schließlich auf der Station nachfragte, wurde eine Aussage der diensthabenden Pflegekraft dokumentiert: „[…] sie könne die Station nicht verlassen und mit ihm su-chen, es sei zu viel zu tun […]“ (S.21).

[...]

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Details

Titel
Beschreibung des gesellschaftlichen Bildes von beruflicher Pflege anhand von "Enteignet – Warum uns der Medizinbetrieb krank macht"
Hochschule
Ernst-Abbe-Hochschule Jena, ehem. Fachhochschule Jena  (Fachbereich Sozialwesen)
Veranstaltung
Professionelles Handeln in der Pflege
Note
2,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
17
Katalognummer
V337543
ISBN (eBook)
9783668268845
ISBN (Buch)
9783668268852
Dateigröße
728 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
pflege, enteignet, medizinbetrieb, mikich, Pflegebild
Arbeit zitieren
Andre Günther (Autor:in), 2014, Beschreibung des gesellschaftlichen Bildes von beruflicher Pflege anhand von "Enteignet – Warum uns der Medizinbetrieb krank macht", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/337543

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