Ist die kurzfristige Verbesserung der Beweglichkeit durch Bandgeführte Bewegungen größer als durch Dynamisches Dehnen?


Bachelorarbeit, 2015

82 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

1 Problemstellung

2 Theoretische Hintergründe
2.1 Beweglichkeit
2.2 Dehnen
2.3 Dehnmethoden
2.4 Dynamisches Dehnen
2.5 Belastungskomponenten des Dynamischen Dehnens
2.6 Bandgeführte Bewegungen
2.7 Gelenkbehandlung in der Therapie

3 Experimenteller Teil
3.1 Untersuchungsdesign
3.2 Instrumente und Verwendung
3.3 Tests
3.3.1 Acti ve-straight-leg-raise-Test (ASLR)
3.3.2 Test für die Dorsalextension im oberen Sprunggelenk (DE OSG) ..
3.4 Stichprobenkonstruktion
3.5 Versuchsablauf
3.6 Statistische Analysen

4 Ergebnisse
4.1 Verbesserung der maximalen Bewegungsreichweite
4.2 Unterschied Bandgeführte Bewegungen und D ynamisches Dehnen

5 Diskussion

6 Anhang

I. Spanngurt

II. Gummibänder

III. Markerpunkte an Person

IV. Spanngurt zur Fixierung

V. Plyoboxen

VI. Test ASLR

VII. Test DE OSG

VIII. Übung Hüftflexion

IX. Übung DE OSG und Hantelscheibe

XII. Kinovea Winkeleinzeichnung

XIII. Tabellen zum SPSS Output t-Test für abhängige Stichproben

XIV. Tabellen zum SPSS Output t-Test für unabhängige Stichproben

XV. Probanden Einwilligungserklärung

Literaturverzeichnis

Internetquellen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1. Versuch einer dimensionsanalytischen Strukturierung der Beweglichkeit (Hillebrecht, 2013, S. 42)

Abbildung 2: Standardnormalverteilung (Wydra, 2004, S. 4)

Abbildung 3: Der Muskel als Modell (Schünke, Schulte, & Schumacher, 2011, S. 58)

Abbildung 4: Aufbau eines Sarkomers (Schünke, Schulte, & Schumacher, 2011, S. 59)

Abbildung 5: Dehnungsgrad und Filamentüberlappung (Wiemann & Klee, Die Bedeutung von Dehnen und Stretching in der Aufwärmphase vor Höchstleistungen, 2000, S. 7)

Abbildung 6: Spannungsänderung und Längenzunahme eines Muskel-Sehnen- Komplexes (Taylor et al., 1990 in Wydra, 1997, S. 411)

Abbildung 7: Platzierung der Dehnungsmethoden bei den verschiedenen Treatments (Klee, 2003, S. 161)

Abbildung 8: Bandgeführte Distraktion - Oberschenkelrückseite (Starrett, 2014, S. 352)

Abbildung 9: Gelenk-Behandlung (Streeck, Focke, Klimpel, & Noack, 2006, S. 4)

Abbildung 10: Hüft-Traktionsbehandlung (Streeck, Focke, Klimpel, & Noack, 2006, S. 180)

Abbildung 11: Schematische Darstellung des Testraumes

Abbildung 12: Versuchsplan

Abbildung 13: Bandgeführte Bewegung im oberen Sprunggelenk (Starrett, 2014, S. 385)

Abbildung 14: Mittelwerte und Standardfehler (SE) in Winkelgrad [°] vor und nach der Intervention. ASLR (Active straight leg raise); DE OSG (Dorsalextension im oberen Sprunggelenk); BB (Bandgeführte Bewegung); DD (Dynamisches Dehnen)

Abbildung 15: Abbildung der Konfidenzintervalle für die Mittelwerte aus den zwei unabhängigen Stichproben Bandgeführte Bewegung (BB) und Dynamisches Dehnen (DD) - Hüftflexion

Abbildung 16: Abbildung der Konfidenzintervalle für die Mittelwerte aus den zwei unabhängigen Stichproben Bandgeführte Bewegung (BB) und Dynamisches Dehnen (DD) - Dorsalextension im oberen Sprunggelenk

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Mittelwerte der Stichprobe und Standardabweichung (SD)

Tabelle 2: Erhobene Messwerte

Tabelle 3: Korrelatione n der Messwertreihen zwischen prä- und post-Test

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zusammenfassung

Ziel dieser Arbeit war es herauszufinden, ob die von Kelley Starrett populär gemachten „Bandgeführten Bewegungen“, Vorteile gegenüber herkömmlichem Dynamischen Dehnen aufweisen. Dabei wurde die kurzfristige Verbesserung der Beweglichkeit betrachtet. Um die Beweglichkeit zu verbessern, werden in der Manuellen Therapie Techniken verwendet, die die Behandlung des gelenkumschließenden Kapselgewebes mit einbeziehen. Die Bandgeführten Bewegungen konzentrieren sich ebenfalls auf die Behandlung von Restriktionen in der Gelenkkapsel und nicht nur auf die Dehnung des Muskels. Somit sollen durch das voneinander Entfernen der Gelenkspartner während der Dehnbewegung noch größere Erfolge beim Beweglichkeitstraining möglich sein. Einer Klumpenstichprobe von gesunden, schmerzfreien Crossfit-Sportlern (n=19) wurden die beiden Methoden „Bandgeführte Bewegungen“ und „Dynamisches Dehnen“ der rechten bzw. linken Körperhälfte zugelost und eine Übung zu der jeweiligen Methode durchgeführt. Vor und nach diesen Interventionen, welche eine Verbesserung der Hüftflexion und der Dorsalextension im oberen Sprunggelenk bewirken sollten, wurde die maximale Bewegungsreichweite mittels des „acitve-straight-leg-raise tests“ in der Hüfte und eines Ausfallschrittes im Sprunggelenk gemessen. Es konnte nachgewiesen werden, dass beide Methoden zu einer signifikanten Verbesserung der Beweglichkeit führten (p<0.01). Verglich man die Erfolge beider Methoden, so konnte für die Übung zur Verbesserung der Hüftflexion kein signifikanter Unterschied festgestellt werden. Bei der Sprunggelenksübung konnten durch die Bandgeführten Bewegungen signifikant größere Erfolge verzeichnet werden als durch Dynamisches Dehnen, allerdings mit nur geringer Teststärke. Es wird vermutet, dass die komplexen Techniken aus der Therapie nicht durch ein einfaches Gummiband imitiert werden können - dieser Ansatz aber, vielversprechend ist und weiterverfolgt werden sollte.

Abstract

The aim of this study was to find out whether the banden flossing - popularized by Kelly Starrett, shows significant advantages compared to the more traditional dynamic stretching.

In this process, the short-term improved mobility was observed.

In manual therapy, specific techniques including the treatment of the surrounding capsular tissue are used. The banden flossing also concentrates on the treatment of restrictions in the joint capsule and not only on the stretching of the muscle. During the stretching-method, the joint parts move away from each other, possibly allowing a greater success in the mobility training. Cluster samples from healthy and pain-free Crossfit-sportsmen and women (n=19) were drawn randomly in the right or left side of the body and both techniques, namely „banden flossing“ and „dynamic stretching“, were applied. The test persons each had to do one exercise using each technique. Before and after these interventions which aimed at an improvement of the hip flexion and dorsal extension in the upper ankle, the maximum range of mobility was measured by using the actice-straight- leg-raise-test for hip flexion and the weight-bearing lunge for the ankle movement. It could be established that in both methods, the mobility is significantly improved (p<0.01). A comparison of both methods with regard to the improvement of the hip flexion showed no significant difference. In the upper ankle exercise using banden flossing, a significantly greater success than when using dynamic stretching was measured, however with less test power.

It can be assumed that the complex techniques used in manual therapy cannot simply be imitated by a simple elastic band. However, this approach is highly promising and should be pursued.

Einleitung

Beweglichkeit, dieses Thema steht in der Sportwissenschaft seit je her im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Meinungen spalten sich über die Definition dieses Begriffs sowie über das optimale Training zum Verbessern der Beweglichkeit und über Vor- und Nachteile dieses Trainings - das sogenannte „Dehnen“ - sind viele verschiedene Aussagen zu lesen. Während zu den bekannten Dehnmethoden, wie zum Beispiel dem statischen und dynamischen Dehnen, den CR-AC-Methoden und dem isometrischen Dehnen umfangreiche Literatur vorhanden ist, findet man zu den sogenannten „Bandgeführten Bewegungen“ kaum wissenschaftliche Ausarbeitungen.

Ein aus der Sportart Crossfit weltweit bekannter Trainer und Physiotherapeut, Kelly Starrett, macht die bandgeführten Bewegungen in seinem praxis- orientierten Buch „Become a suple leopard“ seit dem Erscheinungsjahr 2014 populär. Durch die Kombination von altbekannten Dehnübungen und gelenkmanipulierenden Traktions-Techniken aus der Physiotherapie, versprechen die bandgeführten Bewegungen schnelle Erfolge, wenn es darum geht, die Beweglichkeit zu verbessern. Gerade diese schnellen Erfolge, welche Kelly Starrett verspricht, sind für die heutigen Hobby- und Freizeitsportler so verführerisch und damit von sportwissenschaftlicher Bedeutung. Die Erfahrung des Autors als Trainer zeigt, dass diese Zielgruppe wenig Zeit, neben dem Training der konditionellen Fähigkeiten, in das Trainieren von Beweglichkeit und Koordination investiert. Um einen Anreiz zum Trainieren der Beweglichkeit zu schaffen, sind Methoden, welche schnelle Erfolge versprechen, also besonders attraktiv. Der Begriff bandgeführte „Bewegung“ deutet bereits darauf hin, dass diese Methode den dynamischen Dehnmethoden zuzuordnen ist und somit auch als aktivierende, vorbereitende Maßnahme für sportliche Aktivität genutzt werden kann. Laut Kelly Starrett (Vgl. 2014 S. 215) können bandgeführte Bewegungen also die Beweglichkeit erhöhen und gleichzeitig auf das Training vorbereiten. Dies sind überzeugende Argumente, welche jedem Trainer die Arbeit erleichtern und Trainierende motivieren, trotz Anstrengung ihre Beweglichkeit verbessern zu wollen.

Die folgende Arbeit vergleicht herkömmliches dynamisches Stretching mit den bandgeführten dynamischen Bewegungen, um so deren Effektivität, bezogen auf die Verbesserung der Beweglichkeit, beurteilen zu können und den wissenschaftlichen Horizont im Bereich des Beweglichkeitstrainings zu erweitern.

1 Problemstellung

Ausgehend von einer vorbereitenden Maßnahme, wie man sie innerhalb einer Trainingseinheit oder eines Aufwärmprogramm durchführt um die Beweglichkeit zu verbessern, müssen die Dehneffekte im Hinblick auf zeitliche Dimensionen unterschieden werden. Unterschieden werden die Effekte des Kurzzeitdehnens und des Langzeitdehnens (Klee & Wiemann, 2004). Bei den Dehnmaßnahmen der bandgeführten Bewegungen erscheint es sinnvoll, sich auf die Effekte des Kurzzeitdehnens zu fokussieren, da sie, wie oben beschrieben, als Aufwärmprogramm durchgeführt werden.

Es stellt sich also die Frage: ist der kurzfristige Beweglichkeitszugewinn durch bandgeführte Bewegungen größer als der kurzfristige Beweglichkeitsgewinn durch dynamisches Dehnen?

Im Folgenden wird der theoretische Teil darstellen, wie die Fragestellung zustande kam und wie der aktuelle Forschungsstand des Themas ist. Im Anschluss widmet sich die Arbeit dem praktischen Teil und beschreibt, wie durch ein Experiment die Effektivität der bandgeführten Bewegungen getestet werden kann. Im Ergebnisteil werden die Daten des Experiments einer statistischen Auswertung unterzogen und die bandgeführten Bewegungen dem dynamischen Dehnen gegenübergestellt. Hier wird deutlich ob durch die bandgeführten Bewegungen der gewonnene Beweglichkeitsgewinn signifikant größer ist als durch dynamische Dehnmethoden. Im letzten Teil, dem Diskussionsteil, wird das methodische Vorgehen reflektiert und die aus der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse in den aktuellen wissenschaftlichen Kontext eingeordnet.

2 Theoretische Hintergründe

Ausschlaggebend für das Thema dieser Arbeit waren die verschiedenen Mobilisations-Techniken, welche Kelly Starrett in seinem Buch „Become a souple Leopard“ vorstellt. Besonders das „banded flossing“ bzw. die bandgeführten Bewegungen fanden im Crossfit und sogar im Fitnesscenter großen Anklang. Starrett beschreibt diese Vorgehensweise, als die leichteste Methode, um Muskelverhärtungen zu behandeln. Nach seiner Darstellung wird auf diese Weise die Gelenkstellung mit einem Widerstandsband optimiert. Möchte man seine Beweglichkeit verbessern, so ist die Gelenkkapsel der erste Bereich, auf dem man sein Augenmerk richten sollte. Sie kann ebenfalls wie Muskeln verhärten und adaptiv verkürzen und dadurch den Bewegungsradius des Gelenks einschränken. Mit einem elastischen Band lässt sich der Abstand der Gelenkpartner kurzfristig vergrößern (Distraktion), um so Beeinträchtigungen der Gelenkkapsel zu behandeln. Das Gewebe der Gelenkkapsel ist so dick und stabil, weshalb zusätzlicher Zug nötig ist. Jeder Sportler kann mit Hilfe eines Widerstandsbandes die Abstandsfläche der Gelenkpartner kurzfristig erhöhen und dadurch eine Distraktion erreichen, eine Technik, die Physiotherpeuten manuell anwenden (Vgl. Starrett, 2014, S.208-215).

Es stellt sich somit die Frage, was im Unterschied zur therapeutischen Arbeit, diese Methode im Trainingsbereich bewirkt? Wenn das Wort Beweglichkeit fällt, denkt der Sportler an das Dehnen von Muskeln. Die Mitbetrachtung bzw. - beachtung des Gelenks und der gelenkumspannenden Strukturen ist etwas, was anscheinend bisher nur in der Therapie gemacht wurde. Liegt hier eine Möglichkeit die Beweglichkeit und Bewegungsreichweite noch schneller zu verbessern als mit den bereits bekannten Methoden, welche das Augenmerk in ihren Beschreibungen hauptsächlich auf die Muskulatur legen? Um diese Frage beantworten zu können, müssen erst grundlegende Begriffe erläutert und operationalisiert werden.

2.1 Beweglichkeit

Freiwald (2009) beschreibt in seinem umfangreichen Lehrbuch die Beweglichkeit als die maximal mögliche Amplitude in einem Gelenk.

Im Gegensatz dazu stellt er den Begriff der Bewegungsreichweite als die maximale Reichweite von Bewegungen dar, die sich aus der Einzelbeweglichkeit vieler Gelenke zusammensetzen. „Die Bewegungsreichweite setzt sich aus der Gelenksamplitude vieler Gelenke zusammen und ist nicht nur von der Gelenksbeweglichkeit abhängig, sondern auch von der Kraftentwicklung der agonistischen Muskulatur und von dem Widerstand der antagonistischen Muskulatur sowie von Bänder, Kapseln und anderen Faktoren der Beweglichkeit“ (Freiwald, 2009, S.20).

Weiterhin distanziert sich Freiwald von den Begriffen der Mobilisi erung und Mobilisation, welche Starrett in seinen Darstellungen in den Mittelpunkt stellt. Nach Freiwald werden diese Begriffe in der Physiotherapie zur Kennzeichnung von aktiven und passiven therapeutischen Maßnahmen verwendet, welche überwiegend aus Erfahrung entwickelt wurden und über keine ausreichende wissenschaftlich abgesicherte Grundlage verfügen (Vgl. Freiwald, 2009, S.20- 21). Spezifisch erwähnt werden Bewegungen unter Traktion, um z.B. Gelenkblockierungen zu beeinflussen, sowie Gleit- und Traktionsmobilisation (Translationen) zur Verlängerung des kollagenen Gewebes bei strukturellen Bewegungseinschränkungen der Gelenkkapsel. Inhaltlich also genau das, wovon Starrett überzeugt ist.

In ihrem Buch „Trainingslehre - Trainingswissenschaft“ beschreiben Schnabel, Harre und Krug (2009, Vgl. S 145) Beweglichkeit als den Bewegungsspielraum, der in den Bewegungen und Stellungen (Haltungen) der verschiedenen Körpergelenke und -regionen vorhanden bzw. erreichbar ist. Zu unterscheiden sind zwei Aspekte:

- Aktive Beweglichkeit: Amplitude, die in einem Gelenk oder Gelenksystem

durch die Aktivität der für die betreffende Bewegung oder Haltung relevanten Muskeln erreichbar ist (Bsp: Vorhochschwingen des gestreckten Beins)

- Passive Beweglichkeit: unter Einwirkung äußerer Kräfte erreichbare Amplitude in einem Gelenk oder Gelenksystem (Bsp: Wirkung der Schwerkraft beim Spagat auf dem Boden)

Grundlagen und Abhängigkeiten Determinanten der Beweglichkeit sind die Dehnbarkeit der Muskeln und des Bindegewebes und unter Umständen des Nervengewebes, die Kraftfähigkeit der bei der Bewegung oder Haltung nötigen, aktiven Muskeln und der Bau der Gelenke, wobei die Stellung der Gelenkflächen, die die Freiheitsgrade des Gelenks bestimmen, im Wesentlichen durch den Gelenkstyp1 festgelegt ist und nur geringe individuelle Unterschiede aufweist (Vgl. Schnabel, Harre, & Krug, 2009, S. 145-146).

Ergänzend bringt Hillebrecht (2013) mit seinem Versuch einer dimensionsanalytischen Strukturierung weitere Faktoren, die die Beweglichkeit beeinflussen.

Die Abbildung unten zeigt deutlich, wie komplex das System der Beweglichkeit ist. Hillebrecht (2013) betont, dass die Gelenkeigenschaften insofern eine Rolle spielen, als dass sie die endgradigen Anschläge vorgeben und damit die maximale Bewegungsreichweite definieren. Diese Anschläge seien nicht veränderbar, also können hier keine Ansätze für die Verbesserung der Beweglichkeit gesucht werden. Die externen Faktoren Temperatur, Alter, Geschlecht und Tageszeit sollen nur der Vollständigkeit halber genannt werden. Letztendlich beziehen sich diese auch wieder auf neuronale Faktoren und elastischen Eigenschaften. So verändert beispielsweise die Temperatur die elastischen Eigenschaften von Gewebestrukturen. Besonders die neuronalen Faktoren, wie die Reflexe, die psycho-physiologische Aktivierung und Schmerz sowie die elastischen Eigenschaften von kontraktilen Elementen (Aktin, Myosin, Titin) und passivem, kollagenen Gewebe wie das der Sehnen, Bänder und Faszien (Muskelhüllen) würden vor allem die kurzfristige Beweglichkeit determinieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1. Versuch einer dimensionsanalytischen Strukturierung der Beweglichkeit (Hillebrecht, 2013, S. 42)

Nach der Diskussion dieser verschiedenen Ansätze, stellt sich die Frage nach der Bedeutung der Beweglichkeit im Alltag und im Sport. Es kann davon ausgegangen werden, dass die maximale Bewegungsreichweite im Alltag nicht genutzt wird und Beweglichkeitseinschränkungen von einem gesunden Menschen subjektivgar nicht wahrgenommen werden. Außerdem sind wir in der Lage, bei kleinen Einschränkungen in einem Gelenk, diese mit der Beweglichkeit anderer Gelenke auszugleichen. So kann zum Beispiel bei eingeschränkter Beweglichkeit der ischiocruralen Muskulatur beim Aufheben eines Gegenstands zusätzlich die Brustwirbelsäule gebeugt werden. Anders ist es im Sport: die Beweglichkeit muss soweit ausgeprägt sein, dass alle sportlichen Techniken der jeweiligen Sportart unter Berücksichtigung der individuellen Voraussetzungen, Techniken und Taktiken problemlos ausgeführt werden können (Freiwald, 2009). Als prominentes Beispiel eignet sich hier die einfache Kniebeuge. Sie ist ein sehr geeignetes Werkzeug zur Diagnose von Beweglichkeitseinschränkungen. Mangelt es beispielsweise an Beweglichkeit im Hüftgelenk, passiert es sehr häufig, dass der Oberkörper in der tiefen Position stark nach vorne gebeugt wird. Die Kraftverteilung ist dann jedoch nicht optimal. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob die normale Kniebeuge überhaupt eine sportliche Bewegung ist, da sie im Alltag eigentlich sehr häufig vorkommt: z.B. das Hinsetzen und Aufstehen von einem Stuhl. Doch dies ist eher eine Bewegungs-Philosophische Frage und sprengt den Rahmen dieser Arbeit.

Viel praxisrelevanter Interessanter ist die Frage, ab wann eine Beweglichkeitseinschränkung vorliegt oder was das „Normalmaß“ an Beweglichkeit ist? Im therapeutischen Bereich verfügt man über diese Normwerte. Sie sind das Ergebnis von Erfahrungen und Fachwissen renommierter Orthopäden und Krankengymnasten. Doch genau hierin sieht Wydra (2004:) genauso wie Freiwald (2009:) die Problematik. Die Richtwerte, wie sie z.B. Janda (2000:) durch seine „Neutral-0-Methode“ beschreibt, seien nicht das Abbildung 2: Standardnormalverteilung (Wydra, 2004, S. 4)

Resultat empirischer Forschung, sondern das Resultat heuristischer Setzungen, die auf Erfahrungswerten beruhen und keine geschlechts-, alters- und sportartspezifischen Unterschiede berücksichtigten (Vgl. Wydra, 2004). Beide, Wydra und Freiwald, lehnen sich an den Kategorien der Minimal-, Majoritäts-, Optimal-, und Spezialnorm an, welche Israel bereits (1983) vorstellt. Diese werden im Folgenden erläutert:

Majoritätsnorm: Sie ist entsprechend dem mittleren Bereich einer Normalverteilung definiert. Sie repräsentiert 68,27% der Menschen (Mittelwert plus/minus 1 Standardabweichung). Ausführlicher an der Abbildung der Gauß´schen Normalverteilung:

Spezialnorm: Sie gilt als Voraussetzung für besondere Leistungen im Leistungssport. Statistisch gesehen fallen diese Werte in den Bereich oberhalb der zweifachen Standardabweichung und repräsentieren weniger als 2% der Gesamtbevölkerung. Beispielsweise Balletttänzer benötigen eine spezielle Beweglichkeit für die Ausführung ihrer Sportart.

Minimalnorm: Die Minimalnorm stellt die Beweglichkeitswerte dar, welche besser als die schlechtesten 16% der Gesamtbevölkerung (linke Seite der Verteilung) sind. Sie entspricht nicht der allgemeinen Norm eines gesunden Menschen, stellt für Patienten, also Kranke, das Mindestmaß an Beweglichkeit dar, um die wichtigsten alltäglichen Abläufe selbstständig durchführen zu können (Freiwald, 2009:).

Optimalnorm: Die Optimalnorm repräsentiert 16% der Bevölkerung (rechte Seite der Verteilung) und schließt die Spezialnorm ein. Während für Minimalnormen, Majoritätsnormen und Spezialnormen empirische Werte zugänglich sind, ist für die Setzung von Optimalnormen die Kenntnis der Gesetzmäßigkeiten zwischen Gesundheit und Adaptationsvorgängen Voraussetzung. Wenig überzeugend sind für Israel (1990) deshalb die Versuche, Idealnormen dadurch festzulegen, dass die Majoritätsnorm mit einem pragmatisch-plausiblen Zuschlag versehen und als Normativbezeichnet wird. Optimalnormen im gesundheitlichen Kontext beinhalten immer auch eine positive Vorhersage gesundheitlich relevanter Zielgrößen: Lebenserwartung, Reduzierung von Beschwerden, Gewinn an Lebensqualität etc. Solche Zusammenhänge sind aber gegenwärtig für den Bereich körperlicher Aktivität und Gesundheit noch wenig erschlossen (Vgl. (Wydra, 2004, S. 4).

Der Normbegriff muss also differenziert betrachtet werden. Aussagen zur Majoritätsnorm sind wissenschaftlich belegbar, während Werte zur Optimalnorm wissenschaftlich nur schwer zugänglich sind. Dazu wären umfangreiche epidemiologische Untersuchungen notwendig und eine hinreichend große Stichprobe (mehr als 1000 Versuchspersonen), welche über einen längeren Zeitraum (mehrere Jahre) beobachtet wird (Wydra, 2004:). So sollten) Normwerte zwar immer berücksichtigt werden, dürfen aber niemals zur alleinigen Richtschunr werden.

Sollte jedoch der Bedarf an einem größeren Maß an Beweglichkeit deutlich werden, sind Dehnübungen oder allgemeiner formuliert, Technicken angebracht, welche das Beweglichkeitsmaß erhöhen.

In den nächsten Abschnitten werden der Begriff des Dehnens operationalisiert und physiologische Effekte des Dehnens, die zur Verbesserung der Beweglichkeit führen erklärt.

2.2 Dehnen

„Dehnen ist ein Vorgehen, mit dem vielfältige Trainings- und Therapieziele verfolgt werden…Ein besonders bedeutsames Trainings- und Therapieziel ist die Erweiterung der Beweglichkeit (Freiwald, 2009, S. 18).“

Um die physiologischen Anpassungseffekte des Dehnens zu verstehen, sind antomische Grundkenntnisse der Muskulatur notwendig. Die Muskulatur besteht aus kontraktilen und bindegewebigen Anteilen, wobei letzterer bis zu ca. 30% ausmachen kann (Schünke, Schulte, & Schumacher, 2011: ). Wird die Muskulatur gedehnt, wirkt sich das Dehnen nicht nur auf die Muskluatur und den kontraktilen Bereich selbst aus. Darüber hinaus geraten auch Muskelfasern, Muskel-Sehnenübergänge, Sehnen und sowohl inner- als auch außerhalb der Muskulatur liegende Bindegewebe unter Dehnungsspannung (Freiwald, 2009: ).

Folgende Illustrationen verdeutlichen den Aufbau der Muskulatur sehr deutlich und geben einen schematischen Einblick in das innere von Muskelzellen und in die für die Dehnung bedeutsamen Sarkomeren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Der Muskel als Modell (Schünke, Schulte, & Schumacher, 2011, S. 58)

Die Sehne verbindet Ursprung und Ansatz der Muskulatur mit dem Knochen. Die Muskelfaszie umfasst schlauchartig den gesamten Muskel und an dessen Innenwand liegt eine lockere, bindegebeartige Verschiebeschicht, das sogenannte Epimysium an. Zwischen den einzelnen Muskelfasern liegt lockeres Bindegewebe (Endomysium), welches das Verschieben der Muskelfasern, z.B. bei Dehnung, erleichtert. Die Bündel von Muskelfasern werden durch das Perimysium zusammengefasst.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Aufbau eines Sarkomers (Schünke, Schulte, & Schumacher, 2011, S. 59)

Die Muskulatur setzt sich aus den kontraktilen, in Serie geschalteten Sarkomeren zusammen, welche durch Z-Scheiben begrenzt werden. Punkte b) und c) zeigen, wie sich während eines Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus, wie z.B. einer Kontraktion oder Dehnung, die Aktinfilamente um die Myiosinfilmante stülpen und wieder entfernen. Es ist auch sichtbar, dass eine Verlängerung der Muskulatur unterschiedliche Strukturen des Sarkomers und des gesamten Muskels unter Spannung setzen kann. Mitllerweile ist bekannt, dass der größte Teil des muskulären Dehnungswiderstandes aus dem Widerstand der Titinfilamente stammt (Freiwald, 2009: ). Diese Verlaufen zwischen den Z-Linien, haben Verbindungen zu den freien Enden der Myiosinflimante und ziehen parallel zu ihnen. Jeweils sechs Titinfilamente sind dabei einem Myiosinfilament zugeordnet und sie verfügen über mechanische Eigenschaften, die einer Feder entsprechen (Lindel, 2010).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Dehnungsgrad und Filamentüberlappung (Wiemann & Klee, Die Bedeutung von Dehnen und Stretching in der Aufwärmphase vor Höchstleistungen, 2000, S. 7)

Dennoch begeben sich die titinfilamente nach einer Dehnung vollständig in die Ausgangsposition zurück und auch ihre mechanischen Eigenschaften verändern sich nicht. Die Dehnungskurven von Titinfilamenten sind bei wiederholter Dehnung identisch. Zu den Bindegeweben schreibt Freiwald (2009: ): „Die Bindegewebe, die die Muskulatur umhüllen, haben auf die Dehnungsspannung erst dann einen Einfluss, wenn der physiologische Dehnungsbereich eines Sarkomers bis ca. 3,8 µm überschritten ist (ca. 160% der Ausgangslänge des Muskels). Beim Menschen wären solche Dehnungen gar nicht möglich, ohne dass es zu Zerreißungen von Geweben und Luxationen kommen würde.“ Es stellt sich also die Frage: was beim Dehnen geschieht, dass in dess Folge , eine Verbesserung der Beweglickeit eintritt? Um dies zu verstehen, wird zwischen Kurzzeit- und Langzeitdehnen bzw. den kurzfristigen und langfristigen Effekten des Dehnens auf die Bewegungsreichweite unterschieden (Hillebrecht, 2013). Kurzfristige Effekte sind die Folge eines einmaligen kurzzeitigen Dehnprogramms von bis zu 30 Minuten Dauer, wie z.B. zur Vorbereitung auf eine nachfolgende Trainings- oder Wettkampfbelastung. Heute ist weiß man, dass ein Dehntraining kurzfristig zu einer vergrößerten Bewegungsreichweite eines Gelenks führt (wer sagt das). Wiemann und Hahn fanden in ihrem Experiment eine hochsignifikante Verbesserung der Bewegungsreichweite nach durchgeführten Dehnungen (etwa 15 min) um ca. 8% des Ausgangswertes (Wiemann & Hahn, 1997:). Wird eine Muskel-Sehnen-Komplex mehrfach mit konstanter Bewegungsamplitude gedehnt, wie dies beispielsweise beim Einsatz dynamischer Dehntechniken erfolgt, so verringert sich die Dehnungsspannung , während bei wiederholter Dehunung mit konstanter Kraft eine Längenzunahme zu beobachten ist (Vgl. Taylor et al., 1990 zitiert nach Wydra G. , 1997, S. 411).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Spannungsänderung und Längenzunahme eines Muskel-Sehnen- Komplexes (Taylor et al., 1990 in Wydra, 1997, S. 411)

Als Ursache für die kurzfristig, vergrößerte Bewegungsreichweite beschreiben Wiemann und Hahn (1997) die Veränderung der Schmerzrezeption. Die maximal erträgliche Dehnungsspannung erhöht sich, sodass die vergrößerte Bewegungsreichweite nur neuronalen Ursprungs in Verbindung mit der Schmwerzwahrnehmung sein kann. Schönthaler und Ohlendorf (2002) fanden außerdem heraus, dass im Verlaufe einer Dehnung die Aktivierung des Muskels zunimmt und damit weiterer Dehnung entgegenwirkt. Nach mehreren Dehnungen verschiebt sich allerdings die Aktivierung hin zu einer größerern Bewegungsreichweite, was als veränderte Reaktion von Schmerzreflexen interpretiert werden kann. Verändert sich die Schmerzrezeption, könnte die Aktivierung geringer ausfallen, die Bewegungsreichweite könnte ansteigen und die Dehnungsspannung müsste fallen.

„Gemäßer dieser Interpretation wäre eine Verschiebung der Dehungs - Spannungskurve auch durch eine veränderte Schmerrezeption begründbar, da die veränderte Spannungskurve durch verringerte muskuläre Aktivierungen verursacht sein kann (Hillebrecht, 2013, S. 55).“

Im Lauf eines Kurzzeit-Dehnprogramms steigt die Gelenkreichweite also dadurch, dass von Wiederholung zu Wiederholung eine höhere maximale Dehnungsspannung ertragen wird (Wiemann & Klee, 2000).

Langfristige Erfolge durch Dehnen sind Folgen überdauernder Anpassung auf tendo-muskulärer Ebene, die eine Längung der Struktur zur Folge haben (Hillebrecht, 2013). Außerdem konnte in Tierexperimenten eine Hypertrophie der Muskulatur durch Dehnmaßnahmen festgestellt werden. Diese ist auf eine Verdickung der oben erwähnten Titinfilamente zurückzuführen oder auf eine Vermehrung der in Serie geschalteten Sakromere (Klee 2003: ). Diese Erkenntnisse wurden jedoch nur in Tierexperimenten gewonnen, weshalb eine Übertragung der Erkenntnisse auf den Menschen nicht gesichert ist. Da die langfristigen Effekte von Dehnen nicht Teil dieser Arbeit sind, soll an di eser Stelle für detaillierte Informationen auf z.B. Wiemeyer (2002) verwiesen werden.

2.3 Dehnmethoden

Die sportwissenschaftliche Literatur beschreibt fünf verschiedene Dehnmethoden, die sich in der Sportpraxis durchgesetzt haben (Klee & Wiemann, 2004; Freiwald, 2009):

1. Statisches Dehnen/Stretching (SD/SS): die Dehnposition wird mit einer langsamen Bewegung eingenommen und dann längere Zeit (mehrere Sekunden bis Minuten) unbeweglich beibehalten.
2. Dynamisches Dehnen (DD): die Dehnposition wird eingenommen und direkt wieder verlassen und mit kurzen Ausholbewegungen wiederholt eingenommen.
3. AC-Stretching (AC = Antagonist-Contract): bei der AC-Methode geht der Sportler aktiv in die Endposition und hält sie für wenige Sekunden bei (<10 Sekunden). Während des Dehnens ist der Antagonist (Gegenspieler des Zielmuskels) maximal kontrahiert, was zu einer reziproken Hemmung der Zielmuskulatur führt und diese nicht durch unwillkürliche bzw. reflektorische Kontraktionen behindert wird. Somit soll die Dehnposition vertieft eingenommen werden können.
4. CR-Stretching (CR = Contract-Relax): hier wird vor der Dehnprozedur eine maximale isometrische Kontraktion des Zielmuskels durchgeführt (2-10 Sekunden). Nach einer kurzen Entspannungsphase folgt eine statische Dehnung des Zielmuskels. Dadurch soll es zu einer hemmenden Wirkung der Sehnenspindeln auf den Dehnungsreflex kommen (autogene Hemmung), sodass die Zielmuskulatur nicht reflektorisch der Dehnung widersetzt.
5. CR-AC-Stretching: dies ist eine Verknüpfung des CR-Stretchings mit dem AC-Stretching. Beide Wirkungsmechanismen sollen hier gemeinsam eintreten (autogene Hemmung und reziproke Hemmung).

[...]


1 Gelenkstypen: Scharnier-, Kugel-, Zapfen-, Sattel-, Eigelenk

Ende der Leseprobe aus 82 Seiten

Details

Titel
Ist die kurzfristige Verbesserung der Beweglichkeit durch Bandgeführte Bewegungen größer als durch Dynamisches Dehnen?
Hochschule
Technische Universität München
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
82
Katalognummer
V338851
ISBN (eBook)
9783668286580
ISBN (Buch)
9783668286597
Dateigröße
2796 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
verbesserung, beweglichkeit, bandgeführte, bewegungen, dynamisches, dehnen
Arbeit zitieren
Joel Cecilia-Menzel (Autor:in), 2015, Ist die kurzfristige Verbesserung der Beweglichkeit durch Bandgeführte Bewegungen größer als durch Dynamisches Dehnen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/338851

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