„Lass das!“ Verhaltensmodifikation im schulischen Kontext


Examensarbeit, 2016

99 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historischer Exkurs
2.1. Medizinische Verhaltensperspektive
2.2. Behavioristische Verhaltensperspektive
2.2.1. Behaviorismus im 19. Jahrhundert
2.2.2. Behaviorismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
2.2.3. Behaviorismus in den 1950er-Jahren
2.2.4. Behaviorismus in den 1960er-Jahren
2.3. Kognitivistische Verhaltensperspektive
2.4. Neuropsychologische Verhaltensperspektive
2.5. Die aktuelle Perspektive: Verhaltensmodifikation heute
2.5.1. Konsistenz der traditionellen Verhaltensforschung
2.5.2. Der Situiertheitsansatz
2.5.3. Der Situiertheitsansatz und Verhaltensmodifikation

3. Begriffsdefinitionen aus pädagogischer Perspektive
3.1. Verhalten
3.2. Verhaltensstörung
3.3. Intervention
3.4. Verhaltensmodifikation

4. Verhaltensmodifikation als Lernen von Verhalten
4.1. Assoziatives Lernen
4.1.1. Reiz-Reaktions-Lernen
4.1.2. Instrumentelles Lernen
4.2. Kognitives Lernen
4.2.1. Lernen durch Wissensorganisation
4.2.2. Handeln
4.2.3. Problemlösen
4.2.4. Modelllernen
4.3. Situiertes Lernen

5. Steuerbare Verhaltensfaktoren
5.1. Umwelt und Umfeld
5.2. Situation
5.3. Erwartbarkeit von Konsequenzen
5.4. Kognitive Steuergrößen
5.4.1. Selbstwirksamkeit(serwartung)
5.4.2. Wissen
5.4.3. Emotion
5.4.4. Motivation
5.4.5. Selbstbestimmung
5.5. Entwicklungsstand des Kindes
5.5.1. Piaget: Kognitive Entwicklung
5.5.2. Erikson: Persönlichkeitsentwicklung
5.5.3. Kohlberg: Moralentwicklung

6. Diagnostik erwartungsabweichenden Verhaltens

7. Methoden der Verhaltensmodifikation
7.1. Auf Konditionierung basierende Methoden
7.2. Kognitiv orientierte Methoden
7.3. An Modelllernen orientierte Methoden
7.4. An Entspannung orientierte Methoden
7.5. Methode x - Ein Ausblick

8. Fazit

9. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

„Lass das!“ Wer hat diesen Satz nicht schon einmal im Kinderzimmer oder Klassenraum gehört? Der Wunsch und die Notwendigkeit, Verhalten verändern zu können, sind aus der Erziehung nicht wegzudenken. Verhaltensmodifikation ist ein bedeutsames Instrument der Pädagogik, um kindliches Verhalten auch im schulischen Kontext zu regulieren.

Den ersten bewussten Kontakt mit dieser Thematik hatte der Autor dieser Ausar- beitung im Rahmen seiner Tätigkeit als Schulsozialarbeiter bei der Durchführung eines sozialen Gruppentrainings an einer hessischen Förderschule. Seitens der Schulleitung wurde angeregt, das an der Schule etablierte Verstärkersystem in Form eines Tokenprogramms auch in der Waldpädagogik zur Verbesserung der Mitarbeit und des Regel- und Sozialverhaltens zu übernehmen. Also musste ein Tokenprogramm für die speziellen Bedürfnisse der Waldarbeit entwickelt werden, was eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Thema „Verhaltensmodifika- tion“ notwendig machte.

Tatsächlich erwies sich dieser individuelle Verstärkerplan vorerst als sehr effizient im Hinblick auf das Verhalten während der Trainingssitzungen. Langfristig hat sich jedoch in den gemeinsam mit den Klassenlehrerinnen ausgearbeiteten Schul- jahresdiagnostiken gezeigt, dass sich die Erfolge nur situativ im Rahmen des Trainings einstellten und das Unterrichtsverhalten nicht signifikant verbessert wurde. Zudem wurde mit zunehmendem Alter der Kinder deutlich, dass solche Tokenprogramme spätestens mit Einsetzen der Adoleszenz als manipulative In- strumente entlarvt werden und sich die Bereitschaft zum Belohnungsaufschub reduziert. Einzelne Schülerinnen und Schüler1 mussten als ultima ratio von der Gruppe ausgeschlossen werden, da sie völlig grenzenlos agierten und eine Gefahr für sich und andere Jugendliche darstellten. Das einst entwickelte Verstärkersys- tem schien an seine Grenzen gestoßen und von der Entwicklung der Jugendlichen überholt worden zu sein. Im Kontext dieser konkreten Problemstellung wurde das Thema dieser wissenschaftlichen Hausarbeit gewählt, um tiefergehende Einsich- ten in Verhalten und verhaltenssteuernde Faktoren zu gewinnen und somit Verhaltensmodifikation kompetenter durchführen zu können.

In diesem Sinn ist zunächst ein differenzierter Blick auf Verhaltensmodifikation zu richten, um deren pädagogische Dimension zu sondieren. Menschlichem Ver- halten und dessen Beeinflussbarkeit liegen gewisse Gesetzmäßigkeiten zu Grun- de, die sich im Alltagsverhalten abzeichnen (vgl. Edelmann / Wittmann, 2012, 58f., 96): Beispielsituationen sind Fernsehwerbung, die menschliches Konsum- verhalten beeinflusst, ein schreiender Säugling, der zum Stillen auffordert oder Arbeitsmodelle wie das Akkordarbeitsmodell, welche unser Arbeitsverhalten mo- difizieren. Doch haben wir uns bei dieser globalen Perspektive auf Verhaltensmo- difikation nicht weit vom schulischen Kontext entfernt? Das Gegenteil ist der Fall: Die genannten alltäglichen Beispiele für Beeinflussungen des Verhaltens haben hohe Relevanz für den schulischen Kontext, da sie demselben Schema fol- gen. Bei der Befriedigung individueller Appetenz bewegt sich der junge Mensch im selben Spannungsverhältnis der Bedürfnisbefriedigung wie alle Menschen und er richtet sein Verhalten auf angenehme Konsequenzen und die Vermeidung un- angenehmer Konsequenzen aus. Diese Erkenntnis hat sich der Mensch seit Jahr- hunderten zunutze gemacht, wie im Rahmen eines historischen Exkurses (siehe Kapitel 2.) verdeutlicht wird. Bereits der Historiker und ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl stellte einst fest: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Ge- genwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten“ (Deutscher Bundestag, 1995, 03183). Da diese Ausarbeitung sich zum Ziel setzt, pädagogische Verhal- tensmodifikation in einem tieferen gegenwärtigen Verständnis zu erschließen, ist es demnach obligatorisch den historischen Kontext von Verhaltensmodifikation zu skizzieren (siehe Kapitel 2.). Auch das Verständnis der verhaltensmodifikatori- schen Begrifflichkeiten hat sich im Laufe der Geschichte gewandelt und schließ- lich zu unserem aktuellen Begriffsverständnis geführt (siehe Kapitel 3.).

Um im pädagogischen Rahmen Schülerverhalten gezielt steuern zu können, müs- sen Gesetzmäßigkeiten menschlichen Verhaltens in einem weiteren Schritt aufge- deckt sowie analysiert und strukturiert werden (siehe Kapitel 4.), um anschlie- ßend Steuergrößen für Verhalten bestimmen (siehe Kapitel 5.) und in Methoden der pädagogischen Verhaltensmodifikation überführen zu können (siehe Kapitel 6.).

Ebenso wie Verhaltensmodifikation im Kontext des lerntheoretischen Ansatzes einen Paradigmenwechsel erfahren hat2, so hat sich parallel auch die Heil- und Sonderpädagogik unter dem Dach der Lerntheorie neu formiert: Die klinischen Laborversuche an behinderten Schülern wurden abgelöst von der Sonderpädago- gik und insbesondere ab den 1970er Jahren von entsprechenden didaktisch und methodisch störungsbildbezogenen Interventionskonzepten (vgl. Hähner, 1997, 30f.). Das störungsspezifische normabweichende Verhalten der Sonderschüler rückte Verhaltensmodifikation in den Fokus der Sonderpädagogik. Blickt man heute in aktuellen heil- und sonderpädagogischen Basislehrwerken auf Störungs- bilder kindlichen Verhaltens und passende Interventionsmaßnahmen, so sieht man den Einbezug von Lerntheorie und Verhaltensmodifikation bestätigt. Exempla- risch wäre die Störung des sozialen und emotionalen Verhaltens, des Lernverhal- tens, der Ängstlichkeit, aber auch des Sprachverhaltens (beispielsweise in Form eines selektiven Mutismus) mit den entsprechenden verhaltenstheoretischen Inter- ventionsmaßnahmen zu nennen. Der Ursprung des Themas dieser Ausarbeitung in der Heil- und Sonderpädagogik und dessen andauernde Verankerung in ihr dürfte somit deutlich geworden sein. Im Kontext der aktuell praktizierten inklusiven Be- schulung von Schülern mit heil- und sonderpädagogischem Förderanspruch er- scheint es sinnvoll, die Auseinandersetzung mit Verhaltensmodifikation nicht - wie von Peter Gräff und Kollegen nahegelegt - durch einen Tunnelblick auf För- derschulen und heilpädagogisches Personal einzugrenzen (vgl. Gräff / Fucks / Pelz, 1976, 1). Daher liegt dieser Ausarbeitung eine schulformübergreifende Per- spektive auf den Gebrauch von Verhaltensmodifikation durch Regelschullehrkräf- te zu Grunde3. Auch Heinz Neukäter betont die große Bedeutung von Verhal- tensmodifikation gleichermaßen für die Pädagogik sowie die Sonderpädagogik (vgl. Neukäter, 2008, 83), während Johann Borchert Verhaltensmodifikation für die Sonderpädagogik als unverzichtbar erachtet (vgl. Borchert, 2000, 146). Daher wird im Rahmen dieser Ausarbeitung überwiegend allgemein von Schule und Unterricht gesprochen und die heil- und sonderpädagogische Relevanz impliziert. Nur bei besonderer heil- und sonderpädagogischer Relevanz wird diese betont.

Verhaltensmodifikation erweist sich folglich als pädagogisch relevantes Thema, dessen verschiedene Facetten im Folgenden genauer analysiert werden.

2. Historischer Exkurs

Pädagogische Verhaltensmodifikation entstand nicht im luftleeren Raum, sodass eine Entwicklung von einem medizinischen Paradigma (vgl. MacMillan, 1975, 23) über ein ethisch teils fragwürdiges heil- und sonderpädagogisches Paradigma4 bis hin zum aktuellen differenzierten lerntheoretischen Paradigma5 (vgl. Edel- mann / Wittmann, 2012, 13; Neukäter, 2008, 84f.) erfolgte. Ein historischer Ab- riss macht in diesem Kontext insofern Sinn, da eine Differenzierung zwischen überholten und aktuell gültigen Vorstellungen bezüglich Verhaltensmodifikation geschaffen wird, aber auch ein Überblick über die Wandlung von Verhaltensmo- difikation samt Irrungen und weichenstellenden Erkenntnissen gewährt wird, der ein tieferes Verständnis ermöglicht. Neben dem in der Einleitung genannten As- pekt der historischen Reflexion im Sinne eines Gegenwartsverständnisses führt Wolfang Jantzen die Notwendigkeit an aus der Geschichte zu lernen, damit im Kontext von Verhaltensmodifikation begangene Fehler nicht wiederholt werden (vgl. Jantzen, 2007, 73).

Auf der Suche nach dem Ursprung von Verhaltensmodifikation führt der ameri- kanische Erziehungswissenschaftler Donald L. MacMillan die lerntheoretischen Prinzipien von Verhaltensmodifikation bis auf die Tempelpsychiatrie der Grie- chen zurück und belegt zudem eine altrömische Aversionstherapie für Alkoholis- mus (vgl. MacMillan, 1975, 22). Im Zuge des mittelalterlichen magischen Den- kens wurde normabweichendes Verhalten seitens der katholischen Inquisition als Zeichen dämonischer Besessenheit gedeutet. Eine Behandlung erfolgte in der Re- gel priesterlich in Austreibungszeremonien. Bei ausbleibendem Erfolg dieser „Behandlung“ wurde nicht selten der oder die Betroffene verbannt oder getötet, um einer Verbreitung dämonischer Mächte entgegenzuwirken (vgl. Dilling / Rei- mer, 2013, 323). Hexenprozesse, Hexenverbrennungen und die Zurschaustellung, Verstoßung und Tötung sogenannter Wechselbälger (vgl. Piaschewski, 1935) sei exemplarisch genannt.

2.1. Medizinische Verhaltensperspektive

Im Jahr 1771 gelang es dem Arzt Friedrich Anton Messmer, offensichtlich psy- chosomatisch bedingte Krankheiten wie Veitstanz6 oder Rheumatismus durch ein Bestreichen des Patienten mit einem magnetischen Stab zu „heilen“. Zu erklären seien diese Heilerfolge weniger durch eine Wiederherstellung des körpereigenen Magnetfeldes, als vielmehr durch eine Entspannung des Patienten während der Behandlung (vgl. MacMillan, 1975, 23). Ambroise-Auguste Liébeault hatte im Jahr 1866 ähnliche Erfolge bei der Behandlung dieser Krankheitsbilder durch Hypnose. Im 20. Jahrhundert leitete Joseph Wolpe aus diesen Erkenntnissen Ent- spannung als notwendige Vorbedingung der Verhaltensmodifikation ab (vgl. a.a.O., 24). Wie diese Beispiele zeigen, liegen die Anfänge der Verhaltensmodifi- kation in medizinischen und psychotherapeutischen Disziplinen.

2.2. Behavioristische Verhaltensperspektive

Ab dem 19. Jahrhundert etablierte sich zunehmend die behavioristische Verhal- tensperspektive, die die Weichen für unser heutiges Verständnis von Verhaltens- modifikation gestellt hat. Da der Behaviorismus sich sehr umfassend mit der Steuerbarkeit von Verhalten auseinandergesetzt hat, ist es sinnvoll, dies chronologisch darzulegen.

2.2.1. Behaviorismus im 19. Jahrhundert

MacMillan erwähnt erstmals ein Beispiel von Verhaltensmodifikation im pädago- gischen Kontext, als der französische Arzt und Taubstummenlehrer Jean Itard zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Wolfskind namens Victor unterrichtete. Um ihn die Aussprache des Wortes „Milch“ zu lehren, ordnete Itard Buchstabenkarten zu dem Wort „Milch“ an, sprach es aus und ließ den Wolfsjungen das Wort nach- sprechen. Gelang dies, wurde Victor mit einem Glas Milch belohnt. Für das da- rauf folgende korrekte Anordnen der Buchstabenkarten wurde Victor ebenfalls mit einem Glas Milch belohnt bzw. positiv verstärkt. Bei starkem Wutausbruch hingegen wurde Victor bestraft durch einen aversiven Reiz, indem Itard ihn kopf- über aus dem Fenster hielt. Daraufhin hob der Wolfsjunge bereitwillig die Karten auf (vgl. MacMillan, 1975, 24).

Im Jahr 1837 veröffentlichte Eduard Seguin, ein Schüler Itards, seine Arbeit über geistig Retardierte. Seguin setzte, wie bereits Itard, auf Verhaltensverstärkung. Dabei legte er den Fokus insbesondere auf positive Verstärkung zur Hemmung künftig falscher Reaktionen. Sein körperliches Übungsprogramm sah beispiels- weise zur Schulung der Wahrnehmungs- und Bewegungskoordination vor, eine Leiter Sprosse für Sprosse herunterzuklettern. Damit die Schüler durch ihre Bles- suren an den Händen nicht für künftige Trainingseinheiten demotiviert wurden, bekamen sie einerseits zum Kühlen der Wunden und als Belohnung für ihre Klet- terversuche einen Apfel in jede Hand (vgl. ebd.). Diese Belohnung des schmerz- haften Trainings reichte aus, um die Bereitschaft der Schüler zur Teilnahme an weiteren Trainingseinheiten aufrecht zu erhalten.

2.2.2. Behaviorismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Auch das 20. Jahrhundert ist für die Verhaltensmodifikation von großer Bedeu- tung. Bereits zu dessen Anfang hatten Iwan Petrowitsch Pawlow das Modell der klassischen Konditionierung und Edward Lee Thorndike das Modell der instru- mentellen Konditionierung entwickelt (vgl. Zimbardo, 2004, 262), die zeigen, dass Verhalten nicht länger rein somatisch, sondern lerntheoretisch begriffen wor- den und für die Pädagogik brauchbar gemacht worden ist (vgl. MacMillan, 1975, 25f.). Bereits damals wurde das Fundament für moderne Verstärkersysteme ge- legt.

Nach MacMillan wurden die im Tierversuch gewonnenen Erkenntnisse der Kon- ditionierung erstmals im Jahr 1920 durch John Broadus Watson im Rahmen einer Angstkonditionierung auf eine menschliche Gefühlsreaktion angewendet. Watson wählte Albert, ein 9 Monate altes, relativ angstfreies Kleinkind für seinen Versuch aus und setzte diesem Probanden eine weiße Ratte vor. Watson konditionierte ein Angstgefühl gegenüber der Ratte, indem er die Berührung der Ratte mit einem lauten metallischen Geräusch koppelte. Durch seine Arbeit erschloss Watson den Begriff des Behaviorismus als wissenschaftliche Disziplin (vgl. MacMillan, 1975, 25). Im Jahr 1924 griff Mary Cover Jones die Arbeit Watsons auf, hatte dabei jedoch nicht die Konditionierung kindlicher Angst, sondern deren Löschung zum Ziel ihrer Forschung gemacht. Sie kam zu dem Ergebnis, dass Angst nicht nur gelernt, sondern auch verlernt werden könne. Sie führt folgende Methoden auf, um Ängste von Kindern zu beheben: Angst höre auf, wenn die angsterregende Situation längere Zeit nicht erlebt werde. Auch durch den verbalen Apell Erwach- sener werde Angst reduziert. Setze man ein Kind häufig einer Angstsituation aus, werde das Angstempfinden gegenüber dieser Situation reduziert. Auch Ablenkung von einer Angstsituation, beispielsweise durch die Begleitung eines Erwachsenen während der Angstsituation, mindere das Angstempfinden. Durch direkte Kondi- tionierung könne Angstempfinden beseitigt werden, wenn die Angstsituation von einem positiven Anreiz begleitet werde. Als letztes Ergebnis ihrer Forschung hielt Mary Cover Jones fest, dass Kinder durch soziale Nachahmung Angst überwin- den, indem sie Kindern begegnen, die keine Angst vor einer bestimmten Angstsi- tuation haben. Bereits im Jahr 1924 werden die direkte Konditionierung und die soziale Nachahmung im Sinne von Modelllernen als effektivste Methoden der Verhaltensmodifikation von Mary Cover Jones genannt (vgl. a.a.O., 26).

Eine Deutung dieser Erkenntnisse hinein in die pädagogische Anwendung bei der Erziehung von Kindern versuchte William Burnham. Den Zweck von Erziehung sah Burnham darin, Kindern eine Aufgabe samt eines Plans zur sinnvollen Bewäl- tigung zu geben, damit die Aufgabe gemäß des Planes in kindlicher Freiheit aus- geführt wird. Fehlangepasstes Verhalten entstehe nach Burnham, wenn eine dieser Voraussetzung nicht erfüllt sei (vgl. a.a.O., 27). Daraus lässt sich ableiten, dass er dem Erziehenden einen großen Einfluss auf die Entstehung fehlangepassten Ver- haltens beimaß. Burnham sprach sich für eine Einübung angepassten Verhaltens sowie für einen Unterricht in kleinen Lernschritten und geringen Misserfolgs- chancen für Schüler aus. Disziplin begriff er als ein „[…] systematisches Bemü- hen um Entwicklung konditionierter Reaktionen auf die Aufgaben der Schule wie des Lebens“ (vgl. MacMillan, 1975, 27). Zur Behandlung fehlangepassten Verhal- tens hielt er Verstärkerreize in Form von Elektroschocks und Drogen sowie Rah- menbedingungen wie eine wohl organisierte Gruppe und einen Therapeuten mit Sinn für Humor für geeignet (vgl. ebd.).

Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden die Methoden der Konditionie- rung verfeinert und weitere Anwendungsbereiche erschlossen. Der russische Wis- senschaftler Kantorovich therapierte 1930 erfolgreich die Charakterstörung Alko- holismus, indem er den konditionierten Reiz „Alkohol“ mit einer negativen Ver- stärkung durch Elektroschocks koppelte (vgl. a.a.O., 28). Im selben Jahr erarbeite- te der sowjetische Kinderarzt Nicolai Ivanovich Krasnogorski in einer Studie, „[…] daß [sic!] die Entstehung von Lernstörungen durch die Diskrepanz zwischen dem Verhaltensrepertoire des Kindes und der Umweltanforderungen zu erklären ist“ (a.a.O., 30). Arthur Jersild und Frances Holmes setzten 1935 die Forschungen von Mary Cover Jones fort und stützten durch eine weitere Studie sowohl Watsons Erkenntnisse über die Erlernbarkeit als auch Jones' Erkenntnisse über die Verlernbarkeit von Angst. Zudem belegten sie empirisch, wovor Kinder am meis- ten Angst7 haben (vgl. a.a.O., 29).

Zur Konditionierung von sogenannten Tics8 bei Stotterern hatte Bernice Ru- therford 1940 eine Studie durchgeführt: Ein programmatisches Einüben der Be- wegung eines Tics konnte diesen bei vielen Kindern kontrollierbar machen (vgl. a.a.O. 30f.). Somit gelang es durch operantes Konditionieren, einen unkonditionierten Stimulus in einen konditionierten zu überführen und hierdurch zu kontrollieren. Ein weiterer Erfolg durch operantes Konditionieren konnte 1949 durch Paul Fuller erlangt werden. Fuller gelang es mittels einer Milchzuckerlösung als Stimulus, die Bewegungshäufigkeit von 0,67 auf über 3 Reaktionen pro Minute bei einem sehr stark retardierten jungen Mann zu erhöhen. Zudem beabsichtigte Fuller durch seinen Beitrag, die Kluft zwischen Tierversuch und Untersuchungen von Menschen zu überbrücken (vgl. MacMillan, 1975, 31).

2.2.3. Behaviorismus in den 1950er-Jahren

MacMillan betont die Bedeutung der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts für die Ver- haltensmodifikation im Hinblick auf die zunehmende Verschiebung des Fokus von Tierversuchen hin zu Versuchen am Menschen. Besondere Bedeutung misst er hierbei dem Psychologen Burrhus Frederic Skinner bei (vgl. a.a.O., 32), der das Modell des operanten Konditionierens zur Erklärung und Modifikation von Ver- halten favorisierte (vgl. Lefrançois, 2015, 95f.). Obwohl John Broadus Watson den Begriff des Behaviorismus etabliert hat, wird am häufigsten Skinner mit be- havioristischer Psychologie in Verbindung gebracht (vgl. a.a.O., 115). Die auf der Basis von Skinners Modells operanter Konditionierung aufbauenden Verstär- kungspläne (vgl. a.a.O., 98ff.) und deren Ausprägungen in Token-Systemen wie beispielsweise dem Smiley-Rennen haben die Pädagogik nachhaltig geprägt (vgl. a.a.O., 109).

Erkenntnisse aus dem operanten Konditionieren wandte auch der Psychologe Jo- seph Sheehan im Rahmen der Sprachtherapie bei einer Redeflussstörung an. Er ließ Stotterer Textpassagen aus 200 Wörtern vorlesen. Indem er unterbrochene Worte erneut vorlesen ließ bis diese unterbrechungsfrei gelesen wurden, gelang es ihm das Stottern zu reduzieren9 (vgl. MacMillan, 1975, 32). Eine weitere Methode zur Hemmung des Stotterns etablierten die britischen Wissenschaftler Cherry / Sayers 1956. Sie stellten fest, dass Stottern bei Personen ohne Redeflussstörung durch ein leicht verzögertes Vorspielen ihrer eigenen Rede ausgelöst wird und machten Rückschlüsse darauf, dass das Hören der eigenen Stimme ein auslösender Reiz für die Redeflussstörung bei Stotterern sei. In Folge dieser Erkenntnis gelang es Ihnen, Stottern durch akustische Ablenkung von der eigenen Stimme mittels Kopfhörern zu beheben10(vgl MacMillan, 1975, 34).

Auch die Untersuchung und Behandlung von Schreibkrämpfen im Experiment von Liversedge / Sylvester profitierte 1955 vom operanten Konditionieren. Durch die negative Verstärkung von Daumenkrämpfen und dem Verlassen vorgegebener Schriftbahnen mittels Elektroshocks gelang es pathologische Muskelreaktionen zu löschen.

In der Verhaltensforschung konnte operantes Konditionieren 1956 durch Nathan Azrin und Ogden Lindsley genutzt werden, um aufzuzeigen, „daß [sic!] koopera- tives Sozialverhalten durch Verstärkungskontingenzen gesteuert und ohne verbale Instruktionen erreicht werden kann“ (vgl. a.a.O., 34f.). Die Ideen einer Angstthe- rapie nach Mary Cover Jones von 1924 griff Joseph Wolpe 1954 auf und richtete sie auf Desensibilisierung aus (vgl. a.a.O., 33). Das Desensibilisierungskonzept Wolpes wiederum wurde 1959 von Arnold Lazarus auf die Kindertherapie ausge- weitet. Lazarus therapierte eine Phobie gegenüber Autos, indem er eine positive Erwähnung von Autos mit Schokolade belohnte (vgl. a.a.O., 35f.). Eine Tierpho- bie therapierte er, indem er ein Kind medikamentös ruhig stellte und dann mit Tieren konfrontierte. Hierbei reduzierte er zunehmend die Dosierung, bis das Kind ohne Medikamente angstfrei reagierte (vgl. a.a.O., 36). Lazarus therapierte zudem erfolgreich ein weiteres Kind, welches Angst davor hatte im eigenen Bett zu schlafen. Der Gedanke an das Bett der Mutter wurde mit Elektroschocks ge- koppelt, die aufhörten, wenn das Kind die Worte „mein Bett“ aussprach (vgl. ebd.). Carl Williams beschrieb ebenfalls 1959 eine ähnliche Situation, in der ein Kleinkind nach längerer Krankheit nicht mehr alleine einschlafen wollte und an- haltend laut schrie, wenn die Eltern das Kinderzimmer verließen. Williams be- handelte diese Trotzreaktion nicht etwa mit Elektroschocks, sondern ermunterte die Eltern stattdessen, das Trotzverhalten ihres Kindes nicht weiter zu verstärken und das Kind erfolglos schreien zu lassen. Nach dem zehnten alleinigen Einschla- fen war das Trotzverhalten komplett gelöscht (vgl. MacMillan, 1975, 36).

2.2.4. Behaviorismus in den 1960er-Jahren

Betrachtet man die 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts, so gesellte sich zu den bislang genannten Lerntheorien der klassischen und operanten Konditionierung nun das Modelllernen nach dem Vorbild Albert Banduras. Auch lag der Fokus der behavi- oristischen Forschung auf der schulischen Brauchbarkeit für Pädagogik und Heil- pädagogik. Die Einsichten in die Methoden therapeutischer Erfolge vorausgegan- gener Dekaden wurden klinisch erprobt und systematisiert. MacMillan selbst merkt an: „Während der 60er Jahre wurde Verhaltensmodifikation >>erwach- sen<< [sic!] […]“ (a.a.O., 44). Theodoro Ayllon gelang es 1962 auf psychiatri- schen Stationen das Sozialverhalten der Patienten zu modifizieren, die sich gegen den Kantinengang sperrten oder diesen gänzlich verweigerten. Unbeabsichtigt hatten die Krankenschwestern durch gutes Zureden das Verhalten der Opportunis- ten verstärkt. Auch das Verhalten der Totalverweigerer wurde unbeabsichtigt ver- stärkt, indem diese das Essen aufs Zimmer gebracht bekamen. Dieser Ausgangs- lage begegnete Ayllon, indem er eine völlig neue Situation schuf: Fortan erhielten die Patienten innerhalb eines sehr begrenzten Zeitfensters Zugang zur Kantine und opportunes Verhalten wurde seitens der Krankenschwestern nicht mehr beachtet. Darauf fanden sich alle Patienten rechtzeitig zum Essen in der Kantine ein. Ayllon gelang es darüber hinaus Essen zum positiven Verstärker umzuwandeln, indem Essen nur noch als Gegenleistung für kooperatives Verhalten gegenüber dem Pflegepersonal verfügbar gemacht wurde. Das Verstärkerverhalten von autisti- schen Kindern wurde 1962 in einer Art Skinnerbox von Charles Ferster und Mari- an DeMeyer erforscht. Autistische Kinder wurden in einen Raum mit einem Münzspender und verschiedenen münzbetriebenen attraktiven Verstärkerappara- ten geschickt. Erste Beobachtungen belegten, dass die Süßwaren- und Spielwa- renautomaten am beliebtesten waren. Als die Forscher die Verstärkerapparate nach einem intermittierenden Programm außer Betrieb setzten und diesen Zustand über eine Signallampe anzeigten, etablierten die Kinder komplexere Verhaltensweisen wie beispielsweise ein Aufsparen der Münzen. Als Ergebnisse ihrer Forschung nannten Ferster und DeMeyer, dass „normale Lernprozesse bei autistischen Kindern nur auf einer sehr elementaren Ebene ablaufen, daß [sic!] sie jedoch durch eine fast völlig automatische Umwelt nach und nach geformt werden könnten; d. h. [sic!] die gleichen Möglichkeiten wären auch im sozialen Milieu gegeben, sofern die richtigen Bedingungen hergestellt werden könnten“ (MacMillan, 1975, 38).

Albert Bandura beobachtete 1962 in einem Versuch zum Modelllernen bei Affen, dass 76% der untrainierten Affen das Problemlöseverhalten der operant trainierten Affen auf Anhieb korrekt nachahmten (vgl. MacMillan, 1975, 38). In einem wei- teren Versuch erforschte Bandura die kindliche Moral und deren Abhängigkeit von Modellen. Zum einen stellte Bandura fest, dass Kinder bis zum siebten Le- bensjahr Handlungen auf der Basis ihrer Wirkung als gut oder schlecht beurteilen, ab dem siebten Lebensjahr jedoch dazu neigen dieses Urteil auf die Absicht der Handlung zu stützen anstatt auf die Wirkung. Durch die der kindlichen Entwick- lung entgegengesetzten Wertungen Erwachsener konnten jedoch Kinder bis sie- ben Jahre zum Urteilen nach der Handlungsabsicht bewegt werden.

In einem weiteren Experiment zeigte Bandura, dass Kinder in Situationen der Frustration dazu neigen, im Film gesehenes Gewaltverhalten nachzuahmen. Allerdings wirkt eine Bestrafung des gewalttätigen Akteurs im Film gewalthemmend, während eine Belohnung des Akteurs der gewaltsamen Handlung zuträglich wirkt (vgl. a.a.O., 38f.).

Herbert Quay leistete 1966 bedeutungsvolle Pionierarbeit für die Pädagogik, in- dem er die Adaption von Methoden der Verhaltensmodifikation für den schuli- schen Kontext überprüfte. Um die Verstärkbarkeit bestimmter Schülerhandlungen empirisch zu überprüfen, stattete er einen Klassenraum als eine Art Skinnerbox aus. Zunächst untersuchte er die Verstärkbarkeit von Aufmerksamkeit im Unter- richt, indem er aufmerksames Verhalten gemäß einem Verstärkungsplan belohnte. Hierzu signalisierte ein Licht auf den Tischen, wenn der Schüler gegenüber dem Lehrer aufmerksames Verhalten gezeigt hatte. Am Ende der Lektion wurde das gewünschte Verhalten mit Süßigkeiten honoriert. Im Ergebnis war zum Ende des Konditionierungszeitraumes die Häufigkeit des Zuhörverhaltens der Schüler sig- nifikant gestiegen (vgl. a.a.O., 39). In einer weiteren Untersuchung widmete er sich der Verstärkbarkeit des Lesens, indem Leistungen im Leseunterricht zunächst unmittelbar mit Süßigkeiten belohnt wurden, die Belohnung später jedoch durch Tokens aufgeschoben wurde (vgl. ebd.). Zur Unterrichtung sozialer Fertigkeiten nutzte Quay zudem Methoden des Modelllernens. Für die Nachahmung eines Er- wachsenen, der zeigt, wie man einen Spielpartner findet, erhielten die Schüler eine Süßigkeit als Belohnung. Daraufhin erprobten sie das gesehene Verhalten untereinander und erhielten auch dafür Süßigkeiten, bis sie befähigt waren, einem gleichaltrigen Kind auf einem Spielplatz mit diesem gelernten Verhalten zu be- gegnen (vgl. MacMillan, 1975, 40).

Elaine und Joseph Zimmermann beschrieben 1962 ein weiteres Beispiel, wie man Schülerverhalten durch die Steuerung von Konsequenzen beeinflussen kann. In ihrer Untersuchung fällt ein Schüler durch schlechte Rechtschreibung auf, der durch die Lehrkraft in Folge dessen besondere Zuwendung erhält. Daraufhin nimmt die Rechtschreibkompetenz des Schülers weiterhin ab. Nun änderte die Lehrkraft ihr Verhalten, ignorierte die Rechtschreibschwäche des Schülers und belohnte fortan gute Rechtschreibleistungen durch Lächeln, freundliche Äußerun- gen und körperliche Nähe. Die fehlangepasste Reaktion des Schülers nahm da- raufhin ab und er bemühte sich künftig um gute Rechtschreibleistungen (vgl. ebd.).

Eine ebenfalls für die Heilpädagogik bedeutsame Untersuchung führte 1964 Frank Hewett an der Universität von Kalifornien durch. Mittels operanten Konditionie- rens durch Bonbons gelang es ihm, dem 13-jährigen autistischen Jungen namens Jimmy das Lesen von 55 Wörtern anhand von Wort- und Bildkarten beizubringen. Interessanterweise setzte Jimmy die Lektion auch dann fort, als die Bonbons leer waren, da scheinbar inzwischen das Lehrerverhalten zum positiven Verstärkerreiz wurde (vgl. a.a.O., 43).

Einen weiteren bedeutsamen Beitrag für die Heilpädagogik und die Praxis der damaligen Sonderschulen lieferte 1964 Ogden Lindsley. Er sah die Retardation des Kindes nicht in dessen mangelnder Befähigung begründet, sondern in der Un- fähigkeit des Pädagogen die kindliche Umwelt den kindlichen Bedürfnissen anzu- passen. Ähnlich einer medizinischen Prothese benötigten retardierte Kinder seiner Ansicht nach Hilfsmittel für die Orientierung in ihrer Umwelt. Je nach Art und Ausprägung der Retardation sei eine prothetische Umwelt im Hinblick auf Infor- mationsreize, reaktionserleichternde Geräte und Verstärker auszugestalten. Umzu- setzen sei dies beispielsweise durch die Nutzung von Bild- und Tonträgern für ausgedehnte Berichte in langsamer Sprechgeschwindigkeit, durch vereinfachte Schreibmaschinen für Hirngeschädigte und durch eine individualisierte Verstär- kung, beispielsweise durch überdeutliche soziale Verstärker (vgl. MacMillan, 1975, 40f.). Lindsleys Vorstellungen der Ausgestaltung einer auf das Individuum zugeschnittenen und differenzierten Lernumgebung kommen heutigem Förder- schulunterricht sehr nahe und erscheinen in diesem Kontext zukunftsweisend.

Ralph Schwitzgebel berichtet 1964 von Erfolgen bei der Verwendung operanter Konditionierung im Rahmen sozialpädagogischer Arbeit in der Umwelt von Ju- gendlichen. Im Rahmen seiner Studie wählte Schwitzgebel Jugendliche mit lan- gem Vorstrafenregister aus, um diese für eine Gegenleistung von einem Dollar pro Stunde zum Reden über ihre Straftaten zu bewegen. Verspätungen wirkte er durch eine Belohnung pünktlichen Erscheinens entgegen. Die Jugendlichen durchliefen bei den Gesprächen in der Regel ein Feindseligkeitsempfinden gegen- über ihren Eltern, gegenüber Gleichaltrigen, gegenüber dem Gesprächsleiter und häufig in einem letzten Stadium der Einsicht und Neuorientierung gegen sich selbst. Ein Vergleich mit einer Kontrollgruppe ergab Jahre später, dass die Häu- figkeit erneuter Straftaten der Versuchspersonen um 50% niedriger lag als bei der Kontrollgruppe (vgl. a.a.O., 41f.). Schwitzgebels Untersuchung ergab, dass Me- thoden der Verhaltensmodifikation erwünschte Verhaltensweisen ebenso in der natürlichen Umwelt des Menschen wie im Labor oder der Schule aufbauen kön- nen (vgl. ebd.). Diese Untersuchungsergebnisse können als Vorläufer der konfron- tativen Pädagogik begriffen werden. Die Steuerbarkeit schulischen Verhaltens bei einem organisch geschädigten Kind wies Gerald Patterson 1965 nach. Der neun- jährige Schüler Earl litt unter einem Gehirnschaden, war schulisch retardiert, mo- torisch sehr unruhig und aggressiv. Um Earls motorische Unruhe zu löschen, wurde eine Lampe auf seinem Tisch installiert, die er selbst steuern konnte. Jedes Mal, wenn das Licht leuchtete, bekam Earl einen Penny. Zudem wurde er zusätz- lich mit Süßigkeiten verstärkt, wenn er sich mit seinem Schulbuch beschäftigte oder dem Lehrer zuhörte. Da die gesamte Klasse an Earls Erfolgen in Form von Belohnungen beteiligt wurde, redeten viele Earl gut zu und verstärkten das erwünschte Verhalten zusätzlich (vgl. a.a.O., 42).

Ivar Lovaas stellte 1965 fest, dass autistische Kinder nur selten Angst verspüren und ein fehlender Leidensdruck Ursache für eine ausbleibende Verbesserung ihres Verhaltens sein könnte. Mittels Elektroschocks erzeugte Lovaas diesen Leidens- druck und konditionierte autistische Kinder hierdurch zu prosozialem Verhalten (vgl. MacMillan, 1975, 42f.). Im weiteren Verlauf der 1960er Jahre wurden klini- sche Studien fortgesetzt und die Prinzipien der Verhaltensmodifikation erfolgreich an Sonderschulen in den Vereinigten Staaten von Amerika angewandt (vgl. a.a.O., 43f.). Somit wurde endlich die Brücke zwischen Labor und Klassenzimmer ge- schlagen.

MacMillan skizziert die Entwicklung von Verhaltensmodifikation nur bis Ende der 1960er Jahre. Er beschreibt dabei eine Entwicklung von einer medizinischen Perspektive auf Verhalten zu einer psychologischen Perspektive (vgl. a.a.O., 18), die in den Behaviorismus mündet. Somit beschreibt er einen Paradigmenwechsel im Verständnis von Verhaltensmodifikation von einer Heilung unerwünschten Verhaltens zu einer Konditionierung erwünschten Verhaltens. Auch innerhalb der behavioristischen Disziplin beschreibt er einen Paradigmenwechsel von Pavlovs Reiz-Reaktions-Verhalten11 zu einem auf Konsequenzen ausgerichteten, instru- mentell bestimmten Verhalten nach Thorndike und Skinner.

Ein weiterer Paradigmenwechsel „als […] Wendepunkt für die Bewegung der Verhaltensmodifikation […]“ (a.a.O., 44) wird von MacMillan lediglich voraus- gedeutet. In diesem Kontext betont er die Bedeutung von Banduras Experimenten zum Modelllernen, auch Imitationslernen genannt, sowie den Wandel von einem Untersuchen der Elemente des Lernens und der Verstärkung hin zu der Eingliede- rung dieser Elemente in zweckmäßige Programme für verhaltensabweichende Kinder (vgl. ebd.). MacMillan hält diese in der weiteren Entwicklung von Verhal- tensmodifikation insbesondere für die Heilpädagogik für sehr bedeutend.

2.3. Kognitivistische Verhaltensperspektive

Begreift man Verhalten gemäß eines verhaltenstheoretischen Modells als erlernt, kommt man nicht umhin diesem Lernprozess eine kognitive Dimension beizu- messen (vgl. Hillenbrand, 2008, 18). Angedeutet wurde ein Paradigmenwechsel vom Behaviorismus zum Kognitivismus bereits gegen Ende der 1950er Jahre durch den Sprachwissenschaftler Noam Chomsky, der bei seiner Forschung zur Universalgrammatik feststellte, dass Sprachentwicklung anhand des außengesteu- erten Lernens des Behaviorismus nicht zu erklären sei (vgl. Chomsky, 1959, 26- 58). Vielmehr sei Sprachentwicklung im Sinne einer Universalgrammatik als an- geborene Veranlagung zu verstehen (vgl. Haberzettl, 2007, 74). Tatsächlich waren es jedoch die Studien Banduras zum Modelllernen, die zwar anfangs behavioris- tisch auf stellvertretende Verstärkung gestützt waren, seit 1969 jedoch zunehmend kognitivistisch gedeutet wurden (vgl. Edelmann et al., 2012, 165) und in den 1970er Jahren zu einem Paradigmenwechsel hin zum sozial-kognitiven Verhal- tensmodell und somit zur sogenannten kognitiven Wende geführt haben. Der kog- nitive Ansatz beschäftigt sich nach Winkel und Petermann mit den Prozessen der Informationsverarbeitung, also „mit dem Erwerb von Wissen, seiner Enkodierung, Umwandlung, Speicherung und seinem Abruf“ (Winkel / Petermann / Petermann 2006, 25f.). Bandura beschreibt 1976 Modelllernen mit einer Theorie des sozialen Lernens anhand von Informationen (vgl. Edelmann et al., 2012, 165). Er gliedert den Vorgang des Modelllernens 1976 neu in zwei Phasen: eine Aneignungsphase unter Bezug auf Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozesse sowie eine Ausfüh- rungsphase unter Bezug auf motorische Reproduktionsprozesse und Verstär- kungs- und Motivationsprozesse (vgl. a.a.O., 166). Somit wendet Bandura sich vom Paradigma des außengesteuerten Lernens des Behaviorismus ab und dem Modell eines innengesteuerten Lernens des Kognitivismus zu. Verhalten wird demnach aktiv, konstruktiv, zielgerichtet, situiert und im sozialen Bezug erlernt (vgl. a.a.O., 212). Menschliches Verhalten wird gemäß dem Kognitivismus nicht durch die Reaktion auf Umweltbedingungen, sondern anhand kognitiver Prozesse erklärt (vgl. Winkel et al., 2006, 26). Der kognitivistische Ansatz fokussiert dabei die inneren Prozesse des Menschen und erklärt Verhalten über die Art und Weise, wie Menschen Informationen aufnehmen, verarbeiten, verstehen und erinnern (vgl. Edelmann et al., 2012, 109). Menschliches Verhalten resultiert demnach aus kognitiven Prozessen zwischen Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Entscheidungs- prozessen, Problemlösen und Sprache sowie der Bewertung dieser Variablen (vgl. a.a.O., 109-110). Da diese kognitiven Prozesse von jedem Menschen anhand indi- vidueller Vorerfahrungen ausgewertet werden, ist es nach kognitivistischem Ver- ständnis (im Gegensatz zum behavioristischen Verständnis) möglich, dass Men- schen unterschiedlich auf einen bestimmten Reiz reagieren. Beispielsweise löst das akustische Signal eines Feueralarms bei denjenigen, die von einem planmäßi- gen Probealarm wissen, keine Angst aus. Auch der Umstand, dass manche Men- schen Hunde oder Spinnen fürchten, andere wiederum nicht, belegt eine sehr in- dividuelle Reaktion von Menschen auf Reize. Je nachdem wie Reize kognitiv re- präsentiert sind, wird Verhalten ausgestaltet (vgl. a.a.O., 129; Winkel et al., 2006, 26). Will man also Verhalten unter Berücksichtigung des Kognitivismus modifi- zieren, muss man begreifen, wie dieses kognitiv repräsentiert ist, um es durch ge- eignete motivationale Impulse beeinflussen zu können. Diese können sowohl in- nengesteuert, also intrinsisch, sowie aus behavioristischer Sicht außengesteuert12, also extrinsisch, sein. Motivation stellt folglich einen zentralen Motor für Handeln und das Unterlassen einer bestimmten Handlung dar (vgl. Edelmann et al., 2012, 230ff.). Demnach ist für die Modifikation von Verhalten die Einflussnahme auf die Verhaltensmotivation in hohem Maß entscheidend.

Eine kognitiv organisierte Handlung ist in ein Handlungskonzept eingebettet und durch das Lösen eines Problems motiviert. Ein solches Handlungskonzept kann basieren auf Modelllernen, auf Handeln durch Entscheidung und Handlungsregu- lation, aber auch auf Problemlösen durch die Try-and-Error-Methode und Sys- temdenken (vgl. a.a.O., 163-196, 290f.). Für die Instruktion von Verhalten und somit für die Praxis der Verhaltensmodifikation spielt die Lernumgebung von Verhalten, aber auch die Motivation sowie eine Ausrichtung auf Nachhaltigkeit eine große Bedeutung.

Die Lernumgebung von Verhalten kann außengesteuert sein, beispielsweise durch einen Pädagogen; sie kann aber auch innengesteuert sein durch das Individuum selbst oder auch aus einer integrativen Mischform bestehen. Die Motivation für Verhalten und somit auch für Verhaltensänderung kann sowohl extrinsisch als auch intrinsisch bedingt sein (vgl. a.a.O., 205-234, 290f.). Bei einer extrinsisch motivierten Verhaltensänderung kommt der motivationale Anreiz von außen in Form von Belohnung und der Vermeidung von Bestrafung, beispielsweise durch den Pädagogen. Eine intrinsische Verhaltensänderung hingegen ist durch das sub- jektive Erleben der Verhaltensänderung selbst (in Form von Neugierde), einen emotionalen Anreiz oder ein Erfolgserlebnis13 motiviert oder durch angepasstes Sozialverhalten und daraus resultierenden Zuspruch durch die Klassengemein- schaft (vgl. Edelmann et al., 2012, 230).

Zusammenfassend und auf die pädagogische Praxis übertragen erweitert der Kog- nitivismus den Behaviorismus um ein tieferes Verständnis dafür, wie Verhalten überhaupt gesteuert wird und welche Rolle dabei dem Individuum selbst zu- kommt. Das steife Modell der Konditionierung wird ergänzt durch das kognitivis- tische Modell der Verhaltenssteuerung (vgl. Winkel et al., 2006, 28). Gleichzeitig wird dem Pädagogen aufgezeigt, welche kognitiven Einflussfaktoren das Verhal- ten bestimmen. Zudem wird ihm unter Einbeziehung motivationaler Faktoren ein Instrument an die Hand gegeben, Verhalten unter Berücksichtigung innerpsycho- logischer Zustände des Individuums zu regulieren. Ein solches Modell von Ver- haltensmodifikation passt sich einerseits der Lern- und Erfahrungsumgebung an, andererseits jedoch auch dem kognitiven, emotionalen und konzeptionellen Habi- tus des Individuums und ist somit für den pädagogisch vielfältigen Alltag gut brauchbar. Will man den Bogen zur operanten Konditionierung spannen, so könn- te man Verhaltensmodifikation im Verständnis von Skinner als universelle Me- thode begreifen und deren Erweiterung durch den kognitivistischen Ansatz als individuelle Methode. Die Herausforderung und Aufgabe für die pädagogische Praxis der Verhaltensmodifikation liegt also darin, behavioristische und kogniti- vistische Erkenntnisse zu verbinden und Verstärkung nicht rein universell, son- dern individuell unter Einbezug individueller Motivationsbedingungen zu organi- sieren und insbesondere Möglichkeiten zur Selbstorganisation in Form von Selbstverstärkung zu konstruieren (vgl. a.a.O., 27f.).

2.4. Neuropsychologische Verhaltensperspektive

In den Neurowissenschaften wird untersucht, welche neurophysiologischen und neuropsychologischen Vorgänge dem Verhalten und dessen Erwerb zugrunde liegen. Winkel und Petermann betonen, dass erste Versuche in dieser Richtung bereits in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts durchgeführt wurden (vgl. Winkel et al., 2006, 28). Tatsächlich aber wurde im 19. Jahrhundert das Fundament für das Wissen der heutigen Neurologie gegossen. An dieser Stelle ist Franz Joseph Gall zu nennen, der mit seiner Sprachlokalisationslehre als Erfinder des Sprach- zentrums gilt und dieses dem frontalen Cortex zuordnet (vgl. Tesak, 2001, 48-50). Als Sprachzentren nennt Gall den Sprachsinn und den Wortsinn. Während er den Sprachsinn (Sprachfähigkeit) als eine unabhängig von der Intelligenz angeborene Fähigkeit zur Kommunikation bezeichnet, ordnet er den Wortsinn (Wortgedächt- nis) dem Sprachsinn unter und bezeichnet ihn als Teil von diesem (vgl. a.a.O., 49). Der französische Chirurg Pierre Paul Broca gilt durch seine Forschungen 1861 bis 1866 als Begründer der Aphasiologie und stieß durch Zufall auf den ent- scheidenden Beweis, der einige von Galls Theorien untermauerte (vgl. a.a.O., 62). Broca führte ab dem Jahr 1861 Autopsien an Gehirnen von Aphasikern durch und stellte durchweg fest, dass immer die linke Gehirnhälfte eine Läsion aufwies und diese sich immer an der gleichen Hirnwindung, nämlich der 3.Hirnwindung, be- fand (vgl. a.a.O., 60ff.). Dieser Ort ist bis heute als motorisches Sprachzentrum oder auch Broca-Sprachzentrum bekannt, klassifiziert als Brodmann Areale 44 und 45 (vgl. Huppelsberg / Walter, 2013, 20.1.6.1). Somit ist durch Brocas Au- topsien und seine weiteren Forschungen die Theorie eines Sprachzentrums, der Sprachlokalisationslehre sowie der Sprachlateralisation nachgewiesen worden. Im Jahr 1874 erweiterte Carl Wernicke die klassische Lehrmeinung durch seine Ver- öffentlichung „Der aphasische Symptomenkomplex. Eine psychologische Studie auf anatomischer Basis“14. Wernicke gelang es den Sitz des sensorischen Sprach- zentrums nachzuweisen (vgl. Tesak, 2001, 91), dessen Existenz Broca ein Jahr- zehnt zuvor thematisierte. Dieses sensorische Sprachzentrum oder auch Wernicke- Sprachzentrum ist bis heute anerkannt und als Brodmann Areal 22 ausgewiesen (vgl. Huppelsberg / Walter, 2013, 20.1.6.2). Ferner bestätigen Wernickes For- schungen, dass Intelligenz und Sprachverständnis von einer Aphasie unberührt bleiben und das Gehirn in verschiedenen Arealen kognitive Prozesse steuert. Wernicke stützt somit Brocas und Galls Standpunkt des Zusammenhangs zwi- schen kognitiven Vorgängen und hirnphysiologischer Aktivität (vgl. Tesak, 2001, 95). Einen erwähnenswerten Nutzen aus Studien der Neurowissenschaften konnte die kognitive Psychologie dank einer computergestützten Modellierung neurona- ler Netzwerke ziehen, wodurch es gelang Lernvorgänge zu simulieren und Rück- schlüsse über Vorgänge im neuronalen System von Lebewesen zu ziehen (vgl. Winkel et al., 2006, 26). Der Sprung vom Modell in die Realität gelang dank der in den 1970er und 1980er Jahren aufgekommenen bildgebenden Verfahren und deren Weiterentwicklungen. Seit den 70er-Jahren bestand hierdurch die Möglich- keit Hirnschädigungen und deren Auswirkungen an lebenden Menschen und Tie- ren zu beobachten (vgl. Tesak, 2001, 202f.). Mittels moderner bildgebender Ver- fahren gelang es der Hirnforscherin Prof. Dr. Sonja Hofer der Universität Basel im Jahr 2013 die neuronalen Vorgänge beim Lernen sichtbar zu machen und zu untersuchen. Ihr und ihrem Team ist es gelungen, die Generation und Degenerati- on von Synapsen im neuronalen Nervensystem bei lebenden Mäusen sichtbar zu machen. Hierzu wurden Mäuse klassisch nach dem Vorbild Pavlovs auf einen auditiven Reiz konditioniert. Im Verlauf der Lernphase konnte im auditiven Ge- hirnareal die Entstehung neuer synaptischer Verbindungen, sogenannter Synap- sen, beobachtet werden, während der Löschungsphase jedoch wurde die Degene- ration von Synapsen verzeichnet. Da eine solche Synapse einen Knotenpunkt in- nerhalb des neuronalen Netzwerkes darstellt, kann man davon sprechen, dass Nervenzellen beim Lernen miteinander vernetzt werden, während sich diese Ver- bindungen beim Verlernen auflösen (vgl. Naie, 2013; Spitzer 2012, 25:10 -29:10).

[...]


1Um eine Anhäufung von Abkürzungen zu vermeiden und eine angenehmere Leseart zu erwirken, wird die maskuline FormSchülerim weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung für weibliche und männliche Lernende verwendet.

2In den 1960er Jahren wurde der auf Reiz-Reaktions-Lernen gestützte Ansatz der klassischen Konditionierung um den Ansatz des instrumentellen Lernens sowie den Ansatz der operanten Konditionierung ergänzt. In den 1970er Jahren etablierte Bandura seine Lerntheorie des Modelllernens (vgl. Neukäter, 2008, 83).

3Es ist das primäre Anliegen des Autors, dass eine gleichermaßen tiefe als auch breite Auseinandersetzung mit den Verhaltensmodifikation zu Grunde liegenden Lerntheorien über die Grenzen des instrumentellen Lernens der operanten Konditionierung erfolgt. Über die bloße Anwendung verhaltensmodifikatorischer Interventionen hinausgehend soll eine Kompetenz zum individuellen Einsatz kindzentrierter und situationsangemessener verhaltensmodifikatorischer Methoden vermittelt werden (vgl. Klein / Meinertz / Kausen, 1999, 127).

4 Pädagogische Anwendung fand Verhaltensmodifikation erstmalig im Kontext der Heilpädagogik. Als positive Beispiele sind die „moralische Behandlung“ Geisteskranker durch Philippe Pinel gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu nennen (vgl. MacMillan, 1975, 23) sowie bedingt die Beschu- lung eines Wolfsjungen durch den Taubstummenlehrer Jean Itard zu Beginn des 19. Jahrhunderts (vgl. a.a.O., 23f.). Als ethisch sehr fragwürdiges heilpädagogisches Unterfangen ist in diesem Kontext die Konditionierung autistischer Kinder anhand von Elektroschocks 1965 durch Ivar Lo- vaas zu nennen (vgl. a.a.O., 42f.).

5Heinz Neukäter hält fest, dass Verhaltensmodifikation lerntheoretisch orientiert sei und somit alles Verhalten und Erleben das Ergebnis von Lernprozessen sei (vgl. Neukäter, 2008, 84).

6 Veitstanz bezeichnet das mittelalterliche Krankheitsbild der sogenannten Tanzwut. Ihr Name bezieht sich auf den heiligen Veit, der bei dieser Krankheit angerufen wurde (vgl. Duden, o.J.a, Begriff „Veitstanz“). Durch Muskelkontraktionen gerät der Betroffene in drehende tanzende Be- wegung und verausgabt sich in einem Erschöpfungszustand bis hin zum Tod (vgl. Barzaghi, 1843, 10f.).

7 In der Untersuchung von Jersild und Holmes hatten Kinder am meisten Angst vor Tieren, gefolgt von Dunkelheit, Höhen, fremden Personen und lauten Geräuschen. Dieses Ergebnis resultiert aus 153 Fallberichten sowie ergänzendem Material über weitere 139 Kinder (vgl. MacMillan, 1975, 29).

8 Um die Bewegung eines Tics kontrollieren zu können, wurde zunächst dem Kind die Bewegung des Tics in einer Phase der Identifizierung durch einen Spiegel vor Augen geführt. Nachdem das Kind die Bewegung selbst erkannt hatte, wurde ihm der Zweck dieser Bewegung klar. Nach einer schrittweisen Analyse der Reaktionssequenz wurde deren Nachahmung eingeübt. Dadurch, dass die Bewegung des Tics bewusst gesteuert werden konnte, konnte der Tic kontrolliert werden. 1942 wurden Rutherfords Einsichten von Knight Dunlap als wirksame Therapiemethode aufgegriffen (vgl. a.a.O., 30).

9 Während eines unkontrollierten Leseganges sprangen die Probanden bei Stotterfehlern direkt zum nächsten Wort. Hierdurch fand eine Selbstverstärkung des Stotterns statt, da durch Stottern weniger gelesen werden musste und schwere Worte übersprungen werden konnten. Im kontrollier- ten Lesegang hingegen wurden Stotterfehler nicht belohnt, sondern durch Wiederholung des Wor-tes bestraft. Hierdurch wurde stotterfreies Lesen verstärkt und das Stottern selbst gelöscht (vgl.MacMillan, 1975, 32f.).

10 Festzuhalten ist, dass diese Methode zur Behandlung des Stotterns bereits zuvor vom australi- schen Sprachtherapeuten Lionel Logue erfolgreich bei der Therapie von Prince Albert Frederick Arthur George, dem späteren britischen King George VI angewandt wurde. Dieser Umstand ist dokumentiert durch das Buch „The King's Speech: Wie ein Mann die britische Monarchie rettete“ sowie den Film „The King's Speech“, beide erschienen in deutscher Sprache im Jahr 2011.

11Der Begriff wird im weiteren Verlauf der Ausarbeitung näher erläutert.

12Aus kognitivistischer Sicht ist jede Handlung, und somit auch Motivation innengesteuert (vgl. Edelmann et al., 2012, 168f.). Das Prinzip der Außensteuerung basiert auf behavioristische Sicht im Kontext der Konditionierung (vgl. a.a.O., 209). Somit ist es eine Frage der Perspektiven, ob man extrinsische Motivation als innen- oder außengesteuert erachtet.

13Ein solches Erfolgserlebnis stellt beispielsweise ein Lernerfolg in Form einer guten Note dar.

14Wernicke, Carl, (1874):Der Aphasische Symptomencomplex. Eine psychologische Studie aufanatomischer Basis. Breslau: Verlag Cohn & Weigert.

Ende der Leseprobe aus 99 Seiten

Details

Titel
„Lass das!“ Verhaltensmodifikation im schulischen Kontext
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Heil- und Sonderpädagogik)
Veranstaltung
Examensarbeit im Förderschullehramt
Note
1,7
Jahr
2016
Seiten
99
Katalognummer
V339425
ISBN (eBook)
9783668296909
ISBN (Buch)
9783668296916
Dateigröße
1373 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verhaltensmodifikation, ETEP, Verhaltensforschung, Behaviorismus, Lernpsychologie
Arbeit zitieren
Anonym, 2016, „Lass das!“ Verhaltensmodifikation im schulischen Kontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339425

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