Kämpfen statt Heulen. Über das aktive Eintreten für mehr Gerechtigkeit in der Sozialen Arbeit


Masterarbeit, 2015

62 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Weswegen wir jammern
1.1 Wir jammern aufgrund unserer Tradition
1.2 Wir jammern aufgrund unseres Bildes in der Öffentlichkeit
1.3 Wir jammern über Ökonomisierung und Neoliberalismus
1.4 Wir jammern über prekäre Arbeitsverhältnisse
1.5 Wir jammern aufgrund von Überlastung

2 Wir sind mächtig!
2.1 Die Bedeutung von Macht
2.2 Das macht uns mächtig
2.3 Wir sind professionell

3 Wehren wir uns!
3.1 Wir werden unterdrückt!
3.2. Schaffen wir ein kritisches Bewusstsein!
3.3 Organisieren wir uns!
3.3.1 In Gewerkschaften
3.3.2 In Mitarbeitervertretungen
3.4 Werden wir politisch!
3.4.1 In der Kommunalpolitik
3.4.2 Im Jugendhilfeausschuss
3.4.3 In Politberatung und Lobbyarbeit
3.5 Werdet wir kreativ!

Fazit

Literatur

Einleitung

Arbeitsplatzabbau, Lohndumping, Fachkräfte ohne akademischen Abschluss und Ausstieg aus Tarifverträgen. All diese Schlagworte fallen, befasst man sich mit der aktuellen Situation der Sozialen Arbeit. Das Problem hierbei ist, dass sie nicht nur Zustände beschreiben, sondern auch die Fachlichkeit und Qualität der Sozialen Arbeit an sich in Frage stellen, ein kollektiver Aufschrei bei freien Trägern, Berufsverbänden oder der Gewerkschaft aber ausbleibt. Vielmehr könnte man den Eindruck gewinnen, dass vielen die Probleme zwar bekannt sind, diese aber hinsichtlich der Lösungsfindung resigniert haben. (vgl.: Mergner 2007, S. 117-118)

Diese Bestandsaufnahme von Mergner verfestigt sich auf vielen Tagungen, Weiterbildungen oder Kongressen. Bei diesen hört man von der Mehrzahl aller Teilnehmer Klagen über zu geringe Bezahlung, über befristete Verträge und über zu viel Arbeit. Auch meine Kollegen in der Sozialpädagogischen Familienhilfe beklagen sich oftmals über die aktuellen Zustände. Fordert man sie dann jedoch auf, aktiv gegen diese vorzugehen, knicken viele ein und ertragen eher die negativen Auswirkungen. Wenn man bedenkt, dass es eine unserer zentralen Aufgaben ist, mit unseren Klienten dahingehend zu arbeiten, dass diese ihr Leben selbständig und eigenverantwortlich führen können, stelle ich mir die Frage, ob dies Personen, die nicht dazu in der Lage sind, aktiv an einer Verbesserung ihrer eigenen Arbeits- und Lebensumstände zu arbeiten, überhaupt gelingen kann. Vielmehr ist es so, dass das Bild eines Sozialarbeiters in der Öffentlichkeit und auch in Kreisen anderer Akademiker eben von diesen Kollegen geprägt wird und sich so diese negative Zuschreibung nicht nur festigt, sondern auch fortsetzt. Diesen Umstand habe ich zum Anlass für meine Arbeit genommen, der die Idee zu Grunde liegt, dass Sozialarbeiter lieber jammern und wortwörtlich heulen, statt zu handeln und für sich selbst und den Berufsstand zu kämpfen. Ich bin der Überzeugung und vertrete die These, dass man, um erfolgreich für eine bessere soziale Arbeit zu kämpfen, vielen Sozialarbeitern klar machen müsste, welche Macht und Bedeutung sie haben. Wenn ihnen dies bewusst wäre, würden viel mehr Kollegen aktiv werden und versuchen, etwas zu ändern. Da aber den meisten ihre Macht und auch ihre gesellschaftliche Bedeutung nicht bewusst ist, fällt es ihnen auch schwer, aus der Position des Jammernden herauszukommen. Gerade die Anerkennung der eigenen Professionalität und Macht ist aber die unabdingbare Voraussetzung dafür, sich zu wehren und aktiv gegen gesellschaftliche Ungerechtigkeiten vorzugehen.

Bei meinen Recherchen ist mir aufgefallen, dass fast alle Autoren beschreiben, wie man als Sozialarbeiter für die Klienten einstehen kann, wie man für diese etwas verändern kann und wie man sich gegen das bestehende System einsetzt, um Verbesserungen für die Gemeinschaft zu erwirken. All dies sind gute und auch wichtige Punkte die soziale Arbeit ausmachen. Dennoch war ich ein wenig erschrocken, kaum Ansätze zu finden, wie man sich selbst gegen Ungerechtigkeiten im politischen System wehrt beziehungsweise wie man dieses in Richtung eines wertschätzenderen Umgangs mit sozialer Arbeit verändert. Das Positive an allen Vorschlägen hinsichtlich einer positiven Veränderung zu Gunsten der Klienten ist, dass man diese auch wunderbar auf die Sozialarbeiter selbst anwenden kann, da auch diese in der aktuellen Zeit von Armut und Ausbeutung bedroht sind. Somit möchte ich mit dieser Arbeit auch versuchen, Sozialarbeitern vor Augen zu führen, wie es aktuell um die Profession bestellt ist, und sie ermutigen, dem öffentlichen Bild von Sozialarbeitern entgegenzutreten, um etwas zu verändern. Dementsprechend habe ich die Überschriften der Kapitel so gewählt, dass sie zum einen mich mit einschließen, da auch ich nicht gegen Jammern immun bin, und zum anderen einen klaren Aufforderungscharakter haben, der Kollegen zum Handeln ermuntert.

Meine Arbeit besteht aus drei Hauptteilen. Im ersten, mit der Überschrift „Weswegen wir jammern“, habe ich versucht, die aktuelle Situation in der Sozialen Arbeit darzulegen. Hierzu habe ich in verschiedenen Unterkapiteln die Gründe für das Jammern und Klagen von Sozialarbeitern zusammengetragen. All diesen Gründen liegt die Annahme zu Grunde, dass ein Sozialarbeiter zu wenig Macht hat und mehr oder minder der Passagier seines eigenen (Arbeits-)Lebens ist. Dem versuche ich im zweiten Kapitel, mit der Überschrift „Wir sind mächtig!“, entgegenzuwirken. In diesem habe ich herausgearbeitet, was Macht im Kontext von sozialer Arbeit bedeutet und was das Bewusstwerden von Macht für unsere Profession bedeuten kann. Dies ist die Grundlage für das dritte Kapitel, da nur der Sozialarbeiter, der sich seiner Macht und seiner Professionalität bewusst ist, die Rolle des Klagenden verlassen wird und aktiv gegen Missstände, die sein (Arbeits-)Leben erschweren, vorgehen wird. Auf welche Art und Weise man sich wehren kann, zeige ich dann im dritten und letzten Kapitel, mit dem Titel „Wehren wir uns!“.

1 Weswegen wir jammern

In diesem Kapitel habe ich versucht, Gründe zusammenzutragen, über die viele Kollegen und auch ich aktuell jammern und klagen. Beginnen werde ich dabei mit dem Grund, auf dem aus meiner Sicht alle anderen Gründe aufbauen. Dieser ist die Tradition der Sozialen Arbeit. Aufgrund dieser ist über die Jahrzehnte ein öffentliches Bild von sozialer Arbeit entstanden, welches wiederum dazu führt, dass wir uns heute der fortschreitenden Ökonomisierung unterwerfen. Diese Unterwerfung hat die Folge, dass wir schlecht bezahlt werden und dass wir überarbeitet sind. Wie bereits geschrieben werde ich im folgenden Punkt die Entwicklung der Sozialen Arbeit darlegen, die in meinen Augen ursächlich für viele weitere Probleme des Berufsfeldes ist.

1.1 Wir jammern aufgrund unserer Tradition

Die soziale Arbeit hat, im Gegensatz zu anderen Professionen, keine lange Tradition. Sie entstand mit der zunehmenden Industrialisierung im neunzehnten Jahrhundert. Hier war eine ihrer Hauptaufgaben, die Begleiterscheinungen des zunehmenden Kapitalismus zu entschärfen. Sie übernahm somit Aufgaben, die früher beispielsweise von kirchlichen Wohltätigkeitsverbänden übernommen wurden. Diese hatten bereits in den vergangenen Jahrhunderten über Zucht- und Armenhäuser oder aber auch Waisenhäuser versucht, die Gesellschaft zu disziplinieren und die staatliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Diese zuerst noch überschaubaren Auswüchse der beginnenden Urbanisierung und Industrialisierung wuchsen im neunzehnten Jahrhundert immer mehr an und führten dazu, dass Armut und Elend immer breitere Gesellschaftsschichten betrafen und dies nun zu einer Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden wurde. In dieser Zeit liegen die Wurzeln der Sozialen Arbeit. Die ersten nachweisbaren Sozialarbeiter konnte man beispielsweise in Elberfeld finden. Hier wurde 1853 eine neue Armenversorgung aufgebaut, die den Einsatz von kommunalen, ehrenamtlichen Armenpflegern vorsah, die innerhalb der Bevölkerung den Hilfebedarf ermittelten, um die Betroffenen schnell in Arbeit zu vermitteln, um die materielle Unterstützung zurückfahren zu können. Später wurde dann das so genannte „Straßburgersystem“ eingeführt, bei dem die Ehrenamtler durch Beamte ersetzt wurden. Die folgenden Jahrzehnte brachten die Sozialgesetzgebung und die Entstehung von Wohltätigkeitsverbänden und Vereinen wie der AWO und der Caritas. Mit deren Entstehung differenzierte sich das Hilfesystem aus. Auf der einen Seite fand man nun die sozialpolitische und bürokratisch organisierte Versicherung und auf der anderen die privat organisierte Hilfe der Verbände. Dies führte dazu, dass es um die Jahrhundertwende nun die ersten vollberuflichen Sozialarbeiter gab. Vor und mit dem ersten Weltkrieg entwickelte sich der Bereich zu einer Frauendomäne, da die soziale Hilfe für Frauen eine Chance darstellte, sich beruflich zu engagieren und dies mit einer akademischen Ausbildung zu verbinden. Die Folgen des ersten Weltkriegs stellten die soziale Arbeit vor große Herausforderungen, da viele Menschen in Not und Elend lebten. Einen weiteren Aufschwung erlebte die Profession durch die Weimarer Republik. In dieser wurden soziale Grundrechte gesetzlich verankert und Kinder und Jugendliche bewusst staatlich gefördert. Dies führte unter anderem zur Einrichtung von Jugendämtern. 1922 wurde diesbezüglich das Reichswohlfahrtsgesetz geschaffen, welches die öffentliche und freie Jugendhilfe organisierte. Diese erfreulichen Entwicklungen fanden mit der Machtübernahme der Nazis eine jähes Ende, da durch diese alle Organisationen, die neben der Volkswohlfahrt bestanden, ausgeschaltet wurden.

Nach dem zweiten Weltkrieg verlief die Entwicklung in den beiden deutschen Staaten unterschiedlich. Während in der DDR die soziale Arbeit in die Bildungspolitik überging und sozialpädagogische Hilfestellungen ehrenamtlich organisiert waren, prägten in der BRD die in der Nazizeit ausgewanderten und nun zurückkommenden Sozialarbeiter die Profession. Mit den in den USA erworbenen Arbeitsweisen und Methoden veränderten sich auch der Arbeitsansatz und das Arbeitsfeld. An die Seite des Jugendamtes und der Wohlfahrt traten nun Nachbarschaftshäuser, Gruppenarbeit und Gemeinwesensarbeit. Zudem wurden der Sozialstaat und auch die soziale Arbeit nach und nach ausgebaut. Das Hauptaugenmerk lag nun auf der Lebenswelt der Menschen. Zudem standen besonders in den sechziger Jahren Chancengleichheit und Absicherung im Mittelpunkt der Politik, was zu einem immensen Aufschwung der Sozialen Arbeit führte. In dieser Zeit entstanden auch die Sozialpädagogische Familienhilfe, Frauenhäuser, Obdachlosenhilfe und Mobile Jugendarbeit. Aufgrund der Kritik an dem bevormundenden Stil innerhalb vieler Heime lag nun der Hauptschwerpunkt von sozialer Arbeit auf ambulanten Hilfen. (vgl.: Seithe 2007, S. 39-47)

Betrachtet man diese Entwicklung der Sozialen Arbeit, so kann man festhalten, dass diese bis in die siebziger Jahre durchweg positiv verlief. In den achtziger und neunziger Jahren setzte dann eine zunehmende Professionalisierung ein, die bis heute immer weiter voranschreitet. (vgl.: ebd.: S. 38) Hinzu kommt, dass durch diese Entwicklungen der beschriebene Korporatismus früherer Tage zunehmend durch Wettbewerb zwischen den Trägern ersetzt wird. (vgl.: Dahme 2007, S. 22) Dies und auch die zunehmende Dokumentationspflicht führen dazu, dass aktuell Beziehungsarbeit in der Sozialen Arbeit eher klein geschrieben wird und betriebswirtschaftliche Kennziffern dominieren. Zu diesem Aspekt werde ich mich jedoch nochmals in Kapitel 1.3. ausführlicher äußern. Die skizzierte positive Entwicklung bis weit in die siebziger Jahre hinein scheint die von mir aufgestellte Hypothese, dass hierin ein Grund für das Jammern einer ganzen Profession liegt, erst einmal zu widerlegen. Die geschichtliche Entwicklung, mit ihren Ursprüngen im kirchlich-karitativen Kontext, hat laut Mergner dazu geführt, dass es sich bei der Profession um eine bescheidene und wenig politische handelt, die sich oftmals nur zum Helfen verpflichtet sieht. (vgl.: Mergner 2007, S. 118) Sie wird aus meiner Sicht somit auch kaum von der Öffentlichkeit wahrgenommen, was wiederum dazu führt, dass viele „wichtige“ Personen in Politik und Wirtschaft kaum Notiz von ihr nehmen.

Mergner verweist zudem darauf, dass die Geschichte der Profession zur Herausbildung eines „kollektiven Sozialcharakters“ geführt hat, dessen Züge man bei vielen Sozialarbeitern findet. So zeichnen sich diese oftmals nicht durch offensive Interessenvertretung aus, sondern vielmehr durch eine erlernte Hilflosigkeit, die auch eine weitgehende Identifikation mit den eigenen Klienten beinhaltet und so zu einem Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber äußeren Einflüssen führt. Zusätzlich attestiert er diesem „Sozialcharakter“ ein Gefühl der fehlenden Wertschätzung für die eigene Arbeit, das zu einem Rückzug und zu einer klagenden Hinnahme führt. (vgl.: ebd.: S. 119-121) Hinzu kommt meiner Meinung nach, dass die von Beginn an bestehende Organisation in Wohlfahrtsverbänden dazu geführt hat, dass diese und somit auch die Personen, die innerhalb der Träger arbeiten, sich kaum mit wirtschaftlichen Themen und dem aufkommenden Neoliberalismus befasst haben und nun vollkommen von den aktuellen Entwicklungen überrascht sind und sehr unter diesen leiden. Kurz gesagt führt die Tradition der Sozialen Arbeit dazu, dass auch heute noch mehr Wert auf das Helfen und Unterstützen gelegt und das Wirtschaftliche vollkommen außer Acht gelassen wird. Da dies aber unter den aktuellen Bedingungen kaum noch möglich ist, haben es viele Sozialarbeiter sowie ihre jeweiligen Träger schwer, in dem aktuellen wirtschaftlichen System zu bestehen.

Die enormen Fortschritte hinsichtlich der verschiedenen Bereiche, in denen die soziale Arbeit aktiv wird, und die zunehmende Professionalisierung wurden jedoch kaum der Öffentlichkeit bekannt gemacht, wodurch ein Bild der Profession entstand, welches bis heute noch gültig ist und welches ich im Folgenden darstellen möchte, da hierin ein zweiter Grund des Jammerns von Sozialarbeitern liegt.

1.2 Wir jammern aufgrund unseres Bildes in der Öffentlichkeit

Würde man Leute fragen, was sie denken, was ein Sozialarbeiter leistet, so würde man mit Sicherheit alle gängigen Klischees über die Profession erfahren, die in der Öffentlichkeit seit Jahren bzw. Jahrzehnten gängig sind. Nach diesen ist soziale Arbeit nicht viel mehr als reden, Kaffeetrinken und Beschäftigung von Familien, Kindern und Jugendlichen. Hinzu kommt, dass ein Sozialarbeiter auch nichts wirklich richtig kann, da er, sobald es komplex und schwierig wird, Ärzte, Psychologen oder Schuldnerberater hinzuziehen muss, um die Probleme der Klienten zu lösen. (vgl.: Seithe 2007, S. 31- 34).

Wie man anhand dieser Beschreibung sieht, ist das Vertrauen in die soziale Arbeit und die Sozialarbeiter nicht sehr groß. Erschüttert wird es zudem zusätzlich, wenn Skandale um vernachlässigte und verwahrloste Kinder an die Öffentlichkeit gelangen. Leider sind es zumeist eben auch nur diese Fälle, die die Öffentlichkeit mit sozialer Arbeit konfrontieren. Dass oftmals prekäre Arbeitsbedingungen zu diesem Ergebnis führen, entzieht sich meist dem Blick von Öffentlichkeit und Politik. Vielmehr zielen oftmals alle medialen Berichterstattungen auf die Sozialarbeiter und ihr angebliches Versagen, welches dann mit den von mir beschriebenen Klischees begründet wird. (vgl.: ebd.: S. 23) Hierbei wird den verantwortlichen Sozialarbeitern oftmals noch unterstellt, zu gutgläubig und zu weich gewesen zu sein.

Infolge dieses desaströsen öffentlichen Bildes denken viele, dass die soziale Arbeit ihnen nicht helfen kann, und setzen sich auch nicht mit den von ihr angebotenen Hilfen auseinander. Niemand in meinem Freundeskreis würde sich beispielsweise vorstellen, eine Familienhilfe zu beantragen, da dies ja nur etwas für bildungsferne Schichten ist, die ihr Leben selbst nicht geregelt bekommen. Diese Zielgruppe ist ein weiterer Punkt, der für das negative Image der Profession verantwortlich ist. Da diese keine Lobby hat und oftmals aus Obdachlosen, gewalttätigen Eltern und anderen Randgruppen besteht, möchte sich niemand hinzuzählen und distanziert sich somit von diesen und auch von den Menschen, die sich um sie kümmern. (vgl.: ebd.: S. 35-36) Soziale Arbeit findet somit zumeist in den gesellschaftlichen Randbereichen statt und wird von „normalen“ Menschen nicht wahrgenommen. Was wahrgenommen wird, sind meist die beschriebenen Skandale, die dann dazu führen, dass der Ruf entsteht, dass es sich bei der Profession um eine teure und ineffektive handelt, bei der gespart werden kann.

An diesen Umständen sind die Sozialarbeiter und deren Ausbilder an den Fachhochschulen und Universitäten jedoch nicht ganz unschuldig. Neben den schon im vorigen Punkt beschriebenen Eigenschaften von vielen Sozialarbeitern, die den so bezeichneten „Sozialcharakter“ ausmachen und die dazu führen, dass dieser zumeist kein selbstbewusstes Auftreten hat, seine Professionalität verschleiert, konfliktscheu und anpassungsbereit ist, wurden auch errungene und erforschte Erfolge viel zu selten der Öffentlichkeit bekannt gemacht. (vgl.: ebd.: S. 38) Viele Politiker wissen oftmals nichts über die gute Arbeit der Streetworker, die ganze Stadtteile beleben und gestalten und so Menschen eine Zukunft geben, die diese schon abgeschrieben hatten. Ebenso sind oftmals vielen lediglich die Kosten der ambulanten Hilfen zur Erziehung bekannt, nicht aber die Arbeitsweise und die Erfolge, die die Kollegen in der Familienhilfe vorzuweisen haben. Dass Sozialarbeiter unter den heutigen Umständen mehr denn je damit beschäftigt sind, die negativen Folgen des entfesselten Kapitalismus aufzufangen und Leuten Perspektiven zu vermitteln, ist den politischen Mandatsträgern und der Öffentlichkeit nicht bekannt bzw. wird diesen von Seiten der Sozialen Arbeit auch nicht bekannt gemacht. Dass hierunter viele Kollegen leiden, ist absolut verständlich und nachvollziehbar, da jeder für seine geleisteten Tätigkeiten Wertschätzung erfahren möchte. Wenn diese zeitweise bzw. dauerhaft fehlt, ist es kaum verwunderlich, dass sich ein ganzer Berufszweig in die Opferrolle zurückzieht und auch in dieser verharrt. Diese schlechte Außendarstellung, verbunden mit dem beschriebenen „Sozialcharakter“ und den hohen Kosten, die allesamt durch öffentliche Kassen gedeckt werden, führt dazu, dass zum einen gejammert wird und dass sich zum anderen die soziale Arbeit einen Weg gesucht hat, um sich zu profilieren. Dieser Weg führte ab den neunziger Jahren geradewegs in eine Ökonomisierung des sozialen Bereichs und schuf somit, obwohl anders gewollt, einen neuen Grund zu klagen.

1.3 Wir jammern über Ökonomisierung und Neoliberalismus

Ausgangspunkt der Ökonomisierung der Sozialen Arbeit waren, wie bereits beschrieben, die neunziger Jahre. In diesen wurde von Seiten der öffentlichen Hand der Zustand der Jugendämter und der allgemeinen Verwaltung als zu starr und unflexibel befunden. In der Folge dieser Feststellung wurden viele Aufgaben an freie Träger weitergegeben. Von dieser Verlagerung erhofften sich die öffentliche Hand und auch viele Sozialarbeiter eine rationalere und weniger bürokratischere Arbeitsweise, da innerhalb der Träger kürzere Dienstwege vorherrschten. Zudem setzte man in die Träger die Hoffnung, die Arbeit transparenter und kontrollierbarer zu machen. Die Einführung der so genannten „Neuen Steuerung“ erfolgte dabei Schritt für Schritt und hatte vornehmlich das Ziel, den gesamtem Sozialen Bereich vom öffentlichen in den ökonomischen Sektor, sprich Richtung Markt und Wettbewerb zu führen, da das bis dahin gültige Wohlstandsmodell für gescheitert erklärt wurde. Dieses war vielen über die Jahre zu kostenintensiv geworden, wodurch die neuen Steuerungsmodelle vor allem auch die Aufgabe hatten, die Kosten zu reduzieren. Dies führte zu radikalen Veränderungen innerhalb der Profession. (vgl.: Seithe 2012, S. 121-125)

Die erste Veränderung betraf hierbei die Privatisierung öffentlicher Aufgaben. Durch die Entstaatlichung der Sozialen Arbeit öffnete man diese für private, gewerbliche Anbieter, was zu einer radikalen Kostensenkung führte. Wettbewerb und Konkurrenz wurden geschaffen, um effizienter zu arbeiten. Dies hatte zur Folge, dass aufgrund der privatwirtschaftlichen Ausrichtung der Träger das Gewinninteresse über das Gemeinwohlinteresse gestellt wurde. In diesem neuen System tritt der Staat nur noch als derjenige auf, der den Markt steuert, er bietet aber selbst nichts mehr an, sondern ist nur noch derjenige, der Leistungen einkauft. Diese Privatisierung führte zu einer zweiten Veränderung, indem sie die Verantwortung für die Existenz eines Unternehmens auf dieses selbst ausrichtet und somit auch die Mitarbeiter für das positive Ergebnis oder aber das Scheitern ihres Unternehmens verantwortlich sind. Dass dies den Druck auf die Mitarbeiter selbst erhöht und diese zum Klagen bringt, ist nur verständlich. Ein dritte Veränderung bezieht sich auf das Verhältnis zwischen Träger und öffentlicher Hand. Da Letztere Leistungen einkauft und bezahlt, haben die Verträge eindeutig unternehmerische Züge und statten den Einkäufer mit einer Macht und Kontrollfunktion aus, die es vorher so nicht gab. Zudem bringen die Verträge den Leistungserbringer in ein Abhängigkeitsverhältnis, da oftmals nur die öffentliche Hand bei diesem Leistungen einkauft und so ein Quasi-Monopol zu Lasten der freien Träger besteht. Dieses Abhängigkeitsverhältnis hat wiederum zur Folge, dass von diesen alle gewünschten Kostensenkungen erfüllt werden und somit die Kostenaspekte heute oftmals ausschlaggebender als die fachlichen sind. Zusätzlich sind nun auch die geschlossenen Leistungsvereinbarungen für die Bezahlung ausschlaggebend, da nur das gezahlt wird, was in diesen enthalten und definiert ist. (vgl.: ebd.: S. 124-133).

All diese Veränderungen haben den gesamten Charakter der Sozialen Arbeit verändert. Wo früher Beziehungsaufbau und individuelle Entwicklung der Klienten im Vordergrund stand, dominieren heute Konkurrenz und Wettbewerb, dem sich die Wohlfahrtsverbände und freien Träger stellen müssen. Dieser Umstand hat zur Folge, dass bei der Hilfegewährung die fachlichen Belange oftmals sekundär sind. Es setzt sich durch, was billig ist, und jeder Anbieter versucht alles, um die Preise des Mitbewerbers zu drücken. Somit kann man konstatieren, dass auch in der Sozialen Arbeit eine „Geiz ist geil“-Mentalität eingesetzt hat, die in Zukunft schwer zu bremsen sein wird. Diese Konkurrenzsituation erschwert den verschiedenen Anbietern auch, sich auszutauschen, zusammenzuarbeiten und Synergien zu erzeugen, da jeder Angst hat, dass das geplante Angebot von anderer Seite in ähnlicher und günstigerer Form angeboten wird. (vgl.: ebd.: 134-141) Hieraus resultiert auch ein wesentliches Hindernis zur Bündelung von Interessen und Erzeugung von Macht. Solange alle Sozialarbeiter sich als Konkurrenten sehen und sich nicht austauschen und organisieren, solange wird es auch schwierig sein, etwas Grundsätzliches am System zu ändern. Somit kann man sagen, dass die Ökonomisierung dazu geführt hat, die Macht von Sozialarbeitern einzuschränken, da sie viel zu sehr damit beschäftigt sind, sich im gegenseitigen Wettbewerb zu unterbieten und anzubieten.

Ein anderes Problem besteht darin, dass sich auch auf Seiten der öffentlichen Hand mittlerweile die Sichtweise durchgesetzt hat, dass die hohen Kosten des Sozialen Bereichs nicht etwas die Folge von wachsenden Problemen sind, sondern dass vielmehr die ineffizienten Angebote der Sozialen Arbeit hieran ihren Anteil haben. Dies rechtfertigt somit Kürzungen auf verschiedenen Ebenen. So werden Stellen gestrichen, Projekte eingestellt und prekäre Arbeitsbedingungen und der Einsatz von fachfremdem Personal nicht etwa hinterfragt, sondern geduldet. (vgl.: ebd.: S. 145-149)

Durch die eingeführte Ökonomisierung und Veränderungen der Arbeitsabläufe, welche die eher fürsorgliche Sozialarbeit der vergangenen Jahrzehnte ablösten, erhofften sich viele Sozialarbeiter nicht nur eine erfolgreichere Arbeit, sondern auch eine bessere äußere Reputation durch die versprochene Messbarkeit dieser.

Dass diese Hoffnungen jedoch enttäuscht wurden, zeigt beispielsweise die Standardisierung von Arbeitsabläufen, die die jahrzehntelang gültige Autonomie des professionellen Handelns mehr und mehr zurückgedrängt hat. Dies hatte wiederum zur Folge, dass die Arbeitsverträge zwischen Klient und Sozialarbeiter eher die Form von Verordnungen annahmen. Das Vermitteln und Managen rückte immer mehr ins Zentrum der Sozialen Arbeit. Die vormals subjektorientierte Beratungsarbeit wurde durch die Möglichkeiten des Drucks und der Sanktion ergänzt. Vielmehr gelten diese heute in einigen Fällen als Arbeitsgrundlage. Mechthild Seithe wirft dem Neoliberalismus und dessen Vertretern vor, sich eher für materielle Dinge und Geld zu engagieren als für Personen. (vgl.: ebd.: S. 360-362) Diese Einstellung führt dazu, dass die Sozialarbeiter eher dazu gezwungen werden, mit wenig Geld umzugehen, wodurch, wie bereits erwähnt, fachliche Standards bedeutungsloser werden. Soziale Arbeit wird so von der Politik lediglich als Produktionsfaktor angesehen, von dem ein bisschen Leistung besser ist als keine. Dass dieses knallharte Effizienzdenken dem fachlichen Verständnis Sozialer Arbeit fundamental wiederspricht, wurde oben bereits beschrieben. (vgl.: ebd.: S. 164-168)

Dass dieser Vorwurf nicht ganz von der Hand zu weisen ist, zeigt auch mein eigenes Arbeitsfeld innerhalb der Sozialpädagogischen Familienhilfe, in dem schon lange nicht mehr die Entwicklung des Einzelnen bzw. der Familie im Mittelpunkt steht, sondern die Höhe der geleisteten Stunden, da nur das abgerechnet werden kann, was auch wirklich erbracht wurde. Das führt zu der Situation, dass beispielsweise Familien, die sich gut entwickelt haben, nicht sukzessive vom Familienhelfer abgenabelt werden, sondern dieser trotz fehlenden Auftrags weiterhin die vereinbarten Wochenstunden leisten muss, da sonst der Träger eventuell in eine bedrohliche Schieflage geraten kann. Diese Entwicklung führte letztlich zu einer Versachlichung der Sozialen Arbeit. Durch die Einführung von beispielsweise Leistungsdokumentationen, Qualitätsmanagement und anderen administrativen Dingen bleibt den Sozialarbeitern immer weniger Zeit für den Klienten. Somit wird die für die Profession charakteristische Beziehungsarbeit durch betriebswirtschaftliche und administrative Aufgaben an den Rand gedrängt. (vgl.: Kühnlein 2007, S. 38-39). Seithe geht sogar so weit, dass sich die Profession aktuell von sich selbst entfremdet. Hierfür bringt sie einige Beispiele, die durchaus nachvollziehbar sind. So ist aktuell handlungsleitend, was nichts kostet. Das bedeutet, man doktert herum, versucht lange Zeit, ambulant zu betreuen, obwohl man weiß, dass stationär erfolgreicher wäre. Man versucht, seine Produkte so zu entwickeln, dass diese messbar, transparent und kontrollierbar sind, um den Käufer zu überzeugen, obwohl man weiß, dass die geleisteten Tätigkeiten nicht quantitativ erfassbar sind. Niemand kann beispielsweise Partizipation, Hilfe zur Selbsthilfe oder Lebensweltorientierung messen und das im besten Fall in Zahlen ausdrücken. Genau dies ist jedoch innerhalb des betriebswirtschaftlichen Kontextes nötig, um Effizienz und Erfolg nachzuweisen. Hinzu kommen die Schwierigkeiten, sozialarbeiterische Tätigkeiten, die oftmals komplex und schwer durchschaubar sind, in kurze und aussagekräftige Leistungsbeschreibungen zu bündeln. Infolge dieser Problemlagen sieht Seithe die Gefahr, dass die Profession zu einer platten, eindimensionalen Hilfsebene verkommt. (vgl.: ebd.: S. 189-201)

Zusammenfassend ist die so entstandene soziale Arbeit gekennzeichnet durch verschlechterte Arbeitsbedingungen, durch einen nicht enden wollenden Sparkurs, durch den Rückzug des Staates aus seiner sozialen Verantwortung, fachfremde Definition fachlicher Aspekte, fachfremde Zielorientierung und Erfolgsdefinition und die Annahme, soziale Arbeit sei nichts anderes als ein bloßes Verhaltenstraining. (vgl.: ebd.: S. 351) Dieser drastische Wandel der sozialen Arbeit führte zu einer Herabsetzung einer ganzen Profession. Eine meiner Hypothesen diesbezüglich ist, dass keine andere akademische Profession, wie beispielsweise die der Mediziner oder die der Ingenieure, so einen Wandel klaglos über sich ergehen gelassen hätte. Hierfür verantwortlich mache ich, wie bereits beschrieben, den dargestellten Sozialcharakter, der dazu führt, dass sich die in der Sozialen Arbeit Beschäftigten kaum zur Wehr setzen. Daneben führt dann das Bild in der Öffentlichkeit dazu, dass in dieser kein Lobby entsteht, die für die Sozialarbeiter Partei ergreifen könnte. Somit hat der gesamte Berufsstand, inklusive seiner Verbände, diese Entwicklung mehr oder minder über sich ergehen lassen und klagt nun aber über zwei weitere Folgen, die ganz klar mit der Ökonomisierung zusammenhängen: die prekären Arbeitsverhältnisse und die Überlastung. Diese beiden Punkte werde ich nun in den folgenden beiden Unterkapiteln darstellen.

1.4 Wir jammern über prekäre Arbeitsverhältnisse

Die eben beschriebene neue Ausrichtung der Sozialen Arbeit, in der nur noch Kosten zählen, hat natürlich Auswirkungen auf die in dem Bereich Beschäftigten. Da die Maxime Kostenersparnis ist, sind diese natürlich nicht positiv, sondern eher negativ und für die Sozialarbeiter belastend. Die Übernahme der Tätigkeiten der öffentlichen Hand durch freie Träger, veränderte die Beschäftigungsstruktur innerhalb der Sozialen Arbeit fundamental. Es wurde durch die Notwendigkeit der Kostensenkung ein Niedriglohnsektor geschaffen, in dem das Gehalt nicht mal zur Sicherung der eigenen Existenz reicht. (vgl.: Dahme 2007, S. 22-27) Aufgrund der um sich greifenden Ökonomisierung und der Arbeit nach klaren Effizienzkriterien kommt es vermehrt zum Auftreten von Minijobbern und Leuten, die keine Fachkräfte sind. Weitere Charakteristika der heutigen Sozialen Arbeit sind neues Tarifrecht, steigende Arbeitslosigkeit, fehlende Tarifverträge und Rationalisierung auf allen möglichen Ebenen. Dies hat in den letzten Jahren zu einer Personalausdünnung bei gleicher Fallauslastung geführt, die zu der im nächsten Punkt dargestellten Überlastung geführt hat.

Besonders prekär sind die Arbeitsbedingungen hierbei in Ostdeutschland. Hier werden mehr als die Hälfte aller Beschäftigten mit Haustarifen vergütet. Zudem ist auch die Hälfte aller Sozialarbeiter nur befristet angestellt. Da Ostdeutschland schon immer ein Trendsetter hinsichtlich der Verschlechterung von Arbeitsbedingungen war, ist anzunehmen, dass diese Personalpolitik und Struktur bald auch auf das gesamte Land übergreift. Ein weiterer Trend, der sich aktuell im Osten abzeichnet, ist der, dass Fachkräfte nur noch dazu herangezogen werden, um Fälle zu managen und dass die eigentliche Arbeit vom fachfremden Personal durchgeführt wird. (vgl.: Simon 2007, S. 66) Diese Entwicklung zeichnet sich auch innerhalb meines Trägers ab, bei dem Fälle, in denen lebenspraktische Dinge im Mittelpunkt der Arbeit stehen, von fachfremden Mitarbeitern übernommen werden, die so auch vom Jugendamt eingekauft werden. Dass sich so das beschriebene Bild von sozialer Arbeit, die scheinbar jeder kann, verfestigt, sollte unter diesen Umständen nicht verwundern. Somit entsteht nach und nach eine Profession, die aus vielen befristeten und Teilzeitarbeitsplätzen besteht und die chronisch unterfinanziert ist. In Ostdeutschland kommt hierzu noch die Besonderheit, dass trotz fachlicher Angleichung an den Westen die finanzielle fehlt und bei vielen Trägern infolge der Unterfinanzierung kein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld gezahlt werden kann. (vgl.: ebd.: S. 74-75)

Nodes hat diesen Befund im Jahre 2011 mit Zahlen belegt. Demnach stieg der Anteil von Teilzeitbeschäftigten nach den Daten der Agentur für Arbeit im Jahr 2001 auf 43,17 % innerhalb der gesamten Berufsklasse. Nach dem Mikrozensus waren innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe 51 % teilzeitbeschäftigt und innerhalb der Sozialarbeiter 36,4 %. Generell zeichnete der Mikrozensus ein äußerst negatives Bild von der Kinder- und Jugendhilfe, in die auch die soziale Arbeit gezählt wird. Demnach wurden in den Jahren 1998 bis 2006 40 % aller Vollzeitstellen abgebaut. Neben den Vollzeit- und Teilzeitstellen wurde auch die Bezahlung der Beschäftigten erfasst. Auch diese Zahlen belegen die prekären Arbeitsbedingungen innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe. Demnach verdient ein Großteil der in diesem Bereich Beschäftigten weniger als 1500 € netto im Monat. Nur 55,26 % der Befragten verdienten mehr als diese Summe. 14,79 % verdienten jedoch sogar weniger als 900 €, was in Deutschland den Schwellenwert für die Armutsgefährdung darstellt. Dass es zudem ein Gefälle, hinsichtlich der Bezahlung, zwischen öffentlichen Dienst und freien Trägern gibt, sieht man am Durchschnittsverdienst. Dieser lag innerhalb des öffentlichen Dienstes bei 1874 € und während er bei den freien Trägern nur 1471 € betrug. (vgl.: Nodes 2011, S. 47-49) Da die Mehrheit aller Sozialarbeiter mittlerweile bei freien Trägern beschäftigt ist, ist es somit also nicht verwunderlich, dass die Arbeitsbedingungen immer prekärer werden.

All dies ist ein Kreislauf, aus dem viele Träger nicht mehr herauskommen. Um sich dem Kostenträger am besten zu verkaufen, werden die Leistungsbeschreibungen so gestrickt, dass sie wenig kosten. Dies führt jedoch wiederum zum Personalabbau bei gleichbleibender Arbeit. Hieraus entsteht dann für die verbliebenen Sozialarbeiter Mehrarbeit. Hinzu kommen dann Mitarbeiter, die teilweise über keine fachliche Eignung verfügen, da man Fachkräfte für diese Bezahlung schwer bekommt. Da nur so jedoch das Sparen und die Effizienz der Angebote gesichert sind, wird der Träger dieses Konzept immer wieder anwenden, um im Wettbewerb bestehen zu können. Ein weitere Spielart, die bei vielen Trägern die Lohnkosten senkt, ist die, dass beispielsweise eine Familienhilfe nur dann volles Gehalt bekommt, wenn sie ihre Fachleistungsstunden voll ableistet. Dass dies jedoch kaum in der Hand des betreffenden Sozialarbeiters liegt, sondern vielmehr in der des Klienten, wird hierbei vernachlässigt. Vielmehr führt diese Art der Vergütung dazu, dass Klienten trotz Fortschritten an den Sozialarbeiter gebunden werden, da dessen Gehalt vom Klienten abhängig ist. Dass so Hilfe zur Selbsthilfe zu einer Phrase verkommt, sollte jedem klar werden. Unter diesen Zwängen und Nöten, sich seine Existenz zu sichern, gleichzeitig die Existenz des Unternehmens zu sichern, nicht zu wissen, wie lange ein Projekt noch läuft beziehungsweise ob der Arbeitsvertrag verlängert wird, leiden viele Kollegen berechtigterweise. Infolge der immer mehr auf Effizienz ausgelegten Abrechnung von sozialer Arbeit, die meist nur durch Personalabbau möglich ist, steigt natürlich auch die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter. Auf diesen Aspekt des Klagens werde ich im Folgenden näher eingehen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 62 Seiten

Details

Titel
Kämpfen statt Heulen. Über das aktive Eintreten für mehr Gerechtigkeit in der Sozialen Arbeit
Hochschule
Hochschule Merseburg  (Fachbereich Medien. Soziale Arbeit.Kultur)
Veranstaltung
Masterstudiengang systemische Sozialarbeit
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
62
Katalognummer
V343632
ISBN (eBook)
9783668379190
ISBN (Buch)
9783946458692
Dateigröße
526 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kämpfen, heulen, über, eintreten, gerechtigkeit, sozialen, arbeit
Arbeit zitieren
Thomas Merten (Autor:in), 2015, Kämpfen statt Heulen. Über das aktive Eintreten für mehr Gerechtigkeit in der Sozialen Arbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/343632

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