Die unkonventionelle Geldpolitik der Europäischen Zentralbank während und nach der Finanz- und Eurokrise


Hausarbeit, 2016

26 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Einführung zur Geldpolitik: Konventionelle und unkonventionelle Geldpolitik

3 Die Europäische Zentralbank
3.1 Geldpolitische Ziele und Aufgaben des ESZB
3.2 Konventionelle Geldpolitik der EZB und ihre geldpolitischen Instrumente
3.2.1 Offenmarktgeschäfte
3.2.2 Ständige Fazilitäten
3.2.3 Mindestreserven

4 Konventionelle Geldpolitik der EZB in der Eurokrise und das (Nicht-) Funktionieren der Transmissionskanäle
4.1 Der Zinskanal
4.2 Der Bankkreditkanal
4.3 Grenzen Konventioneller Geldpolitik: Ein Zwischenfazit

5 Unkonventionelle Geldpolitik der EZB in der Eurokrise

6 Bewertung der unkonventionellen Geldpolitik der EZB
6.1 Erfolge
6.2 Kritik und Risiken unkonventioneller Maßnahmen

7. Fazit und Ausblick

Anhang

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Europäische Zentralbank (EZB) ergriff im Zuge der Finanz-, Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise diverse geldpolitische Maßnahmen. Hierzu gehörten auch ungewöhnliche geldpolitische Maßnahmen, die Gegenstand der vorliegenden Ausarbeitung sind.

Im Sommer 2007 hatte eine US-Immobilienkrise (auch Subprimekrise) zu weltweiten Turbulenzen auf Finanz- und Bankenmärkten geführt. Spätestens nach Zusammenbruch der Investment Bank Lehman Brothers im September 2008 und dem fast nahtlosen Übergang der Weltwirtschaftskrise in die Eurokrise 2010 ergriff die EZB im Zuge der Krisenfolgen zunehmend sog. „unkonventionelle Maßnahmen“. In der öffentlichen Debatte um die Wirksamkeit der unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen gab es große Kontroversen. Während viele Experten auf internationaler Ebene die Vorgehensweise der EZB als unvermeidlich ansahen, rief die Geldpolitik der EZB auch vielfach Kritik - insbesondere aus Deutschland - hervor. Die vorliegende Arbeit befasst sich deshalb mit den unkonventionellen Maßnahmen im Einzelnen und in der Gesamtheit und zeigt die Erfolge und Risiken der angewandten Geldpolitik auf.

Nach einer allgemeinen Einführung in die Geldpolitik beschreibt die Arbeit die grundsätzliche Struktur der EZB und des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB). Dabei behandelt sie Aufgaben und Ziele, sowie die Instrumente der konventionellen Geldpolitik. Anschließend wird die konventionelle Geldpolitik in der Eurokrise mit einer kurzen Betrachtung ihrer beschränkten Wirksamkeit thematisiert. Schwerpunkt der Arbeit ist ein Überblick über Maßnahmen der unkonventionellen Geldpolitik sowie deren Erfolge und Risiken.

2 Einführung zur Geldpolitik: Konventionelle und unkonventionelle Geldpolitik

„Die Geldpolitik beinhaltet alle Maßnahmen, die aufgrund geldtheoretischer Erkenntnisse zur Regelung der Geldversorgung und des Kreditangebots der Banken unter Beachtung der gesamtwirtschaftlichen Ziele ergriffen werden.“[1] Unter konventioneller Geldpolitik wird dabei vor allem eine Politik beschrieben, die sich mit der Frage des optimalen Leitzinses beschäftigt.[2] Einer Zentralbank mit Monopol als Anbieter der monetären Basis ist es über ihre Leitzinsbeschlüsse möglich, die kurzfristigen Geldmarktzinsen zu verändern.[3] Über Transmissionsmechanismen gelingt es der Geldpolitik, Einfluss auf die Realwirtschaft zu nehmen.[4]

Unter anderem im Rahmen von Finanzkrisen können Transmissionsmechanismen beeinträchtigt und unterbrochen werden.[5] Bei nichtfunktionierender Transmission oder einem Leitzins, der den Nullpunkt erreicht, müssen Zentralbanken Maßnahmen abseits von konventioneller Zinspolitik ergreifen, die sich zusammenfassend als „unkonventionelle Geldpolitik“ beschreiben lassen.[6]

3 Die Europäische Zentralbank

Die EZB wurde zusammen mit dem Europäischen System der Zentralbanken (ESZB)[7] und dem Eurosystem[8] 1998 gegründet.[9] Das ESZB ist dabei zur Durchführung von Zentralbankaufgaben beauftragt.[10] Da nicht alle Mitglieder des ESZB den Euro eingeführt haben und das ESZB keine Rechtspersönlichkeit besitzt, führt das Eurosystem die Kernaufgaben des ESZB aus.[11] Somit ist die EZB seit dem 1. Januar 1999 zusammen mit den Zentralbanken des Euro-Währungsgebiets[12] zuständig für die Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet.[13] Die Aufgabe der nationalen Zentralbanken liegt in der Ausführung der Geldpolitik im Auftrag der EZB.[14] Nach Artikel 130 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist die EZB unabhängig von Organen, Einrichtungen, sonstigen Stellen der Union oder Regierungen der Mitgliedstaaten. Die EZB darf keine Kredite an Einrichtungen der EU oder nationale Einrichtungen öffentlichen Rechts vergeben und verfügt über einen eigenen Haushalt, gezeichnet und eingezahlt aus Kapital der nationalen Zentralbanken.[15],[16]

3.1 Geldpolitische Ziele und Aufgaben des ESZB

Grundsätzliche Aufgaben der EZB umfassen Festsetzung und Umsetzung geldpolitischer Entscheidungen, Interventionen an Devisenmärkten, Genehmigung der Ausgabe von Euro-Banknoten, Halten und Verwalten von Währungsreserven von Mitgliedsländern, Förderung eines funktionierenden Zahlungssystems und Unterstützung von Behörden, die für die Überwachung von Kreditinstituten zuständig sind.[17] Laut Artikel 127 AEUV ist Hauptziel des ESZB, Preisstabilität zu gewährleisten: "Preisstabilität wird definiert als Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) für das Euro-Währungsgebiet von unter zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr."[18],[19] Mit der Wahl einer angestrebten Inflationsrate nahe zwei Prozent sieht sich die EZB dazu verpflichtet, Deflationsgefahren auszuschließen.[20] Eine Deflation ist zu vermeiden, da fallende Preisen zum Zurückschieben von Kauf- und Investitionsentscheidungen in ungewisse Zukunft führen, und damit zu einem gesamtwirtschaftlichen Nachfragerückgang. Außerdem erhöhen sich der Realzins von Schuldnerländern und damit deren reale Schuldenlast.[21] Während steigende Teuerungsraten mit Anheben des Leitzinses gedämpft werden können, ist eine Deflation mit geldpolitischen Mitteln nur schwer bekämpfbar, da der Leitzins schwerlich unter null fallen kann.[22] Als weiteren Grund für den Sicherheitspuffer von zwei Prozent gelten Messprobleme vor allem bei der Preiserfassung von Gütern mit ständigen Qualitätssteigerungen (z.B. Autos, Computer).[23] Falls die im Verbraucherpreis gemessene Inflation unter der tatsächlichen Preisrate liegen sollte, könnte es sich bei angestrebter Preisrate von null Prozent tatsächlich bereits um eine Deflation handeln.[24] Die Preisstabilität wird nach Aussage der EZB in der o.g. Pressemittelung nur mittelfristig angestrebt.[25] Bei vorrübergehenden Preisschocks, wie zum Beispiel einem temporären Preisanstieg eines Gutes, wird in Kauf genommen, dass die Inflationsrate kurzfristig über das Zentralbankziel steigt.[26] Kurzfristige Schwankungen können von der Geldpolitik nicht gesteuert werden.[27] Auswirkungen der Geldpolitik sind nur verzögert messbar.[28]

3.2 Konventionelle Geldpolitik der EZB und ihre geldpolitischen Instrumente

Wie eingangs erwähnt ist die wichtigste konventionelle Maßnahme einer Zentralbank die Veränderung des Leitzinses, so auch bei der EZB.[29] Offiziell wird der Leitzins „Hauptrefinanzierungssatz“ genannt; an ihm orientieren sich Kredit- und Einlagezinsen.[30] Somit legt er fest, zu welchen Kosten sich Geschäftsbanken bei der EZB mit Liquidität versorgen können, und so wird über ihn indirekt die Versorgung der Realwirtschaft mit Liquidität geregelt.[31]

3.2.1 Offenmarktgeschäfte

Die Offenmarktgeschäfte stellen das wichtigste Instrumentarium der EZB dar, um den Leitzins am Interbankenmarkt durchzusetzen.[32] In normalen Zeiten ist es der EZB dabei mit den Hauptrefinanzierungsgeschäften (HRG) möglich, Zinsen und Liquidität am Markt zu steuern und Signale für ihren geldpolitischen Kurs zu senden.[33] Von Juni 2000 bis Mitte Oktober 2008 konnten Geschäftsbanken dabei im Zuge des Zinstenderverfahrens wöchentlich Gebote sowohl zur gewünschten Geldmenge als auch zum gewünschten Zinssatz abgeben.[34],[35] Die EZB entschied über die bereitgestellte Menge der Liquidität und konnte Mindestbietungssätze festlegen.[36] Dabei wurden die Liquiditätsnachfragen nach der Höhe des gebotenen Zinssatzes sortiert und so lange verteilt, bis der Zuteilungsbetrag ausgeschöpft war.[37] Neben den wöchentlich stattfindenden HRGs stehen der EZB als Offenmarktgeschäfte längerfristige Refinanzierungsgeschäfte, Feinsteuerungsoperationen und strukturelle Operationen zur Verfügung.[38]

3.2.2 Ständige Fazilitäten

Mit den ständigen Zahlungsverkehrsinstrumenten der Spitzenrefinanzierungsfazilität und der Einlagenfazilität kann die EZB in normalen Zeiten gewährleisten, dass der Refinanzierungssatz innerhalb einem - von der EZB vorgegebenen - Zinskorridor bleibt.[39] Mindestsatz für Tagesgeld auf einem funktionierenden Interbankenmarkt stellt dabei der Zinssatz für die Einlagenfazilität dar, zu dem Geschäftsbanken tageweise bei der EZB Geld anlegen können. Der Höchstzins für Tagesgeld wird dahingegen durch den Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität festgesetzt, zu dem die Geschäftsbanken sich Geld bei der EZB leihen können.[40] Seit dem 16.03.2016 liegt der Zinssatz der Einlagenfazilität bei -0,4%, der Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität bei 0,25%.[41]

3.2.3 Mindestreserven

„Die Mindestreserve verpflichtet im Euro-Währungsraum ansässige Kreditinstitute, für bestimmte Verbindlichkeiten in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes Guthaben beim Eurosystem zu halten.“[42] Neben dem Banknotenmonopol der Zentralbank sorge die Mindestreserve laut Ruckriegel erst dafür, dass Geschäftsbanken an die EZB gebunden werden.[43] In Höhe der bei der Zentralbank zu haltenden Guthaben müssten sich die Geschäftsbanken bei der EZB refinanzieren; erst so könnten geldpolitische Instrumente der EZB, insbesondere Offenmarktgeschäfte, greifen.[44] Herabsetzungen des Mindestreservesatzes befördern Kreditschöpfungsmöglichkeiten, Erhöhungen des Satzes bremsen sie.[45] Der Mindestreservesatz lag lange bei 2%, bis er schließlich im Januar 2012 auf 1% gesenkt wurde.[46]

4 Konventionelle Geldpolitik der EZB in der Eurokrise und das (Nicht-) Funktionieren der Transmissionskanäle

Mit Hilfe von Transmissionsmechanismen kann es einer Zentralbank möglich sein, über bestimmte „Kanäle“ langfristig ökonomische Variablen wie Zinsen, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage oder das Preisniveau zu verändern.[47]

4.1 Der Zinskanal

Der Zinskanal ist ein Übertragungsweg geldpolitischer Maßnahmen, der auf Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und Investition abzielt.[48] Kommt es in diesem theoretischen Konzept bei expansiver Geldpolitik zu einem kurzfristigen Sinken des Geldmarktzinses, verringert sich - bei zunächst gleichbleibenden Inflationserwartungen - der langfristige Kapitalmarktzins.[49] Niedrige Kapitalmarktzinsen stimulieren wiederum kurzfristig die Nachfrage nach Investitions- und Konsumgütern.[50] Bei niedrigen Kapitalmarktzinsen ist das Sparen weniger lohnenswert. Für einen funktionierenden Zinskanal, über den Leitzinssenkungen in Form von günstigen Krediten an Haushalte und Unternehmen weitergegeben werden, bedarf es also einer stabilen Beziehung zwischen kurzfristigen und langfristigen Zinsen.[51]

Nach Ausweitung der Subprimkrise auf Europa ab Ende 2008 hatte die EZB den Leitzins stufenweise von 4,25 Prozent auf letztendlich 0 Prozent im März 2016 herabgesetzt.[52],[53] Laut Schönfelder sind die Möglichkeiten eines Zinskanals bei Leitzinsen nahe null ausgeschöpft.[54] Die Störung des Zinskanals zeigte sich vor allem im Zusammenhang mit der Zinsspreizung bei den langfristigen Staatsanleihen der PIIGS-Staaten[55].[56] Während Länder mit hohem Rating von den Zinssenkungen der EZB profitierten, kam es im Zuge der Leitzinssenkungen bei den Staaten mit niedrigen Bonitäten nicht zu Verringerungen und teilweise sogar zum Anstieg der langfristigen Zinsen.[57] Die Störungen der Zinskanäle der Krisenstaaten lassen sich außerdem deutlich an der Zinshöhe auf Unternehmenskredite erkennen. Während die Zinsen bei den übrigen Eurostaaten bei gleichzeitigen Leitzinssenkungen sanken, stiegen sie in den PIIGS-Staaten ab Mitte 2011.[58] Außerdem wurden hohe Austrittswahrscheinlichkeiten von einzelnen Ländern aus der Eurozone in die Renditen der Staatsanleihen vom Markt mit eingepreist.[59] So lassen sich besonders große Zinsspreizungen zwischen Renditen der Krisenländer und der als „sichere Hafen“ verstandenen Ländern zu Zeiten, in denen ein Auseinanderbrechen der Eurozone für wahrscheinlich gehalten wurde, erklären.[60],[61]

4.2 Der Bankkreditkanal

Der Bankkreditkanal ist ein Übertragungsweg geldpolitischer Impulse, der über das Kreditvergabeverhalten der Banken auf eine Veränderung der Realwirtschaft abzielt.[62] Kommt es in diesem theoretischen Konzept zu einem Zinsrückgang, wird vermutet, dass dies zu einem höheren Angebot und einer höheren Nachfrage an Bankkrediten führt.[63] Die Bedeutung, die einem funktionierenden Bankenkanal in der Eurozone zukommt, lässt sich unter anderem an dem Außenfinanzierungsbedarf des privaten Sektors bemessen: 2009 wurden rund 85 % der Nachfrage des privaten Sektors durch Bankkredite gedeckt.[64]

Die wichtigste Ursache für die Störung des Bankkanals auf Bankenseite lag in Bewertungsverlusten bei den in ihrem Depot befindlichen Staatsanleihen von PIIGS-Staaten.[65] Einst zu niedrigem Zinsniveau und hohen Kurswerten gekaufte Staatsanleihen mussten auf Grund des erhöhten Risikos von Zahlungsausfällen dieser Länder enorme Kursverluste und steigende Zinsen hinnehmen.[66] Viele Banken wiesen dabei nicht genug Liquiditätsreserven auf, um die Verluste auszugleichen und mussten folglich trotz niedriger Leitzinsen ihr Kreditangebot einschränken.[67] Hierin zeigte sich vor allem die Störung des Bankenkreditkanals.[68] Außerdem konnten die sinkende Inanspruchnahme der Einlagenfazilität und der Termineinlagen beim Eurosystem von Banken aus Krisenländern und die steigende Vergabe von Refinanzierungskrediten an Banken der PIIGS-Staaten im Jahr 2011 als Zeichen für Bankenprobleme der Südländer gedeutet werden.[69],[70] Mit Beginn der Finanzkrise wurden sowohl private Haushalte als auch Unternehmen mit verschärften Kreditvergabestandards konfrontiert, was auf sich verschlechternde Zukunftsaussichten wirtschaftlicher Aktivitäten zurückzuführen war.[71] Die Kreditnachfrage potentieller Kreditnehmer nahm ebenfalls ab.[72]

4.3 Grenzen Konventioneller Geldpolitik: Ein Zwischenfazit

Wie in Kapitel 4.1 und 4.2 beschrieben konnten die Zinssenkungen der EZB weder über den Zinskanal die gewünschte realwirtschaftliche Veränderung vollständig erzielen, noch haben sie über den Bankkanal den gewünschten Anstieg der Kreditvergabe bewirken können. Aufgrund der dezentralen Organisation der Geldpolitik der EZB ist diese auf einen funktionierenden Interbankenmarkt und auf ein funktionierendes Weitergeben der geldpolitischen Impulse an die Realwirtschaft durch die nationalen Zentralbanken und die Geschäftsbanken angewiesen.[73] Im Zuge der Eurokrise wurden vermehrt Länder vom Interbankensystem abgekapselt.[74] Infolgedessen waren Bankensysteme zunehmend mit Liquiditätsproblemen konfrontiert, Insolvenzen waren zu befürchten.[75] Die Gefahr einer Kreditklemme oder ein Zusammenbruch des Bankensystems – vor allem in Krisenländern – nahm zu und hätte die Wirtschaft massiv beeinträchtigt und die Finanzierungsprobleme der öffentlichen Haushalte der Schuldnerländer verstärkt.[76] Die Finanzierungsprobleme von Staaten mit gesunkenen Staatsanleihen-Kursen spiegelte sich auch in den Bilanzen der Banken dieser Länder wieder.[77] Ein Eingriff in Form von expansiver Geldpolitik seitens der EZB war dringend nötig, da durch die Rezession in den Krisenstaaten die Staatsschulden- und Bankenkrise zusätzlich verschärft wurden.[78] Bankenkrisen in einzelnen Ländern hätten außerdem zu enormen Ansteckungsgefahren für den gesamten Euroraum führen können.[79] Als Zwischenfazit ist festzuhalten, dass eine Intervention auf konventionellem Wege auf Grund der Störungen der Transmissionskanäle nicht möglich war. Unkonventionelle Maßnahmen mussten also ergriffen werden.

5 Unkonventionelle Geldpolitik der EZB in der Eurokrise

Die erste unkonventionelle Maßnahme der EZB war die Verlängerung der Laufzeit eines längerfristigen Refinanzierungsgeschäfts (LRG) von gewöhnlich maximal drei Monate auf sechs Monate im April 2008.[80] LRGs mit Laufzeiten von zwölf, dreizehn und 36 Monaten folgten.[81] Bei den Gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften (GLRG1, GLRG2) richtet sich die Höhe der den Banken gewährten Kredite nach deren ausstehendem Kreditvolumen an den nichtfinanziellen privaten Sektor. Die Geschäfte werden in einem vierjährlichen Abstand von September 2014 bis März 2017 durchgeführt und haben dabei eine Laufzeit von bis zu 4 Jahren. Ziel ist es bei den LRGs, Refinanzierungsbedenken der Banken zu beseitigen, Unsicherheiten und Finanzierungskosten am Interbankenmarkt zu reduzieren und so das Kreditangebot der Geschäftsbanken auszuweiten.[82] Im Oktober 2008 beschloss die EZB, alle HRGs von nun an als Mengentender mit Vollzuteilung durchzuführen.[83] Dabei können die Banken zu einem von der EZB festgelegten Hauptfinanzierungszins - gegen das Hinterlegen von Sicherheiten – in beliebiger Höhe Kredite aufnehmen.[84] Mit Hilfe des Mengentenders sollten Liquiditätsengpässe und Kreditklemmen verhindert werden.[85] Ab Oktober 2008 weitete die EZB das Verzeichnis zugelassener Sicherheiten aus, so z.B. die Aussetzung von Mindestratings für Staatsanleihen.[86] Dadurch sollte denjenigen Banken den Zugang zu Zentralbankgeld über Refinanzierung wieder ermöglicht, denen es an EZB-fähigen Sicherheiten und am Zugang zum Geld- und Kapitalmarkt mangelte.[87]

[...]


[1] Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Geldpolitik

[2] Vgl. Joebges/ Grabau (2013), S.10

[3] Vgl. Europäische Zentralbank (2011), S.59/ S.101

[4] Vgl. Deutsche Bundesbank, Stichwort: Transmissionsmechanismus

[5] Vgl. Cecioni et al. (2011), S.5

[6] Vgl. Demary/ Matthes (2013a), S.17

[7] „Das ESZB umfasst die EZB und die nationalen Zentralbanken aller EU-Mitgliedstaaten – unabhängig davon, ob sie den Euro eingeführt haben oder nicht.“ (Europäische Zentralbank, Stichwort: EZB, ESZB und das Eurosystem)

[8] „Das Eurosystem besteht aus der EZB und den nationalen Zentralbanken der Länder, die den Euro eingeführt haben.“ (Europäische Zentralbank, Stichwort: EZB, ESZB und das Eurosystem)

[9] Vgl. Scheller (2006), S.17

[10] Vgl. ebd., S.45

[11] Vgl. Scheller (2006), S.45

[12] Definition Euro-Währungsgebiet: „Dem Euro-Währungsgebiet gehören die EU-Länder an, die den Euro eingeführt haben.“ (Europäische Zentralbank, Stichwort: EZB, ESZB und das Eurosystem)

[13] Vgl. Europäische Zentralbank (2011), S.13

[14] Vgl. ebd.

[15] Vgl. Art. 123 AEUV

[16] Vgl. Europäische Zentralbank, Stichwort: Unabhängigkeit

[17] Vgl. Europäische Zentralbank (2011), S.16

[18] Definition Verbraucherpreisindex: „Der Verbraucherpreisindex wird anhand eines Verbrauchsschemas, des sogenannten Warenkorbs, berechnet, der alle Güter und Dienstleistungen enthält, die den typischen Verbrauchsgewohnheiten eines Durchschnittshaushalts entsprechen.“ (Bundeszentrale für politische Bildung, Stichwort: Verbraucherpreisindex)

[19] EZB Pressemitteilung (1998/11/13), S.1 f.

[20] Vgl. Europäische Zentralbank (2011), S.71

[21] Ifosd 2014 S.5

[22] Vgl. Neuerer (2009)

[23] Vgl. Europäische Zentralbank (2011), S.73

[24] Vgl. Joebges/ Grabau (2013), S.9

[25] Vgl. EZB Pressemitteilung (1998/11/13), S.2

[26] Vgl. Joebges/ Grabau (2013), S.9

[27] Vgl. EZB Pressemitteilung (1998/11/13), S.2

[28] Vgl. Schönfelder (2015), S. 20

[29] Vgl. Europäische Zentralbank (2011), S.136

[30] Vgl. Schönfelder (2015), S.14

[31] Vgl. ebd.

[32] Vgl. Joebges/ Grabau (2013), S.10

[33] Vgl. Europäische Zentralbank (2011), S.113

[34] Vgl. EZB Pressemitteilung (2000/06/16)

[35] Vgl. ECB Press Release (2008/10/15)

[36] Vgl. Europäische Zentralbank (2011), S.114

[37] Vgl. ebd.

[38] Vgl. ebd., S.116

[39] Vgl. Abb.1

[40] Vgl. zu diesem Abschnitt Joebges/ Grabau (2013), S.10

[41] Vgl. Deutsche Bundesbank: EZB-Zinssätze

[42] Ruckriegel et al. (2000), S.314

[43] Vgl. Ruckriegel et al. (2000), S.316

[44] Vgl. Ruckriegel et al. (2000), S.316

[45] Vgl. Joebges/ Grabau (2013), S.10

[46] Vgl. Deutsche Bundesbank, Stichwort: Mindestreserven

[47] Vgl. Deutsche Bundesbank, Stichwort: Transmissionsmechanismus

[48] Vgl. Schönfelder (2015), S. 20

[49] Vgl. Joebges/ Grabau (2013), S.15f.

[50] Vgl. Deutsche Bundesbank, Stichwort: Zinskanal

[51] Vgl. Demary/ Matthes (2013a), S.17

[52] Vgl. Joebges/ Grabau (2013), S.19

[53] EZB Pressemitteilung (2016/03/10)

[54] Vgl. Schönfelder (2015), S.36

[55] PIIGS: Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien (Vgl. ARD Börsenlexikon, Stichwort: PIIGS)

[56] Vgl. Schönfelder (2015), S.37

[57] Vgl. ebd.

[58] Vgl. ebd.

[59] Vgl. Joebges/ Grabau (2013), S.22

[60] Vgl. Demary/ Matthes (2013a), S.22

[61] Vgl. Abb.2

[62] Vgl. Demary/ Matthes (2013a), S.18

[63] Vgl. Demary/ Matthes (2013a), S.18.

[64] Vgl. Europäische Zentralbank (2009), S.69

[65] Vgl. Demary/ Matthes (2013a), S.24

[66] Vgl. Schönfelder (2015), S.40

[67] Vgl. Schönfelder (2015), S.40

[68] Vgl. Demary/ Matthes (2013a), S.24

[69] Vgl. Demary/ Matthes (2013a), S.25

[70] Vgl. Abb.3

[71] Vgl. European Central Bank (2009), S.1

[72] Vgl. ebd.

[73] Vgl. Joebges/ Grabau (2013), S.19

[74] Vgl. ebd., S.19f.

[75] Vgl. ebd., S.20

[76] Vgl. ebd.

[77] Vgl. ebd., S.33

[78] Vgl. Demary/ Matthes (2013a), S.27

[79] Vgl. ebd.

[80] Vgl. Joebges/ Grabau (2013), S.22

[81] Vgl. Rieth et al. (2016), S.142

[82] Vgl. Schönfelder (2015), S.46

[83] Vgl. Rieth et al. (2016), S.142

[84] Vgl. Demary/ Matthes (2013a), S.28

[85] Vgl. ebd.

[86] Vgl. Schönfelder (2015), S.49 f.

[87] Vgl. Joebges/ Grabau (2013), S.23

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Die unkonventionelle Geldpolitik der Europäischen Zentralbank während und nach der Finanz- und Eurokrise
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
26
Katalognummer
V350889
ISBN (eBook)
9783668374089
ISBN (Buch)
9783668374096
Dateigröße
897 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
EZB, Europäische Zentralbank, Finanzkrise, Eurokrise, Geldpolitik, unkonventionelle
Arbeit zitieren
Fabio Botta (Autor:in), 2016, Die unkonventionelle Geldpolitik der Europäischen Zentralbank während und nach der Finanz- und Eurokrise, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/350889

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