Die Islamische Republik Iran. Zwischen Fundamentalismus und Moderne


Facharbeit (Schule), 2010

37 Seiten, Note: 14


Leseprobe


Gliederung

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Geographische und religiöse Einordnung

3. Vom Perserreich zur Islamischen Republik
3.1. Der Weg zum Schiitischen Bekenntnis
3.2. Iran seit der frühen Neuzeit
3.2.1. Safawidische Herrschaft (1501-1722)
3.2.2. Iran unter den Kâdschâren (1770-1925)
3.3. Dynastie der Pahlavi von 1925-1979
3.3.1. Reza Schah – Der erste Mann im Staat
3.3.2. Amtszeit von Mohammed Reza Schah
3.4. Die Person Ruhollah Khomeini
3.4.1. Frühe Jahre
3.4.2. Kopf der Anti-Schah-Bewegung
3.4.3. Revolution mit der Rückkehr aus französischem Exil
3.5. Die Islamische Republik Iran
3.5.1. Gründung – Eine religiöse Revolution?
3.5.2. Wesen – Regime bleibt Regime

4. Kehrseite der Revolution: Der Fundamentalismus im Iran
4.1. Definition des Begriffs ‚Fundamentalismus’
4.2. Das Fundamentalistische System
4.3. Fundamentalismus in der Öffentlichkeit
4.3.1. Fundamentalismus und freie Meinungsäußerung
4.3.2. Fundamentalismus in der Rechtssprechung
4.3.3. Fundamentalismus gegenüber Frauen
4.4. Fundamentalismus in Medien und Politik
4.4.1. Fundamentalismus in Medien und Meinungsbildung
4.4.2. Fundamentalismus in der Politik
4.5. Der Iran – Ein Gottesstaat!?

5. Fundamentalismus versus Moderne
5.1. Definition des Begriffs ‚Moderne’
5.2. Von Krieg über Rafsanjani zu Khatami
5.3. Iran in der heutigen Zeit
5.3.1. Die Amtszeit Mahmud Ahmadinedschads
5.2.3. „Iran und die nukleare Bedrohung“

6. Fazit und Zukunftsaussichten

LITERATURVERZEICHNIS

Fundamentalismus ist gleichermaßen eine Reaktion auf die Moderne, wie er Produkt und Bestandteil der Moderne ist.[1]

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Bevölkerungszusammensetzung, http://de.wikipedia.org/wiki/Iran aufgerufen am 07.11.2010

Abbildung 2: Staatsaufbau des Iran, aus: Perthes, Iran, Eine politische Herausforderung, S. 36

1. Einleitung

Als Ayatollah Khomeini am 16. Februar des Jahres 1979 in seine Heimat zurückkehrte konnte keiner ahnen, dass dies die Geburtstunde eines absolut neuen Staates war. Iran wurde durch seine Revolution zur Islamischen Republik. Moderne, liberale, europäische Normen und Werte wurden durch am Koran ausgelegte Verhaltensweisen ersetzt. Modernität musste der Tradition weichen. Anstelle eines modernen Strafrechts, trat ein islamisches, die Scharia. Bald schon kamen Berichte über martialische, menschenverachtende Prozesse und Strafen an die Weltöffentlichkeit. Bis heute hält sich das Image eines blutrünstigen Staates Menschenrechte, das fundamentale System mit seiner theokratischen Ideologie und dessen totalitäre Haltung stehen seitdem im Fokus der Internationalen Berichterstattung.

Diese Arbeit hat das Ziel einen differenzierten Blick auf die Islamische Republik zu richten. Neben dem vergangenen Schah Regime, steht insbesondere die islamische Revolution und die Installation des Islamischen Regimes im Mittelpunkt einer genauen Analyse. Sie soll die Idee der Theokratie kritisch hinterfragen und schließlich feststellen, inwiefern Iran ein fundamentalistischer oder moderner Staat ist. Am Ende soll der Leser imstande sein aktuelle Entwicklungen im mittleren Osten selbst bewerten zu können und sich nicht mehr auf Wertungen seitens unserer Presse stützen zu müssen.

Durch Auswertung unterschiedlicher, aktueller und geschichtlicher Quellen soll diese Arbeit ein möglichst objektives Bild über die IRI vermitteln. Aktuelle Ereignisse werden bis zum Stand vom November 2010 berücksichtigt.

2. Geographische und religiöse Einordnung

Die Iran ist ein Staat in Vorderasien und grenzt an den Irak und Türkei im Westen, Aserbaidschan, Armenien, Turkmenistan und das Kaspische Meer im Norden sowie an Afghanistan und Pakistan im Osten[2]. Im Süden bildet sich eine Küste mit dem Persischen Golf und dem Indischen Ozean. Die Fläche des Iran beträgt 1,6 Mio. km² und ist damit über vier Mal so groß wie die Fläche Deutschlands[3].

Gegenwärtig leben im Iran ca. 74,1 Millionen Menschen[4]. Sie setzen sich wie folgt zusammen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Bevölkerungszusammensetzung

Durch die hohe Geburtenrate von bis zu 6,6 Kindern[5] pro Iranerin ist die Anzahl der jungen Leute v.a. in den Städten erheblich gestiegen. Verarmung, Prostitution, Drogenkonsum und eine steigende Zahl an Straßenkindern waren die Folgen.[6] „Ca. 60% der iranischen Bevölkerung sind unter 20 Jahre.“[7]

Der zwölfer-schiitische Islam ist als Staatsreligion in der iranischen Verfassung fest verankert. Glaubensfreiheit nach westlichem Vorbild, d.h. die im Grundgesetz festgehaltene Garantie der Freiheit des Glaubens und des Gewissens[8], sind im Iran Wunschdenken. Die größten Minderheiten, wie Christen und Juden, werden gesellschaftlich benachteiligt[9] ; die Anhänger des Baha’i werden verfolgt.[10]

Religiös lässt sich die iranische Bevölkerung folgendermaßen gliedern:

93 Prozent der Bevölkerung sind schiitisch geprägt. Sechs Prozent gehören dem sunnitischen Islam an. Das verbliebene Prozent wird von Christen, Baha’i, Zoroastren, Juden, Mandäern und Parsen ausgefüllt.

3. Vom Perserreich zur Islamischen Republik

3.1. Der Weg zum Schiitischen Bekenntnis

Der Islam ist die jüngste monotheistische Weltreligion und wurde von dem Propheten Mohammed (ca. 570-632) auf der arabischen Halbinsel gestiftet. Nach dessen Tod unterwarfen die Araber innerhalb kurzer Zeit das gesamte Gebiet Persiens.[11]

Die Schia

Der Iran war und ist seit jeher ein schiitisches Land. „Die Schia hat ihren Ursprung in der unklaren Situation nach dem Tod des Propheten Mohammed“[12] 632. Da dieser keinerlei Regelungen für seine Nachfolge hinterlassen hatte, sah sich die noch junge muslimische Gemeinde gezwungen das neue Oberhaupt, den sog. Kalifen, selbst zu bestimmen. Es kam zur Bildung zweier Lager: Jener, die die genealogische Nähe zu Mohammed höher stellten und derer, die sich mit früheren Verdiensten um die Verbreitung des islamischen Glaubens rühmen konnten. Mit dem Begriff Schia (dt. Partei, im Sinne einer Gruppierung) sind nun diejenigen gemeint, die „die Leitung der Gemeinde Alî vorbehalten wollten; dem Cousin [...] Mohammeds“[13]. Anstatt Alî wurde jedoch der Schwiegervater Mohammeds Abû Bakr zum Kalifen gewählt. Auf ihn folgten Umar und Uthmân, erst dann wurde Alî zum Kalifen erhoben.

Die Schia begründet ihre Forderung, allein Alî sei der rechtmäßige und legitime Nachfolger Mohammeds, mit einem Ausspruch Mohammeds, den dieser auf einer Reise zu ihm gesagt haben soll. Seine Aussage „Der, dessen Herr ich bin, dessen Herr ist auch Alî“ wird von den Schiiten als Designation Alîs zur Nachfolge Mohammeds verstanden. Die Sunniten, also der Gruppe, die nicht auf den alleinigen Herrschaftsanspruch Alîs pocht, erkennen zwar diesen Abschnitt an, sehen darin aber keineswegs eine Legitimation der Herrschaft. Diese völlig gegensätzliche Sichtweise der frühislamischen Geschichte von Sunniten und Schiiten ist ein wichtiger Faktor bei den bis heute andauernden Streitigkeiten zwischen beiden Gruppierungen[14].

Von den weltweit 1,57 Mrd. Muslimen[15] sind heute 10-15% Schiiten, wovon die meisten sich zur Zwölferschia bekennen, die heute Staatsreligion in Iran ist[16]. Sie entstand aufgrund der unklaren Nachfolgeregelung nach Alîs Tod 661. Schiitische Gruppierungen vertraten darüber unterschiedliche Auffassungen: So gelten beispielsweise bei den Zwölferschiiten lediglich die Nachkommen Alîs mit Mohammeds Tochter Fâtima als legitime Führer der muslimischen Gemeinde. Zwölf bezeichnet hierbei die Anzahl der als legitim anerkannten Führer, die sog. Imame, beginnend mit Alî selbst. Diese Gruppe der sog. Imamiten zerfiel jedoch aufgrund des ungelösten Problems, wer nach dem Tod des vermeintlich kinderlos gebliebenen elften Imams berechtigt sei, die Gruppe als neuer Imam zu leiten. Die von Anderen vertretene Annahme, dass der letzte Imam kinderlos geblieben sei, wurde von einer Gruppe bestritten. Ihrer Ansicht nach gab es zwar einen Sohn, der jedoch – wie „durch ein Wunder [–] von der Erde entrückt worden sei“[17]. Dieser sog. Al-Mahdî wird als Erlöser angesehen, der eines Tages auf die Erde zurückkehren wird, um den Auftrag des Propheten zu vollenden, „die Herrschaft der Usurpatoren und Tyrannen zu beseitigen und ein Reich der Gerechtigkeit, ein Paradies auf Erden, zu errichten. Dieser Glaube an die Existenz eines verborgenen zwölften Imams und an seine künftige Wiederkehr wurde zum wichtigsten Kennzeichen der Zwölferschia.“[18]

Es lässt sich zusammenfassen, dass die schiitische Gemeinschaft nur ein einziges Mal unter einer aus ihrer Sicht legitimen Herrschaft gelebt hat: Es sind diese fünf Jahre von Alîs Kalifat. Keiner der nachfolgenden Imame gelangte wieder an die Macht. Die Schiiten sahen sich seitdem von einer unrechtmäßigen Obrigkeit beherrscht. Zu besonderer Verehrung als Märtyrer gelangte der dritte Imam Hoseyn, der beim Versuch sich das Kalifat mit Waffengewalt zu erstreiten, fiel. Dieses Ereignis, die Aschûrâ, gilt als der wichtigste Feiertag der Zwölferschia.

Nach der Entrückung des zwölften Imams sind die Zwölferschiiten führungslos. Für sie ist er – wenn auch in Abwesenheit – das allein berechtigte Oberhaupt ihrer Gemeinschaft.[19] Das hat zur Folge, dass bis zu seiner Rückkehr „alle irdische Macht nur vorläufig und höchstens bedingt legitim sein kann.“[20] Wer sollte nun, bis zur Wiederkehr des Imams, der legitime Herrscher sein? Man einigte sich schließlich, diese Aufgabe den schiitischen Gelehrten zu übertragen. „Die […] letzte Ausformulierung [dieses] Grundsatzes, dass nur diese Gruppe als Repräsentanten des verborgenen Imams die schiitische Gemeinschaft führen dürfe, ist die Lehre [Khomeinis] von der ‚stellvertretenden Herrschaftsausübung des Rechtsgelehrten’ […] für den zwölften Imam. Die nur stellvertretende Regierungsgewalt der schiitischen Gelehrten […] ist auch in der Verfassung der Islamischen Republik Iran verankert.“[21]

3.2. Iran seit der frühen Neuzeit

3.2.1. Safawidische Herrschaft (1501-1722)

Die Safawiden waren es, „die das zwölferschiitische Bekenntnis [...] als Staatreligion einführte[n] und damit die Schia auf ihrem Territorium an die Macht brachte[n]. Damit begann die religiöse Prägung Irans [...] als eines schiitischen Landes, das es bis heute geblieben ist [...].“[22]

3.2.2. Iran unter den Kâdschâren (1770-1925)

Der Kâdschârendynastie gelang es das Reich zu einer „bedeutenden Machtposition im Mittleren Osten“[23] auszubauen. Sie führten einen ständigen Kampf gegen „die massive Expansion der [...] europäischen Nationalstaaten“[24]. Mit vielen kriegerischen Auseinandersetzungen einher ging auch eine „wirtschaftliche Durchdringung Irans durch europäische Großmächte.“[25] Man versuchte Reformen, die die Übernahme europäischer, säkularer Ideen beinhalteten, vorzunehmen, um der Bedrohung durch europäische Mächte wirksam entgegenzutreten. Damit beginnt der bis heute andauernde heftige Streit um eine Angleichung Irans an die westliche Zivilisation und eine Rückbesinnung auf eigene traditionelle Werte, aus Angst vor zu starker Beeinflussung durch europäische Strömungen bis hin zum Verlust der eigenen Identität.[26]

Die Geistlichkeit konnte unter ihnen „ihre Unabhängigkeit vom Staat noch weiter ausbauen.“[27] Sie betrachtete den Schah lediglich als weltlichen Herrscher, dem die religiöse Legitimation fehlte. Sie sah sich als einzige berechtigt, die Tätigkeiten des verborgenen Imams bis zu seiner Rückkehr wahrnehmen zu dürfen.

Der schiitischen Geistlichkeit fiel zunehmend eine „nationale Rolle“[28] zu: Einerseits die iranische Gesellschaft vor den immer stärker werdenden Einflüssen Europas zu hüten, andererseits vor den Reformen und Modernisierungsversuchen des pro-westlich eingestellten Schahs zu schützen. Unter dem Druck der Geistlichkeit, vereint mit fortschrittlich gesinnten Intellektuellen, wurde 1906 der Wandel von einer absolutistischen zu einer konstitutionellen Monarchie vollzogen (konstitutionelle Revolution) und damit die Macht des Schahs geschwächt.

Der Klerus wurde gestärkt, da ab sofort sämtliche Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit der Scharia überprüft wurden, sodass die Gesetze seinem Willen nach gestaltet werden konnten.

Die neue Staatsordnung währte jedoch nur kurz, da sie weder Stabilität noch Fortschritt noch Sicherheit eintrug; der Einfluss der Europäer blieb weiterhin ungebrochen. Die Revolution war damit ins Leere gelaufen; „die Verfassung ruhte.“[29] Erst als die Regierung im Treiben des ersten Weltkriegs zusammenbricht zielt die europäische Politik auf den Aufbau einer starken iranischen Zentralregierung ab. Sie hießen es deshalb Willkommen, dass 1921 ein Oberst der Kosakenbrigade, Reza Khan, sich durch einen Staatsstreich selbst zum Premierminister machte.[30]

„Er beginnt damit, dass er eine imponierende Armee auf die Beine stellt. Hundertfünzigtausend Mann werden in Uniformen gesteckt und bewaffnet. Die Armee ist sein Augapfel, ihr gilt seine ganze Begeisterung. Die Armee muss immer genug Geld bekommen; sie mu[ss] alles haben. Die Armee wird dem Volk moderne Ideen, Disziplin und Gehorsam einbläuen. Alles habt acht!“[31]

3.3. Dynastie der Pahlavi von 1925-1979

3.3.1. Reza Schah – Der erste Mann im Staat

Reza Khan war eine Person mit Autorität, wie sie sonst kaum jemand besaß. Es war kein Wunder, dass er ihretwegen kurze Zeit später zum Schah ausgerufen wurde, da der Thron nach Abreise des letzten Schahs 1923 frei geworden war. Er war „Schah Reza der Große, König der Könige, Schatten des Allmächtigen, Stellvertreter Gottes und Zentrum der Welt“[32]

3.3.1.1. Politischer Kurs

„Mit dem Rückhalt der [...] Armee herrschte Reza Schah als Despot, so dass das Parlament, das die Maßnahmen des Schahs formell absegnete, lediglich eine[n] demokratischen Schein wahrte. [Sein] Ziel [war es], durch ein großangelegtes Modernisierungsprogramm [...] Iran zu einem fortschrittlichen säkularen Nationalstaat [...] zu machen.“[33]

Er begann daher mit der Durchsetzung von Reformen und dem Ausbau einer funktionierenden Infrastruktur: Neben dem Bau einer transiranischen Eisenbahnlinie wurde der Straßenbau vorangetrieben; Persien wurde in Iran unbenannt. Industrie und Landwirtschaft wurden reformiert. Das iranische Rechtssystem wurde ebenfalls reformiert und säkularisiert, die Scharia abgeschafft. Bildung und Forschung wurden durch den Ausbau der Hochschulen und der Einführung staatlicher Schulen sowie allgemeiner Schulpflicht ebenfalls gefördert; Mullahs wurde das Lehren der Kinder im Zuge einer weltlichen Bildung untersagt. Zu seinem Bemühen dem Iran sein traditionelles Gesicht zu nehmen und europäische Sitten einzuführen gehörten neben den Rechtsreformen, die v.a. den Zorn der Geistlichkeit erregten, die in diesem weltlichen und westlich orientierten Gesetzesbuch eine Verunglimpfung Alîs sahen, das Verbot traditioneller Kleidung und die Einführung einer westlichen Kleiderordnung. Konkret bedeutete dies, dass Anzug und Krawatte für Männer obligatorisch und der Tschador oder andere Gesichtsverhüllungen für Frauen untersagt wurde. Geistliche blieben bei diesen Maßnahmen außen vor und durften sich weiterhin wie bisher kleiden. Von nun an wurden sie als eigener gesellschaftlicher Stand definiert. Ihr Metier, der Islam, war jedoch so gut wie ganz aus dem öffentlichen Leben verdrängt; ihre Stellung untergraben.

Neue Industrien und Baustellen forderten unzählige Arbeitskräfte. Diese kamen meist vom Land in die Stätte und wurden oftmals aus ihren bisherigen traditionellen Lebensformen herausgerissen. Sie glaubten an ein besseres Leben in der Stadt. Doch dies blieb oftmals eine Illusion und es kam zur Bildung eines immer größer werdenden Proletariats.

Zur Festigung der Zentralmacht zwang Reza Schah die zahlreichen Nomadenstämme, ein Viertel der damaligen Bevölkerung, sesshaft zu werden, um sie so besser kontrollieren zu können. Das Bild eines brutalen, eisernen, harten Reza Schahs entstand. Alles was Einspruch erhebt, wird bekämpft. Widerstand zwecklos. Die autoritäre Diktatur hatte gewonnen.

„Seine Überzeugung sei, so erklärte der Schah, dass der Fortschritt der Menschheit im Sinne Allahs sei. Allah wolle, dass sich die Menschheit Wissen aneigne, dass sie Meister der technischen Entwicklung sei, dass sie in eine lichte Zukunft blicke.“[34]

3.3.1.2. Absetzung 1941

1941 musste Reza Schah aufgrund seiner deutschlandfreundlichen Haltung nach dem Einmarsch Alliierter Soldaten zu Gunsten seines Sohnes Mohammed Reza abdanken. „In diesem jungen Mann sahen die Alliierten ein williges Instrument, um in Persien tun und lassen zu können, was ihnen behagte.“[35]

3.3.2. Amtszeit von Mohammed Reza Schah

Mohammed Reza Schah (1919-1980) bestieg 1941 den Pfauenthron, den er erst 1979 wieder verlassen sollte. Er war der letzte Herrscher der 2500 Jahre währenden Königstradition in Iran. Unter ihm wurde die freie Kleidungswahl wieder eingeführt. Frauen war es daher wieder erlaubt, sich zu verhüllen; das alltägliche Leben kehrte auf die Straßen zurück. Viele der Unterdrückten konnten sich erholen: Die Nomadenstämme zogen wieder umher; der Klerus versuchte, sich wieder Einfluss zu verschaffen.

„Die Mullahs sagten: ‚Der Schah [...] ist ein Fremdling, ein Lakai fremder Mächte. Der dort auf dem Thron sitzt, ist der Grund eures Elends; der scheffelt ein Vermögen auf eure Kosten und verschachert das Land.’ Die Menschen glaubten diesen Worten, weil sie in ihren Ohren wie die reinste Wahrheit klangen.“[36]

Der Iran und das Öl

Die Geschichte des Schahs und Irans ist seit jeher eng mit dem Öl verbunden und half insbesondere Dr. Mohammed Mosaddegh zu besonderer Berühmtheit. Bereits 1953 wäre der Schah fast von ihm vom Thron gestoßen worden; er setzte sich bereits während der konstitutionellen Revolution für die Schaffung einer Republik und eines Verfassungsstaats ein. Ihm gelang es, die von den Briten geführte Anglo-Iranian-Oil-Company zu verstaatlichen, sämtliche Einnahmen aus dem Ölgeschäft Iran zuzuführen und durch die Entlassung aller Briten aus dem Unternehmen die verhasste, unterdrückende britische Kolonialmacht loszuwerden. Im iranischen Volk stieg er dadurch zu einem Volkshelden auf. Da Iran jedoch nicht das nötige Know-how für eine eigene Ölförderung besaß, schlitterte der Staat in eine wirtschaftliche Krise, die zu allgemeiner Verunsicherung führte.

Öffentliche Kritik am Volkshelden Mosaddegh wurde jedoch von der von Moskau gesteuerten und schahfeindlichen Tudeh-Partei gewaltsam unterdrückt. Diese Partei unterstütze, neben Mosaddegh, Demonstrationen und Überfälle auf Sympathisanten des Schahs.

Mosaddegh entschloss sich die Amerikaner um wirtschaftliche Aufbauhilfe zu bitten. Sollte diese ausbleiben, würde das die Tudeh-Partei stärken und die Gefahr bergen, dass sich Iran der SU zuwenden würde und Moskau somit Zugriff auf iranisches Öl und den Persischen Golf hätte.[37]

Präsident Eisenhower verbündete sich jedoch entgegen der Absicht Mosaddeghs nicht mit ihm, sondern mit dem Schah. Der Unterstützung Amerikas sicher, unterzeichnete dieser im August 1953 die Absetzung Mosaddeghs. Da dieser die Absetzung jedoch ignorierte, stieg er abermals zum Volkshelden auf, da er sich getraut hatte, dem Schah die Stirn zu bieten. „Hundertausende versammelten sich auf den Straßen. Sie benahmen sich, also ob ein Alptraum zu Ende gegangen wäre.[...] Wer die Vorgänge in Teheran beobachtete, der konnte nicht mehr daran glauben, dass die Pahlavisippe im Iran jemals wieder zu bestimmen haben würde.“[38] Es war schließlich nicht der Schah, sondern Mosaddegh, der die Herrschaft im Land den Ausländern entriss und dem Volk übertrug, ihnen damit die Demokratie brachte, die es so dringend forderte.

Mithilfe der CIA gelang es den Amerikanern Tausende Menschen für bezahlte Pro-Schah-Demonstrationen zu gewinnen. Nachdem sich die Armee auf die Seite des Schahs gestellt hatte, wurde Mosaddegh für abgesetzt erklärt. Der Schah war wieder an die Macht geputscht worden und nun alleiniger Führer eines milliardenschweren Ölunternehmens.[39] Mit den riesigen Einnahmen startete er ein Modernisierungsprogramm, das Iran in 20 Jahren zum Industriestaat machen sollte.

SAVAK

Es begann eine enge Freundschaft zwischen dem Schah und der Großmacht Amerika, die ihre Chance sah, Iran zur Bastion gegen die SU auszubauen. Riesige Geldströme begannen zu fließen mit denen der Geheimdienst SAVAK umstrukturiert bzw. neu aufgebaut wurde.

Die SAVAK stellte die Hauptstütze Mohammed Rezas dar, um an der Macht zu bleiben und Regimekritiker mundtot zu machen. Sie besaß mehr als 60.000 Agenten und schätzungsweise mehr als 3 Million Informanten. Praktisch jeder auf der Straße, den man sah, mit dem man sich unterhielt, konnte von SAVAK sein. Angst machte sich breit.

SAVAK wurde bald zu einem landesweit gefürchteten Überwachungsinstrument.

„Ihre Methode bestand darin, einen Menschen auf der Straße zu packen, ihm die Augen zu verbinden und ihn, ohne auch nur eine einzige Frage gestellt zu haben, in die Folterkammer zu schleppen. Dort wurde er unverzüglich den schlimmsten Folterungen unterworfen, es wurden ihm die Knochen gebrochen, die Fingernägel ausgerissen, die Hände in ein Becken mit glühenden Kohlen gesteckt, bei lebendigen Leib ein Loch in den Schädel gesägt; erst wenn der Schmerz ihn halb wahnsinnig gemacht hatte und er nur mehr ein blutiges Bündel war, begannen die Fragen. Wer bist du? Vorname? Name? Adresse? Was hast du über den Schah gesagt? Gib zu was du gesagt hast! Dabei war es durchaus denkbar, dass er nichts gesagt hatte, völlig unschuldig war.“[40]

-

1963 wurde die Opposition ausgeschaltet, 1975 die zwei verbliebenen Schattenparteien gänzlich aufgelöst. Die neue Einheitspartei „Auferstehung“ war fortan jedem Staatsbürger eine politische Zwangsheimat. Iran wurde damit zu einer, vom Westen gestützten[41], Schein-Demokratie.

Der Schah entfernte sich nun zusehends von jeglicher Realität und schottete sich mehr und mehr von der Außenwelt ab. Sein extravagantes Hofzeremoniell und enorme Ausgaben bestätigen dies. „Er übersah, dass nur ein Bruchteil der Bevölkerung vom Wirtschaftswachstum profitierte und dass er mit seiner Politik der Verwestlichung viele tiefgläubige Iraner brüskierte, für die ihre Religion ein identitätsstiftender Faktor war.

Andererseits verspielte er durch die vollständige innenpolitische Repression die Sympathien der westlich orientierten Iraner, die sich Fortschritt nicht ohne demokratische Freiheiten vorstellen konnten. Der schiitischen Geistlichkeit fiel damit wiederum ihre traditionelle Rolle zu, die Bevölkerung Irans gegen unislamische Einflüsse und eine despotische Regierung zu verteidigen.“[42] Es war insbesondere ein unscheinbarer Geistlicher, der gegen den Schah seine Stimme erhob: Ayatollah Khomeini.

3.4. Die Person Ruhollah Khomeini

„Khomeini (1902-1989) war ein schiitischer Ayatollah und der politische und spirituelle Führer der Islamischen Revolution in Iran von 1978-1979. [...] Khomeini gilt als der Gründer der Islamischen Republik in Iran. [...] Er war bis zu seinem Tod 1989 als Oberster Rechtsgelehrter deren Staatsoberhaupt.“[43]

3.4.1. Frühe Jahre

Sayyed Ruhollah Musawi Al Khomeini wurde 1902 geboren und wuchs als Waisenkind bei Verwandten auf. „Der Koran [...] war ihm schon in jungen Jahren die einzige Leitlinie. Die Mystik des schiitischen Islam prägte ihn, eine Mystik, die Leidensfähigkeit und Märtyrerbereitschaft ebenso einschließt wie das Engagement für die sozial Schwachen und die Auflehnung gegen jede weltliche, als gottlos empfundene Macht.“[44] 1920 zieht er nach Qum, um sich dort zum Mullah ausbilden zu lassen[45].

[...]


[1] Büttner, Der fundamentalistische Impuls und die Herausforderung der Moderne, in: Leviathan 4, 1996, 488

[2] vgl. Harenberg Länderlexikon, S. 397

[3] ebd.

[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Iran aufgerufen am 01.11.2010

[5] http://www.berlin-institut.org/newsletter/47_11_Februar_2008.html.html aufgerufen am 01.11.2010

[6] vgl. http://www.arendt-art.de/deutsch/IRAN/Behrouz_Khosrozadeh_1.htm aufgerufen am 06.11.2010

[7] ebd.

[8] vgl. GG Art. 4

[9] http://de.wikipedia.org/wiki/Iran

[10] vgl. Harenberg Länderlexikon, S. 398

[11] vgl. Gronke, Geschichte Irans, S. 12+13

[12] ebd., S. 19

[13] ebd., S. 19

[14] vgl. ebd., S. 21-22

[15] http://de.wikipedia.org/wiki/Muslim aufgerufen am 01.11.2010

[16] vgl. Gronke, Geschichte Irans, S. 22

[17] ebd., S. 23

[18] ebd.

[19] vgl. ebd. S. 23-25

[20] ebd., S. 25

[21] ebd., S. 26

[22] ebd., S. 68

[23] ebd., S. 85

[24] ebd.

[25] ebd.

[26] vgl. ebd.

[27] ebd., S. 92

[28] ebd., S. 93

[29] ebd., S. 97

[30] vgl. ebd., S. 95-98

[31] Kapucscinski, Schah-in-Schah, S.34+35

[32] ebd., S.32+33

[33] Gronke, Geschichte Irans S. 99

[34] Konzelmann, Der verwaiste Pfauenthron , S.198

[35] Konzelmann, Allahs Schwert, S. 174

[36] Kapucscinski, Schah-in-Schah, S. 54

[37] vgl. Konzelmann, Der verwaiste Pfauenthron, S. 251

[38] ebd., S. 252

[39] vgl. ebd., S.243ff.

[40] Kapucscinski, Schah-in-Schah, S. 69

[41] vgl. Gronke, Geschichte Irans, S. 103

[42] ebd., S. 104

[43] http://de.wikipedia.org/wiki/Khomeini aufgerufen am 01.11.2010

[44] Encke, Ayatollah Khomeini, Leben, Revolution und Erbe, S. 29

[45] Die Mullahs haben im schiitischen Islam die Aufgabe den Gläubigen zu führen; ihm helfen, Gut und Böse zu unterscheiden und den Agenten des Teufels zu entkommen. Um dies zu erreichen begibt man sich in die Obhut eines Lehrers, mit dem man über verschiedene Bereiche des Korans diskutiert. Anstatt jedoch neue Gedanken zu entwickeln, stellt sich der Schüler auf die Meinung des Lehrenden ein, der wiederum die Meinung seines Lehrers vertritt. Diese ewigen Wahrheiten gehen letztlich aus Überlieferungen von Aussagen Allahs oder den Imamen hervor. Dabei wird klar, dass Mullahs jenseits von Realität und Wahrheit leben und aufwachsen: Für sie lautet das Kredo, in der Überlieferung zu beharren und nicht in die Zukunft zu schauen und sich ihr anzupassen. „Die Lehrer wollen auch Veränderungen der Welt ungern zur Kenntnis nehmen. Fortschritt bedeutet Gefahr, in die Falle des Teufels zu geraten. Konzelmann, Allahs Schwert, S. 190

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Details

Titel
Die Islamische Republik Iran. Zwischen Fundamentalismus und Moderne
Note
14
Autor
Jahr
2010
Seiten
37
Katalognummer
V351286
ISBN (eBook)
9783668385757
ISBN (Buch)
9783668385764
Dateigröße
685 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit entstand im Rahmen des W-Seminars in ev. Religionslehre "Die Macht der Religion" am Gymnasium Puchheim und wurde mit 14 Punkten bewertet.
Schlagworte
Iran, Fundamentalismus, Schia, Khomeini, Ayatollah, Mullah, Regime, Theokratie, Diktatur, Islam, Mittlerer Osten
Arbeit zitieren
Benedikt Schneider (Autor:in), 2010, Die Islamische Republik Iran. Zwischen Fundamentalismus und Moderne, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/351286

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