Binnendifferenzierung im Literaturunterricht anhand von Stationenlernen


Forschungsarbeit, 2016

58 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Vorstellung des Forschungsvorhabens

2 Darstellung des aktuellen Forschungsstandes
2.1 Selektion an deutschen Schulen
2.2 Innere Differenzierung
2.3 Konzepte der Binnendifferenzierung
2.4 Das Stationenlernen
2.4.1 Merkmale des Stationenlernens
2.4.2 Voraussetzungen und Bedingungen
2.4.3 Eine didaktische Begründung
2.4.4 Vorund Nachteile
2.4.5 Ein Resümee zum Stationenlernen

3 Darstellung des Untersuchungsvorgangs u. der Analysemethoden
3.1 Verwendung von MS Excel
3.2 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring

4 Untersuchung des Forschungsgegenstandes
4.1 Bedingungsanalyse
4.2 Forschungsverlauf
4.3 Auswertung der Ergebnisse
4.3.1 Quantitative Analyse
4.3.2 Qualitative Analyse

5 Resümee und Ausblick

Anhang
Anhang 1: Planung der Unterrichtsstunde
Anhang 2: Aufgaben des Stationenlernens
Anhang 3: Quantitative Auswertung des Schülerfragebogens
Anhang 4: Quantitative Auswertung des Lehrerfragebogens
Anhang 5: Qualitative Analyse der Schülerfragen – Zusammenfassung
Anhang 6: Qualitative Analyse der Lehrerfragen – Zusammenfassung
Anhang 7: Beispiel für Schülerfragebogen
Anhang 8: Beispiel für Lehrerfragebogen

1 Vorstellung des Forschungsvorhabens

Vorliegende Forschungsarbeit widmet sich der Schwierigkeit des Umgangs mit einer zunehmenden Heterogenität der Schülerschaft in deutschen Klassenzimmern. Dazu wird der leitendenden Forschungsfrage nachgegangen, inwiefern sich die Methode des Stationenlernens für einen gelingenden binnendifferenzierenden Literaturunterricht eignet. Die Antwort jedoch soll nicht etwa in einem simplen Bejahen oder Verneinen dieser Frage liegen. Vielmehr wird die Fragestellung durch Forschungen, die sich auf eigene unterrichtspraktische Tätigkeiten stützen, untersucht, indem eine Methode des offenen Unterrichts und somit der Binnendifferenzierung[1], das Stationenlernen, konkret in einer Schulklasse eines deutschen Gymnasium einund durchgeführt sowie mit geeigneten Instrumenten und Methoden evaluiert wird. Dabei soll die Einschätzung und Bewertung der teilenehmenden Schüler[2] und beobachtenden Lehrpersonen von zentraler Bedeutung sein.

Aufgrund der vorhandenen Einzelfallanalyse kann das Argument einer mangelnden Verallgemeinerbarkeit zwar nicht gänzlich von der Hand gewiesen, aber insofern entkräftet werden, als die gewählten Untersuchungsmethoden, die in Kapitel 3 dargestellt sind, valide Ergebnisse liefern, aus denen objektive Schlüsse gezogen und allgemeine Folgerungen abgeleitet werden können.

Im Rahmen seiner Lehramtsausbildung und des absolvierten Einsatzes im Praxissemester erkennt der Verfasser vorliegender Arbeit deutlich die bereits angesprochenen Schwierigkeiten und Herausforderungen eines Unterrichts, der sich zum Ziel setzt, den unterschiedlichen Anforderungen, also den in einer Lerngruppe bestehenden Interessensund Leistungsunterschieden sowie einem individuellen Förderbedarf gerecht zu werden. Für seine Praxislaufbahn erachtet er demnach die Kenntnis binnendifferenzierender Unterrichtskonzepte und offener Strukturen nicht nur als Schlüssel zum Erfolg, sondern vielmehr als notwendige Voraussetzung, um einen modernen Unterricht zu gestalten, welcher der Vielfalt an den Schulen adäquat begegnet. Gerade im literarischen Deutschunterricht bieten sich mannigfache Möglichkeiten, einen schülerzentrierten Unterricht umzusetzen, der hinsichtlich einer Methodenvielfalt, einer Alternierung der Arbeitsformen sowie dem Einsatz verschiedener Medien, um vorerst nur einige Ansatzpunkte zu nennen, das Individuum in den Vordergrund rückt, dessen Interessen und Bedürfnisse wahrnimmt und somit der Forderung nach mehr Binnendifferenzierung nachkommt.

Die Wichtigkeit dieser Art des Unterrichtens wird bereits deutlich, wenn der Kernlehrplan des Landes Nordrhein-Westfalen für Deutsch an Gymnasien betrachtet wird. Dieser führt erstmals eine kompetenzorientierte Form von Unterrichtsvorgaben ein und räumt Kompetenzen damit den Vorrang vor konkreten Inhalten ein (cf. Kernlehrplan NRW Deutsch 2007). Mit dieser neuen, einen Umbruch markierenden Lernzielgestaltung wird ebenso eine Anpassung der dorthin führenden Unterrichtsmethoden notwendig. Damit die Schüler nämlich in die Lage versetzt werden können, Kompetenzen auszubilden bzw. selbige zu erlangen, benötigen sie einen gewissen Handlungsspielraum, der ihre individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht nur wertschätzt, sondern die Schüler dabei unterstützt, diese auch zur Entfaltung zu bringen. Eine Öffnung des Unterrichts, die den einzelnen Schüler ins Zentrum des Geschehens rückt, scheint somit nicht nur unabdingbar, sondern muss vielmehr als wünschenswert angesehen werden.

Dieses Desiderat untermauern nicht zuletzt die verschiedenen Schulgesetze der einzelnen Bundes­länder. So heißt es beispielsweise in §10 Artikel 1 des Schulgesetzes des Landes Rheinland-Pfalz, der unter anderem die Aufgaben von Schule festlegt: „Jede Schulart und jede Schule ist der individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler verpflichtet“ (SchulG Rheinland-Pfalz 2004). An dieser Formulierung ist klar und eindeutig die Fokussierung auf das einzelne Individuum erkennbar, welche den heutigen Anforderungen der Schüler und der o. g. allgemeinen Schulsituation Rechnung trägt. Das Schulgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen trifft ähnliche Aussagen und legt in §1 Artikel 1 das Recht auf Bildung im Allgemeinen und individuelle Förderung fest: „Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage und Herkunft und sein Geschlecht ein Recht auf schulische Bildung, Erziehung und individuelle Förderung“ (SchulG des Landes NRW 2005). Der letzte Punkt ist hierbei für die betrachtete Forschungsfrage entscheidend. Die Gesetze der anderen Länder lauten ähnlich, sodass gefolgert werden kann, dass die Probleme des deutschen Schulsystems längst bekannt sind und zumindest eine gesetzliche Basis vorhanden ist, auf der Lösungsstrategien aufbauen können. Bis diese Vorgaben jedoch auch flächendeckend Einzug in die Praxis halten, müssen noch zahlreiche Anstrengungen unternommen, Konzepte entwickelt und umgesetzt werden.

Im Folgenden soll kurz die Struktur vorliegender Forschungsarbeit dargestellt werden. In Kapitel 2 wird zunächst der aktuelle Forschungsstand in Bezug auf die an deutschen Schulen herrschende Heterogenität und dieser begegnenden Konzepte dargelegt. Dabei werden die auf Tradition basierenden Maßnahmen äußerer Differenzierung des deutschen Schulsystems kritisiert und das Postulat vieler Didaktik-, Kognitionsund Sozialforscher nach einer stärkeren Fokussierung auf Konzepte der Binnendifferenzierung ergründet. Zudem werden dort zentrale Begriffe definiert und erläutert. Kapitel 3 befasst sich mit den Methoden, die der Forschungsarbeit zugrunde liegen und erläutert daher das konkrete Vorgehen während der Untersuchung. In Kapitel 4, dem Hauptteil vorliegender Forschungsarbeit, findet dann die eigentliche Untersuchung der o. g. Lernsituation statt, wobei zunächst eine allgemeine Bedingungsanalyse in Bezug auf die als Lernort fungierende Schule sowie die Schülerschaft vorgenommen wird, gefolgt von einer Beschreibung des Forschungsverlaufes. Zum Schluss der Arbeit bietet Kapitel 5 einen Ausblick und eine persönliche Einschätzung des Verfassers zum erfolgreichen Einsetzen der angewandten und untersuchten Methode, dem Stationenlernen.

2 Darstellung des aktuellen Forschungsstandes

Im Rahmen des im Seminar behandelten Schwerpunkts der Binnendifferenzierung wird zunächst das auf dem Selektionsprinzip basierende, eine äußere Differenzierung schaffende deutsche Schulsystem kritisiert und erläutert, weshalb diese Strukturen dazu führen, dass Forderungen nach binnendifferenzierenden Konzepten zu Recht lauter werden. Im Anschluss wird dann die Binnendifferenzierung im Allgemeinen erläutert und vor dem Hintergrund aktueller Forschungsergebnisse näher beleuchtet, bevor abschließend das Stationenlernen als konkrete Methode einer inneren Differenzierung genauer betrachtet wird.

2.1 Selektion an deutschen Schulen

Im deutschen Schulsystem herrscht mit der seit dem 19. Jahrhundert bestehenden Selektion – also der Verteilung der Schüler auf die verschiedenen Schulformen – eine lange Tradition der Begegnung von Heterogenität. Diese Homogenisierungsstrategie setzt zudem in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern recht früh ein (cf. Bathe/Boller/Kemper 2010[3], S. 16). Demzufolge ist das System „charakterisiert durch äußere Differenzierung, basierend auf dem Versuch, eine (scheinbare) Homogenität entlang der Kriterien Alter und Leistung herzustellen“ (ebd.). Unter dem Begriff Heterogenität verstehen die Forscher „soziale, kulturelle, geschlechts-, alters-, interessenund leistungsbezogene Unterschiede von […] Schülern einer Lerngruppe“ (ebd., S. 15). Dabei wird die Heterogenität häufig als eine Streuung um einen fiktiven Normbegriff verstanden, der je nach pädagogischer Zielsetzung als Bereicherung oder Erschwernis angesehen wird. Eine Schülergruppe, die in einigen Merkmalen übereinstimmt, z. B. Alter, Geschlecht, unterscheidet sich in vielen anderen Merkmalen und ist heterogen in Bezug auf Leistung, Interesse etc. Die zentrale Folgerung, dass Lerngruppen „sich somit notwendigerweise immer hinsichtlich eines oder mehrerer Merkmale“ (ebd.) unterscheiden, führt also vor Augen, dass ein Umdenken stattfinden muss und alle Bestrebungen nach einer Homogenisierung a priori zum Scheitern verurteilt sind.

„Obwohl homogene Lerngruppen [also] faktisch nicht bzw. nur im Hinblick auf ein bestimmtes Merkmal denkbar sind“ (ebd., S. 16), finden sich in der deutschen Schullandschaft weitere Homogenisierungsstrategien, die sich z. B. in einer Zurückstellung vom ersten Schulbesuch, Klassenwiederholung oder Abschulung manifestieren. So stellen Bathe et al. anhand diverser nationaler und internationaler Vergleichsstudien fest, dass die oben beschriebenen Homogenisierungsstrategien zu einer hohen sozialen Selektivität des deutschen Schulsystems führen (cf. ebd.).

Dem gegliederten Schulsystem gelingt es demnach nur unzureichend, strukturell Benachteiligungen von […] Schülern aus sozial schwachen und bildungsfernen Schichten abzubauen. Im Gegenteil: das Schulsystem produziert im hohen Maße Verliererbzw. Risikobiographien (ebd.).

Die Debatte um das Heterogenitätsbewusstsein und die durch die Selektion verkappten Bildungsreserven schaffe jedoch Sensibilität bei Politik, Eltern und Lehrern und führe somit allmählich zu einem Umdenken, das unter anderem große Chancen in der inneren Differenzierung sehe und somit die Chancen der Heterogenität in den Vordergrund stelle (cf. ebd., S. 17).

2.2 Innere Differenzierung

„Die Annahme, dass 25-30 Lernprozesse synchron zu dem von einem Lehrer […] gestalteten Unterricht verlaufen können, ist eine Illusion“ (Bohl/Bönsch/Trautmann/Wischer 2012[4], S. 5). Damit stellen Bohl et al. eine simple Ausgangslage fest, die niemand ernsthaft in Zweifel ziehen würde: „Schüler unterscheiden sich (wie alle Menschen) in vielfältiger Hinsicht“ (ebd.). Die daraus abzuleitende Folgerung ist allerdings alles andere als banal und nicht zuletzt die treibende Kraft der Debatte um die Heterogenität in deutschen Klassenzimmern und den damit untrennbar verbundenen Maßnahmen der Binnendifferenzierung. Klar zu erkennen an dieser Aussage ist aber auch, dass Lehrer ihr bisheriges Rollenverständnis überdenken müssen und nicht wider besseren Wissens einen primär lehrerzentrierten Unterricht fortführen können, von dem sie erwarten, dass er bei seinen Schülern Lernerfolge hervorbringt und eine intrinsische Motivation fördert. Laut Bönsch bedeutet die Binnendifferenzierung somit „eine kleine Revolution für den Unterricht“ (Bönsch 2012, S. 9), die er durch die Ablösung des Geleitzugprinzips erklärt, in dem der Lehrer die Lerner hin zu einem Lernziel geleitet. Stattdessen setze sich eine konsequente Individualisierung von Unterricht durch (cf. ebd.).

Diesen Ansatz lässt auch die Schulpädagogin Beate Wischer erkennen, die von einem unter Lehrkräften vorherrschenden Anspruch ausgeht, „jeden Einzelnen optimal fördern zu wollen“ (Wischer 2008, S. 714). Auch bei vorhandener äußerer Differenzierung erachtet sie variable Förderstrategien als sinnvoll und notwendig, „um den individuellen Bedürfnissen auch optimal gerecht zu werden“ (Wischer 2008, S. 714). Die Debatte um den unzureichenden Umgang mit Heterogenität sei bereits lange im Gange und wurde spätestens mit den Forderungen der Reformpädagogen – unter anderem durch Klafki und Stöcker – nach innerer Differenzierung in den 1970er-Jahren eröffnet. Ungeachtet der vorliegenden eindeutigen Forschungsergebnisse weist sie auf die in der Praxis nur selten anzutreffenden differenzierenden Lernarrangements hin (cf. ebd.). Somit stellt sie eine klare Diskrepanz „zwischen den zahlreich eingebrachten Forderungen und der unterrichtlichen Realentwicklung“ (ebd., S. 715) fest.

„Laut Bohl et al. gilt „Binnendifferenzierung […] als die Antwort für einen erfolgreichen Umgang mit Heterogenität“ (Bohl et al. 20102, S. 5). Innere Differenzierung bezeichnet dabei „den Versuch, den Schüler(n) im Rahmen ihrer Lerngruppe unterschiedliche Lernwege zu ermöglichen“ (Wischer 2008, S. 715). Ihr Ziel bestehe demnach „in einer Optimierung von Lernprozessen der Einzelnen durch eine bessere Passung zwischen individueller Lernausgangslage und Lernangebot“ (ebd.). Des Weiteren vollzieht sie sich in einem offenen Unterricht, der die Selbständigkeit der Lernenden fördert, indem er mit Wahlangeboten und vielfältigem Material einhergeht. Den o. g. Mangel an differenzierenden Lernarrangements verortet Wischer nicht etwa in einem Fehlen von möglichen Optionen, sondern vielmehr in einem Überangebot (ebd., S. 716). Die resultierende Unüberschaubarkeit und das fehlende Rezept für ein festes Vorgehen führen zu Verunsicherungen aufseiten der Lehrer. Entscheidend für einen gelingenden binnendifferenzierenden Unterricht sei es demzufolge, die Lernvoraussetzungen der Schüler zu kennen und zu analysieren, um individuelle Angebote bereitstellen zu können, die auf die entsprechenden Fähigkeiten und Lernwege der Schüler zugeschnitten seien (cf. ebd.). So führe „erst die Kombination von hoher diagnostischer Kompetenz und dem Einsatz entsprechender Strukturierungshilfen […] zu leistungssteigernden Effekten“ (ebd., S. 717).

Trotz der erkennbaren Bestrebungen vieler Schulen und Lehrer besteht jedoch ein klar erkennbarer Interessenskonflikt, der das professionelle Handeln vieler Pädagogen vor zunächst unlösbare Probleme stellt, die „im Kern unvereinbare Anforderungen aufweisen“ (Wischer 2008, S. 719). So begreift Wischer in der „Antinomie von Fördern und Auslesen“ (ebd.) ein Spannungsfeld, das Widersprüche zwischen der pädagogischen Arbeit und der Selektion an Schulen im Sinne einer leistungsdifferenzierenden und -orientierten Gesellschaft hervorruft. Diese Probleme können die Lehrkräfte oder Schulen im Einzelnen oftmals nicht überwinden, da je nach Ausgangslage entweder die Schule oder aber das Schulsystem des jeweiligen Landes als übergeordnete Instanz erst die notwendigen Voraussetzungen schaffen müsste und somit eine Zusammenarbeit unabdingbar ist (cf. ebd.).

2.3 Konzepte der Binnendifferenzierung

Der Philosoph und Schulpädagoge Manfred Bönsch erkennt Bestrebungen in nahezu allen Bundesländern, eine Art der Gesamtschule zu etablieren, die „eine größere Heterogenität […] als das bessere Lernbiotop“ (Bönsch 2014, S. 6) ansieht. Aufgrund der hohen Zahlen von Schülern, die nach der Primarstufe an das Gymnasium wechseln, bezeichnet es Bönsch als die „heimliche Gesamtschule“ (ebd.). Daher fordert er für das Thema der Binnendifferenzierung mehr Aufmerksamkeit und ein daraus resultierendes Vorantreiben notwendiger Maßnahmen.

Bönsch benennt zwei Grundkonzepte der Binnendifferenzierung: zum einen das zielorientierte zum anderen das freigebende Modell (cf. ebd.). Die Unterscheidung liegt dabei im zeitlichen Erreichen der Lernziele durch die Schüler. Beim zielorientierten Modell, das er als sehr ambitioniert bezeichnet, sollen alle Schüler zeitgleich die vorgegebenen Lernzeile erreichen, indem sie individuell passende Lernwege verfolgen, wohingegen das freibleibende Modell den Zwang eines zeitgleichen Erreichens der Lernziele aufgibt, indem es zwischen allgemeinen und reduzierten, vorläufigen Zielen unterscheidet. Dadurch kommt es zu einem Lernen, das von weniger Druck und somit einer entspannten Atmosphäre geprägt ist.

Ferner zeichnet er sechs Ansätze einer Binnendifferenzierung, die sich in Bezug auf Schwerpunktsetzung und Offenheit unterscheiden. Diese beschriebt er ausgehend von den Lernaufgaben (Unterscheidung in Bezug auf Komplexität, Schwierigkeitsgrad und Überprüfbarkeit), den Lernwegen (Angebot einfallsreicher Lernmethoden), den Lernplänen (das Verwenden individueller Wochenund Arbeitspläne für bereits fortgeschrittene Konzepte der Differenzierung), den Lernangeboten (metakognitive Lernangebote für eigenverantwortliche und interessengeleitete Selbstbildung von Schülern), den Lerninhalten (Unterscheidung von Grundund Aufbauwissen) und den Personen (Möglichkeit zur Kooperation und zum kommunikativen Austausch) (cf. ebd., S. 8). Schließlich resümiert er die Konzepte der Binnendifferenzierung als eine „Verbesserung des Lernens in heterogenen Gruppen“ (ebd., S. 11).

2.4 Das Stationenlernen

Das Stationenlernen hat seine Ursprünge im sog. Circuittraining, einer im Sport verbreiteten Übungsform (cf. Bauer 2003b, S. 50). Von dieser einfachen Übungsebene ist es in der Zwischenzeit jedoch lange abgerückt und hat sich als bewährtes „Arbeitsangebot, das in strukturierter Weise die selbständige Erledigung […] von Aufgaben mit Hilfe von Materialien und Geräten ermöglicht“ (Bönsch 2012, S. 15), an den Schulen etabliert.

Je nach Literatur sind für ein und dieselbe Lernform zahlreiche Begriffe bekannt: „Stationenarbeit, Lernzirkel, Übungszirkel, Lernstraße, Lerntheke, Lernbuffet und Lernmosaik“ (Wäcken 2010, S. 88), um nur einige zu nennen. Im Folgenden werden diese unter dem bereits eingeführten Begriff Stationenlernen zusammengefasst und synonym verstanden.

2.4.1 Merkmale des Stationenlernens

Hauptmerkmale des Stationenlernens sind das selbständige Arbeiten der Schüler, die freie Wahl der Reihenfolge der zu bearbeitenden Aufgaben sowie der favorisierten Sozialform, sodass die Lernenden nicht wie üblich in einen linearen Unterricht eingebunden werden, der kaum Raum für die Heterogenität der Schüler zulässt (cf. Bönsch 2012, S. 15). Dadurch werden also nicht nur die Inhalte, sondern auch die Unterschiedlichkeit der Lernenden berücksichtigt (cf. Bauer 2003b, S. 46).

Beim Stationenlernen stellt die Lehrkraft „eine Lernumgebung, ein Materialangebot bereit, das dem Kind die Initiative und in hohem Maße auch die Verantwortung für sein Lernen überlässt“ (Hegele 1999, S. 8). Dabei sei das Stationenlernen durch einen Wechsel eher offener und eher gelenkter Phasen charakterisiert, wobei Offenheit und Geschlossenheit nicht als Gegensätze verstanden werden (cf. ebd.). Vielmehr bilden sie ein „Kontinuum unterschiedlicher Lenkung bzw. Freisetzung“ (ebd.), das der Lehrer – die Voraussetzungen der Schüler und andere Faktoren berücksichtigend – vollkommen ausschöpfen muss.

Laut Wäcken bestehe das Stationenlernen aus drei Phasen: der Einführung, der eigentlichen Arbeit und der Zusammenführung (cf. Wäcken 2010, S. 88f). Während der Einführung werden den Schülern die Regeln erklärt und eine Übersicht der einzelnen Stationen dargeboten, damit sie wissen, welche Wahlmöglichkeiten ihnen offen stehen. Meist sind die einzelnen Stationen in sog. Pflichtstationen, das Fundamentum, und Wahlstationen, das Additum, unterteilt (cf. ebd.). Dabei sind die Pflichtstationen von allen Schülern – jedoch in beliebiger Reihenfolge und eigenem Tempo – zu absolvieren, die Wahlstationen stellen Zusatzangebote dar, die je nach Interessenlage und Arbeitsgeschwindigkeit wahrgenommen werden können. In einige Lernzirkel können zudem sog. Pufferstationen und/oder Kontrollstationen eingebaut sein, die zum einen dazu dienen, Staus an bestimmten Stationen zu vermeiden oder den Schülern die selbständige Kontrolle ihrer Ergebnisse durch das Bereitstellen von Musterlösungen oder Hilfestellungen zu ermöglichen (cf. ebd.).

Die Einsatzfelder dieser Lernform sind kaum beschränkt und eigenen sich sowohl für die Erarbeitung eines neuen Themas als auch für die Vertiefung von Grundlagen sowie den Transfer von bereits Gelerntem auf neue Zusammenhänge (cf. ebd., S. 90)

2.4.2 Voraussetzungen und Bedingungen

Als Methode, die im Unterricht viele Optionen eröffne, sei das Stationenlernen kein Selbstläufer, erläutert Wäcken (cf. ebd.). Vielmehr hänge ihr erfolgreicher Einsatz von Vorüberlegungen und sinnvollen äußeren Bedingungen ab. Sie unterscheidet dabei inhaltliche Voraussetzungen von solchen auf Schülerund Lehrerseite.

Unter den inhaltliche Voraussetzungen führt sie als erstes die didaktische Begründung an, die eine ausreichende Zahl an Unterthemen, vielfältiges Arbeitsmaterial und unterschiedliche Tätigkeiten in den Aufgaben vorweisen können muss (cf. ebd., S. 91). Zudem sind räumliche und zeitliche Ressourcen zu berücksichtigen, denn „die Durchführung des Stationenlernens erfordert eine detaillierte, fast akribische Planung, damit […] alle Schüler gleichzeitig arbeiten können und kein Chaos entsteht“ (Wäcken 2010, S. 91). Dazu merkt Bauer an, dass die Methode auch in einzelnen Stunden eingesetzt und mit geringem organisatorischen Aufwand realisiert werden könne (cf. Bauer 2003b, S. 50).

Aufseiten der Lehrperson sei es erforderlich, dass sie ein „verändertes Selbstverständnis und Handeln“ (Wäcken 2010. S. 92) entwickle, sodass sie einen Rollenwechsel vornehmen kann. Der hohe Vorbereitungsaufwand, der sich angesichts der Möglichkeit zur wiederholten Verwendung des Materials relativiert, falle eher weniger ins Gewicht (cf. ebd.). Zudem muss die Lehrkraft eine gewisse diagnostische Kompetenz vorweisen können (cf. ebd.). „Aufseiten der Lernenden setzt eine erfolgreiche Arbeit an Stationen ein gewisses Maß an Selbsttätigkeit und Selbstständigkeit sowie die Beherrschung bestimmter Arbeitstechniken voraus“ (ebd.). Ein Fehlen solcher Voraussetzungen bei Einzelnen kann dazu genutzt werden, genau diese zu schulen.

2.4.3 Eine didaktische Begründung

Die Psychologin Martina Wäcken widmet sich in einer Untersuchung dem Stationenlernen als Methode der inneren Differenzierung und klassifiziert es als weit verbreitet auch in den Sekundarstufen der weiterführenden Schulen (cf. Wäcken 2010, S. 86). Dabei billigt sie der Methode nahezu unerschöpfliche Einsatzmöglichkeiten zu, die weder Grenzen in Bezug auf das unterrichtete Fach, die Schulstufe oder die Schulform aufweisen noch abhängig vom Inhalt oder zeitlichem Fortschritt einer Unterrichtsreihe seien (cf. Wäcken 2010, S. 86). Mittel der Wahl sei das Stationenlernen immer dann, „wenn es um offenen, schüleraktivierenden oder handlungsorientierten Unterricht, um selbstgesteuertes oder individuelles Lernen, um konstruktivistische Didaktik oder um den Umgang mit heterogenen Lerngruppen“ (Wäcken 2010, S. 86) geht. Der freiheitsbezogene Aspekt in Bezug auf die mehr oder minder ausgestaltet Auswahl an zu bearbeitenden Aufgaben komme den Lernenden auf dem Weg ihres Erwachsenwerdens und der damit einhergehenden Übernahme von Eigenverantwortung und Selbstbestimmtheit entgegen, sodass neben dem lernpsychologischen ebenso ein pädagogischer Effekt hervorgerufen wird (cf. Wäcken 2010, S. 86). Ein weiterer positiver Effekt besteht im Erwerb von Sozialkompetenz, denn oft sind Kooperation oder gegenseitige Hilfestellung beim Lösen der Aufgaben vonnöten sowie kritische Rückmeldung während der Überprüfung gefragt (cf. Salzgeber 2011, S. 6).

Laut Reich bestehe bei Lernenden oftmals ein Mangel an Motivation, weil sie den Sinn des zu Lernenden nicht erkennen können oder sie diesbezüglich wenig bis kein Mitbestimmungsrecht genießen (cf. Reich 2008, S. 5). Ebenso können auch Lehrkräfte demotiviert sein, wenn sie sich als Einzelkämpfer betrachten, der aussichtslos versuchten, auf jeden ihrer Schüler gleichermaßen eingehen zu wollen (cf. ebd.). Das Stationenlernen kann „eine methodische Antwort auf [diese] Motivationsprobleme bei Schülern und Lehrern“ (cf. ebd.) gleichermaßen sein. Denn es sei hilfreich, um auf individuelle Leistungsunterschiede in einer Lerngruppe einzugehen, es vermeide Probleme einer zentralen Wissensvermittlung – wie etwa Störungen durch einzelne Schüler – und es nehme Schülern mit Lernschwierigkeiten den Leistungsdruck dank eines individuellen Lerntempos (cf. ebd.). Durch Möglichkeiten zur Intensivierung interessengeleiteten und selbstverantwortlichen Lernens trage es ferner zu einer Individualisierung des Lernens und einer Vertiefung von Wissensgebieten bei (cf. ebd.). Gleichzeitig fördere die damit einhergehende Dezentralisierung die Entstörung von Unterricht (cf. ebd.). Der Schüler agiert also selbständig, indem er sich gezielt Aufgaben nach seinen Vorlieben und Stärken heraussucht. Dabei werde der Lerninhalt schon aufgrund der Tatsache interessanter, dass er in vielseitiger Form vorliege und mit verschiedenen Methoden erschlossen werden müsse (cf. ebd.). Auf der anderen Seite könne der Lehrer seine Rolle als Wissensvermittler verlassen und die eines „Beobachters, Ratgebers und Experten im Hintergrund“ (ebd.) einnehmen, aus der heraus er deutlich mehr und vor allem dezidierte Möglichkeiten besitze, einzelne Lerner zu unterstützen oder diagnostische Instrumente anzuwenden.

2.4.4 Vorund Nachteile

Als einzigen und nennenswerten Nachteil kann das gelegentliche Ausnutzen von Freiräumen von einigen Lernern angesehen werden, die manche Stationen nicht ernst nehmen oder als lästige Pflicht erachten (cf. Wäcken 2010, S. 92). Dem kann jedoch mit einer geeigneten Einführung und sinnvoller Auswahl an Aufgaben und Handlungsanweisungen begegnet werden (cf. ebd.).

Eindeutig überwiegen aber die zahlreichen Vorteile: So bedeute neurowissenschaftlichen und kognitionspsychologischen Erkenntnissen zufolge das gleichzeitige Lernen, die Aktivität aller in ihrem eigenen Lerntempo sowie das Auseinandersetzen mit dem Lerngegenstand im individuellen Lernrhythmus einen entscheidenden Vorteil (cf. ebd., S. 87). Für die Lehrperson schaffe das Stationenlernen neben einer Entlastung zeitgleich auch die Möglichkeit, andere, sonst in den Hintergrund tretende Prozesse zu aktivieren bzw. zu intensivieren. Somit können sie gezielte Beobachtungen vornehmen und Diagnoseinstrumente nutzen, die wiederum wichtig sind für die Planung und Gestaltung künftiger Lernarrangements (cf. ebd.). Die freigewordene Kapazität der Lehrkraft fließt also in einen sich selbst erhaltenden und verfestigenden Kreislauf ein, der schlussendlich allen Beteiligten zugutekommt. Für die Schüler bedeute ein breites Lernangebot die Berücksichtigung möglichst vieler Voraussetzungen sowie individueller Denkund Lernebenen (cf. Bauer 2003a, S. 99). So weiß Dieter Salzgeber zu ergänzen, dass gute Lernzirkel ein Lernen mit vielen Sinnen ermöglichen, somit neben rein visuellen auch auditive oder audio-visuelle Kanäle ansprechen (cf. Salzgeber 2011, S. 5). Des Weiteren verhelfe es den Lernenden zur Einübung einer Orientierung in vorgegebene Strukturen, der Übernahme von Verantwortung ihres Lernens und biete ihnen Möglichkeiten der Reflexion (cf. Bauer 2003a, S. 99f). Der äußere Rahmen verschaffe zudem Lernern, die mit gänzlich freien Arbeitsformen überfordert wären, eine gewisse Struktur, der sie folgen können. Darüber hinaus sei die Methode des Stationenlernens sehr beliebt ob ihrer einfachen Struktur und vielseitigen Verwendbarkeit (cf. Hegele 1999, S. 8). Durch „die verhältnismäßig enge Bindung im Bereich der Lerninhalte und Lernziele“ (ebd.) fühlen sich die Lehrer oftmals sicherer als bei anderen Formen des offenen Unterrichts, da eine gute Planung und Vorbereitung die Lenkung in eine gewisse Richtung ermöglichen sowie die vermittelten Inhalte gut überblicken lassen. Zuletzt genannt, aber ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist – wie in folgender Untersuchung noch zu zeigen sein wird – der Spaß, den die Schüler beim Stationenlernen entwickeln. Dieser führt auf natürlichem Wege zu einer zusätzlichen und als äußerst wertvoll einzustufenden, intrinsischen Motivation.

2.4.5 Ein Resümee zum Stationenlernen

Bei rein kognitiv ausgerichteten Lernkontrollen schneidet das Stationenlernen kaum besser ab als lehrerzentrierte Unterrichtskonzepte; doch müssten vielmehr auch das deutlich schwieriger zu messende methodisch-strategische, das sozial-kommunikative sowie das affektive Lernen Berücksichtigung bei Überprüfungen der Lernleistung finden (cf. Wäcken 2010, S. 94).

Aus der Auswertung diverser Untersuchungen leitet Wäcken ab, dass die Schüler beim Stationenlernen nicht mehr, aber auch nicht weniger lernen als bei lehrerzentrierten Lernformen (cf. ebd.). Allerdings lernen sie „mit mehr Freude, möglicherweise nachhaltiger und vor allem selbstständiger“ (ebd.). Neben dem reinen Sachund Fachwissen erwerben sie also zusätzliche Schlüsselqualifikationen, die für ihre spätere Berufslaufbahn von zentraler Bedeutung sein können (cf. ebd.).

Eine Gefahr sieht sie in der Tatsache, dass neben den profitierenden lernstarken Schülern die Lernschwächeren durch die erwartete Selbstständigkeit überfordert sein und daher benachteiligt werden können (cf. ebd.).

3 Darstellung des Untersuchungsvorgangs u. der Analysemethoden

Um der Fragestellung nachzugehen, inwiefern sich das Stationenlernen für einen binnendifferenzierenden Literaturunterricht eignet, wird zunächst eine Schulklasse mit selbiger Methode unterrichtet, um im Anschluss eine Analyse der sich aus dieser Unterrichtseinheit ergebenden Daten vorzunehmen. Letztere stammen von Schülern, die an der Unterrichtssituation teilnehmen, und zwei beobachtenden Lehrkräften, die jeweils spezifische Fragebögen ausfüllen. Damit wird also eine Stichprobe genommen, aus der sich erste Verallgemeinerungen folgern lassen. Dieser induktive Ansatz wird gewählt, um die konkrete Hypothese zu beweisen, dass das Stationenlernen eine von Schülern und Lehrern gleichermaßen angenommene und erfolgversprechende Methode ist, um in heterogenen Lerngruppen binnendifferenzierend nach verschiedenen Gesichtspunkten zu unterrichten.

Die Methoden, mit denen die im Folgenden betrachtete Untersuchung vorgenommen wird, sind sowohl quantitativer als auch qualitativer Art. Zur Auswertung kommen o. g. Fragebögen, die sich aus standardisierten und nicht-standardisierten, freien Anteilen zusammensetzen. Die Befragten bewerten dabei die standardisierten Aussagen mit Hilfe einer vierstufigen Skala, woraus sich Aussagen über die Zustimmung oder Ablehnung zu der jeweiligen Position ableiten lassen. Die so erhobenen quantitativen Daten werden mit dem Tabellenkalkulationsprogramm MS Excel erfasst und graphisch ausgewertet. Dabei wird also die deskriptive Statistik zur Beschreibung der quantitativ erhobenen Daten verwendet. Die offenen Fragen werden durch die Probanden mit kurzen Texten beantwortet. Diese frei formulierten Antworten bilden den qualitativen Teil vorliegender Forschungsarbeit und werden mittels der durch Mayring entwickelten qualitativen Inhaltsanalyse untersucht. Dabei wird nach dem Prinzip der Zusammenfassung vorgegangen, was in Kapitel 3.2 näher bestimmt wird.

Zu erwähnen bleibt, dass zwei verschiedenen Fragebögen für die Untersuchung vorliegen: ein Schülerfragebogen (27 Fälle) sowie ein Lehrerfragebogen (zwei Fälle), die zwar jeweils gesondert betrachtet werden, aber in eine gemeinsame Analyse einfließen.

Im Folgenden soll die Arbeitsweise mit dem Programm MS Excel erläutert und qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring vorgestellt und in Bezug auf die für vorliegende Arbeit relevanten Aspekte näher beleuchtet werden.

3.1 Verwendung von MS Excel

Als Tabellenkalkulationsprogramm hält MS Excel eine große Bandbreite von teilweise äußerst komplexen Werkzeugen bereit, welche die Arbeit auch mit großen Datenmengen ermöglicht und verschiedene Operationen durchführen lässt. Daher eignet es sich für die deskriptive Statistik optimal. Für vorliegende Arbeit werden indes nur simple Verfahren für das Erstellen von Statistiken angewendet, die sich darauf beschränken, über die Ermittlung eines Mittelwertes Aussagen über die Meinung bzw. Einschätzung zum Untersuchungsgegenstand in der betrachteten Gruppe zu treffen. Zu Zwecken der Veranschaulichung werden die Ergebnisse teilweise graphisch dargestellt.

3.2 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring

Mayring selbst räumt gewisse Schwierigkeiten bei der genaueren Bestimmung seiner Inhaltsanalyse ein, denen er mit einem Versuch einer Definition begegnet. Primäres Ziel der Analyse sei es ihm zufolge, Material zu untersuchen, das aus irgendeiner Art von Kommunikation stammt (cf. Mayring 2015, S. 11). Zusammenfassend stellt er die Teilziele der Inhaltsanalyse als eine Untersuchung dar, die „fixierte Kommunikation analysieren“ (ebd., S. 13) will und dabei systematisch, regelgeleitet und theoriegeleitet vorgeht, um „ Rückschlüsse auf bestimmte Aspekte der Kommunikation zu ziehen “ (ebd.). Aus diesem Grund problematisiert Mayring die alleinige Fokussierung auf den Gegenstand der Inhalte von Kommunikation und plädiert für eine präzisere Begrifflichkeit, die „ kategoriengeleitete Textanalyse “ (ebd.). Denn ebenfalls werden formale Aspekte von Kommunikation und deren latente Gehalte betrachtet und in die Analyse mit einbezogen (cf. ebd., S. 11).

Gemäß dem Soziologen Lamnek ist die qualitative Inhaltsanalyse ein Verfahren, das „die manifesten Kommunikationsinhalte, also Aussagen von Befragten, die diese bewusst und explizit von sich geben“ (Lamnek 2010, S. 466), untersucht. Im Weiteren räumt er gewisse Ähnlichkeiten zur Hermeneutik ein, da sich die qualitative Inhaltsanalyse methodologisch von ihr aus begründen ließe (cf. ebd., S. 469). In den angewandten sozialwissenschaftlichen Kontexten gehe sie jedoch systematischer und nachvollziehbarer vor als die bloße Hermeneutik (cf. ebd.). Ihr qualitativer Ansatz besteht „in einer Art explorativen Phase“ (ebd., S. 471), in welcher „der Forscher große Teile des Materials, möglichst ohne sich von theoretischen Vorüberlegungen leiten zu lassen“ (ebd.) sichtet.

Die eigentliche Analyse lässt sich in ein neun-stufiges Ablaufmodell fassen, das chronologisch durchlaufen wird:

1. Festlegung des Materials
2. Analyse der Entstehungssituation
3. Formale Charakteristika des Materials
4. Richtung der Analyse
5. Theoriegeleitete Differenzierung der Fragestellung
6. Bestimmung der Analysetechnik
7. Definition der Analyseeinheiten
8. Durchführung der Materialanalyse
9. Interpretation

Bei der Festlegung des Materials muss „zunächst genau definiert werden, welches Material der Analyse zugrunde liegen soll“ (Mayring 2015, S. 54). Dabei werden solche Textstellen gewählt, in denen sich der Befragte „bewusst und explizit zum Gegenstand der Forschungsfrage äußert“ (Lamnek 2010, S. 471). Die Analyse der Entstehungssituation beschreibt die Bedingungen, unter denen das fixiert vorliegende Material produziert wurde und damit den genauen Entstehungszusammenhang (cf. ebd.). Dies beinhaltet die befragten Personen, ihren emotionalen und kognitiven Zustand, ihren soziokulturellen Hintergrund sowie die konkrete Entstehungssituation (cf. Mayring 2015, S. 55). Die formalen Charakteristika des Materials beschreiben, „in welcher Form das Material vorliegt“ (ebd.). Wie auch in vorliegender Arbeit ist dieses meist schriftlich realisiert, um entsprechend ausgewertet werden zu können. Ausgehend vom sprachlichen Material muss eine Richtung der Analyse festgelegt werden. Dabei kann unter anderem – wie in vorliegender Arbeit der Fall – der behandelte Gegenstand des Textes in den Fokus der Interpretation genommen werden und somit das eigentliche Thema untersucht werden (cf. Lamnek 2010, S. 472). Die theoriegeleitete Differenzierung der Fragestellung ergibt aus dem Umstand, „dass die Analyse einer präzisen theoretisch begründeten Fragestellung folgt“ (Mayring 2015, S. 59). Dabei soll die Theoriegeleitetheit jedoch keinesfalls „das Material verzerren [oder] den Blick zu weit einengen“ (ebd.), sondern vielmehr an Erfahrungen anknüpfen, „um einen Erkenntnisfortschritt zu erreichen“ (ebd., S. 60). Als nächstes muss die Bestimmung der Analysetechnik erfolgen. Nach Untersuchung diverser Interpretationsansätze ergeben sich für Mayring drei Grundformen, die er unter Explikation, Strukturierung und Zusammenfassung aufführt. In vorliegender Arbeit wird die letzte Form angewandt, die das Ziel verfolgt, „das Material so zu reduzieren, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben“ (ebd., S. 67). Durch diese Abstraktion wird ein überschaubarer Corpus geschaffen, „der immer noch Abbild des Grundmaterials ist“ (ebd.). Die Definition der Analyseeinheiten geschieht weitgehend parallel zur Durchführung der Materialanalyse. Dabei werden die eigentlichen Kategorien gebildet, die sich aus den auszuwertenden Texten ergeben. „Kategorien sind Merkmale des Textes, die der Forscher durch Lektüre […] ermittelt hat, um den Text beschreiben zu können“ (Lamnek 2010, S. 472). Nach der bereits beschriebenen Analyse des Materials geschieht abschließend Interpretation. Darin „werden die Ergebnisse in Richtung der Hauptfragestellung interpretiert“ (Mayring 2015, S. 61). Dadurch wird dem Forscher eine fallübergreifende Generalisierung auf Basis der ermittelten typischen Einzelfälle und der Kategorisierung ermöglicht.

[...]


[1] Die beiden Begriffe Binnendifferenzierung und innere Differenzierung werden in vorliegender Arbeit synonym verwendet.

[2] Zur besseren Lesbarkeit vorliegender Arbeit verzichtet der Verfasser bei personenbezogenen Bezeichnungen, die zugleich auf eine männliche und weibliche Form referieren, auf die Nennung beider Schreibweisen. Damit ist keinesfalls eine Diskriminierung beabsichtigt – das Gegenteil ist der Fall, denn durch den Verzicht einer explizit angeführten weiblichen Form werden die Zusammengehörigkeit und allgemeine Gültigkeit der verwendeten Form unterstrichen.

[3] nachfolgend zitiert als Bathe et al. 2010

[4] nachfolgend zitiert als Bohl et al. 2012

Ende der Leseprobe aus 58 Seiten

Details

Titel
Binnendifferenzierung im Literaturunterricht anhand von Stationenlernen
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen  (Germanistik)
Veranstaltung
Begleitseminar zum Praxissemester
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
58
Katalognummer
V356365
ISBN (eBook)
9783668428294
ISBN (Buch)
9783668428300
Dateigröße
1554 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Binnendifferenzierung, Stationenlernen
Arbeit zitieren
Tim Hoffmann (Autor:in), 2016, Binnendifferenzierung im Literaturunterricht anhand von Stationenlernen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/356365

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