Italienische Stereotype in der deutschen Lebensmittelwerbung


Masterarbeit, 2017

100 Seiten, Note: 103/110


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

Kapitel 1 - Stereotype: Begriffe und Theorien
1.1. Der Stereotypbegriff
1.2. Stereotype und Vorurteile: eine Erklärung
1.3. Sozialisation und Medien: wie Stereotype entstehen
1.4. Soziale Identität und kulturelle Zugehörigkeit
1.5. Typologien von Stereotypen: die Eigengruppe und die Fremdgruppe
1.6. Kulturelle Stereotype als soziale Repräsentationen
1.7. Sprache und Stereotype
1.8. Beständigkeit und Stereotypenwandel
1.9. Ethnostereotype

Kapitel 2 - Nationale Stereotype: Italiener und Deutsche
2.1. Überblick über die nationalen Stereotype
2.2. Historische Wurzeln und nationale Identität
2.3. Die Entstehung von nationalen Stereotypen
2.4. Die Funktion der Absicherung und affektive Dimension
2.5. Italien und Deutschland: Historische Beziehungen und Bilder
2.5.1. Italiener und Italien aus der zeitgenössischen deutschen Sicht

Kapitel 3 - Wirtschaftliche Werbung und Fernsehwerbung
3.1. Zum Begriff Werbung: Funktionen, Ziele und Komponenten
3.1.1. Die Funktionen der Werbung
3.1.2. Wirtschaftliche Werbeziele
3.1.3. Gegenstand und Botschaft
3.2. Adressat und Rezeption
3.2.1. Werbewirkungen auf den Konsumenten
3.2.2. Information vs. Manipulation
3.3. Kommunikation in der Werbung
3.3.1. Die Kanäle: Bild, Text und Ton
3.4. Die Mitteilungsformen: Werbeträger und Massenmedienkommunikation
3.5. Die Fernsehwerbung
3.5.1. Fernsehwerbespot: Inhalte und Techniken
3.5.2. Text und Ton in den Fernsehspots

Kapitel 4 - Italienische Gastronomie in der Welt und ihr Einfluss auf den deutschen Markt
4.1. Das Made in Italy
4.1.1. Italienische Nahrungsmittel in der Welt
4.1.2. Italienische Sprache in der globalen Gastronomie
4.2. Die Made in Italy Gastronomie in Deutschland
4.3. Italienisierung im deutschen Lebensmittelmarkt

Kapitel 5 - Italienische Stereotype in der deutschen Lebensmittelwerbung. Eine empirische Analyse
5.1. Stereotype in der Werbung: was die italienische Lebensart kommuniziert
5.2. Korpusanalyse
5.3. Die Familie all ‘ italiana
5.3.1. Die Mamma italiana und das Bild des Mammone
5.4. Der italienische Charme des Latin lovers
5.5. Leichtlebigkeit und Lebhaftigkeit in der italienischen Wesensart
5.6. Italienische Landschaften in der Werbung
5.7. Der Pizzabäcker als Symbol für italienische Tradition
5.8. Musikalische Stereotype: zwischen Prestige und Tradition
5.9. Das italienische Testimonial

Fazit

Literaturverzeichnis

Webseitenverzeichnis

Anhang

Einleitung

Italien und Deutschland sind aus geographischer, politischer, linguistischer und kultureller Perspektive zwei unterschiedliche europäische Länder. Trotzdem sind sie gute Handelspartner, denn sie pflegen traditionell sehr enge wirtschaftliche Beziehungen. Eine Konsequenz dieser Beziehungen sind der große Einfluss, und die hohe Bedeutung italienischer Produkte auf dem deutschen Markt, die unter anderem durch erfolgreiches Sponsoring und eine strategische Vermarktung erzielt werden. Eine besondere Wertschätzung hat die italienische Esskultur in Deutschland.

Die Internationalisierung italienischer Produkte wird heutzutage insbesondere von systematischer Werbung gefordert, die nicht nur die lokale Ware, sondern auch ausländische Produkte in Deutschland sichtbar macht und sie dort verbreitet. In Deutschland werden daher auch viele deutsche Produkte als italienisch bezeichnet, besonders im Lebensmittelbereich. Durch den Werbemechanismus ist außerdem eine Italienisierung der deutschen Produkte möglich. Sie wird oft auf der Basis italienischer Stereotype entwickelt, um dem Produkt ein bestimmtes Image zu verleihen.

Im Rahmen dieser Masterarbeit soll eine interkulturelle Untersuchung der deutschen Werbekommunikation durchgeführt werden, in deren Fokus die Verwendung italienischen Stereotype in der deutschen Welt der Werbung steht.

Die Analyse konzentriert sich auf zwei Schlüsselbegriffe, die in enger Verbindung zueinander stehen: Werbung und Stereotype.

Die Werbung ist ein bedeutsames Vehikel sowohl für die eigene Kultur - denn sie stellt Werte und Traditionen dar - als auch für die interkulturelle Kommunikation - denn sie verbindet Menschen aus anderen Ländern und fremden Kulturen.

Die Stereotype werden oft in der Werbekommunikation eingesetzt, um die Aussage zu kräftigen: sie können nämlich mit der Zuschreibung bestimmter Eigenschaften und Bilder den Inhalt der Werbung kategorisieren und eine spezifische Idee kommunizieren. In diesem Kontext haben nationale Stereotype eine wesentliche Funktion, da sie eine bestimmte Vorstellung einer fremden Kultur wiedergeben. Diese Stereotypen spielen eine wichtige Rolle in der Fernsehwerbung, weil sie Produkten ein spezielles Bild verleihen und sich oft als effektive Marketingstrategien erweisen.

Das Analyseobjekt dieser Untersuchung sind hauptsächlich die italienischen Lebensmittelprodukte, die nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Vergangenheit nach Deutschland exportiert worden sind. Außerdem werden auch deutsche Lebensmittelprodukte berücksichtigt, die durch italienischsprachige Namen und vor allem durch italienische Stereotypenmuster beworben werden.

In dieser Arbeit werden die italienischen Stereotype - die die Deutschen über Italien und die Italiener haben - analysiert und in dem Kontext Werbung erklärt. Aus dieser Analyse werden sich verschiedene Aspekte ergeben, die mit positiven Assoziationen über die italienische Kultur verbunden sind: Italienisch ist nämlich oft ein Synonym für guten Geschmack und gute Qualität bei Lebensmitteln und Getränken.

Im ersten Teil dieser Arbeit wird die theoretische Basis für die Analyse gelegt, in dem die Themen Stereotype und Werbung aus wissenschaftlicher Perspektive beleuchtet werden. Das erste Kapitel konzentriert sich auf den Begriff Stereotyp und seine Eigenschaften. Konkreter werden die italienischen nationalen Stereotype aus der deutschen Perspektive im zweiten Kapitel analysiert. Das dritte Kapitel wird sich einer Untersuchung des Themas Werbung und Fernsehwerbung widmen. Zum Abschluss wird im vierten Kapitel ein Überblick über die italienische gastronomische Kultur in der Welt und im speziellen in Deutschland geboten.

Im zweiten Teil dieser Arbeit wird eine empirische Analyse der Werbespots für Lebensmittel durchgeführt. Für die Analyse werden YouTube Videos − die deutsche Fernsehwerbung zeigen − als Hauptquellen genutzt. Die italienischen Stereotype in der Werbung werden in diesem Zusammenhang sowohl als explizite und als auch als implizite Komponente und Bezüge untersucht. Hinsichtlich dieses Themas wird die Wahl der Bilder, der Werbeprotagonisten, des Umfelds sowie auch der Musik als sehr wichtig betrachtet, da sie dazu beitragen, ein bestimmtes italienisches Stereotyp zu schaffen. In einigen Fällen ist die Werbebotschaft eng mit den Werbestereotypen verbunden und hat deshalb auch eine entscheidende Funktion hinsichtlich der Produktwerbung und ihrer Rezeption durch die Konsumenten.

Für diese Arbeit wurde das Thema der italienischen Stereotype in der deutschen Lebensmittelwerbung gewählt, weil es sehr aktuell und gleichzeitig interessant ist. Das Essen ist ohne Zweifel eines der wichtigsten kulturellen Elemente eines Landes, insbesondere in Italien. Diesbezüglich schreibt Harper: „Food defines much of what is desiderable in Italian Life“(Harper/Faccioli 2009:15).

Mit diesem wichtigen kulturellen Element wird außerdem einem Bild Italiens und der italienischen Lebensart aus einer anderen Perspektive gezeigt.

Die Arbeit leistet damit auch einen Beitrag, die Auswirkung Italiens herauszustellen, dass im Kontext der Lebensmittelwerbung als ein Land eingeordnet werden kann, das äußerst geschätzt wird. Italienisch wird oft mit Wörtern wie Qualität und Prestige in Verbindung gebracht und begegnet dem deutschen Werberezipienten daher in der Tat mit hoher Frequenz. In gewisser Hinsicht bewirken die Medien das Zusammentreffen zwischen zwei Kulturen und Stereotype sind in diesem Fall ein effizientes Instrument in der Werbung, um die gute italienische Wesensart im Ausland zu verbreiten und das Made in Italy bekanntzumachen.

Kapitel 1 Stereotype: Begriffe und Theorien

Einleitung

Stereotype sind mentale Strukturen, die eine zentrale Bedeutung in der interkulturellen Kommunikation haben. Sie beeinflussen einerseits die individuellen Verhaltensweisen, andererseits die Beziehungen zwischen verschiedenen kulturellen Gruppen. Dabei können Stereotypen nicht nur negativ, sondern auch positiv sein, weshalb sie auch ein effizientes Mittel für die Werbung sind, gerade auch für internationale Werbespots. In diesem Kapitel werden zunächst der Begriff des Stereotyps, seine Entwicklung, Merkmale und Funktionen sowie verschiedene dazugehörende Theorien vorgestellt, die in den folgenden Kapiteln dann innerhalb des Werbe- und Medienkontextes vertieft werden. Zunächst werden Stereotype als ein individuelles Phänomen eingeordnet, die nur die Überzeugungen des Individuums widerspiegeln. In einem nächsten Schritt werden Stereotype aus einer kulturellen Perspektive betrachtet, die als kollektive Konstrukte einer ganzen Gruppe in Erscheinung treten. Daher wird der Stereotyp als ein Produkt der Gesellschaft gesehen, in der die Sprache eine wichtige Rolle auch für allgemeine Vorstellungen und Einstellungen spielt. Themen wie die Beständigkeit und die Wandelbarkeit der Stereotype werden auch behandelt.

Ersteres wird als eine Eigenschaft der stereotypisierten Informationen analysiert und diskutiert. Letzteres wird als eine Möglichkeit gesehen, durch den Kontakt zwischen Gruppen die Wahrnehmung der Menschen verändern zu können. Abschließend werden die so genannten Ethnostereotype besprochen. Sie sind eine besondere Kategorie von kulturellen Stereotypen, die von der Werbung vor allem verwendet werden. Dieser Aspekt beschließt dieses Kapitel und ist gleichzeitig eine perfekte Verbindung für die folgenden Erläuterungen, bei denen es um nationale Stereotype im deutsch- italienischen Kontext geht.

1.1. Der Stereotypbegriff

Das Wort Stereotyp geht auf das griechische Stereos typos zurück und wird als feste Form, charakteristisches Gepr ä ge übersetzt (vgl. Thiele 2015:27). Ursprünglich wurde es in der Druckersprache verwendet, denn es bezeichnet eine Platte, in der die Druckzeilen fest miteinander verbunden werden. Inzwischen wird der Begriff in mehreren Nutzungskontexten gebraucht. Der Beginn der Stereotypenforschung fällt auf das Jahr 1922 zurück, als Walter Lippmann - ein amerikanischer Publizist - sein Werk Public Opinion veröffentlichte und diese Bezeichnung in die Sozialwissenschaften einführte. Durch dieses Werk erhielt der Begriff des Stereotyps eine weitere Bedeutung und Verbreitung; zum ersten Mal wurde das Wort auf den Bereich der menschlichen Wahrnehmung übertragen. Der Stereotypbegriff wird also verwendet, um Strukturen des Denkens und Schemata zu beschreiben. Laut Lippmann sind Stereotype „Pictures in our head (Lippman 1922:6):

Sie sind ein geordnetes, mehr oder minder beständiges Weltbild, dem sich unsere Gewohnheiten, unser Geschmack, unsere Fähigkeiten, unser Trost und unsere Hoffnungen angepasst haben. Sie bieten vielleicht kein vollständiges Weltbild, aber sie sind das Bild einer möglichen Welt, auf das wir uns eingestellt haben. In dieser Welt haben Menschen und Dinge ihren wohlbekannten Platz und verhalten sich so, wie man es erwartet. Dort fühlen wir uns zu Hause. Dort passen wir hin. Wir gehören dazu. (Lippmann 1964:71 zitiert in Thiele 2015:27-28)

Das heißt, sie bestehen aus inneren Vorstellungen von der Welt und bezeichnen Denken, Fühlen und Handeln. Nachdem Lippmann mit seiner Studie die Aufmerksamkeit der Wissenschaft auf dieses Gebiet gelenkt hatte, ist das Interesse an Stereotypen und ihrer Wirkung nie erloschen. Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen haben versucht, das Phänomen der Bilder in den K ö pfen zu deuten und zu präzisieren. Aus soziolinguistischer Sicht wurde es 1973 von Uta Quasthoff untersucht. Laut der Sprachwissenschaftlerin ist ein Stereotyp ein verbaler Ausdruck über soziale Gruppen oder einzelne Personen, unabhängig davon, ob es in Form eines Bildes (Karikatur, Foto) oder eines Textes vermittelt worden ist.

In gewisser Hinsicht hat das Stereotyp die Form eines Urteils, das einer Klasse von Personen bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen in generalisierender Weise zuspricht (vgl. Thiele 2015:28). Allerdings variieren Definitionen stark von Disziplin zu Disziplin, weil die Stereotypen aus verschiedenen Blickwinkeln und mit unterschiedlichen Intentionen betrachtet werden. Laut Thiele ist es aber wichtig, die verwandten Begriffe wie Vorurteil, Bild, Image, und Klischee voneinander abzugrenzen. Konzepte wie Vorurteil und Klischee werden heutzutage häufig im Alltagssprachgebrauch als Synonyme für Stereotyp verwendet und sollen unterstreichen, dass Stereotype wenig mit der Realität zu tun haben. Das ist aber nicht immer richtig. Wissenschaftler sind im Allgemeinen der Meinung, dass sie oft aus Merkmalen entstehen, die in der Tat existieren und richtig beobachtet worden sind.

Laut Mazza Moneta wird die mehr oder weniger richtige Beobachtung auf alle Mitglieder der Gruppe durch die Stereotype übertragen. Das heißt, es ist niemals die volle Wahrheit, die in Stereotypen enthalten ist, sondern nur diejenigen Aspekte der Wahrheit, die der beobachtenden Gruppe wichtig erscheinen (vgl. Moneta 2000:35). Insgesamt beruhen Stereotype auf Kategorisierung, Vereinfachung und Verallgemeinerung. „Sie sind sozial geteilte Meinungen über die Merkmale der Mitglieder einer sozialen Gruppe. Diese Merkmale sind mit positiven oder negativen Wertungen verbunden“ (Thiele 2015: 30).

1.2. Stereotype und Vorurteile: eine Erklärung

Wie bereits gesagt, sind Stereotype mentale Konstrukte und verallgemeinernde Urteilsmuster, mit denen Informationen (wie Eigenschaften und Erwartungen) klassifiziert und ergänzt werden können. Es ist wichtig, zu präzisieren, dass sie anders als Vorurteile sind. Denn sie können nicht nur negativ, sondern auch positiv gemeint sein. In der Vergangenheit war diese Ansicht über Stereotype wenig verbreitet. Laut dem Psychologe Gordon Allport war nämlich das Stereotyp ein „exaggerated, rigid, bad and oversimplified belief that was equivalent to prejudice“ (Allport 1954 zitiert in Leyens/Yzerbit/Schradon 1994:13). Tatsächlich bedeutet das Wort Prejudice eine der Erfahrung vorausgehende Beurteilung, also hat es im Allgemeinen eine negative Konnotation (besonders in Bezug auf bestimmte ethnische Gruppen). Auf Deutsch wäre Vorurteil das entsprechende Wort für Prejudice und oft werden die zwei Termini Vorurteil und Stereotyp als Synonyme verwendet. So wird häufig eine falsche Übereinstimmung angenommen, die die Alterität dieser zwei Wörter nicht berücksichtigt. Vorurteile werden von personal beliefs erzeugt, das heißt, es gibt eine emotionale und persönliche Beteiligung, die hingegen bei der Entstehung von Stereotypen fehlt.

Hinsichtlich dieses Themas zitiert Leyens die Anmerkung von Devine. Hier wird die Unterscheidung zwischen Stereotypen und personal beliefs erklärt: Stereotypes are very spontaneous or quasi-automatic, whereas personal beliefs are under cognitive control. Personal beliefs are mainly responsible for prejudice“(Devine 1989 zitiert in ebd. S. 13). Personal beliefs sind laut Devine Überzeugungen, die aus einer persönlichen Re- Formulierung der Beschreibung der Merkmale einer Gruppe entstehen. Diese Re- Formulierung wird durch verschiedene Bewertungsparameter gemacht und variiert deshalb von Individuum zu Individuum. Personal beliefs können mit den Stereotypen verbindet oder nicht verbindet sein. In gewisser Hinsicht argumentiert Leyens: „we certainly do not dispute the fact that stereotypes are often used to justify prejudice, since they are explanatory devices. We contend, however, that they do not necessarily have to be linked to prejudice“(Leyens/Yzerbit/Schradon 1994:31). Im Gegensatz zu Vorurteilen entstehen Stereotype aus einer vorherigen Erfahrung über die Welt und sind Teil einer unbewussten und automatischen kognitiven Zuordnung. Mit Mazza Moneta (2000:41) kann abschließend gesagt werden: „Stereotypen [sic] bestehen aus […] Wissen über den Anderen, während Vorurteile aus der emotional und negativ gefärbten Verarbeitung dieses Wissens entstehen“.

1.3. Sozialisation und Medien: wie Stereotype entstehen

Es ist wichtig, zu verstehen, wie Stereotype Teil einer Eigengruppe werden. Sie entstehen oft nicht durch unmittelbaren Kontakt, sondern durch Sekundärerfahrung oder Erfahrungen aus dritter, vierter Hand und sind eng mit dem Prozess der Sozialisation verbunden. Dieser Prozess ist laut Werner K. Fröhlich und Stefan Wellek etwas Hypothetisches und lässt sich näher charakterisieren als implizites oder explizites lebenslanges Lernen. „Das Lernen vollzieht sich auf den Ebenen einfacher, komplexer und/oder symbolischer Beziehungen zwischen Umwelt- und Organismusreizen bzw. Reizkonstellationen und den diese Beziehungen leitenden Schemata“ (Fröhlich/Wellek 1972: 681 in Thiele 2015:50). Es geht um eine Funktion der Stereotype, die als Sozialisation im engeren Sinne verstanden werden muss: Das ist eine Enkulturation, die in jedem Alter stattfindet. Mit dem Begriff sind das Herausbilden einer Persönlichkeit, das Erlernen sozialer Spielregeln und die Aneignung kultureller Standards gemeint. Durch die primäre Sozialisation werden die Grundlagen einer Kultur von Kindheit erlernt, besonders die sozialen Bedeutungsmuster, die in der eigenen Bezugsgruppe vorhanden sind. Dieser Prozess entwickelt sich auch im Jugendalter weiter. Er impliziert, dass die Menschen ab einem bestimmten Alter eine eigene Anschauung der eigenen Gruppe aufweisen. Laut Thiele nehmen auch Medien Einfluss auf die Phase der Entwicklung (das wäre die sekundäre Sozialisation) und wirken immer auf das Individuum, Aber die Intensität des Einflusses wird aufgrund des Alters anders rezipiert. Die Massenmedien spielen nämlich eine wichtige Rolle, da sie bestimmte Vorstellungen von der Welt übermitteln und an der Tradierung von Stereotypen über Generationen hinweg beteiligt sind. Stangor und Schaller behaupten: „In modern society, the form by which most stereotypes are transmitted is through mass media - literature, television, movies, newspapers, E-mails, leaflets, and bumper stickers“ (Stangor/Schaller 1996: 12 zitiert in ebd.). Auch Leyens spricht über die Verbindung zwischen Stereotypen und Medien. Er berichtet die Untersuchungen der Autoren der sogenannten Socio-cultural approach:

”Stereotypes either derive from direct observation of the differences among various groups in a given society or are a consequence of exposure to media and other channels of information, most notably via social learning and social interaction.” (Leyens et all 1994:40). Die Massenmedien sind nicht die einzigen Informationsquellen, häufig aber die ersten, die Informationen liefern und die Wahrnehmung beeinflussen. Konkret mit diesem Thema setzte sich 1967 Franz Dröge auseinander. Er beschreibt in seinem Werk Publizistik und Vorurteil die Übernahme von Stereotypen als Lernprozess innerhalb von Gruppen und stellt ihre integrierende soziale Funktion heraus (vgl. ebd. S. 51). In einer späteren Studie betrachteten George Gerbner und seine Forschergruppe das Fernsehen als dominante Sozialisationsinstanz bei der Entstehung von Stereotypen im Zusammenhang mit Mediennutzung. Laut diesen Wissenschaftlern kultivierte es stereotype Weltbilder und vereinheitlichte die Meinungen. Die Perspektive ist hier sehr negativ: „Vor allem „Vielseher“ seien gefährdet, medial vermittelte Realität für „die“ Realität zu halten“ (vgl. Gerbner 2000 in: ebd. S. 51). Drei Jahrzehnte nach der Veröffentlichung des Werkes von F. Dröge überwiegt gerade diese kritische Perspektive. Es seien hauptsächlich die Medien, die stereotype Bilder anbieten. Neuere Ansätze kommen 2007 von Hoffman. Sie analysierte die Dynamiken zwischen Medien, Individuum und Gesellschaft und veränderte die Perspektive auf die Medien. Laut Hoffman können die Medien nutzen und sich mit den gebotenen Inhalten ganz unterschiedlich auseinandersetzten. Es sei erforderlich deshalb, sie stärker zu berücksichtigen. Hoffman spricht über einen integrativen Ansatz der Mediensozialisationstheorie. Das heißt, es seien ebenso Formen der individuellen Nutzung stereotyper Medieninhalte zu untersuchen wie diejenigen Institutionen und Kommunikatorinnen, die für die Produktion und Distribution stereotyper Inhalte verantwortlich sind (vgl. Hoffmann 2007:11 zitiert nach Thiele 2015:52). Kurz gesagt, sind die Medien wichtige Instrumente für die Kommunikation aber jemand kann von ihnen missbrauchen: Wenn einige Individuen oder Gruppen die Nutzung und die Kontrolle der stereotypen Medieninhalte haben, können sie einfach diese Instrumente nach ihren spezifischen Zielen verwalten.

1.4. Soziale Identität und kulturelle Zugehörigkeit

Es gilt als wissenschaftlicher Konsens, dass Stereotype zuerst eine Folge der Beobachtung und des Vergleichs zwischen eigener und fremder Umwelt sind. Sie bilden also die Identität des Individuums als Mitglied einer Gruppe. Moneta erklärt dieses Phänomen wie folgt:

Untersuchungen des Intergruppenverhaltens haben bewiesen, dass die Menschen anhand unterschiedlicher Merkmale ihre Umwelt in Gruppen einteilen und sich als Mitglieder einer bestimmten Gruppe betrachten. Die eigene soziale Identität wird aufgrund der vermeintlichen Eigenschaften der Mitglieder der eigenen Gruppe aufgebaut. Diese Eigenschaften werden aus dem Vergleich mit Mitgliedern fremder Gruppen gewonnen. (Moneta 2000:42)

Aus diesen Eigenschaften ergeben sich die Stereotype, die ein wirksames Mittel für die Identifikation des Einzelnen in der Gruppe sind. Sie verstärken nämlich das Gefühl der Zugehörigkeit: Der Einzelne sieht sich als Teil eines Ganzen und fühlt sich auch in seinem Verhalten bestätigt und akzeptiert. Anders ausgedrückt, teilen die Leute innerhalb einer Gruppe die gleichen kulturellen Merkmale, die eine Gruppe von einer anderen unterscheidet. Diese Eigenschaften bilden kulturelle Stereotype, die eine bedeutsame soziale Dimension innerhalb und außerhalb von einer Gruppe haben. Sie fungieren nämlich auch als äußere Erscheinungsbilder der Gruppe , die soziale Erwartungen für andere Gruppen implizieren: „they are perceivers’ shared beliefs about the characteristics of the target group but at the same time they also function as social expectations“1.

1.5. Typologien von Stereotypen: die Eigengruppe und die Fremdgruppe

Laut Lippmann sind Stereotype Bilder in den Köpfen. Diese Bilder beziehen sich auf Objekte, Sachverhalte oder Personen (Gruppen). In Bezug auf Gruppen gibt es eine häufige Gegenüberstellung zwischen dem Eigenen (was uns gehört) und dem Fremden (was anders als wir ist). In diesem Kontext spricht man also über die Eigengruppe und die Fremdgruppe. Wenn die Eigengruppe und die Fremdgruppe direkt oder indirekt in Kontakt treten, werden Zusammenhänge zwischen Selbstbild und Fremdbild hergestellt. Um diese unterschiedlichen Bezugnahmen zu kennzeichnen, werden Stereotype als Autostereotyp, Heterostereotyp und Metastereotyp klassifiziert.

Ein Autostereotyp ist das Phänomen des Selbstbildes. Es steht für die Vorstellung, die eine Gruppe über sich hat. Autostereotype betonen in der Regel stärker positive Eigenschaften, bzw. „solche Eigenschaften, die von der Eigengruppe als positiv verstanden werden“ (Thiele 2015: 31). Heterostereotype beziehen sich auf Mitglieder der Fremdgruppe. Über diese Gruppen liegen normalerweise nur wenige Informationen vor, weshalb sie kaum differenziert wahrgenommen werden kann. Laut Thiele weisen diese Stereotype nämlich einen geringeren Grad an Komplexität auf und tendieren oft ins Negative (vgl. ebd.). Es ist wichtig zu sagen, dass die Tendenz nicht automatisch ist, Fremdgruppen eher mit negativen Stereotypen zu belegen. Sie kommt vor allem aus dem Versuch die Eigengruppe möglichst positiv erscheinen zu lassen.

Metastereotype basieren schließlich auf Annahmen, die innerhalb einer Gruppe über die Stereotype einer Fremdgruppe über die Eigengruppe bestehen. Anders ausgedrückt: Man denkt, dass die anderen einen so sehen oder dass die anderen denken, man selbst würde sich so sehen. Laut Vorauer et al. ist ein Metastereotyp „a person’s beliefs regarding the stereotype that outgroup members hold about his or her own group“ (Vorauer/ Main/ O’Conell 1998: 917 zitiert in Thiele 2015:31).

1.6. Kulturelle Stereotype als soziale Repräsentationen

Stereotype sind nicht nur ein individuelles Phänomen. Sie haben oft eine soziale Dimension und sind hauptsächlich das Ergebnis von einem Gruppenprozess. Während seines Aufenthalts in Griechenland in den 1950er - 1960er Jahren studierte Durrell die Beziehungen zwischen Briten und Griechen. Er bemerkte, dass die Griechen ein spezifisches Bild des English man hatten. Dieses Bild war nicht nur im Kopf von einem Individuum, sondern es war eine geteilte und kollektive Repräsentation des English man unter den Griechen. Er definierte es als eine mythopoeic image, das heißt, eine Art von Mythos innerhalb der griechischen Kultur. Das unterstreicht die Wichtigkeit der Kultur für Stereotype: Sie werden laut Durrell vom sogenannten common knowledge verbreitet. Auch Lippman war dieser Meinung: „We pick out what our culture has already defined for us, and we tend to perceive that which we have picked out in the form stereotyped for us by our culture“ (Lippman 1922:81).

Wie die Stereotype in einer kulturellen Gruppe wirken, wird in der Theorie der sozialen Repräsentationen (Vorstellungen) erklärt. Diesbezüglich präzisiert Moscovici:

A social representation is a system of ideas, values and practices which provides individuals with way of making sense of people and events in their social world, and it also allows individuals in the social group to communicate with each other as they share these common representations of the people and events in their world. (Moscovici 1973 zitiert in Hinton 2000:152)

Diese social representations bilden in gewisser Hinsicht ein Netzwerk von Ideen, Metaphern und Bildern, die von einer ganzen kulturellen Gruppe geteilt werden. Um sie zu entwickeln, sind laut Moscovici zwei Prozesse erforderlich: anchoring und objectification. Durch den ersten Prozess kann man die Sachen benennen und klassifizieren, die unbekannt oder nicht familiär sind. Anders gesagt, es geht darum, das Unbekannte zu etwas Bekanntem zu machen.

Der zweite Mechanismus ist die objectification. Es erlaubt, abstrakten Ideen zu konkretisieren, als ob sie „objektive reality“ wären (Moscovici 1984 zitiert in Hinton 2000:153-154). Anchoring und objektifikation dienen den Menschen dazu, Alltagskenntnisse zu bilden, zu standardisieren und innerhalb einer Gesellschaft oder einer Kultur zu reproduzieren. Moscovici betrachtet soziale Repräsentationen als dynamische Vorstellungen, die durch Interaktion und Kommunikation dauernd verhandelt werden. Die sozialen Kenntnisse werden nämlich kollektiv diskutiert und zwischen den Mitgliedern einer gemeinsamen Kultur gebildet und bekannt gegeben. Hinsichtlich der Stereotype als soziale Repräsentationen gibt es auch andere Theorien. D’Andrade erarbeitete im Jahr 1990 ein kulturelles Muster, das sich auf ein sogenanntes Script stützt. Ein Script sei eine Art von Rahmen, der eine Ereignissequenz enthält. Seiner Meinung nach funktioniert es im Alltagsleben in verschiedenen Situationen, beispielweise im Restaurant, in dem es ein Restaurant Script gibt: „In the restaurant schema there are four components - entering, ordering, eating and leaving - and there are sequences of actions within each component“ (Hinton 2000: 157). Dieses Script hat bestimmte kulturelle Grundlagen, deshalb variiert es in den verschiedenen Kulturen.

Eine kritische Analyse dieses Musters kommt von Flick (vgl. ebd.). Er vertritt die Ansicht, dass die dynamische Konstruktion und Entwicklung der sozialen Kenntnisse innerhalb einer bestimmten Kultur in diesem Fall nicht erklärt wird. Das zeige sich beispielweise daran, dass der Prozess des Scripts die Interaktion und die Kommunikation zwischen Gruppen nicht berücksichtigt. Das ist der Grund, warum das Konzept der sozialen Repräsentationen als eine Möglichkeit gesehen wird, dieses Muster zu ergänzen.

Infolgedessen ist es angebracht, sich zu fragen, was diese sozialen Repräsentationen wirklich sind und warum sie vor allem mit Stereotypen zu tun haben. Eine mögliche Antwort ist in der folgenden Ausführung zu finden:

Stereotypes are more than just cognitive schemas. Stereotypes are social representations: they are objectified cognitive and affective structures about social groups within society which are extensively shared and which emerge and proliferate within particular social and political milieu of a given historical moment. Stereotypes do not simply exist in individuals’ heads. They are socially and discursively constructed in the course of everyday communication, and, once objectified, assume an independent and sometimes prescriptive reality. (Augostinos and Walker 1995:222 zitiert in Hinton 2000:158)

Neben der Korrespondenz zwischen sozialen Repräsentationen und Stereotypen, ergeben sich andere interessanten Merkmale von Stereotypen in dieser Beschreibung. Sie haben eine Rationalität, sie sind keine Entstellung der Realität oder kein Produkt einer irrtümlichen Denkweise. Außerdem wird der Kommunikation eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Stereotypen im Alltagsleben beigemessen, vor allem wenn die Leute ihre individuellen Überzeugungen in der Gruppe teilen (vgl. Stangor 2000:7). Schließlich geben die Stereotype den sozialen Gruppen eine kollektive Erklärung in Bezug auf die Verhaltensweisen anderer Gruppen.

1.7. Sprache und Stereotype

Wie bereits erwähnt, ist die Sprache ein Bestandteil bei der Auseinandersetzung mit Stereotypen. Die kulturellen Muster unterstreichen nämlich, dass Stereotype durch die Sprache und die Kommunikation einer Kultur erlernt, bewahrt und manchmal auch verändert werden. Die Sprache bietet die Möglichkeit, die individuelle Dimension der Stereotypen zu übersteigen und sie ist ein Mittel, um die Stereotype auf einem kollektiven Niveau (mit der Zustimmung der Gruppe) zu erhalten.

Diesbezüglich präzisieren Arcuri und Cadinu: „il linguaggio ha la funzione di garantire la trasmissione culturale dei contenuti associati agli stereotipi”2 (Arcuri/Cadinu 1998:139). Diese Vorstellungen über die Kenntnisse der Gruppen und der sozialen Kategorien zeigen sich tatsächlich in bestimmten Wörtern, die eine prägnante Bedeutung haben. Die Anwendung dieser Wörter kann man feststellen, wenn ein Adjektiv oder ein Substantiv sehr oft verwendet werden, um eine Fremdgruppe zu benennen. In Italien ist es z. B. verbreitet die Deutschen mit dem Wort Perfektionist zu assoziieren (vgl. Schaupp/Graff 2006:68). Diese Idee ist bereits so verbreitet und hat also ein kollektives Stereotyp entwickelt und bewahrt. Außerdem kann die These aufgestellt werden, dass die Sprache verschiedene Funktionen im Kontext der Stereotype erfüllt.

Beim Erlernen der Sprache sind Prozesse wie Namensgebung, Etikettierung und Kategorisierung von zentraler Bedeutung. Also stellt sie die Instrumente, mit denen Individuen in verschiedenen Gruppen klassifiziert werden und Stereotype zwischen den Mitgliedern einer Gruppe geteilt werden.

Die Analyse der Rolle der Sprache bei der Bildung von Stereotypen fokussiert die Inhalte der Kategorien. Diesbezüglich ist die Tendenz sichtbar, generelle Kategorien zu nutzen, wenn ein Individuum klassifiziert wird. Aber die Sprache ist sehr flexibel und sie erlaubt zusätzlich zur standardisierten Kategorien, immer neue spezifische Etikette zu schaffen. Das ist auch für die Gruppen gültig, die in unterschiedlichen Kategorien klassifiziert werden können. Sie kann positiv oder negativ sein und sich direkt auf alle oder auf die einzelnen Mitglieder der Gruppe beziehen. Laut Stangor ist diese letzte Alternative sichtbar, wenn die Stereotype deregatory slurs sind. Er schreibt in diesem Kontext: „slurs are tipically not applied indiscriminately to all memembers of the social category, but primarily to those memembers who fit a certain stereotypic profile“ (Stangor 2000:69). Das Wort nigger z. B. kann sich nicht auf alle Schwarzen beziehen, sondern auf einigen von ihnen.

Weitere Untersuchungen hinsichtlich der Kommunikativen Funktion der Stereotype belegen, dass die Wörter je nach der Beziehung zwischen der Eigen- und der Fremdgruppe konkreter oder abstrakter sein können. Auf diese Beziehungen haben die Meinungen jedes Meinungführers und Mitläufers der Gruppe einen großen Einfluss. So ist die folgende Bemerkung sehr zutreffend: „the type of language use is an implicit means by which a transmitter is able to convey his or her feelings toward another, since the inference is implicit and consequently not open to debate or discussion“ (Semin 2008:22). Die Kommunikation ist außerdem in dem stereotypen Prozess bedeutsam, weil die Stereotype durch die Kommunikation erlernt werden und eventuelle Änderungen in Bezug auf die Wahrnehmung von Stereotypen durch Kommunikationsakte geregelt werden. Wie einige Wissenschaftler schreiben: „Stereotype change occurs through education, which must involve some degree of communication“ (Stephan & Stephan 1984 zitiert in Stangor 2000: 68). Tatsächlich - wie in den nächsten Seiten erklärt wird - kann manchmal eine effiziente Kommunikation und Kenntnisse zwischen Mitgliedern von Fremdgruppen die Stereotypen verändern.

Also hat die Sprache auch die Fähigkeit, die Natur des Stereotyps zu beeinflussen. Saenger und Flowerman sprechen in gewisser Hinsicht über eine andere sichtbare Auswirkung, bzw. die Tendenz, solche Merkmale der Gruppe wieder zu kategorisieren, um die Bedeutung der bedeutsamen Überzeugungen hervorzuheben (vgl. Saenger & Flowerman 1954 zitiert in ebd.).

In der stereotypisierten Kommunikation ist der Zweck der Gruppe sehr wichtig. Er beeinflusst die Sprache der Kommunikatoren und ihre Beschreibungen. Diesbezüglich schreiben Semin und Fiedler: „When communicators consciously set out to produce language that may be biased, they can generate and select descriptions according to how well they fit their goal, rather than how free from bias they subjectively appear“ (Semin & Fiedler 1988 zitiert von Douglas et Al. 2008:198).

Es ist wichtig, hervorzuheben dass die Veränderung dieser linguistischen Etikette, nach denen die Gruppen klassifiziert werden, möglich ist. Sie variieren langsam und bedeutend im Laufe der Zeit, wenn sich die kulturelle Perspektive verändert. Eine terminologische Veränderung wird vom sozialen Wandel wie der Zustimmung einer Gruppe oder die Entwicklung von integrationspolitischen Maßnahmen beeinflusst (vgl. Arcuri/Cadinu 1998:143).

1.8. Beständigkeit und Stereotypenwandel

Eine Besonderheit der Stereotype ist ihre Beständigkeit im Laufe der Zeit. Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass sie nur schwer verändert werden können, wenn sie einmal etabliert und aktiv sind. In der Tat verändern Stereotype sich nur in seltenen Fällen und diese Veränderung vollzieht sich sehr langsam und sie kann von der Nutzungshäufigkeit des Stereotyps abhängen: Ihre Beständigkeit wird nämlich durch Wiederholungen garantiert. Hinsichtlich dieses Themas konstatiert Thiele, dass man Begriffe wie rigidity, resistant, resilient, unver ä nderlich, schwer und korrigierbar häufig in der Literatur zu Stereotypen finden kann (vgl. ebd. 2015:52). Außerdem finde sich oftmals die Aussage, dass Stereotype von Generation zu Generation weitergegeben würden. In seinem Werk (Public Opinion) bestätigt Walter Lippmann dieses Konzept über die Stereotype. Seiner Meinung nach liegt der Grund dafür in dem Wunsch nach einem geschlossenen, konsistenten Weltbild und einer daraus folgenden selektiven Wahrnehmung: “For when a system of stereotypes is well fixed, our attention is called to those facts which support it, and diverted from those which contradict“ (Lippmann 1998:119 zitiert in Thiele 2015:52-53). Auch Stangor beteiligt sich an dieser Auseinandersetzung. Er vertritt die Ansicht, dass die Beständigkeit von Stereotypen von drei Faktoren garantiert wird: biased Memory, Communication und Self-Fulfilling Prophecies (vgl. Stangor 2000:13-14). In dem ersten Fall spricht Stangor über Biased Memory. Das ist eine mentale Veranlagung, die dazu dient, besser die Informationen zu erinnern. Diese Informationen werden in Form der kognitiven Repräsentationen erlernt. Wie Albert und Porter präzisieren, geht es nicht um eine unterschiedliche Stellung, sondern um die Zugänglichkeit der Informationen, die in Form einer Repräsentation die langfristige Erinnerung einfacher und das Vergessen schwerer mache. Sowohl Erwachsene als auch Kinder erlernen Assoziationen zwischen stereotypisierten Merkmalen spontan (vgl. Albert & Porter 1983 zitiert in ebd.).

Der zweite Faktor für die Beständigkeit von Stereotypen ist laut Stangor die Kommunikation mit den Mitgliedern der Eigengruppe. Sie sei ein effizientes Verfahren, um die Stereotype zu bewahren. Es geht um die unterschiedlichen Arten, die für die Beschreibung der Verhaltensweisen genutzt werden. Diese Beschreibungen betreffen die Eigengruppe wie auch die Fremdgruppe:

When people describe the positive behavior of members of in-group, they use broad trait terms but they describe negative in-group behaviors in terms of low-level, specific behaviors. On the other hand, outgroups are described as having broad negative traits, while positive out-group behaviors are described in terms of specific behaviors. (Stangor 2000: 14)

Diese Analyse der Sprache zwischen Mitgliedern einer Gruppe demonstriert, dass die unterschiedlichen Arten in der Kommunikation helfen, unterschiedliche Überzeugungen über die Eigengruppe und die Fremdgruppe zu bewahren.

Schließlich sind laut Stangor die Self-Fulfilling Prophecies als wichtige Komponente für die Stabilität von Stereotypen einzuordnen. Sie zeigen sich in einem Verhaltenswandel des Individuums, das Mitglied einer Gruppe ist und das sich den Erwartungen der Anderen angleicht. Anders gesagt, die Erwartungen der Individuen wirken entweder bewusst oder unbewusst auf die Person ein und verändert ihre Handlung. Also werde sie sich im Einklang mit den Stereotypen verhalten. Die Gründe für dieses Phänomen sind nicht klar, dennoch passiert es regelmäßig. Es ist möglich, dass die Leute ihre Verhaltensweise verändern, weil sie Belohnungen und Respekt von den Anderen bekommen wollen. Ebenso ist bekannt, dass das Verhalten eines Individuums auf sehr einfache Weise das Verhalten anderer beeinflussen kann, besonders wenn es einen direkten Kontakt gibt. Nicht immer vollzieht sich dieser Prozess bewusst und wird von einem positiven Ziel gesteuert, jedoch hilft er, Stereotype zu etablieren und zu bewahren. Es wurde deutlich, dass die Self-Fulfilling Prophecies langfristig eine starke Wirkung auf die Individuen haben können. Sie ist daher die schädlichste der oben angeführten Bedingungen. Laut den Wissenschaftlern ist es deshalb wichtig - wenn man die Gefahr kennt - dieses Verhalten zu vermeiden.

Die Beständigkeit von Stereotypen ist aber nicht immer garantiert. Das bedeutet, dass Stereotype sich verändern können.

In der Tat kommt der Wandel von Stereotypen sehr selten vor. Es ist tatsächlich kompliziert alle kognitiven Prozesse - die hinter bestimmten stereotypisierten

Informationen stehen bzw. die Interpretation, die Erinnerung, die Verhaltensbestätigung und andere soziale Prozesse wie der Einfluss, sich den Erwartungen der Anderen anzugleichen - zu überwinden. Dennoch haben Sozialpsychologen zahlreiche Theorien über den Mechanismus des Stereotypenwandels erarbeitet.

Laut Stangor müsste die Tendenz zur übermäßigen Verwendung sozialer Kategorien - wenn man die Anderen betrachtet - reduziert oder die Wahrnehmung von Stereotypen ein bisschen mehr ins Positive verändert werden. In der Tat bestehen andere allgemeine Methoden, um den bewussten Stereotypenwandel zu verursachen. The Contact Hypothesis ist ein Beispiel dafür (vgl. Stangor 2000:15-16).

Dieser Ansatz setzt einen direkten Kontakt zwischen verschiedenen Gruppen voraus. Den Personen werden korrekte Informationen gegeben und es wurde demonstriert, dass diese Methode positive Auswirkungen auf die Gruppen hat und das Vorkommen von negativen Stereotypen senkt. Diese Veränderung ist besonders wirkungsvoll, wenn die Individuen unterschiedlicher Gruppen die Gelegenheit nutzen, sich miteinander als einzelne Personen kennen zu lernen.

Trotz der empirischen Verifizierbarkeit, stößt die Contact Hypothesis noch an enge Grenzen im Hinblick auf die Veränderung von Stereotypen. Eine Art der Veränderung, die häufiger auftritt als der vorhergehende Fall, ist die Verbesserung oder die Verschlechterung der Stereotype durch den Kontakt mit Individuen anderer Gruppen. In beiden Fällen ist der Stereotyp-Status schon positiv oder negativ. Der Kontakt spielt hier die Rolle, ihre Positivität oder Negativität stärker zu betonen. Es ist nämlich einfach, positive Stereotype zu verbessern, wenn der Kontakt positiv ist. Ebenso können sie sich noch weiter verschlechtern, wenn der Kontakt zwischen den Gruppen negativ ist. Der direkte Kontakt zwischen den Gruppen ist nur eine Methode, die den Stereotypenwandel beeinflussen kann. Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit, Veränderungen der Stereotype indirekt hervorzurufen. Bestehende Überzeugungen könnten durch die Anderen verändert werden, besonders, wenn sie durch die Anderen lernen, dass ihre Ansichten falsch oder unangemessen sind. Wissenschaftler bestätigen, dass der soziale Kontext dazu beiträgt, einen Stereotypenwandel innerhalb einer Gruppe herbeizuführen. Es wurde gezeigt, dass die Gruppen einen Vergleich zwischen ihrer Information und der Information eines großen sozialen Kontexts hinsichtlich einer fremden Gruppe ziehen.

So erklären Yzerbyt und Carnaghi: „Perceivers will likely capitalize on the assumed beliefs and the identity of a prospective audience to orient their assessments of the target.

[…] they may distance themselves from an audience that they do not recognize as valid“

(Yzerbyt/ Carnaghi 2008:48). Die Beständigkeit eines Stereotyps wird also innerhalb der Eigengruppe nur dann garantiert, wenn der soziale Kontext als nicht gültig betrachtet wird.

1.9. Ethnostereotype

Bis jetzt wurden Theorien und Eigenschaften von Stereotypen im Zusammenhang mit dem Individuum und der Gruppen analysiert. An dieser Stelle wird nun eine spezielle Typologie von Stereotypen dargestellt, die mit den verschiedenen Kulturen der Gruppen zu tun hat und eine zentrale Bedeutung in der Werbung einnimmt. Es handelt sich um Ethnostereotype. Das Wort Ethnostereotyp setzt sich aus den Begriffen Stereotyp und ethnisch zusammen. Nach Hoffman soll es auf „generalisierte und typisierte Eigenschaften […], die ethnisch bezogenen Gruppen mental als Eigenschaften zugewiesen werden“ verweisen3. Hoffman bezieht sich konkret auf ethnische Gruppen und erklärt, dass es Gegenstände gibt, die mit einer spezifischen Kultur assoziiert werden

- wie beispielweise das Baguette, das französisch ist - genauso wie einige besondere spezifische Ausprägungen, die zu bestimmten kulturellen Gruppen gehören, z.B. die Franzosen lieben guten Wein.

Ethnostereotype werden intensiv für kulturbezogene Gegenstände verwendet. Häufig könnten sie in der Werbung gefunden werden. Hier haben sie in erster Linie die Funktion, ein Produkt einzigartig und unverwechselbar erscheinen zu lassen, indem sie das Objekt mit einem symbolischen Mehrwert aufladen. Das beworbene Produkt wird mit einem positiven, korrelierenden Ethnostereotyp in Verbindung gebracht und erhält somit durch den kulturellen Bezugsrahmens eine Wertsteigerung. Natürlich kann dieser semantische Transfer für verschiedene Marketing-Strategien gewinnbringend genutzt werden. Eine dieser Strategien ist die Nutzung der Produkt-Herkunft. Generell kann im Spannungsfeld von Produkt, Herkunft und Marke profitiert werden.

Neben dieser Nutzung von Stereotypen können häufig auch Bestandteile des Wirkens von Stereotypen Anwendung in der Werbung finden. Sie besitzen ebenfalls das Potential, die Werbeeffekte zu verstärken. Hier spielt die Identit ä tsfunktion eine wichtige Rolle. Ihr Ziel ist es, dass sich die Adressaten mit den produktbezogenen Stereotypen identifizieren, also sich mit den Produkten selbst identifizieren. Somit können sie zu einer spezifischen Gruppe im Werbekontext gehören, die gemeinsame Wertevorstellungen teilen. Laut Köhler existieren drei verschiedene Klassen von Ethnostereotypen in diesem Kontext: die Inszenierungsstereotype, die Bildstereotype und die verbalen Stereotype. Inszenierungsstereotype sind spezifische Verknüpfungen von ethnischen Werbegestalten oder Werbeobjekten, die mentale oder soziale Merkmale einer Ethnie sowie spezifische kulturelle Rollen in der Werbung darstellen (vgl. Mosbach 2000:215 zitiert in Köhler 2006:129). Normalerweise offenbaren diese Stereotype sich durch typische Kleidung, Landschaften, Gebäude, Vegetation und Schilder.

Unter Bildstereotype versteht man spezifische Darstellungsweisen einer fremden Kultur, während verbalen Stereotype sprachliche Mittel sind, die in der Werbung dazu dienen, um Menschen oder Gegenstände fremder Ethnien zu repräsentieren. Diese letzte Typologie kann auch mit Bildstereotypen verbunden werden.

Die Inszenierungsstereotype werden hinsichtlich der italienischen Stereotype in der deutschen Lebensmittelwerbung im Kapitel 5 dieser Arbeit untersucht.

Kapitel 2 Nationale Stereotype: Italiener und Deutsche

Einleitung

Im letzten Kapitel wird eine allgemeine Analyse über die Stereotype gemacht, hinsichtlich der Begriffe und Theorien, der Merkmale, der Funktionen und der Rollen von Stereotypen in der interkulturellen Kommunikation. In diesem zweiten Teil wird ein spezifischer Überblick über die nationalen Stereotype gegeben. In diesem Kontext wird der Begriff der nationalen Identität untersucht. Dann wird analysiert, wie die Identität und die Kultur eines Landes die Entstehung von nationalen Stereotypen beeinflusst.

Aus einer allgemeinen Perspektive über die nationalen Stereotype wird eine spezifische Ansicht über Italien und Deutschland abgeleitet, besonders wie die deutsche und die italienische Kultur stereotypisiert werden. Seit dem Mittelalter gab es nämlich historische Kontakte und Handelsbeziehungen zwischen den zwei Ländern, die die Präsenz und die Kenntnisse von der italienischen Wesensart in Deutschland ermöglicht haben. In diesem Fall soll insbesondere untersucht werden, wie Italien und die Italiener von Deutschen gesehen und betrachtet werden. Tatsächlich bestätigen die Untersuchungen, dass sie als Fremdgruppe und Kultur im Laufe der Zeit ein präzises Bild in der deutschen Mentalität erlangt haben, woraus sich spezifische Stereotype entwickelt haben.

2.1. Überblick über die nationalen Stereotype

Es wurde bereits erklärt, was im Allgemeinen unter dem Begriff Stereotyp verstanden wird. Ein Stereotyp ist eine Vorstellung, durch die unsere Kenntnisse und Überzeugungen über die Realität wiedergespiegelt werden. Es ist nützlich, um Informationen über die soziale Umwelt zu erarbeiten und erlaubt deshalb eine effektive soziale Interaktion. Wenn Stereotype ein Land und seine Gemeinschaft betreffen, geht es um nationale Stereotype. Die nationalen oder Ethno-Stereotype sind nach Definition Stereotype, die stark von nationalen Ideologien beeinflusst werden. So beschreibt Vodopivec nationale Stereotype wie folgt:

Even more, they are their part or their product, for ethnic identities and ideologies are mainly defined by more or less linked images - on the one side images which an ethnic or national group forms about itself and on the other side which the same ethnic or national group forms about the others- about foreigners, immigrants or neighbors. (Vodopivec zitiert in Valota 2007:115)

[...]


1 https://koppa.jyu.fi/avoimet/viesti/ics/theme-2-identity-stereotypes-and-communication/stereotypes [13.10.16]

2 „Die Sprache hat die Funktion, die kulturelle Übertragung der Inhalte von Stereotypen zu garantieren“ [Übersetzung stammt von Vf.]

3 http://www.qucosa.de/fileadmin/data/qucosa/documents/5631/data/09-koehler-ethnostereotypen- werbung.pdf [10.10.16]

Ende der Leseprobe aus 100 Seiten

Details

Titel
Italienische Stereotype in der deutschen Lebensmittelwerbung
Hochschule
Uiniversità di Bologna  (Alma Mater Studiorum)
Note
103/110
Autor
Jahr
2017
Seiten
100
Katalognummer
V358375
ISBN (eBook)
9783668437142
ISBN (Buch)
9783668437159
Dateigröße
1107 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stereotype, Lebensmittelwerbung, Made in Italy, Italienisch, Italien, Italiener, Kommunikation, Fernsehwerbung
Arbeit zitieren
Margherita Novi (Autor:in), 2017, Italienische Stereotype in der deutschen Lebensmittelwerbung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/358375

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