Ruhesitzmigration in internationaler Perspektive. Deutsche auf Mallorca und den Balearen


Seminararbeit, 2016

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Begriffsklärung Ruhesitzmigration

3 Schwierigkeiten der Datenerfassung ausländischer Migranten

4 Primärerhebungen als Basis der europäischen Migrationsforschung

5 Grenzüberschreitende Altersmigration in Europa
5.1 Rahmenbedingungen des gegenwärtigen Migrationsgeschehens
5.2 Zusammensetzung der Altersmigranten

6 Spanien als Untersuchungsregion
6.1 Migrationsentscheidung und Auswanderungsmotive
6.2 Entwicklungen und Auswirkungen der Ruhesitzmigration auf Mallorca
6.2.1 Auswirkungen der Altersmigranten auf die Aufnahmegesellschaften
6.2.2 Auswirkungen auf das Leben der Altersmigranten
6.2.3 Auswirkungen der Altersmigranten auf die Wohnstruktur und -verhältnisse

7 Fazit

Literatur

I Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Beliebte Zielregionen der älteren deutschen Bevölkerung

Abb. 2: Die Quell- und Zielregionen der europäischen Altersmigration

Abb. 3: Bevorzugte Zielgebiete der Ruhesitzmigranten

Abb. 4: Besitzverhältnisse und Lage des Wohnsitzes auf Mallorca

1 Einleitung

Den Lebensabend einsam irgendwo in einem der vielen Pflegeheime im verregneten Deutsch­land verbringen? Für immer mehr Deutsche eine unangenehme Vorstellung und unbedingt verhin­dern wollendes Albtraumszenario. „Fast 40% Prozent der Bundesbürger können sich ei­nen Ruhestand jenseits der deutschen Grenzen vorstellen“ (Czycholl 2014 o.S.). Die deut­schen Senioren bevorzugen mehr denn je, die Zeit ihres Ruhestands, über die nationalen Gren­zen hinweg, zu verbringen. Die Greisenzeit in der Sonne, am Meer zu genießen und zu altern wie im Urlaub ist längst die Realität. Daher erstaunt es auch nicht, dass die Mittelmeerregion im­mer attraktiver für Rentner und Pensionäre wird, aber auch andere Nachbarländer wie die Schweiz oder Polen liegen im Trend (siehe Abb. 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Beliebte Zielregionen der älteren deutschen Bevölkerung.

(aus: In diese Länder ziehen die Deutschen. <http://img.welt.de/img/altersvorsorge/crop127162570/2179731545- ci3x2l-w540/DWO-FI-Fortzuege-ag-3x2-3-.jpg> (Zugriff: 24.07.2016)).

Das Projekt des Zweitwohnsitzes ist mittlerweile fest etabliert und neuere Formen der Ruhesitzmigra­tion kristallisieren sich heraus. Mehr und mehr rückt der Begriff der „Ruhesitzmigra­tion“ ins Blickfeld der deutschen, humangeographischen Forschung.

Das Ziel der vorliegenden Seminararbeit ist es, auf die bisher weniger bekannte transnationale Ruhesitzmigra­tion in Europa aufmerksam zu machen und zu informieren. Wie ist der aktuelle Stand der Migrationsforschung? Vor welchen Problemen stehen die Wissenschaftler bei der Datenerhe­bung? Wie splittet sich die „retirement migration“ genau auf, welches Verhältnis und Beziehun­gen haben Einheimische zu den Zugezogenen und umgekehrt? Dies ist lediglich ein Aus­schnitt der Forschungsfragen, denen wir in dieser Seminararbeit nachgehen werden. Um diese besser klären zu können, werden wir uns auf die Untersuchungsregion Spanien beschrän­ken und spezifischer die Forschungsregion Mallorca betrachten. Zudem liegen räumliche Unter­schiede der Ruhesitzmigration vor, daher ist eine Spezialisierung zwangsläufig notwen­dig, um wissenschaftlich exakt arbeiten zu können. Zunächst wird das Phänomen der Ruhesitzmigra­tion in Ansätzen erläutert. Anschließend werden die Schwierigkeiten der Datenerfas­sung ausländischer Migranten thematisiert. Die Schwierigkeiten der Verfügbarkeit von nationalen Statistiken wird im Zusammenhang mit der nicht aufeinander abgestimmten Struk­tur der jeweiligen Nationen erläutert. Zudem ist es notwendig, die explorativen Primärerhebun­gen als Grundlage der europäischen Migrationsforschung sowie die Rahmenbedingun­gen des gegenwärtigen Migrationsgeschehens darzulegen, um im Folgenden die Untersuchungsregion Spanien, spezifischer Mallorca, unter dem Schwerpunkt der Zusammenset­zung der Altersmigranten, der Migrationsentscheidung und den Auswanderungsmoti­ven sowie die Auswirkungen auf die Migranten, die Quellregionen und Zielge­biete zu behandeln.

2 Begriffsklärung Ruhesitzmigration

In Deutschland häufen sich die Auswanderungsberichte und die Zahlen der Auswanderung stei­gen stetig an. Waren es im Jahr 2006 noch 639.000 Auswanderer, so verzeichneten die Statisti­ken 2015 bereits 997.500 Aussiedler (Statista 2016 o.S.). Diese Entwicklung der ansteigen­den Emigration zeichnet sich ebenso in der Bevölkerungsgruppe der Senioren ab und hat in vie­len Industriestaaten ein beachtliches Maß angenommen. Grenzüberschreitende Wanderungsbewegun­gen sind längst keine „one way journey“ mehr (Leser 2014: 787). Die Ruhesitzmigra­tion (auch genannt: retirement migration) bezeichnet das Phänomen der Wande­rung älterer Individuen. Die Ortswechsel, und das damit einhergehende Aufsuchen der Altersruhe­sitze, werden zumeist über nationale Grenzen vollzogen. Wird die nationale Grenze überschrit­ten, so wird der Ortswechsel für gewöhnlich als Außenwanderung oder internationa­ler Tourismus betitelt (Schneider 2010: 2). Die frei bestimmten Migrationen werden getätigt mit dem Ziel der Verbesserung der Lebensqualität. Anzumerken ist, dass sich verschiedene Motivationsfakto­ren wie, wohnungsorientierte-, familienorientierte-, netzwerkorientierte Gründe überlappen und Altersmigranten weniger mit dem Hintergedanken der Erwerbsorientie­rung auswandern. (Kaiser 2011: 21). Der Begriff Ruhesitzmigration kann als sehr heterogen angese­hen werden, da dieser neben uni- und bidirektionalen Wanderbewegun­gen ebenso die permanen­ten oder temporären Migrationen beinhaltet. Gemäß der Kriterien Raum, Zeit, Motiv und Dimension lassen sich die Ruhesitzwanderungen typologisieren. Das Kriterium Raum unterschei­det zum einen nach der bewältigten Entfernung und zum anderen der dabei überschritte­nen Grenzen. Die Ruhesitzmigration lässt sich demzufolge gemäß des Kriteriums Raum nach kontinentalen und interkontinentalen Absichten unterteilen. Das Abgrenzungsmerk­mal Zeit, sprich die Dauer der Wanderbewegung, bedeutet die Unterschei­dung zwischen temporärer und permanenter Altersmigration. Der dritte Typus, das Motiv der Wande­rung, gibt die Beweggründe des Standortwechsels an und untergliedert die Ruhesitzmigran­ten ebenso. Neben Deutschland stam­men viele Wander­ströme aus Großbritan­nien, der Schweiz sowie Nord- und Mitteleuropa. Je nach Zielge­biet ergeben sich erhebliche Unter­schiede, ob die Ruheständler permanent oder zeit­weise migrieren (Vgl. Kaiser 2002: 224). Im Folgenden werden die Schwierigkeiten der Datenerfas­sung ausländi­scher Migranten themati­siert, mögliche Probleme aufgezeigt und erläu­tert.

3 Schwierigkeiten der Datenerfassung ausländischer Migranten

Mit der ansteigenden Ruhesitzmigration gehen zwangsläufig erfassungstechnische Probleme und Unstimmigkeiten bezüglich der Registrierung ankommender Senioren einher, die neben den Behörden in den Zielregionen auch Forschungsprogramme vor die schwierige Aufgabe ei­ner allumfassenden Überwachung solcher Auswanderungsdynamiken stellt. Dies zu garantie­ren, ist nahezu unmöglich und lässt sich auf viele Faktoren zurückführen, die nun weiter beleuch­tet werden.

Seit den 1980er Jahren ist eine Veränderung der Altersmigration in der EU quantitativ und qualita­tiv bemerkbar. Einerseits nimmt eine mengenmäßig immer größer und differenzierter wer­dende Personengruppe an dem Ruhesitzmigrationsprozess teil, andererseits setzt eine qualita­tiv stärker werdende Beanspruchung bezüglich dieser Migrationsforschung ein, da die Verschieden­heit und individuell abhängigen Motive der Alterswohnsitzwahl zunehmen. So rü­cken neben nationalen immer mehr ausländische Zielregionen ins Blickfeld der Rentner, die untereinan­der mithilfe von Push- und Pullfaktoren verglichen werden und maßgeblich die Entschei­dung für einen bestimmten Ruhesitz beeinflussen. Bis in die 1990er Jahre gab es keine angemes­sene wissenschaftliche Beachtung von deutscher sowie europäische Seite, da sich die­sem Forschungsfeld, aufgrund unzureichen­der Bedeutung, nicht gewidmet wurde und kaum ei­gene Erfahrungen vorhanden wa­ren. Zunächst wurde, aus Mangel an Grundlagenwissen bezüg­lich der Betrachtung neuarti­ger Migrationsströme, allein auf Erkenntnisse der US-amerikanischen Altersmigrationsfor­schung zurückgegriffen, bewertet und Bestandsaufnahmen von Ruhesitzmigrationsbewegun­gen nach diesen geordnet. Die ungeprüfte Übertragung der Ergeb­nisse auf nordamerikanische Stu­dien ist problematisch und führte zu einer falschen Bewer­tung, aufgrund vorliegender kulturel­ler Unterschiede zwischen der USA und der EU. Die ältere Generation der USA ist gene­rell mobiler. Vergleicht man den Wohnortwechsel in den USA über die Bundesstaaten hin­weg mit denen zwischen Ländern innerhalb Europas, weist die USA eine vierfach höhere Mobili­tät auf. Zudem wird die Standortflexibilität in den USA erleich­tert durch das Nichtauftre­ten von Sprachbarrieren bei einem zwischenbundesstaatlichen Wohnortwech­sel. Im Gegensatz dazu herrscht in Europa ein generelles Bestreben nach Standortkontinui­tät. Mögliche Gründe sind Sprachdifferenzen, nachteilige Veränderungen bezüg­lich der Steuer- und Gesundheitssys­teme, sowie soziokulturelle Unterschiede. Das Inte­resse einer genauen wissenschaftlichen Ana­lyse wuchs in den 1990er Jahren, da die Zahl der älte­ren Menschen, die in mediterrane Länder zo­gen, anstieg. So setzen sich Forscher zuneh­mend mit den Hintergründen der Ruhesitzmigra­tion auseinander und gehen den Ursache-Wirkungszusammenhängen nach (Kaiser 2011: 35f.). In­folge der europäisch geförderten Zusammenar­beit und Initiierung dreier spezialisierter For­scher (King, Williams und Warnes), bei der hauptsächlich britische, spanische und deutsche Wissenschaft­ler zusammenarbeiteten, wur­den wesentliche Fortschritte bei der Betrachtung der Ruhesitzmigra­tion erzielt und es konn­ten zahlreiche Publikationen veröffentlicht werden, die neue Ergebnisse offenbarten (Haas 2015:32). Allerdings sah man sich insge­samt während der Forschungszusammenarbeit mit verschiede­nen Problemen konfrontiert, die die Untersuchung erschwerten. Die Verfügbarkeit und die fehlende Einheitlichkeit nationaler Statisti­ken und soziodemographischer Quellen, wie Volkszählun­gen, Sterberegister, Einwohnermeldeda­teien, stellten ein Hindernis dar, denn es wird oft nach anderen Maßen und mit verschiedener Genauigkeit gemessen. So wird das tatsächli­che Ausmaß der Migrationsbewegun­gen nicht exakt abgebildet. Die erschwerte Vergleichbar­keit von Migrationsstu­dien lässt sich ebenso durch die wenig abgestimmte Struk­tur nationaler Verwaltungsbehör­den, die allesamt eigene Besonderheiten im Meldewesen und unterschiedli­che Nutzbarkeiten der Daten zulassen, erklären. Es existieren keine übereinstimmen­den Definitio­nen der Begriffe „Rentner“ und „Pensionär“, gegenteilig treten nicht übereinstim­mende Klassifikationen beziehungsweise Deutungsverschiedenheiten bei dem Begriff der „Immigran­ten“ auf. So ist beispielsweise der Geburtsort oder der letzte Woh­nort als Einteilungsmit­tel festgeschrieben, der Unstimmigkeiten bei der Alters- und Aufenthaltseingren­zung von Zuwanderern zur Folge hat. Weiterhin wollen und werden somit oft Betroffene nicht statistisch erfasst, da sie meinen es würden sich nach formaler Anmeldung mehr Nach- als Vorteile ergeben (Kaiser 2011: 36f.). Hingegen ist zunächst die Aufenthalts­dauer eines Rentners in dem jeweils anderen EU-Land, in dem sich zur Ruhe gesetzt werden soll, ausschlaggebend. Beschränkt sich die Aufenthaltsdauer auf lediglich 3 Monate im EU-Land, so ist es in den meisten Ländern ausreichend einen gültigen Personalausweis oder Reise­pass mit sich zu tragen, um sich ausweisen zu können. Eine Meldepflicht kann erst nach drei Mona­ten verbindlich angeordnet werden. Um sich einen weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, sind ein dortiger umfassender Krankenversicherungsschutz und ein „annehmbares“ Einkom­men aus beliebiger Quelle für Rentner eine Bedingung. Nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbroche­nem Aufenthalts erlangt ein Rentner das „Daueraufenthaltsrecht“ und ist anschlie­ßend befugt, sich im jeweiligen „Ruhesitzland“ je nach Belieben aufzuhalten (Vgl. Europa.eu 2016: o.S). Trotz dieser allgemeinen EU-Rahmenvereinbarungen zögern viele Ruheständ­ler sich anzumelden, da sie Nachteile durch Steuer- und Sozialversicherungssysteme so­wie Rentenabzüge befürchten. Diese Existenzängste sind nicht unbegründet. Die saisonalen Ruhesitzmigran­ten sind leistungstechnisch im Vorteil gegenüber den Dauerresidenten, denn die Auszah­lung der Auslandsrente ist abhängig von der gewöhnlichen Aufenthaltsdauer und von der Länge der Versicherungszeit (Deutsche Rentenversicherung 2016: o.S.). Auch bei der Pflege- und Krankenversicherung müssen sich Rentner im Fall eines dauerhaften Auslandsaufent­halts auf mögliche Umstellungen einstellen. So haben viele Rentner Angst vor der gesetzlichen, spanischen Krankenkasse, in die sie nach der Ummeldung eintreten müssten und versuchen diese zu umgehen. In Erfahrungsberichten hat sich zum Beispiel das Problem der langen Wartezeit, auch bei einer dringend erforderlichen ärztlichen Behandlung, offenbart.

Zudem wollen die Ruhesitzmigranten nicht auf ihren deutschen Führerschein verzichten. Abschre­ckend hier wirkt, dass nach der Registrierung eine spanische Variante erforderlich ist, mit der Zusatzbedingung des Unterziehens einer alle zwei Jahre stattfindenden Kontrolle (Janoschka 2009:128). Infolge dieser Furcht vor finanzieller Benachteiligung und bürokrati­schem Stress verschweigen Rentner längere Aufenthalte oftmals. Dies hat große Ungenauigkei­ten und eine hohe Dunkelziffer bei der Datenerfassung und der Erstellung von Statistiken zur Folge. Durch die ungenaue, mitunter schwer voneinander zu trennenden Bezeichnungen der Be­griffe „Tourist“ und „Altersmigrant“, ist außerdem eine klare, differenzierte Betrachtung na­hezu unmöglich. Faktoren wie Alter und die Mindestaufenthaltsdauer können bei beiden Begrif­fen angewendet werden, überlagern sich und lassen keine eindeutige Abgrenzung zu (Kaiser 2011: 37). Ein grenzenloses Europa, mit dem Gedanken einer unkomplizierten Lebensfüh­rung, lässt wohlhabenden Menschen einigen Spielraum, ihre Wohnsitze zu verlegen oder mehrere zu besitzen. Die damit einhergehende Bequemlichkeit sich nicht umzumelden, da diese Rentner noch im Heimatland registriert sind, erschwert die Erfassung und Vergleiche enorm und führt gezwungenermaßen zu Schätzungen. So müssten nach wissenschaftlichen Schätzun­gen die amtlich erhobenen Daten von lebensstilorientier­ten Migranten in Spanien na­hezu verzweifacht oder auch verdreifacht wer­den, um sich der Realität anzunähern. Die Zahl der ausländischen Ruhesitzmigranten würde auf einein­halb bis zwei Millionen Menschen anstei­gen. Weiterhin ist die Rede von einer regelrechten Rentnerpendeldynamik. Die ältere Genera­tion wechselt, über ein Jahr gesehen, zwischen zwei Wohnor­ten und konfrontiert somit das starre Meldewesen, das mit dieser neuen Form der Lebensfüh­rung nicht eindeutig vertraut ist. Der Umgang damit sowie die Abgrenzung ist kompli­ziert (Janoschka 2009:127f.). Die aktu­elle Ruhesitzforschung nutzt und ist zumeist ausgerich­tet auf quantitative Statistiken. Er­gänzt wird sie durch die qualitative Eigenschaft von einzel­nen Interviews, um möglichst annä­hernd Ruhestandsauswande­rer in ihren Eigenschaften, Erfahrun­gen und Absichten treffend zu beschrei­ben (Haas 2015:33). Festzuhalten bleibt, dass ne­ben der Einwanderung auch die Auswande­rung aus den jeweiligen Herkunftsländern statis­tisch schwer zu erfassen ist. In der Re­gel geschieht dies nur durch die amtliche Abmeldung bei ei­ner Behörde oder beim Grenzüber­tritt selbst. Es ist möglich dieses Prozedere zu umgehen, was verdeutlicht, dass eben­falls keine vollkommene Eingrenzung vorliegt. Ergänzend dazu ver­sucht die empirische Sozialfor­schung wiederholende Interviews durchzuführen, um genauere Informatio­nen über Migrationsbewegun­gen zu erhalten (Sauer & Ette 2007: 16).

4 Primärerhebungen als Basis der europäischen Migrationsforschung

Durch das Fehlen aussagekräftiger statistischer Daten europäischer Migration, und speziell von Ruhesitzmigra­tion, erhoben Forscher eigene explorative Primärerhebungen. So wurden durch diese empirische Methode neue Daten erfasst, die zur ersten Klärung und Strukturierung des Problemgebie­tes beitragen, um einen Überblick zu verschaffen und weitergehende Studien vorzuberei­ten. Ziele dieser Forschungsprojekte waren und sind die Ermittlung von Migrationsmus­tern, das Herausarbeiten soziodemographischer Charakteristika und die Analyse der Motivationen sowie Lebens- und Alltagserfahrungen (Kaiser 2011: 37-39). Aber auch die Befra­gung zu Wanderungsmotiven, das Nachforschen der Kriterien bei der Zielgemeindenaus­wahl, sowie die Frage der Kriterien beim Kauf eines Immobilienobjekts können zum Thema der Zweitwohnsitzwahl gemacht und zum Beispiel durch qualitative Einzelinterviews abgefragt wer­den (Seidl 2010:159-160). Da sich mit vermutlich zehn bis dreißig Prozent, wie bereits erläu­tert, nur eine geringe Anzahl der Ruhesitzmigranten in Spanien registrieren lassen, ist eine ge­naue Betrachtung der Zuwanderungsentwicklung äußerst schwierig und die hohe Dunkelzif­fer der Nichterfassten lässt nur das Aufstellen von Trends zu. So wird zum Beispiel aus den zur Verfü­gung stehenden spanischen Bevölkerungsstatistiken ersicht­lich, dass Finanzkrisen, wie un­ter anderem die Eurokrise 2007, zu einer Abwanderung ge­führt haben, da eine Anzahl der Ruheständ­ler einer höheren finanziellen Belastung ausgesetzt wa­ren (Haas 2015:36). Dennoch ist es aufgrund der problematischen Umstände notwendig, für jede nationale oder international verglei­chende Studie von Ruhesitzmigration, verlässliche exakte Daten zu ermitteln und die Primärda­ten zu sammeln. Allerdings muss im Durcheinander von sekundären Datenquellen zu­nächst überprüft werden, welche Daten in Ansätzen übernom­men werden können. Je nach Ziel der Studie, wird Ausgewähltes als Grundlage beziehungs­weise Vorlage angenommen, verarbei­tet und folglich von Teilnehmern, Beobachtern und Informan­ten mithilfe von Tiefeninter­views, speziel­len Fokusgruppen, Interviews und Fragebö­gen ergänzt, um einen größe­ren und breitgefächer­ten Überblick über das Untersuchungsgebiet zu erlangen. Werden verschie­dene Stu­dien und Verfahren in diesem speziellen Zusammenhang verwen­det, so muss die Abhängig­keit der Ergebnisse durch vorcodierte Fragebögen mit offe­nem Ende beachtet wer­den, die möglicher­weise ausführliche Interview-Daten nicht zulassen oder Meinungen nicht in vollem Um­fang abbilden. Sprich die Aussagen nicht vollständig vor dem Hintergrund der Kontexteinord­nung abbilden, obwohl sie mitunter für verschiedene Forschungsperspekti­ven, wie Motivationen für Migration, frühere berufliche Besonderheiten, Erfahrun­gen, Hintergründe und Folgen der Wanderungsdynamik ausgelegt sind und deshalb auch unterschiedliche Fragen stel­len (King, Warnes & Williams 1998: 96). Migrationsentscheidun­gen sind relativ schwie­rig zu rekonstruieren und Umfragen sind offen für die Probleme der Post-hoc-Rationalisierung. Es wird bewiesen, dass es bei einer Gruppe von Mittelwerten logischerweise signifikante Unter­schiede gibt sowie vielfältige Motive und da­mit zusammenhängende Gründe dafür, aber nicht ausrei­chend aufgedeckt werden. Auch wenn es bei der Untersuchung nicht die Absicht ist, die­ses Problem zu ignorieren, kann die Tatsa­che, dass verschiedenste Quellen zu Rate gezogen wor­den, zweifellos diese Erfassungsschwierigkei­ten lindern. So sollte ein Fragebogen die Teilneh­mer einer Studie auffor­dern, ihre Gründe tiefergehend darzulegen, warum die jeweilige Zielre­gion aufgesucht wurde, um mögliche Reaktionsmuster für die Beweggründe herauszufin­den und Push- sowie Pullfakto­ren deutlich sichtbar zu machen (King, Warnes & Williams 1998: 100).

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Ruhesitzmigration in internationaler Perspektive. Deutsche auf Mallorca und den Balearen
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Geographie)
Veranstaltung
Humangeographie I
Note
1,3
Autoren
Jahr
2016
Seiten
25
Katalognummer
V366519
ISBN (eBook)
9783668453029
ISBN (Buch)
9783668453036
Dateigröße
1224 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Migration, Ruhesitzmigration, Ruhestand, Altersmigration, Spanien, Auswandern
Arbeit zitieren
Charlott Zitschke (Autor:in)Jan-Erik Puschmann (Autor:in), 2016, Ruhesitzmigration in internationaler Perspektive. Deutsche auf Mallorca und den Balearen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/366519

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