Leseprobe
Inhalt
1 Einleitung
2 Begriffsklärung Ruhesitzmigration
3 Schwierigkeiten der Datenerfassung ausländischer Migranten
4 Primärerhebungen als Basis der europäischen Migrationsforschung
5 Grenzüberschreitende Altersmigration in Europa
5.1 Rahmenbedingungen des gegenwärtigen Migrationsgeschehens
5.2 Zusammensetzung der Altersmigranten
6 Spanien als Untersuchungsregion
6.1 Migrationsentscheidung und Auswanderungsmotive
6.2 Entwicklungen und Auswirkungen der Ruhesitzmigration auf Mallorca
6.2.1 Auswirkungen der Altersmigranten auf die Aufnahmegesellschaften
6.2.2 Auswirkungen auf das Leben der Altersmigranten
6.2.3 Auswirkungen der Altersmigranten auf die Wohnstruktur und -verhältnisse
7 Fazit
Literatur
I Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Beliebte Zielregionen der älteren deutschen Bevölkerung
Abb. 2: Die Quell- und Zielregionen der europäischen Altersmigration
Abb. 3: Bevorzugte Zielgebiete der Ruhesitzmigranten
Abb. 4: Besitzverhältnisse und Lage des Wohnsitzes auf Mallorca
1 Einleitung
Den Lebensabend einsam irgendwo in einem der vielen Pflegeheime im verregneten Deutschland verbringen? Für immer mehr Deutsche eine unangenehme Vorstellung und unbedingt verhindern wollendes Albtraumszenario. „Fast 40% Prozent der Bundesbürger können sich einen Ruhestand jenseits der deutschen Grenzen vorstellen“ (Czycholl 2014 o.S.). Die deutschen Senioren bevorzugen mehr denn je, die Zeit ihres Ruhestands, über die nationalen Grenzen hinweg, zu verbringen. Die Greisenzeit in der Sonne, am Meer zu genießen und zu altern wie im Urlaub ist längst die Realität. Daher erstaunt es auch nicht, dass die Mittelmeerregion immer attraktiver für Rentner und Pensionäre wird, aber auch andere Nachbarländer wie die Schweiz oder Polen liegen im Trend (siehe Abb. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Beliebte Zielregionen der älteren deutschen Bevölkerung.
(aus: In diese Länder ziehen die Deutschen. <http://img.welt.de/img/altersvorsorge/crop127162570/2179731545- ci3x2l-w540/DWO-FI-Fortzuege-ag-3x2-3-.jpg> (Zugriff: 24.07.2016)).
Das Projekt des Zweitwohnsitzes ist mittlerweile fest etabliert und neuere Formen der Ruhesitzmigration kristallisieren sich heraus. Mehr und mehr rückt der Begriff der „Ruhesitzmigration“ ins Blickfeld der deutschen, humangeographischen Forschung.
Das Ziel der vorliegenden Seminararbeit ist es, auf die bisher weniger bekannte transnationale Ruhesitzmigration in Europa aufmerksam zu machen und zu informieren. Wie ist der aktuelle Stand der Migrationsforschung? Vor welchen Problemen stehen die Wissenschaftler bei der Datenerhebung? Wie splittet sich die „retirement migration“ genau auf, welches Verhältnis und Beziehungen haben Einheimische zu den Zugezogenen und umgekehrt? Dies ist lediglich ein Ausschnitt der Forschungsfragen, denen wir in dieser Seminararbeit nachgehen werden. Um diese besser klären zu können, werden wir uns auf die Untersuchungsregion Spanien beschränken und spezifischer die Forschungsregion Mallorca betrachten. Zudem liegen räumliche Unterschiede der Ruhesitzmigration vor, daher ist eine Spezialisierung zwangsläufig notwendig, um wissenschaftlich exakt arbeiten zu können. Zunächst wird das Phänomen der Ruhesitzmigration in Ansätzen erläutert. Anschließend werden die Schwierigkeiten der Datenerfassung ausländischer Migranten thematisiert. Die Schwierigkeiten der Verfügbarkeit von nationalen Statistiken wird im Zusammenhang mit der nicht aufeinander abgestimmten Struktur der jeweiligen Nationen erläutert. Zudem ist es notwendig, die explorativen Primärerhebungen als Grundlage der europäischen Migrationsforschung sowie die Rahmenbedingungen des gegenwärtigen Migrationsgeschehens darzulegen, um im Folgenden die Untersuchungsregion Spanien, spezifischer Mallorca, unter dem Schwerpunkt der Zusammensetzung der Altersmigranten, der Migrationsentscheidung und den Auswanderungsmotiven sowie die Auswirkungen auf die Migranten, die Quellregionen und Zielgebiete zu behandeln.
2 Begriffsklärung Ruhesitzmigration
In Deutschland häufen sich die Auswanderungsberichte und die Zahlen der Auswanderung steigen stetig an. Waren es im Jahr 2006 noch 639.000 Auswanderer, so verzeichneten die Statistiken 2015 bereits 997.500 Aussiedler (Statista 2016 o.S.). Diese Entwicklung der ansteigenden Emigration zeichnet sich ebenso in der Bevölkerungsgruppe der Senioren ab und hat in vielen Industriestaaten ein beachtliches Maß angenommen. Grenzüberschreitende Wanderungsbewegungen sind längst keine „one way journey“ mehr (Leser 2014: 787). Die Ruhesitzmigration (auch genannt: retirement migration) bezeichnet das Phänomen der Wanderung älterer Individuen. Die Ortswechsel, und das damit einhergehende Aufsuchen der Altersruhesitze, werden zumeist über nationale Grenzen vollzogen. Wird die nationale Grenze überschritten, so wird der Ortswechsel für gewöhnlich als Außenwanderung oder internationaler Tourismus betitelt (Schneider 2010: 2). Die frei bestimmten Migrationen werden getätigt mit dem Ziel der Verbesserung der Lebensqualität. Anzumerken ist, dass sich verschiedene Motivationsfaktoren wie, wohnungsorientierte-, familienorientierte-, netzwerkorientierte Gründe überlappen und Altersmigranten weniger mit dem Hintergedanken der Erwerbsorientierung auswandern. (Kaiser 2011: 21). Der Begriff Ruhesitzmigration kann als sehr heterogen angesehen werden, da dieser neben uni- und bidirektionalen Wanderbewegungen ebenso die permanenten oder temporären Migrationen beinhaltet. Gemäß der Kriterien Raum, Zeit, Motiv und Dimension lassen sich die Ruhesitzwanderungen typologisieren. Das Kriterium Raum unterscheidet zum einen nach der bewältigten Entfernung und zum anderen der dabei überschrittenen Grenzen. Die Ruhesitzmigration lässt sich demzufolge gemäß des Kriteriums Raum nach kontinentalen und interkontinentalen Absichten unterteilen. Das Abgrenzungsmerkmal Zeit, sprich die Dauer der Wanderbewegung, bedeutet die Unterscheidung zwischen temporärer und permanenter Altersmigration. Der dritte Typus, das Motiv der Wanderung, gibt die Beweggründe des Standortwechsels an und untergliedert die Ruhesitzmigranten ebenso. Neben Deutschland stammen viele Wanderströme aus Großbritannien, der Schweiz sowie Nord- und Mitteleuropa. Je nach Zielgebiet ergeben sich erhebliche Unterschiede, ob die Ruheständler permanent oder zeitweise migrieren (Vgl. Kaiser 2002: 224). Im Folgenden werden die Schwierigkeiten der Datenerfassung ausländischer Migranten thematisiert, mögliche Probleme aufgezeigt und erläutert.
3 Schwierigkeiten der Datenerfassung ausländischer Migranten
Mit der ansteigenden Ruhesitzmigration gehen zwangsläufig erfassungstechnische Probleme und Unstimmigkeiten bezüglich der Registrierung ankommender Senioren einher, die neben den Behörden in den Zielregionen auch Forschungsprogramme vor die schwierige Aufgabe einer allumfassenden Überwachung solcher Auswanderungsdynamiken stellt. Dies zu garantieren, ist nahezu unmöglich und lässt sich auf viele Faktoren zurückführen, die nun weiter beleuchtet werden.
Seit den 1980er Jahren ist eine Veränderung der Altersmigration in der EU quantitativ und qualitativ bemerkbar. Einerseits nimmt eine mengenmäßig immer größer und differenzierter werdende Personengruppe an dem Ruhesitzmigrationsprozess teil, andererseits setzt eine qualitativ stärker werdende Beanspruchung bezüglich dieser Migrationsforschung ein, da die Verschiedenheit und individuell abhängigen Motive der Alterswohnsitzwahl zunehmen. So rücken neben nationalen immer mehr ausländische Zielregionen ins Blickfeld der Rentner, die untereinander mithilfe von Push- und Pullfaktoren verglichen werden und maßgeblich die Entscheidung für einen bestimmten Ruhesitz beeinflussen. Bis in die 1990er Jahre gab es keine angemessene wissenschaftliche Beachtung von deutscher sowie europäische Seite, da sich diesem Forschungsfeld, aufgrund unzureichender Bedeutung, nicht gewidmet wurde und kaum eigene Erfahrungen vorhanden waren. Zunächst wurde, aus Mangel an Grundlagenwissen bezüglich der Betrachtung neuartiger Migrationsströme, allein auf Erkenntnisse der US-amerikanischen Altersmigrationsforschung zurückgegriffen, bewertet und Bestandsaufnahmen von Ruhesitzmigrationsbewegungen nach diesen geordnet. Die ungeprüfte Übertragung der Ergebnisse auf nordamerikanische Studien ist problematisch und führte zu einer falschen Bewertung, aufgrund vorliegender kultureller Unterschiede zwischen der USA und der EU. Die ältere Generation der USA ist generell mobiler. Vergleicht man den Wohnortwechsel in den USA über die Bundesstaaten hinweg mit denen zwischen Ländern innerhalb Europas, weist die USA eine vierfach höhere Mobilität auf. Zudem wird die Standortflexibilität in den USA erleichtert durch das Nichtauftreten von Sprachbarrieren bei einem zwischenbundesstaatlichen Wohnortwechsel. Im Gegensatz dazu herrscht in Europa ein generelles Bestreben nach Standortkontinuität. Mögliche Gründe sind Sprachdifferenzen, nachteilige Veränderungen bezüglich der Steuer- und Gesundheitssysteme, sowie soziokulturelle Unterschiede. Das Interesse einer genauen wissenschaftlichen Analyse wuchs in den 1990er Jahren, da die Zahl der älteren Menschen, die in mediterrane Länder zogen, anstieg. So setzen sich Forscher zunehmend mit den Hintergründen der Ruhesitzmigration auseinander und gehen den Ursache-Wirkungszusammenhängen nach (Kaiser 2011: 35f.). Infolge der europäisch geförderten Zusammenarbeit und Initiierung dreier spezialisierter Forscher (King, Williams und Warnes), bei der hauptsächlich britische, spanische und deutsche Wissenschaftler zusammenarbeiteten, wurden wesentliche Fortschritte bei der Betrachtung der Ruhesitzmigration erzielt und es konnten zahlreiche Publikationen veröffentlicht werden, die neue Ergebnisse offenbarten (Haas 2015:32). Allerdings sah man sich insgesamt während der Forschungszusammenarbeit mit verschiedenen Problemen konfrontiert, die die Untersuchung erschwerten. Die Verfügbarkeit und die fehlende Einheitlichkeit nationaler Statistiken und soziodemographischer Quellen, wie Volkszählungen, Sterberegister, Einwohnermeldedateien, stellten ein Hindernis dar, denn es wird oft nach anderen Maßen und mit verschiedener Genauigkeit gemessen. So wird das tatsächliche Ausmaß der Migrationsbewegungen nicht exakt abgebildet. Die erschwerte Vergleichbarkeit von Migrationsstudien lässt sich ebenso durch die wenig abgestimmte Struktur nationaler Verwaltungsbehörden, die allesamt eigene Besonderheiten im Meldewesen und unterschiedliche Nutzbarkeiten der Daten zulassen, erklären. Es existieren keine übereinstimmenden Definitionen der Begriffe „Rentner“ und „Pensionär“, gegenteilig treten nicht übereinstimmende Klassifikationen beziehungsweise Deutungsverschiedenheiten bei dem Begriff der „Immigranten“ auf. So ist beispielsweise der Geburtsort oder der letzte Wohnort als Einteilungsmittel festgeschrieben, der Unstimmigkeiten bei der Alters- und Aufenthaltseingrenzung von Zuwanderern zur Folge hat. Weiterhin wollen und werden somit oft Betroffene nicht statistisch erfasst, da sie meinen es würden sich nach formaler Anmeldung mehr Nach- als Vorteile ergeben (Kaiser 2011: 36f.). Hingegen ist zunächst die Aufenthaltsdauer eines Rentners in dem jeweils anderen EU-Land, in dem sich zur Ruhe gesetzt werden soll, ausschlaggebend. Beschränkt sich die Aufenthaltsdauer auf lediglich 3 Monate im EU-Land, so ist es in den meisten Ländern ausreichend einen gültigen Personalausweis oder Reisepass mit sich zu tragen, um sich ausweisen zu können. Eine Meldepflicht kann erst nach drei Monaten verbindlich angeordnet werden. Um sich einen weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, sind ein dortiger umfassender Krankenversicherungsschutz und ein „annehmbares“ Einkommen aus beliebiger Quelle für Rentner eine Bedingung. Nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalts erlangt ein Rentner das „Daueraufenthaltsrecht“ und ist anschließend befugt, sich im jeweiligen „Ruhesitzland“ je nach Belieben aufzuhalten (Vgl. Europa.eu 2016: o.S). Trotz dieser allgemeinen EU-Rahmenvereinbarungen zögern viele Ruheständler sich anzumelden, da sie Nachteile durch Steuer- und Sozialversicherungssysteme sowie Rentenabzüge befürchten. Diese Existenzängste sind nicht unbegründet. Die saisonalen Ruhesitzmigranten sind leistungstechnisch im Vorteil gegenüber den Dauerresidenten, denn die Auszahlung der Auslandsrente ist abhängig von der gewöhnlichen Aufenthaltsdauer und von der Länge der Versicherungszeit (Deutsche Rentenversicherung 2016: o.S.). Auch bei der Pflege- und Krankenversicherung müssen sich Rentner im Fall eines dauerhaften Auslandsaufenthalts auf mögliche Umstellungen einstellen. So haben viele Rentner Angst vor der gesetzlichen, spanischen Krankenkasse, in die sie nach der Ummeldung eintreten müssten und versuchen diese zu umgehen. In Erfahrungsberichten hat sich zum Beispiel das Problem der langen Wartezeit, auch bei einer dringend erforderlichen ärztlichen Behandlung, offenbart.
Zudem wollen die Ruhesitzmigranten nicht auf ihren deutschen Führerschein verzichten. Abschreckend hier wirkt, dass nach der Registrierung eine spanische Variante erforderlich ist, mit der Zusatzbedingung des Unterziehens einer alle zwei Jahre stattfindenden Kontrolle (Janoschka 2009:128). Infolge dieser Furcht vor finanzieller Benachteiligung und bürokratischem Stress verschweigen Rentner längere Aufenthalte oftmals. Dies hat große Ungenauigkeiten und eine hohe Dunkelziffer bei der Datenerfassung und der Erstellung von Statistiken zur Folge. Durch die ungenaue, mitunter schwer voneinander zu trennenden Bezeichnungen der Begriffe „Tourist“ und „Altersmigrant“, ist außerdem eine klare, differenzierte Betrachtung nahezu unmöglich. Faktoren wie Alter und die Mindestaufenthaltsdauer können bei beiden Begriffen angewendet werden, überlagern sich und lassen keine eindeutige Abgrenzung zu (Kaiser 2011: 37). Ein grenzenloses Europa, mit dem Gedanken einer unkomplizierten Lebensführung, lässt wohlhabenden Menschen einigen Spielraum, ihre Wohnsitze zu verlegen oder mehrere zu besitzen. Die damit einhergehende Bequemlichkeit sich nicht umzumelden, da diese Rentner noch im Heimatland registriert sind, erschwert die Erfassung und Vergleiche enorm und führt gezwungenermaßen zu Schätzungen. So müssten nach wissenschaftlichen Schätzungen die amtlich erhobenen Daten von lebensstilorientierten Migranten in Spanien nahezu verzweifacht oder auch verdreifacht werden, um sich der Realität anzunähern. Die Zahl der ausländischen Ruhesitzmigranten würde auf eineinhalb bis zwei Millionen Menschen ansteigen. Weiterhin ist die Rede von einer regelrechten Rentnerpendeldynamik. Die ältere Generation wechselt, über ein Jahr gesehen, zwischen zwei Wohnorten und konfrontiert somit das starre Meldewesen, das mit dieser neuen Form der Lebensführung nicht eindeutig vertraut ist. Der Umgang damit sowie die Abgrenzung ist kompliziert (Janoschka 2009:127f.). Die aktuelle Ruhesitzforschung nutzt und ist zumeist ausgerichtet auf quantitative Statistiken. Ergänzt wird sie durch die qualitative Eigenschaft von einzelnen Interviews, um möglichst annähernd Ruhestandsauswanderer in ihren Eigenschaften, Erfahrungen und Absichten treffend zu beschreiben (Haas 2015:33). Festzuhalten bleibt, dass neben der Einwanderung auch die Auswanderung aus den jeweiligen Herkunftsländern statistisch schwer zu erfassen ist. In der Regel geschieht dies nur durch die amtliche Abmeldung bei einer Behörde oder beim Grenzübertritt selbst. Es ist möglich dieses Prozedere zu umgehen, was verdeutlicht, dass ebenfalls keine vollkommene Eingrenzung vorliegt. Ergänzend dazu versucht die empirische Sozialforschung wiederholende Interviews durchzuführen, um genauere Informationen über Migrationsbewegungen zu erhalten (Sauer & Ette 2007: 16).
4 Primärerhebungen als Basis der europäischen Migrationsforschung
Durch das Fehlen aussagekräftiger statistischer Daten europäischer Migration, und speziell von Ruhesitzmigration, erhoben Forscher eigene explorative Primärerhebungen. So wurden durch diese empirische Methode neue Daten erfasst, die zur ersten Klärung und Strukturierung des Problemgebietes beitragen, um einen Überblick zu verschaffen und weitergehende Studien vorzubereiten. Ziele dieser Forschungsprojekte waren und sind die Ermittlung von Migrationsmustern, das Herausarbeiten soziodemographischer Charakteristika und die Analyse der Motivationen sowie Lebens- und Alltagserfahrungen (Kaiser 2011: 37-39). Aber auch die Befragung zu Wanderungsmotiven, das Nachforschen der Kriterien bei der Zielgemeindenauswahl, sowie die Frage der Kriterien beim Kauf eines Immobilienobjekts können zum Thema der Zweitwohnsitzwahl gemacht und zum Beispiel durch qualitative Einzelinterviews abgefragt werden (Seidl 2010:159-160). Da sich mit vermutlich zehn bis dreißig Prozent, wie bereits erläutert, nur eine geringe Anzahl der Ruhesitzmigranten in Spanien registrieren lassen, ist eine genaue Betrachtung der Zuwanderungsentwicklung äußerst schwierig und die hohe Dunkelziffer der Nichterfassten lässt nur das Aufstellen von Trends zu. So wird zum Beispiel aus den zur Verfügung stehenden spanischen Bevölkerungsstatistiken ersichtlich, dass Finanzkrisen, wie unter anderem die Eurokrise 2007, zu einer Abwanderung geführt haben, da eine Anzahl der Ruheständler einer höheren finanziellen Belastung ausgesetzt waren (Haas 2015:36). Dennoch ist es aufgrund der problematischen Umstände notwendig, für jede nationale oder international vergleichende Studie von Ruhesitzmigration, verlässliche exakte Daten zu ermitteln und die Primärdaten zu sammeln. Allerdings muss im Durcheinander von sekundären Datenquellen zunächst überprüft werden, welche Daten in Ansätzen übernommen werden können. Je nach Ziel der Studie, wird Ausgewähltes als Grundlage beziehungsweise Vorlage angenommen, verarbeitet und folglich von Teilnehmern, Beobachtern und Informanten mithilfe von Tiefeninterviews, speziellen Fokusgruppen, Interviews und Fragebögen ergänzt, um einen größeren und breitgefächerten Überblick über das Untersuchungsgebiet zu erlangen. Werden verschiedene Studien und Verfahren in diesem speziellen Zusammenhang verwendet, so muss die Abhängigkeit der Ergebnisse durch vorcodierte Fragebögen mit offenem Ende beachtet werden, die möglicherweise ausführliche Interview-Daten nicht zulassen oder Meinungen nicht in vollem Umfang abbilden. Sprich die Aussagen nicht vollständig vor dem Hintergrund der Kontexteinordnung abbilden, obwohl sie mitunter für verschiedene Forschungsperspektiven, wie Motivationen für Migration, frühere berufliche Besonderheiten, Erfahrungen, Hintergründe und Folgen der Wanderungsdynamik ausgelegt sind und deshalb auch unterschiedliche Fragen stellen (King, Warnes & Williams 1998: 96). Migrationsentscheidungen sind relativ schwierig zu rekonstruieren und Umfragen sind offen für die Probleme der Post-hoc-Rationalisierung. Es wird bewiesen, dass es bei einer Gruppe von Mittelwerten logischerweise signifikante Unterschiede gibt sowie vielfältige Motive und damit zusammenhängende Gründe dafür, aber nicht ausreichend aufgedeckt werden. Auch wenn es bei der Untersuchung nicht die Absicht ist, dieses Problem zu ignorieren, kann die Tatsache, dass verschiedenste Quellen zu Rate gezogen worden, zweifellos diese Erfassungsschwierigkeiten lindern. So sollte ein Fragebogen die Teilnehmer einer Studie auffordern, ihre Gründe tiefergehend darzulegen, warum die jeweilige Zielregion aufgesucht wurde, um mögliche Reaktionsmuster für die Beweggründe herauszufinden und Push- sowie Pullfaktoren deutlich sichtbar zu machen (King, Warnes & Williams 1998: 100).
[...]
- Arbeit zitieren
- Charlott Zitschke (Autor:in)Jan-Erik Puschmann (Autor:in), 2016, Ruhesitzmigration in internationaler Perspektive. Deutsche auf Mallorca und den Balearen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/366519
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