Erinnerung an die Studentenzeit im Missionshaus


Sammelband, 2016

136 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Vorwort

Einleitung

Oswald Kasal: Zwei Erinnerungen

Meine Studentenzeit im St. Josefs Missionshaus

Alfons Hopfgartner: Theaterspiel Der Stadtbummel mit Konsequenzen

Adolf Anderlan: Einstand im Missionshaus Verschiedene Begebenheiten

Isidor Trompedeller: Meine Zeit im Heim St. Josefs Missionshaus Brixen

Veit Pamer: Sport, Spiel, Musik Hommage an Josef Leimegger

Sepp Klammer: Meine Entscheidung Wie ich ins Missionshaus kam

Naz Prünster: Erinnerungen

Eindrücke und kritische Bemerkungen

Herbert Peintner: Erinnerungen und Gedanken

Hansjörg Waldner: Acht Jahre Missionshaus Geschichte einer Pubertät

Peter Rainer: Vom Bergdorf in die Mission Die Rainer zu Marer in Winnebach und die St. Josefs Missionsgesellschaft von Mill Hill

Freundeskreis St. Josefsmissionshaus

Verschiedene Tätigkeitsfelder

Die Obern im St. Josefs Missionshaus Liste der Rektoren von Anfang an Liste der Präfekten nach dem Kriege

Die Hausgemeinschaft heute im St. Josefs Missionshaus Brixen

Erinnerungsfotos, eine Auswahl 131 Dank und Fotonachweis

„Man lebt zweimal: das erste Mal in der Wirklichkeit, das zweite Mal in der Erinnerung."

Honoré de Balzac

Vorwort

Vor einigen Tagen schaute ich in meinem Heimathaus vorbei, um etwas Bestimmtes zu suchen. Dabei kam ich auf einen Stoß Fotos aus der Mission und aus meiner Jugend. Ich hatte nicht viel Zeit, da ich mich bald in eine Pfarrei begeben musste, um dort die Vorabendmesse zu feiern.

Ich nahm mir aber dennoch Zeit, die Bilder ein wenig durchzublättern und dabei entdeckte ich, dass ich noch so viel aus der Vergangenheit einzuordnen hatte. Eine Stimme in mir sagte: Schau Dir die alten Geschichten noch einmal an und diesmal mit den Augen von heute, die seit damals viel mehr gesehen haben und mit deinem Herzen, das auch einen größeren Weitblick erhalten hat. Du wirst erleben, dass all das Gute oder weniger Angenehme, dich zu dem gemacht haben, was du heute bist und ohne das du heute ganz anderswo sein würdest.

Sei dankbar für alles und du wirst sehen, dass dein Leben lebenswert war und ist. Du durftest so viel lernen und heute darfst du dich an so viele Menschen erinnern, die damals in deinem Leben eine so große Rolle gespielt haben, obwohl du es damals nicht erkannt hast.

Ich hörte auf diese Stimme und nahm die Fotos mit und habe dann wirklich so vieles aus der Vergangenheit neu erleben dürfen. Es war ein sehr großes Geschenk und ich konnte so viele Menschen in mein Leben einordnen und alles bekam ein viel schöneres Gesicht, als ich es oft von meinem Leben hatte.

Dazu möchte ich euch alle, liebe Mitglieder der großen Familie des Missionshauses, einladen. Nehmt dieses Büchlein mit Ehrfurcht in die Hand und blättert durch, einmal schnell und lasst euch überraschen von der Vergangenheit, dann bleibt stehen bei einem Foto oder Bericht, der euch so viel in Erinnerung rufen möchte und in Erinnerung ruft. Erinnert euch an alles, was ihr seht und ehrt die Gefühle, die dabei euer Herz erfüllen.

Wenn alte Wunden aufbrechen, dann geht mit diesen auch liebevoll und dankbar um, denn auch sie gehören zu eurem Leben und haben euch geformt.

Verzeiht, wo Verzeihung nötig ist und bittet auch um Vergebung, denn es war sicher nicht alles so wie ihr es heute seht und was ihr lieber nicht getan hättet.

Dann wird dieses Jahr auch für euch ein Jubiläum sein. Ihr könnet euch freuen und so vielen Menschen in aller Welt dafür danken, dass ihr einige Jahre oder auch viele

Jahre im Missionshaus leben durftet. Unser Sein und Leben im Missionshaus hat viel größere Auswirkungen, als wir uns je eingestehen können. Wir alle haben zur Entwicklung eines jeden von uns beigetragen und wir haben voneinander empfangen.

Ich möchte unserem Veit für seine vielen Initiativen und Mühen danken, die dieses Büchlein ermöglicht haben. Danken wir für einander und freuen wir uns, zu dieser wunderbaren Familie des Missionshauses zu gehören.

Hans Kronbichler, Rektor

Einleitung

Wenn wir die hinterlassenen Spuren der Vergangenheit erforschen und in die Gestaltung der Gegenwart einfließen lassen, können wir uns mit Zuversicht der Zukunft stellen.

Die einstigen Studenten des St. Josefs Missionshauses, die nach vielen Jahren, ja Jahrzehnten, noch immer mit den Missionären im St. Josefs Missionshaus Brixen in Verbindung stehen, bei besonderen Anlässen sich dort einbringen und vor allem bei Jubiläen oder bei Studententreffen musikalisch sich aktiv beteiligen, möchten die Erinnerung an die Studienzeit im Heim mit dieser Schrift festhalten.

Wir haben einigermaßen gelernt, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden und legen dies unmissverständlich in den verschiedenen Beiträgen dar.

Aus den einzelnen bebilderten Beiträgen kann man nachvollziehen, woher die Studenten kamen, wie man um sie geworben hat, welchen Lieblingsbeschäftigungen sie nachgingen, welche Angebote sie erhielten, welche Freiheiten sie einerseits genossen, aber welchen Einschränkungen sie anderseits unterworfen waren, wie sie zu den Missionären/ Erziehern standen und vieles mehr.

Des Weiteren wird über die Tätigkeit des vor ungefähr 30 Jahren mit Unterstützung der damaligen Hausleitung gegründeten „Freundeskreis St. Josefs Missionshaus" berichtet, von dem eine kleine Männerchorgruppe bei Festen und verschiedenen Begegnungen im St. Josefs Missionshaus Brixen und auch auswärts Veranstaltungen organisiert hat und weiterhin mit dem Missionshaus in enger Verbindung steht.

Ein Kapitel gibt Auskunft über die Leitung des Hauses, wobei die Rektoren in ihrer Amtszeit von Anfang an bis heute angeführt sind, während die Präfekten namentlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Schließung des Heimes in den 1990er Jahren aufscheinen.

Daraufhin stellt sich die heutige Hausgemeinschaft vor und verweist auf die Aufgabenbereiche, denen sich die Missionäre im St. Josefmissionshaus Brixen gegenwärtig widmen.

Schließlich wird noch eine Reihe von Fotos gezeigt, die einen Einblick in das Leben der Gemeinschaft von Missionären und Studenten dieses Heimes, dieser Bildungsinstitution, vermitteln.

Am Ende folgen Dankworte an die Mitwirkenden sowie ein Fotonachweis.

Veit Pamer, Koordinator

BEITRAGE DER MISSIONSHAUSSTUDENTEN

Oswald Kasal

Aus Tramin

Heimschüler: 1948 -1958

Direktor des Verbandes der Volkshochschulen

Zwei Erinnerungen aus der Studentenzeit im St. Josefs Missionshaus Brixen

Neben Gebet und Studium war die Mitarbeit am Hof oberhalb von Brixen (er musste später der Brenner­Autobahn weichen) und besonders am Ausbau und an der Vergrößerung des Missionshauses sehr gefragt. Rektor Alois Schgör war ein tüchtiger Bauherr. So wurden im niederen Westtrakt zwei Stockwerke draufgebaut. An der Nordseite lagen ein großer Berg Sand und ein Haufen Holz. Es wurde mit langen Brettern eine schiefe nach oben laufende Brücke errichtet, und wir jüngeren Studenten reichten in Indianerreihe die Ziegel nach

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wir waren auch stolz, als Studentlein am Neubau des Missionshauses tatkräftig mitarbeiten zu können oben, wo die Philosophen unter Anleitung die Mauern hochzogen. So wurde das Haus langsam um einen Stock und einen zweiten, den sogenannten Olymp, erhöht. In der Zwischenzeit mussten wir im langen Gang unser Studium absolvieren.

Lebhaft in Erinnerung geblieben ist mir des Weiteren die Weinlese in Auer. Da durfte ich auch mitfahren, vielleicht weil ich als Traminer bei dieser Tätigkeit doch eine gewisse Praxis hatte. Dieses Ereignis wurde folgendermaßen auf Englisch angekündigt:

„Tomorrow we go to Auer wimmen." Für uns Mitglieder einer Englischen Gesellschaft klang das sonderlich, auch wenn unsere Englischkenntnisse noch eher spärlich waren.

Ich kann heute rückblickend sagen: Es war eine strenge Zelt im Missionshaus, wo neben dem Studium und einigen kleineren Freizeitaktivitäten der Schwerpunkt der pädagogischen Ausrichtung auf religiöse Handlungen wie Gebet, hl. Messe, Andachten und Betrachtung gelegt wurde und wo die Tugenden/ Haltungen: Gehorsam, Genauigkeit und Pünktlichkeit einen besonderen Stellenwert hatten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auf dem Weg zur Arbeit in Bozen

Doch die Zeit im Missionshaus hat mir für das spätere Leben viel Kraft gegeben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auf der Pfandler Alm am 1. August 2009

Als organisatorische Leiter der Gruppe der Ehemaligen Studenten des Missionshauses fungiert seit deren Gründung Mitte der 1980er Jahre Oswald Kasal (vorne in der Mitte). Er organisiert die jährlichen Sommerausflüge, benachrichtigt alle schriftlich über unsere Pläne und versteht es, die Gruppe beisammen zu halten.

Alfons Hopfgartner

Aus Luttach

Heimschüler: 1951 -1959 Profession: Berufsberater

Das Theater und der lustige Stadtbummel

Im Ablauf eines Schuljahres war es ¡m Missionshaus Brixen üblich, einmal ein Theater aufzuführen. Diese Aufführungen fanden meistens um den Kassianssonntag herum statt. Dabei wurden mehrere Studenten zur Mitarbeit eingespannt.

Einmal führten wir das Schauspiel von Fritz Hochwälder „Das heilige Experiment" auf. Wir alle waren mit Begeisterung dabei und die Aufführungen waren auch gut gelungen.

Im Mai 1957 führten wir unter der Regie des Präfekten Albert Rainer das Theaterstück: „Das heilige Experiment" auf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Theatergruppe im Kostüm vor dem Theatersaal

Sitzend v. l.: K. Pizzinini , Niederkofler, A. Anderlan,

Alois Gruber;

Stehend 1. Reihe: E. Burger, R. Peer, Sozass, Alfons Hopfgartner, Anton Gruber, G. Frenademez, L. Steger;

2. Reihe (Mitte): Lobis, Oswald Kasal , Josef Gruber, ?;

3. Reihe: J. Holzknecht, ?, P. Palla, H. Mair, Fr. Bachmann,

Alois Ungerer; Hinten: Fr. Lanthaler, H. Schrott, ?, ?, Adolf Lechthaler, ?.-

Den Spielern war es von den Obrigkeiten gestattet, nach der Aufführung einen kleinen Stadtbummel zu machen. Einige Spieler, darunter Peter Palla, Hans Mair, Heinz Schrott, Franz Lanthaler, Alfons Hopfgartner und noch andere nützten auch diese Freiheit.

Unser Ziel war der Finsterwirt. Dort setzten wir uns an einen Tisch, bestellten ein Glaserl Wein und begannen bald lauthals Studentenlieder zu singen. Den anwesenden Gästen gefiel's, sie klatschten und bezahlten beim Kellner auch gleich einen Liter Wein für uns. Der Wein tat seine Wirkung, wir wurden lustig und lustiger und noch sangesfreudiger. Die Zeit flog dahin und eh wir es merkten, war es 19 Uhr geworden.

Oje, um diese Zeit erfolgt ja die Andacht in der Kapelle vor dem Abendessen. Wie verscheuchte Hühner verließen wir das Gasthaus und eilten in unser gewohntes Heim. Wir hatten aber nur mehr über das Hauptportal Zugang. Aufgeregt klingelten wir an der Hausglocke. Und wer öffnete das Portal?

Zu unserem Schrecken war es der Rektor selbst, Fr. Schgör. Er sah unser teils aufgeheitertes und jetzt gedämpftes Verhalten und ließ uns eintreten. Dann wurde es aber ernst. Er holte uns in das Rektorzimmer und wir mussten kurz unsere Verspätung rechtfertigen.

Kaum hatten wir uns erklärt, kam sein Donnerwetter. „Sein tiets schun tamische Laggl" war seine erste Bemerkung. Aber damit war's nicht getan.

Zur Strafe mussten wir eine Woche lang jeden Tag in der Kapelle laut den Rosenkranz beten. „Das ist noch einmal gut gegangen", dachten wir uns, und saßen dann unsere Strafe ab. Wir beteten ihn aber auf Englisch, weil wir ihn somit viel schneller herunterleiern konnten. Die Strafe haben wir mit einem lachenden Auge überstanden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Theatergruppe auf der Bühne Stehend vierter von rechts: Alfons Hopfgartner

Adolf Anderlan

Aus Koltern

Heimschüler von 1953 -1958

Ausgeübter Beruf: Gemeinde­Beamter in Kaltern

Mein Einstand im Missionshaus und interessante Begebenheiten

Ich erinnere mich an meinen problematischen ,Einstand' im Missionshaus zum sog. Vorbereitungskurs.

Fr. Leimegger hielt am vierten Fastensonntag, 29.03.1953, in Kaltern die Fastenpredigt. Dabei besuchte er die Familie Peer, weil Raimund Peer im ersten Kurs im Missionshaus war. Er sagte zu Mutter Peer: „Ich möchte heute nicht von Kaltern wegfahren, ohne einen neuen Studenten gefunden zu haben." In der Umgebung wohnten vier Jahrgangskollegen von Raimund, alle 1941er, und einer davon war ich selbst. So kehrte Fr. Leimegger bei uns daheim ein und brachte sein Anliegen vor. Meine Mutter war anfangs absolut dagegen, schon deshalb, weil wir sehr arm waren und nicht wussten, woher das Geld für das Studium, die Verpflegung etc. nehmen. Bisher ist noch kein Student verhungert, sagte Fr. Leimegger, und von irgendwoher wird das Geld schon kommen. Dann wurde über die Kleidung gesprochen: Ohne lange Hosen würde es im Heim und in der Schule halt nicht gehen, meinte der Missionär. Ich hatte bis zu dem Tag noch nie lange Hosen getragen. Da gab Fr. Leimegger nicht nach: Es müsse doch möglich sein, insistierte er, in ca. einer Woche zwei Paar lange Hosen aufzutreiben. Tatsächlich hat eine Nachbarin, die Näherin war, in der Karwoche aus zwei alten Mänteln dem noch kleinen Adolf zwei lange Hosen hergezaubert. So fuhr ich mit Raimund Peer am 7. April d. J. per Zug nach Brixen. Auch da war der Empfang einiger größerer Studenten nicht gerade freundlich, denn sie begrüßten uns mit der Bemerkung: Bei euch in Kaltern geht es ja ganz wild zu! In der Karwoche hatte nämlich ein „weinseliger" Mann einen i. J. 1946 verübten Mord an dem damaligen Bürgermeister Affilio Petri gestanden. Dieser Mann wurde mit zwei seiner Kumpane verhaftet, wovon die Zeitungen natürlich ausführlich berichteten.

Ansonsten verliefen die zwei Monate des Vorbereitungskurses harmonisch und gut. Anfang Mai d. J. fand der sog. Maiausflug nach Latzfons statt, an dem auch wir uns beteiligt haben. Von uns 12 damals so bezeichneten Nullanern haben 8 die Aufnahmeprüfung bestanden und durften am 5. Juni bereits heimfahren.

Am 21. September fing die Schule an, und alle 8 Nullaner sind nun als Primaner im Missionshaus Brixen eingestanden.

Beim Turnunterricht bei Prof. Bosin wurde die Reihung nach der Größe vorgenommen, wobei ich der zweitkleinste nach Freund Erich war. Am 3. November erfolgte der sog.

,Exerzitien-Ausflug' auf den Radlsee. Ich hatte mir dabei den Fuß verstaucht, sodass mich Konrad Forer und andere abwechselnd getragen haben.

Aufgrund einer Grippewelle hörte der Schulunterricht vorzeitig bereits zu Pfingsten auf. Mein Zeugnis war relativ gut ausgefallen, doch im Fach Latein hatte ich eine 5. So musste ich mich über die Sommermonate mit Latein herumschlagen. Es hat sich aber gelohnt, denn die Herbstprüfung am 10. September habe ich problemlos bestanden.

Der feuchte, kalte Sommer von 1954, den ich bei der ,Sommerfrische' auf dem 1.500 m hohen „Prisn-hof" in St. Walbug in Ulten verbrachte, hatte mir eine Verkühlung beschert, die ein monatelanges Knieweh zur Folge hatte. Die Kunst des Hausarztes Dr. Bonell versagte im Grunde, denn ich konnte das ganze Jahr hindurch nicht Ball spielen und hinkte den anderen auch beim Gehen immer nur nach. Fr. Leimegger erwirkte beim Elefantenwirt zumindest, dass ich den Abkürzungsweg durch die Wiese zum Vinzentinum gehen durfte und nicht wie die anderen die lange Schleife der Staatsstraße zurücklegen musste. Um aber rechtzeitig zum Schulbeginn im Vinzentinum zu sein, startete ich den Weg 10 Minuten vor den anderen. Im Jahre 1957 wurde ich zum „Aufpasser" auf dem Schulweg bestimmt. Als Anfang Dezember d. J. Isidor Trompedeller von einem Auto gestreift wurde - er hatte sich eigentlich nicht verletzt - wurde ich sowohl vom Rektor Fr. Schgör als auch von Fr. Leimegger zum Rapport gerufen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nur ausgewählte Filme - ich habe es mir genau notiert durften wir uns in der Stadt anschauen:

24. Jänner 1956: Nanga Barbat

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Franz Lanthaler, August Rogen, Adolf Anderlan und Gottfried Möltner

Isidor Trompedeller

Aus Tiers

Heimschüler: 1955 -1964

Landesbeamter, langjähriger Direktor des Amtes für Weiterbildung.

Im St. Josefs Missionshaus

Je älter man wird, heißt es, umso mehr nimmt das Langzeitgedächtnis gegenüber dem Kurzzeitgedächtnis zu. Wenn ich an meine Zeit im Josefs Missionshaus denke, stimmt das genau. Viele Bilder tauchen auf von Erlebnissen jener Zeit.

Schon dass uns Fr. Leimegger bis zum Eintritt in die Mittelschule per „Du" ansprach und dann per „Sie" (oder war es umgekehrt?), war für mich eine einschneidende Feststellung. Wir Anfänger mussten 1955 ja schon im Sommer ins Missionshaus kommen und einen Vorbereitungskurs mit Aufnahmeprüfung machen, um im Herbst für die Schule im Vinzentinum tauglich zu sein.

Wie ich ins Missionshaus gekommen bin, weiß ich selbst nicht mehr genau. Wahrscheinlich hat sich bei mir irgendwann der Bazillus: „Priester werden" eingenistet,
ob über den Herrn Pfarrer, den Kooperator oder ganz allgemein beim Ministrieren, keine Ahnung. Aber wenn schon Priester, dann wollte ich einer werden, der etwas erlebt, also ein Missionar. Der Josefs-Missionsbote ist sicher in unserem Hause aufgelegen, denn mein Bruder Andreas war ja schon sieben Jahre vorher im Missionshaus gewesen. Unsere Familie war sehr religiös, es wurde viel (Rosenkranz) gebetet, und so lag es irgendwie nahe, dass ein zweites von den neun Kindern auch Geistlicher wird.

Die Erinnerungen an die Zeit im Missionshaus sind zahlreich: das frühe Aufstehen (um 5 Uhr), die tägliche Messe und vorher die Meditation, mit der ich nie was anfangen konnte, das monatliche Beichten (am besten bei Fr. Rudiferia; der war so alt, dass er sicher nicht mehr alles mitbekam und die Sünden schon vor deren Aufzählung vergab), die vielen Stunden im Studiersaal, der große Schlafsaal (mit vierzig Betten), das wilde Fußballspielen (oft auch nur zwischen Garagen und Gartenmauer), viel Volleyballspiel (mit Prof. Fischer als Zuschauer), das Schweigen beim Essen (außer am Sonntag), während dessen von der Kanzel im Speisesaal zuerst das „Martyrologium" und dann irgendeine vorbildhafte Schrift vorgelesen wurde. Nur an Sonn- und Feiertagen wurde nach dem Martyrologium mit dem befreienden „Et reliqua" seitens der Vorgesetzten und der Antwort der Anwesenden „Gott segne's" die Erlaubnis zum Gespräch bei Tisch frei gegeben. Von den vorgelesenen Büchern kann ich mich nur an das über den christlich-sozialen

Politiker Giorgio La Pira erinnern, der von 1950 bis 1956 und 1960 - 1964 Bürgermeister von Florenz war. Mir hat der Name so gut gefallen, weil er so musikalisch klingt. Zum Frühstück gab es immer Brennsuppe, nur am Sonntag Kaffe. Zur Brennsuppe gab es ein Stück Brot; ein Teil davon musste auch für die Jause reichen. Unser Jausebrot war zwar kleiner als das der Vinzentiner, aber dafür besser. Da ich immer sehr viel Hunger hatte, und daher mehr auf Quantität als auf Qualität Wert legte, habe ich oft mit einem Vinzentiner Schüler getauscht. Manchmal hat mir auch der Missionsbruder Gottfried, der aus meinem Heimatdorf stammte und in der Tischlerei arbeitete, heimlich ein Stück Brot zugesteckt.

Das beste Mittagessen waren für uns die Knödel. Die gab's am Mittwoch und am Samstag. Die meisten von uns aßen mindestens fünf davon, der Sarner Toni (Anton Gruber) sogar bis zu zwölf Stück. Die Knödel waren schmackhaft und kompakt. Einmal ist mir beim Herausschöpfen ein Knödel aus dem Teller gehüpft und unter den Tisch der Fathers gerollt. Ich bin natürlich sofort nachgehechtet, um ihn zu holen. Bis die Fathers mitbekamen, was da geschah, war ich schon wieder auf meinem Platz.

Am Abend im Schlafsaal wurden wir vom Präfekten „bewacht" bis wir schliefen, oder bis die Aufsicht dachte, wir würden schlafen. Während manche noch eine Weile unter der Decke mit der Taschenlampe „Rolf Torring" lasen, begannen andere schon bald, im Schlaf zu reden,

wieder andere schnarchten oder gaben andere Laute von sich. Gegen 23.00 Uhr wurde die Zeile der „Feuerwehr" (so nannte man die Bettnässer) geweckt, damit sie nicht ins Bett machten. Sie mussten auf die Toilette. Wer später dran war, fand im Klo oft bereits eine kleine Überschwemmung vor, denn im Schlaf haben manche nicht so genau gezielt. Ich war in dieser Zeit ziemlich mondsüchtig und wandelte viel im Schlaf. So bin ich einmal mit meinem ganzen Bettzeug durchs Haus gezogen und erst in der Kirche aufgewacht. Ein anderes Mal aber brachte ich mein Bettzeug in den Schmutzwäschekasten.

Als ich im Bett zu kalt bekam, musste ich eine Weile suchen, bis ich mein Überbett wieder fand.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Am Radlsee

Gegen Ende der 1950er Jahre machten wir in den unteren Klassen einen schönen Ausflug auf den Radlsee, wo wir auch mit einem Bot auf dem See fahren konnten. Die Namen der kleinen Gruppe v. r.: Veit Pamer, Isidor Trompedeller, Alois Valentin, Josef Passler, ?

Wir hatten auch einen Chor, der zum einen die Messen gesungen hat, aber auch immer die Missionare, die aus den Missionen kamen, mit Gesang begrüßte, und die, die wegfuhren, verabschiedete. Wenn so ein Missionar Lichtbilder von seiner Mission zeigte und von seinen Erlebnissen berichtete, dann war das immer ein besonderes Erlebnis.

Brixen als Stadt habe ich in der Zeit im Missionshaus kaum erlebt. Denn wir gingen immer nur in Reih- und Glied durch die Stadt, ob auf dem Weg zur Schule ins Vinzentinum oder bei den Spaziergängen an manchen Nachmittagen. Beim Weg ins Vinzentinum bestand unsere Hauptbeschäftigung darin, die Marken der vorbeifahrenden Autos zu erkennen und deren Herkunftsort durch Nummernschilder zu identifizieren.

Freien Ausgang gab es ja keinen. Selbst im Philosophiejahr nach der Matura gingen wir auch immer gemeinsam durch die Stadt ins Priesterseminar. Im Maturajahr durften wir allerdings schon ins Schwimmbad. Da hat mir der aus dem Ötztal stammende Hermann Gufler, der wohl sein ganzes Berufsleben als Missionar in Kamerun verbracht hat und immer noch dort ist - leider bin ich nicht mit ihm in Verbindung geblieben - das Schwimmen beigebracht. Dafür bin ich ihm heute noch dankbar.

Maiausflug 1960

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Gruppe der fünf Oberschulklassen beim Maiausflug mit
Fr. Toni Amort als Begleiter. In der ersten Reihe (in Hockestellung)
hinter Severin Pizzinini (mit Gitarre): Isidor Trompedeller

Veit Pamer

Aus Platt in Passeier

im Missionshaus: 1956 -1965

Philosophie/Geschichte Lehrer am Realgymnasium Meran.

Sport, Spiel und Gesang. Hommage an Josef Leimegger

Mitte Oktober[1] des Jahres 1956 begleitete mich mein Vater mit Sack und Pack zu Fuß nach St. Leonhard, dann mit dem Postauto nach Meran - auf den vielen Kurven durch den Riffianer Wald wurde mir schlecht - und von Meran nach Brixen mit dem Zug. Volle vier Stunden betrug die mir eine Ewigkeit dauernde Reise. Endlich beim Missionshaus angelangt, stiegen der Vater und ich hinterher die 12 Stufen hoch zur Eingangstür, doch er hielt beim Aufgang inne, drehte sich zu mir um und sagte: „Veit, wenn du einmal ein alter Missionär[2] bist, erinnere dich daran, dass ich dich hierher ins Missionshaus gebracht habe." Das habe ich nie mehr vergessen.

Ich bin zwar nicht Missionär geworden, blieb aber ein stets zugänglicher Ansprechpartner bzw. Freund des Hauses und der Missionäre, was an anderer Stelle in dieser kleinen Schrift noch unterstrichen wird.

Neun Jahre verbrachte ich im St. Josefs Missionshaus in Brixen, vom 12. bis zum 21. Lebensjahr. Diese Jahre sind mir unvergessen geblieben, ich möchte sie nicht missen, obwohl ich in den Ferien immer gerne zu den Eltern und Geschwistern auf meinen schönen Heimathof zurückgekommen bin.

Nach den Ferien kehrte ich aber auch immer gerne ins Missionshaus zurück, weil ich die Kollegen vermisste, weil mir die Sport- und Freizeitaktivitäten abgingen und vor allem weil mir das Singens und Musizieren dort große Freude bereiteten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Schmettern gelang mir halt doch nicht immer

Im Sport war es das Flugballspiel, das Ich mit großem Enthusiasmus und vollem Einsatz pflegte. Diese Sportart beherrschte ich dann so gut, dass ich während meines Studiums in Salzburg gleich in die Erste Universitäts­Mannschaft aufgenommen wurde und somit auch zum Sieg der damaligen Landesmeisterschaften beitragen konnte.

Eine andere beliebte Freizeitaktivität stellt für mich das Tarockspiel dar. Da gab es bestimmte Perioden, wo ich suchtartig jede freie Minute für dieses Spiel nutzte. Meine zwei Brüder, die im Johanneum in Dorf Tirol studierten und ich brachten sogar unseren Vater und die anderen Brüder dazu, das Tarockieren zu lernen, sodass wir uns auch in den Ferien diesem Spiel widmen konnten.

Einen vorzüglichen Stellenwert erhielt das Singen und Musizieren im Missionshaus. Die Musik wurde mir zwar schon in die Wiege gelegt und in der Familie wurde viel gesungen und musiziert, insbesondere an den Sonntag­Nachmittagen. Vom Vater habe ich auch das Zither- und Gitarrespielen gelernt.

Aber im Missionshaus kam noch das Chorsingen zuerst im Knaben- und später im Männerchor dazu, welches mir unter Fr. Leimegger große Freude bereitet hat. Er war selbst von der Musik so begeistert, dass der Funke leicht übergesprungen ist und auch mich erfasst hat. Es ist sicherlich auch sein Verdienst, dass ich das Singen weiter gepflegt und später mehrere Chöre gegründet und lange geleitet habe. Einen Chor und eine Singgruppe leite ich sogar heute noch.

Fr. Josef Leimegger war eine geschätzte Persönlichkeit, die im Josefs Missionshaus mehrere Funktionen über viele Jahrzehnte ausgeübt, mehrere Arbeitsfelder abgedeckt und Großes geleistet hat. Da er auch mir in vielen Dingen beigestanden hat und ein Vorbild geworden ist, möchte ich hier sein Leben und Wirken kurz vorstellen.

Der ,Wirt-Seppl', wie man Josef Leimegger in seinem Heimatdorf Steinhaus nannte, wurde dort am 13. März 1904 geboren, besuchte in Steinhaus die Volksschule und daraufhin das Gymnasium am Vinzentinum in Brixen. Nach der Matura studierte er drei Jahre lang Theologie am dortigen Priesterseminar und vollendete dieses Studium dann bei den Missionären im Mutterhaus in Mill Hill, wo er am 28. Juni 1928 den ewigen Missionseid ablegte, am 15. Juli zum Priester geweiht wurde und die Missionsbestimmung für Uganda erhielt.

Missionär Lorenz Oberarzbacher berichtet über Josef Leimeggers Primizmahl, bei dem der Primiziant „die kürzeste Tischrede" gehalten hat, die er je gehört hatte:

[...]


[1] Der Einbau einer Zentralheizung im Vinzentinum dauerte länger als geplant, sodass der Unterrichtsbeginn 1956 sich um einen Monat verzögert hatte.

[2] Missionär und Missionar sind gleichwertige Begriffe, nur landschaftlich unterschiedlich verwendet. Zu unserer Zeit war die österreichische Bezeichnung allgemein vorherrschend

Ende der Leseprobe aus 136 Seiten

Details

Titel
Erinnerung an die Studentenzeit im Missionshaus
Autor
Jahr
2016
Seiten
136
Katalognummer
V368040
ISBN (eBook)
9783668485976
ISBN (Buch)
9783668485983
Dateigröße
3911 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
erinnerung, studentenzeit, missionshaus
Arbeit zitieren
Dr. Veit Pamer (Herausgeber:in), 2016, Erinnerung an die Studentenzeit im Missionshaus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/368040

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