Polnisch-ostslawische Kulturbeziehungen (1598-1795)


Referat (Ausarbeitung), 2017

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

(ii) Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1.) Einleitung

2.) Textanalyse: беседа со планиты

3.) Kulturhistorischer Hintergrund
3.1.) Zeit der Wirren (Smuta)
3.2.) Aufstieg der Romanovs und Moskaus
3.3.) Dritter Südslavischer Einfluss

4.) Fazit

5.) Anhang
5.1.) Gedicht: беседа со планиты
5.2.) Vertrag von Deulino (Karte)
5.3.) Vertrag von Andrussowo (Karte)

6.) Quellenverzeichnis

(ii) Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Territoriale Ausdehnung Polen-Litauen (Vertrag von Deulino)

Abbildung 2: Territoriale Ausdehnung Zarenreich (Vertrag von Andrussowo)

Die Abbildungen im Anhang wurden für die Publikation entfernt, sind aber unter den angegebenen Links zu finden.

1.) Einleitung

Das Referat zum Thema „Polnisch-ostslavische Kulturbeziehungen (1598-1795)“ wurde als Teil der Übung „Kulturhistorische Hintergründe des sprachlichen Wandels“ am 23.12.2016 gehalten. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um die Fortsetzung eines zuvor gehaltenen Referates über die Entstehung Polen-Litauens und die daraus resultierenden Kontakte und Auswirkungen. Die Schwerpunkte meines Referates lagen zum einen bei der Zeit der Wirren (1598-1613), der Romanov-Dynastie (ab 1613) und dem Aufstieg Moskaus, zum anderen bei dem daraus resultierenden langsamen Zerfall der Rzeczpospolita (ab 1667). Auch die Entstehung der Mohyla-Akademie und der Dritte Südslavische Einfluss spielten eine wichtige Rolle.

Aus diesem Grund ist meine Ausarbeitung wie folgt aufgebaut: Den ersten Teil meiner Arbeit bildet eine kurze Textanalyse des Gedichts беседа со планиты, verfasst von Simeon Polozki. Hier soll besonders auf die Textsorte und die Diglossie eingegangen werden. Darauf folgt eine Einordnung in den historischen Kontext, wobei Smuta, Aufstieg Romanovs, Aufstieg Moskaus und der Dritte Südslavische Einfluss die Basis bilden. Abgerundet wird das Ganze mit einem kurzen Ausblick.

2.) Textanalyse: беседа со планиты

Bei dem vorliegenden Text беседа со планиты (siehe 5.1.) handelt es sich um ein Gedicht aus dem Jahre 1655, das von Simeon Polozki verfasst wurde.

Polozki selbst erhielt seine Ausbildung an der renommierten Mohyla-Akademie in Kiew und widmete sich schon früh widmete der Poesie, weshalb er noch während seiner Ausbildung Gedichte in polnischer Sprache[1] verfasste. Später kamen noch zahlreiche Werke in lateinischer und weißrussischer Sprache hinzu. Polozkis Leben änderte sich abrupt, als er auf den Zaren Alexej I. traf, der von seinen literarischen Arbeiten derart begeistert war, dass er ihn nach Moskau berief. Im Gegensatz zum Westen hatte das ostslavische Mittelalter keine weltliche Poesie hervorgebracht[2], da die Kirche es nicht zuließ, dass Volkspoesie jemals schriftlich fixiert wurde. Begründet wurde dies damit, dass „kein Platz für Spekulationen über menschliche Dinge, die nicht unmittelbar mit der Erlösung der menschlichen Seele zusammenhingen“[3] war. Somit fand Dank Polozki eine neue literarische Form ihren Weg ins Moskowitische Reich, von der auch der Zar selbst nicht abgeneigt war. Mit der Zeit etablierte sich Polozki komplett ins höfische Leben und erschuf zahlreiche dichterische Werke, für die er vom Zaren reichlich entlohnt wurde.

Auch das Gedicht беседа со планиты entstand zu der Zeit, als Polozki als Hofdichter, persönlicher Lehrer und Erzieher der Zarenkinder tätig war. Verfasst wurde es anlässlich der Geburt Simeons, eines Sohnes des Zaren. Dieser verstarb allerdings einige Jahre später. Inhaltlich befasst sich der Text mit der Zukunft des jungen Zarensohnes. Man kann sogar sagen, dass es sich um eine Art Schicksalsvoraussagung handelt. Polozki, der auch in Bereichen wie Astronomie und Astrologie besonders gut versiert war, bezieht sich in seinem Geburtshoroskop auf die griechische bzw. römische Mythologie. Unterschiedliche Götter sprechen Wünsche aus und sagen dem jungen Zarensohn eine Zukunft voller Glück, Schönheit, Kraft und Mut voraus. Das Gedicht besteht zum größten Teil aus wörtlicher Rede und enthält einen Paarreim, wodurch der Text direkt als Poesie erkannt wird.

Bei der sprachlichen Gestaltung hat sich Polozki für das damals gebräuchliche Kirchenslavisch entschieden. Dies war nicht unüblich, da das Kirchenslavische zu dieser Zeit die wichtigste slavische Literatursprache war. Zur alltäglichen Kommunikation hingegen wurde meist das Ostslavische verwendet. Grund hierfür war die ungewöhnliche Diglossiesituation, die im Zarenreich herrschte. Bei einer Diglossie geht es im Wesentlichen um eine strikt komplementäre Verteilung zweier Sprachsysteme in unterschiedlichen Kommunikations-kontexten[4]. Normalweise überschneiden sich die Gebrauchssituationen beider Sprachen nicht.

Die unterschiedlichen Verwendungsbereiche führen dazu, dass zwischen zwei Varietäten unterschieden wird, der high-variety (in diesem Fall die kirchenslavische Hochsprache) und der low-variety (hier das autochthon Ostslavische). Wie die Bezeichnungs high-variety es schon andeuten lässt, wurde diese Sprache für Bereiche wie Religion, Literatur und Politik verwendet. Zweiteres eher für alltägliche und volkstümliche Situationen. Demensprechend entstanden im Laufe der Zeit zahlreiche literarische und sakrale Texte in kirchenslavischer Hochsprache.

Polozki besaß ein breites Spektrum an Wissen, das von Astronomie bis zu Grammatik, Rhetorik und Beherrschung relevanter Sprachen reichte. Im Großen und Ganzen kann behauptet werden, dass er sprachlich sehr gewandt war. All diese Dinge lernte er – wie bereits erwähnt – in der Mohyla-Akademie, die zu dieser Zeit eine innovative und reformierte orthodoxe Bildungsstätte darstellte. Gegründet wurde das Kollegium im Jahre 1632 von Petro Mohyla und löste damit das zuvor stark vernachlässigte und veraltete orthodoxe Schulwesen ab. Organisiert wurde diese Schule nach westlichem Muster und legte den Grundstein für die universitäre Bildung in Osteuropa. Das Besondere an dieser Akademie war die Tatsache, dass eine Synthese orthodoxer-ostslavischer und westlicher Kultur stattfand. Gelehrt wurde in Griechisch, Latein, Kirchenslavisch und Polnisch, weshalb die Absolventen dementsprechend fließend und sicher mit den Sprachen umgehen konnten. Des Weiteren wurde nicht nur die Theologie thematisch behandelt, sondern auch humanitäre Wissenschaften, wie beispielsweise Grammatik oder Rhetorik (artes liberales). Absolventen dieser Akademie stellten in der damaligen Zeit im Wesentlichen die ganze kulturelle Elite der damaligen Ukraine und Weißrusslands dar.

Zusammenfassend kann man sagen, dass einiges geschehen musste, damit es überhaupt so weit kommen konnte, dass Polozki und somit der westliche bzw. ruthenische Einfluss seinen Weg ins Zarenreich fand. Jahrelang lebte die Kiever Rus‘ und anschließend auch das Moskowitische Reich isoliert, sodass westliche Einflüsse so gut wie nie das Land erreichten. Polen-Litauen hingegen (darunter selbstverständlich auch das ruthenische Gebiet) bekamen jegliche Reformationen, Gegenreformationen und sämtliche anderen Veränderungen in den Nachbarländern mit. Wie es schließlich dazu kam, dass diese Einflüsse und Veränderungen das Zarenreich erreichten und ein polnisch-ostslavischer Kulturkontakt entstand, soll im nächsten Teil meiner Ausarbeitung geklärt werden.

3.) Kulturhistorischer Hintergrund

Nachdem im vorangehenden Kapitel eine kurze Analyse und Einordnung der Textsorte stattgefunden hat, sollen im weiteren Verlauf die Geschehnisse näher betrachtet werden, die dazu führten, dass das Moskowitische Reich seine Tore dem westlichen Einfluss öffnete. Auch einige daraus resultierenden Folgen sollen besprochen werden.

3.1.) Zeit der Wirren (Smuta)

Nach dem Ende der Rurikiden-Dynastie[5] im Jahre 1598, herrschte im Moskowitischen Reich eine Zeit voller Angst und Unwissenheit. Dies ist zu einem großen Teil Ivan IV. (1533-1584)[6] zuzuschreiben, der dem Reich durch seine betriebene Innenpolitik ein schweres Erbe hinterlassen hat. Durch tiefgreifende Reformen stärkte er auf Kosten der mächtigen Bojaren den niederen Dienstadel. Besonders die zahlreichen Kriege und der innere Terror schwächten das Land sehr. Aus diesem Grund war die Situation in dem einst so mächtigen Reich in der Zeit zwischen 1598 und 1613 von wirtschaftlicher Zerrüttung, bäuerlicher Massenflucht und großen Hungersnöten geprägt. Allein Anfang des 17. Jahrhunderts lassen sich ganze drei Hungersnöte festmachen.

Die Zeit der Wirren (russ. смутное время) zeichnet sich besonders durch rasche Herrscherwechsel aus. In nur 15 Jahren standen offiziell vier verschiedene Männer an der Spitze der Macht. Den Anfang bildete Boris Godunov (1598-1605), der allerdings bereits Jahre vorher inoffiziell als Vormund Fjodors I. agierte. Durch die Wahl des Zemskij Sobor[7] gelangte er an die Macht und versuchte das Moskowitische Reich aus der Rückständigkeit zu führen. Allerdings stieß er bereits früh auf Widerstand der Moskauer Bojaren, die ihn für den Tod Dimitris, des jüngsten Sohnes Ivans IV. verantwortlich machten. Nach Godunovs plötzlichem Tod im Jahre 1605 folgte ihm dessen Sohn Fjodor II. Godunov (1605) auf den Zarenthron, wurde allerdings kurz darauf unter Arrest gestellt und schließlich ermordet. Grund hierfür war ein Mann, der kurz vor dem Tod seines Vaters ins Land kam und die Gunst der Massen für sich gewinnen konnte. Dieser Mann gab sich für den für Tod erklärten Dimitri aus und wurde schließlich unter dem Namen Pseudodimitri[8] bekannt. Besonders die Bojaren waren überzeugt, dass es sich ohne Zweifel um den vermissten Sohn handele, da auch Wassili Schuiski, der den Fall damals untersuchte, ihn erkannt haben soll. Der falsche Demetrius (1605-1606) schaffte es schließlich mit Hilfe des polnischen Königs Zygmunt III. Wasa (1587-1632) auf den Zarenthron, konvertierte zum Katholizismus und heiratete die polnisch-litauische Adelige Marina Mniszech. Aufgrund dieser Heirat kam es schließlich dazu, dass 1606 ein polnisches Heer in Moskau einzog. Die zahlreichen Soldaten, die katholische Hochzeit und die polnischen Sitten schürten die Ängste der russisch-orthodoxen Bevölkerung. Gerüchte über ein geplantes Massaker machten sich in Moskau breit, sodass Dimitri I. mehr und mehr die Unterstützung der Bojaren verlor. Eine blutige Revolte, angeführt von Schuiski selbst, entfachte und der falsche Demetrius wurde ermordet. Marina und ihr Gefolge wurden schließlich nach Polen zurückgeschickt und Wasili IV. Schuiski (1606-1610) besetze den russischen Zarenthron. Er stellte den letzten offiziellen Herrscher dieser Periode dar, wurde allerdings nach nur vier Jahren gestürzt und starb in polnischer Gefangenschaft. Während seiner Regierungszeit entfachte aufgrund innenpolitischer Schwäche und des Thronanspruches des polnischen Königs der polnisch-moskowitische Krieg (1609-1618). Dieser Krieg begann mit einer zweijährigen Belagerung der Stadt Smolensk. Diese Belagerung führte dazu, dass sich das Moskowitische Reich 1610 auf Verhandlungen einließ, in denen festgelegt wurde, dass der Sohn des polnischen Herrschers, Władysław IV. Wasa, zum Zaren gekrönt werden soll. Allerdings sollten im Gegenzug die Rechte der orthodoxen Kirche bestätigt werden und ein Militärbündnis mit Polen entstehen. Außerdem sollte der Moskowitische Adel dieselben Rechte wie der polnische Adels[9] erhalten. Denn zu der Zeit der Rzeczpospolita (1569-1795) besaß der polnische Adel untypischerweise zahlreiche Privilegien, die die Adelsgeschlechter anderer Länder nicht ihr Eigen nennen konnten. Władysław IV. Wasa wurde zum designierten Zaren, schaffte es allerdings nie endgültig auf den Thron, da kurz darauf sein Vater den Thron für sich beanspruchte. Die Situation im Moskowitischen Reich spitze sich immer weiter zu. Gewalt, Unterdrückung und Raubzüge standen auf der Tagesordnung, sodass sich die orthodoxe Gesellschaft immer weiter gegen die katholischen Kriegstreiber auflehnte. Es kam zu zahlreichen Aufständen in Moskau, was zu einem Rückzug der polnischen Truppen führte. Zur selben Zeit suchte der Zemskij Sobor nach einer Lösung, um die herrscherlose Zeit zu beenden. Schließlich wurde Michail aus dem Geschlecht der Romanovs auserwählt, um die Lage im Land unter Kontrolle zu bekommen. Mit der Krönung Michails zum Zaren endet schließlich die Smuta-Periode im Moskowitischen Reich. Unter Michail I. (1613-1645) kam es dann 1618 zum Ende des polnisch-moskowitischen Krieges. Im Vertrag von Deulino wurde ein Waffenstillstand für 14 ½ Jahre ausgehandelt. Des Weiteren wurden territoriale Zugeständnisse an Polen-Litauen gemacht, wonach Smolensk, Tschernihiw und Nowhorod-Siwersky annektiert wurden (siehe Anhang 5.1). Durch Abmachung erreicht Polen-Litauen 1618 seine größte territoriale Ausbreitung.

[...]


[1] Akafist Bogorodice (1648) (vgl. Sazonova: 2016)

[2] Zwar existiert das Igorlied, allerdings ist umstritten, ob es sich nicht doch um eine Fälschung handelt.

[3] Isačenko (1980)

[4] Hentschel (1997)

[5] Die Rurikiden waren ein Fürstengeschlecht warägischer Herkunft und herrschten von 862 bis 1598. Der Tod Fjodors I. beendete schließlich diese Dynastie. Er war der dritte Sohn Ivans IV. und wurde 1584 zum Zaren gekürt. Da er allerdings gesundheitlich stark eingeschränkt war, verstarb er einige Jahre später. Auch alle Nachkommen verstarben kurz nach der Geburt, sodass die Rurikiden-Dynastie im Wesentlichen ausstarb.

[6] Regierungszeit; War der erste gekrönte russische Zar.

[7] Ständische Landesversammlung, die im 16. und 17. Jahrhundert tagte. Mitglieder waren Vertreter der Stände mit Ausnahme der hörigen Bauern.

[8] Es sind noch mindestens zwei weitere Personen bekannt, die sich im Laufe der Geschichte für den Sohn Ivans IV. ausgaben. Beide wurden von Marina, der Frau des ersten Pseudodimitris, anerkannt und als der wahre Dimitri akzeptiert. Nichtsdestotrotz wurden auch sie nur kurze Zeit später ermordet.

[9] Die freie Königswahl, die für den polnischen Adel die Erfüllung der Vorstellung von eigener Würde darstellte, war nur ein Bruchteil von den vorhandenen Sonderrechten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass jeder „Außenstehende“ dazugehören wollte und sich so gut es geht assimilierte. Die polnische Sprache war dafür essentiell und besaß dementsprechend sehr hohes Prestige.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Polnisch-ostslawische Kulturbeziehungen (1598-1795)
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg  (Slavistik)
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
14
Katalognummer
V368994
ISBN (eBook)
9783668502055
ISBN (Buch)
9783668502062
Dateigröße
821 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
geschichte, polnisch, ostslavisch, kulturbeziehung, romanovs, smuta, zeit der wirren, ukraine, russland, litauen, polen
Arbeit zitieren
Margarita Sonnenberg (Autor:in), 2017, Polnisch-ostslawische Kulturbeziehungen (1598-1795), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/368994

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