Kommunikationsstile italienischer und spanischer Jugendlicher in WhatsApp und digitalen Medien


Examensarbeit, 2016

160 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I Einleitung

II Theoretische Grundlagen
1 Jugendliche und ihre Sprache
1.1 Jugend: ein Definitionsversuch
1.2 Ziel und Gebrauch der Jugendsprache
1.3 Verrohung vs. Bereicherung der Sprache
1.4 Die Heterogenität der Jugendsprache und ihre Einordnung
2 Jugendsprache in Italien und Spanien
3 Mediale Entwicklung und Auswirkungen auf die Sprache
3.1 Alte Medien, neue Medien und neue neue Medien
3.2 WhatsApp- die Messaging-App der 2010er: Charakteri- sierung und Einordnung
3.3 Konzeptionelle Mündlichkeit in den neuen Medien
3.4 Mediensprache oder Jugendsprache?

III Korpusanalyse
1 Korpusbeschreibung
2 Methodische Vorgehensweise bei der Korpusanalyse
3 Darstellung der Analyse italienischer und spanischer Gruppenchats
3.1 Kommunikation auf neuen Wegen
3.1.1 Gruppenchats
3.1.2 Visuelle Hilfen: Kommunizieren über Emoticon/ Piktogramm, Video-und Bilddatei
3.1.3 Voicemails auf dem Vormarsch
3.2 Zum innersprachlichen Aufbau
3.2.1 Orthographie und Satzzeichensetzung
3.2.2 Besonderheiten der lexikalisch-semantischen Dimension
3.2.2.1 Originalität und Ideenreichtum
3.2.2.2 Parolacce, bestemmie, tacos und insultos
3.2.2.3 Mischen von Sprachen und Varietäten
3.2.3 Besondere Stilmerkmale: Hyperbolik, bildliche Ausdrucksweisen und Phraseologismen
3.2.4 Merkmale konzeptioneller Mündlichkeit
3.2.4.1 Sprachökonomie und syntaktische Reduktions- mittel
3.2.4.2 Prosodienachahmende expressive Mittel als nähesprachliche Phänomene
3.3 Zusammenfassung der Analyseergebnisse
4 Kommunikationsstrategien der Geschlechter
4.1 Inhaltliche Unterschiede
4.2 Exemplarische Analyse zweier kommunikativer Gattungen

IV Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anhang

I Einleitung

Die Sprache der Jugendlichen gilt als modern und zeichnet sich unter anderem durch ein hohes Potential an Kreativität aus. Grund dafür ist die Offenheit der jungen Generation für Unbekanntes und - bei der kontinuierlich fortschreitenden Medialisierung der Alltagswelt- die Affinität, sich mediale Ressourcen schnell zu eigen zu machen.

Mit Beginn des Internetzeitalters hat die digitale Kommunikation immer mehr an Bedeutung gewonnen. Mittlerweile ist der Griff zum Smartphone aus dem Alltag der Screenager nicht mehr wegzudenken.

Da digitale Kommunikationsformen wie SMS, Email oder Chat bereits ausrei- chend linguistisch betrachtet worden sind, widmet sich der Forschungsgegen- stand dieser Arbeit der medial schriftlichen, handyvermittelten Kommunikation via WhatsApp1. Der Gebrauch dieses Instant-Messengers, der als Nachrichten- dienst fungiert und seit einigen Jahren die Smartphones erobert, zieht sich be- reits durch sämtliche Altersklassen und gesellschaftliche Gruppen. Was genau sich hinter dieser Applikation birgt, welche technischen Funktionen und Neue- rungen sie bietet und inwiefern sich diese Faktoren auf das Kommunikations- verhalten und den Sprachgebrauch der Nutzer auswirkt, soll zum Gegenstand der Betrachtung dieser Arbeit gemacht werden.

Die Ausarbeitung ist in zwei Teile gegliedert. Die theoretischen Grundlagen (Kapitel II) widmen sich der Jugendsprachforschung und werden um einige medienwissenschaftliche Ausführungen erweitert.

Während dabei anfangs die Jugendsprache2 unter anderem anhand ihrer Funk- tionen und Nutzer3 charakterisiert werden soll, erweist sich für die spätere Korpusanalyse eine kurze geschichtliche Einführung in die italienische und spanische Jugendsprache als unabdingbar. An dieser Stelle kommt zudem die Frage auf, welchen Stellenwert die Jugendsprache innerhalb der Gesamtheit der linguistischen Realitäten einer Sprache einnimmt und wo sie einzuordnen ist.

Bevor die Applikation WhatsApp anhand von spezifischen Kategorien als Kommunikationsform vorgestellt und von anderen Medien abgegrenzt wird, sollen zunächst die dafür notwendigen Terminologien nach Holly (1997) prä- sentiert und erläutert werden. Um zur Linguistik zurückzukommen, erfolgt anschließend eine Einordnung der WhatsApp-Kommunikation in das Kontinu- um-Modell nach Koch/Oesterreicher (1985). Auch die Versprachlichungsstra- tegien der konzeptionellen Mündlichkeit nehmen für den Verlauf der Analyse eine signifikante Rolle ein.

Der Hauptteil dieser Arbeit (Kapitel III) widmet sich der Analyse authentischen Materials. Genauer handelt es sich um vier WhatsApp-Chats, aus denen sich das Korpus zusammensetzt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Kommunikationsstile der relativ homogenen Studentengruppen, die aus italienischen und spanischen jungen Erwachsenen bestehen.

Zu Beginn werden die Rahmenbedingungen und methodischen Vorgehensweisen der Korpusanalyse kurz vorgestellt. Die darauffolgende Darstellung gliedert sich in drei Komponenten mit dem Ziel, die sprachlich-kommunikativen Besonderheiten innerhalb der untersuchten Sprachgemeinschaften im medialen Rahmen WhatsApps zu fixieren und exemplarisch darzustellen. Hierbei wird auf qualitative sowie quantitative Analysemethoden zurückgegriffen, wobei bedacht werden muss, dass die Resultate nicht als repräsentativ gelten können4. Zunächst werden die (multi-)medialen Möglichkeiten, die von WhatsApp geboten werden, erörtert und ihr Einfluss auf den Gesprächsverlauf anhand von Beispielen aus dem Korpus untersucht und erläutert.

Das Kapitel III.3.2 legt danach den Fokus auf die sprachlichen Konstitutions- verfahren der privat-informellen Kommunikation, wobei an erster Stelle die vorgefundenen lexikalischen und semantischen Aspekte erläutert werden. Ne- ben besonderen Stilmerkmalen und weiteren Untersuchungspunkten werden mit Rückbezug auf Koch/Oesterreicher auch die Konzepte Sprachökonomie und Prosodienachahmung behandelt, die mit der konzeptionellen Mündlichkeit einhergehen.

Darauf aufbauend folgt der dritte Analyseteil, der aus geschlechterspezifischer Perspektive auf die Kommunikationsstrategien schaut. Anhand gattungsanaly- tischer Vorgehensweisen sollen zwei exemplarisch gewählte Kommunikati- onsgattungen betrachtet und eventuelle Parallelen und Divergenzen aufgedeckt werden.

Nachdem schließlich die wichtigen Ergebnisse im Punkt III.4 tabellarisch zu- sammengefasst werden, schließt das Fazit die Darstellung ab, wobei ein kurzer Ausblick auf weitere mögliche Forschungsthemen gegeben werden soll.

II Theoretische Grundlagen

1 Jugendliche und ihre Sprache

Die Jugendsprache ist ein omnipräsentes Phänomen. Sie wird als transdiszipli- näres, heterogenes Gebilde verstanden, das in den unterschiedlichsten Fach- richtungen erforscht wird. ÄDer Soziologe oder Politologe konstatiert, dass die Sprache der Jugendlichen bisweilen seismographisch neue, sich in Verände- rung befindende Grundstimmungen einer Gesellschaft widerspiegelt […] und deshalb von größtem Interesse sein sollte“ (Schmidt-Radefeldt 2007: 72). Auch die Sprachwissenschaft erkennt in der JS ein großes Forschungspotential, wes- halb die Jugendsprachforschung seit den 80er Jahren kontinuierlich an Bedeu- tung gewonnen hat. Eva Neuland, Germanistin und Koryphäe auf diesem Ge- biet, erläutert das theoretische Konzept der JS folgendermaßen:

Jugendsprache wird heute vorwiegend als ein mündlich konstituiertes, von Jugendli- chen in bestimmten Situationen verwendetes Medium der Gruppenkommunikation de- finiert und durch die wesentlichen Merkmale der gesprochenen Sprache, der Gruppen- sprache und der kommunikativen Interaktion gekennzeichnet. (Neuland 2008: 56)

Ferner verfassen Capanaga/San Vicente (2005: 59) vier Kategorien, anhand derer sich die JS charakterisieren lässt: Äla cotidianeidad, el carácter oral espontáneo, la finalidad interactiva y el tono informal“. An dieser Stelle muss beachtet werden, dass die JS zwar auf Mündlichkeit basiert und zu großen Teilen ein oralsprachliches Phänomen darstellt, Teilbereiche dieser Oralität jedoch durchaus auf schriftlicher Ebene existieren5.

Der Gebrauch jugendsprachlicher Strukturen erweist sich, wie Neuland feststellt, als situationsbezogen. Die Sprecher sind sich der Unterscheidung verschiedener kommunikativer Kontexte bewusst und gebrauchen jugendsprachliche Muster vorwiegend im informellen Register.

Als weiterer Diskussionspunkt stellt sich die Pauschalisierung der Sprecher der JS heraus. Die Kategorien jung sein und die Sprache der Jungen sprechen können nicht gleichgestellt werden. Was genau diese Sprache und ihre Sprecher ausmacht und ob es sich wirklich ausschließlich um junge Personen handelt, die auf ein jugendsprachliches Register zurückgreifen, soll in den nächsten Kapiteln dargestellt werden.

1.1 Jugend: ein Definitionsversuch

Die Frage nach der Eingrenzung des Jugendbegriffs stellt sich als Dilemma heraus. Zahlreiche Bestimmungsversuche stützen sich auf biologische, politische oder (straf-)rechtliche Parameter6. Eine allgemeingültige Definition konnte bisher jedoch nicht festgelegt werden.

Ganz nach dem Motto man ist so alt wie man sich fühlt ist eine Dehnung des Begriffs Jugend schließlich bis kurz vor dem 30. Lebensjahr denkbar, wobei diese Altersklasse bereits als Nachstadium der Jugend als die sogenannte Postadoleszenz bezeichnet wird (vgl. Shell Jugendstudie 2015). Die Alterseingrenzung der Adoleszenz ist an zahlreiche Faktoren gekoppelt und kann deshalb nicht mit Exaktheit bestimmt werden. Vielmehr handelt es sich um ein ideologisches Konstrukt, oder wie Gamonal/Remmert (2008: 82) es ausdrücken: Äla categoría juventud no sólo abarca un rango etario o una fase transitoria, sino [que] debe ser entendida como una etapa vital propia con sus características genuinas“. Ferner wird das Phänomen JS und damit auch die Zugehörigkeit gemäß alterspezifischer Gesichtspunkte aus soziokultureller Sicht stark von der jeweiligen Gesellschaft geprägt (vgl. Rem- mert/Zimmermann 2007: 65f.).

Fusco (2007b: 32) schlussfolgert aus dem gegebenen Definitionsüberfluss: ÄLa profonda diversitj nell’essere giovane oggi rende quindi problematica la possi- bilitj di comparazioni culturali“. So wird in südländischen Kulturen das Kon- zept der Eigenschaft jugendlich auf Grund hoher Jugendarbeitslosigkeit und der damit einhergehenden finanziellen Abhängigkeit extendiert, während der Jugendbegriff in der deutschen Gesellschaft, in der das Verlassen des Eltern- hauses bei Volljährigkeit und die daraus resultierende hohe Verantwortung als selbstverständlich gelten, enger gefasst werden muss. Gamonal/Remmert (2008: 81) stellen fest: ÄSegún la ONU juventud comprende la edad de 15 a 23 años, en Alemania el período de 14 a 27 años no cumplidos, en España de 14 a 30 años con una tendencia a la alza”.

Maßgeblich für die gewählte Eingrenzung und Definition des Begriffs Jugend ist jedoch im Endeffekt die Perspektive, aus der eine Fragestellung betrachtet werden soll. Demnach gilt für die zu analysierenden WhatsApp-Gruppen, die aus Post-Adoleszenten unterschiedlicher Peergroups konstituiert sind, die von der UNO angegebene Altersspanne. Sie sind 20-26 Jahre alt.

1.2 Ziel und Gebrauch der Jugendsprache

Auf Basis der beschriebenen Altersdiskussion wird auch die Jugendsprache diskutiert. So unterscheidet sich die Sprache eines 15-jährigen Schülers vom Sprechstil eines Studierenden, wobei sich wiederum Abstufungen zur Sprech- weise eines gleichaltrigen Auszubildenden erkennen lassen. Trotz dieser rele- vanten Unterschiede werden sie alle unter der Terminologie Jugendsprache gefasst. Schmidt-Radefeldt (2007: 67) determiniert diese Sprachphase als all- tagssprachlich und stellt fest, Ädass jugendliche Rede- oder Sprechweisen in allen Generationen und Schichten zu finden sind“. Dieser Änicht altersexklusi- ve Gebrauch“ (Neuland 2008: 55) tritt zeitgleich mit dem Phänomen der Re- standardisierung7 auf.

Der ursprüngliche Gebrauch geht jedoch auf den Gedanken der Abgrenzung zurück. Um sich von der als spießig empfundenen Lebenswelt der Erwachse- nen zu distanzieren, streben Jugendliche vor allem im sprachlichen Bereich nach Modernität und Innovation, was, wie sich noch im Analyseteil herausstel- len wird, sich nicht nur an Neologismen messen lässt. Das Rebellentum der Jugendlichen gegenüber der Erwachsenenwelt drückt sich jedoch nicht aus- schließlich an ihrer Sprachwahl und ihrem Verhalten aus, sondern manifestiert sich in erster Linie auch durch äußere Merkmale, einen bestimmten Kleidungs- stil oder Musikgeschmack. So konstituieren sich jugendliche Subkulturen wie die der Emos, Hipster oder neuerdings, um nur zwei weitere zu nennen, Health-Goths oder Sea-Punks8. Kontinuierlich entstehen neue Bewegungen, die das Ziel verfolgen, sich vom Bestehenden abzuheben. Inwiefern sich diese Andersartigkeit durchsetzt und vom Mainstream vereinnahmt wird, ist fraglich.

Fakt ist, dass der gemeinsame Freiraum, in dem sich eine solche Mikrokultur bewegt, die Gruppe zusammenschweißt bzw. identitätsstiftend wirkt. Dies geschieht zum einen innerhalb solcher Subkulturen, zum anderen ebenfalls auf übergeordneter, altersbezogener Dimension. Klaus Zimmermann (2003: 32f.) bezeichnet dieses Phänomen als Generationenidentität, die aus einem Generationenbewußtsein [sic!] und einer intentionalen Generatio- nenidentifikation besteht, die ein jugendspezifisches, kommunikatives Netzwerk etab- liert. Die Botschaften, die in diesem Netzwerk vermittelt werden, haben wegen der Generationenidentität eine größere Relevanz für die Netzwerkteilhaber. Besonders wichtig sind dabei die Botschaften, mit denen man sich intersubjektiv über die symbo- lischen Grenzen dessen, was zur Gruppe der Jugendlichen gehört, verständigt […]. Es ist also nicht die oftmals bemühte Kategorie der Geheimfunktion, die zur Begrenzung der Verwendung der als jugendspezifisch angesehenen Sprachinnovationen führt, sondern die durch Identitätsprozesse bedingte Begrenzung der kommunikativen Netze und Relevanzsetzung der Interaktionspartner.

Neben der Funktion der Gruppenzugehörigkeit stellt sich die JS auch schlicht als praktisches Hilfsmittel für Jugendliche heraus: Zahlreiche Abkürzungen und syntaktische Reduktionen sind Zeichen des ökonomischen Sprachprinzips, das gerade in der heutigen Zeit, der Ära der Smartphones, für die Jugendsprache von großer Relevanz ist.

Dieser, wie Fusco (2007b: 38) treffend formuliert, Äwe-code colorito, affetivo, e ludico“ impliziert eine weitere Funktion, und zwar der Ausdruck von Kreativität. Der kreative Umgang mit Sprache zeigt sich durch Elemente, die modifiziert und in eine neue, witzige und unterhaltsame Form gebracht werden. Dass dieses Verfahren von einem hohen Maß an Fantasie zeugt, wurde von der Erwachsenenwelt nicht immer so angenommen.

1.3 Verrohung vs. Bereicherung der Sprache

Die Sprache der Jugendlichen wurde anfangs Äals Exempel für Normverweige- rung, für Sprachverfall bis hin zur Sprachlosigkeit kritisiert“ (Neuland 2008: 3). Der fehlerhafte Gebrauch von Grammatik und Syntax gespickt mit Vulgarismen und ein scheinbar allgemeines Desinteresse auf Ausdrucksebene verleiten dazu, leichtfertig der Anschuldigung zuzustimmen, jugendliche Sprechweisen führen zur Verrohung der Sprache. Genau das war bis vor wenigen Jahrzehnten noch der Grundtenor der Öffentlichkeit: Lehrer, Eltern, Politiker und die Medien sorgten sich um den Erhalt der Sprache.

Wissenschaftler widmen sich diesem Thema seit einigen Jahrzehnten und ha- ben das Potential, das in den Jugendlichen und ihren Ausdrucksformen steckt, längst erkannt. Spitzmüller (2006) beweist schließlich mit einer umfangreichen Korpusanalyse von 148 Artikeln, dass JS im öffentlichen Diskurs nicht mehr überwiegend negativ dargestellt wird. Damit scheint die Diskussion um den Sprachverfall vorerst beendet zu sein, wäre da nicht der technologische Fort- schritt, der sich als bedeutender Einflussfaktor für die Jugendkultur heraus- stellt. Seit Beginn der Internet-Ära wird die Frage diskutiert: Ä¿Internet le hace bien o mal a la escritura?“ (Piscitelli 2004). Der Beitrag stammt aus einem Jahr, in dem die Kommunikationsform Chat gerade boomt, sich die ersten In- stant Messenger9 an immer größerer Beliebtheit erfreuen und Marc Zuckerberg den Startschuss für das soziale Netzwerk Facebook gibt.

Der Grund für die sprachlichen Besonderheiten der Internetkommunikation mag darin liegen, dass die neuen Medien den Jugendlichen schriftliche Kommunikationsmöglichkeiten bieten, ohne zugleich entsprechende Textmuster oder Vorbilder zur Verfügung zu stellen. Die Jugendlichen haben somit die Chance, eigene Muster und Lösungsmöglichkeiten für die Anforderungen im Internet zu entwickeln und neue Normen zu erproben. (Kleinberger Günther/Spiegel 2006: 102)

Die Geschichte wiederholt sich: Der Verfall der (Schrift-)Sprache wird erneut in Frage gestellt - nur diesmal nicht auf die mündliche, sondern auf die schrift- liche Dimension bezogen. Die Meinungen über das Aufkommen immer neuer digitaler Kommunikationsmöglichkeiten sind gespalten. Als Beispiel seien an dieser Stelle Smileys (Emoticons) genannt: Auf der einen Seite mag die exzes- sive Nutzung non-verbaler Codes die Schriftsprache gefährden, auf der anderen Seite öffnen möglicherweise gerade diese neue Türen für die Kommunikation 2.010.

Das Instituto der la Juventud (2007: 30f.) fasst in einer interessanten For- schungsstudie zum Thema Comunicación y lenguajes juveniles a través de las TIC11 die Meinungen zahlreicher Wissenschaftler und Journalisten zusammen:

ÄHay quienes ponen el énfasis en el que el SMS y los dispositivos de Internet que más usan los jóvenes y adolescentes han devuelto un protagonismo a la comunicación escrita [...]. El lenguaje escrito se estaría revitalizando con el nacimiento de nuevos códigos y formas expresivas, lo que contribuye a una revalorización de la escritura. [...] Finalmente, las personas más alarmadas [...] pasan directamente del empobrecimiento de los hablantes al de la lengua y algunos llegan a usar términos como “deterioran el idioma”, “degeneran la lengua”, o “corrompen la lengua”; incluso, conceptos más radicales como “caos lingüistico”.

Neuland (2008: 6) kritisiert vor allem negative Stimmen: ÄDie öffentliche Ver- breitung solcher subjektiven Meinungsäußerungen, die durch keinerlei wissen- schaftliche Belege gestützt werden, erweist sich als mehrfach problematisch“. Neben dem Fakt, dass unqualifizierte Äußerungen das Meinungsbild und somit das Ansehen der Jugendsprache über zu lange Zeit beeinflusst haben, besteht Einigkeit darüber, dass die Ausdrucksschwäche der Jugend ihren Ursprung lange vor der Zeit der Chats, SMS und WhatsApp-Nachrichten findet. Die Re- de von einer Verrohung der Sprache durch die Jugendlichen kann somit nur noch als Mythos angesehen werden kann, denn zahlreiche Autoren sind inzwi- schen überzeugt von der Komplexität des Phänomens JS.

Es liegt auf der Hand, dass die Jugendlichen einen Sinn für ihre Sprache entwi- ckelt haben, sie reflektieren und unterbewusst weiterentwickeln. Ihr Sprachbe- wusstsein ist geprägt von Kreativität und Spontanität. Dieses Innovationspoten- tial zeigt sich auf zwei verschiedenen Dimensionen: zum einen an ÄTechni- ken12 aus dem poetisch-rhetorischen Fundus der kreativen Möglichkeiten der Sprache“ (Zimmermann 2008: 171). Zum anderen existieren auf extralinguisti- scher Dimension zahlreiche pragmatische Aspekte, die zur linguistischen Inno- vation der JS zählen (vgl. Radke 1993: 205). Dazu gehören neuartige Gruß- formeln oder andere Sprechakte wie beispielsweise, um es in der Sprache der Jugendlichen auszudrücken, Gossip, Hate oder Shitstorm.

1.4 Die Heterogenität der Jugendsprache und ihre Einordnung

Jugendsprachforscher weltweit diskutierten die fundamentale Frage: Existiert eine Jugendsprache und handelt es sich dabei wirklich eine homogene Spra- che? An dieser Stelle kann mit gutem Gewissen konstatiert werden, dass von der Jugendsprache nicht die Rede sein kann. Vielmehr muss die Gesamtheit an Jugendsprachen betrachtet werden, die je nach Altersgruppe, Geschlecht, Kon- text, Peergroup- oder Subkulturzugehörigkeit zu differenzieren ist (vgl. Dür- scheid/Neuland 2006: 22). Es koexistieren demnach zahlreiche Jugendspra- chen: Jede Untergruppe verständigt sich mit Hilfe eines gemeinsamen Codes, der u.a. durch Insider bestimmt ist, also Elementen, die nur von eingeweihten Mitgliedern erschlossen werden können. All diese Unterarten werden jedoch durch eine Reihe von Eigenschaften vereint, die sich in Form von linguisti- schen Ausprägungen anzeigen. Dies soll im praktischen Anteil dieser Arbeit detaillierter betrachtet werden.

In der Frage nach der Einordnung ist sich die Forschung jedoch uneinig. Ob JS nun als Sprache, Varietät oder doch Stil, Substandard oder Register13 verstanden wird, legt jeder Autor unterschiedlich aus. Fest steht: Es existieren viele metasprachliche Etikettierungen für das Phänomen Jugendsprache. Ehrhard (2007: 102) beschreibt diesen Sachverhalt treffend: ÄJugendsprachen [stellen sich] als ausgesprochen komplexer, flüchtiger und in sich vielfach differenzierter und stratifizierter Gegenstand heraus“.

Die Definition von JS hängt also von der jeweiligen Forschungsperspektive ab. Der an soziallinguistischer Sichtweise angelehnte, ethnographische Ansatz beschreibt JS als Stil(e) oder Register bestimmter Sprecher(-gruppen) oder Subkulturen (vgl. Dürscheid/Neuland 2006: 21ff.). Es handelt sich demnach um einen situationsbezogenen Gebrauch der JS, der innerhalb der diaphasischen Varietät einzuordnen wäre (vgl. Neuland 2008: 71).

In der italienischen Linguistik wird die nuova questione della lingua erörtert, eine Äquestione della lingua parlata in cui si discute di un ‚italiano in movi- mento‘, caratterizzato dalla formazione di nuove norme linguistiche che ri- guardano soprattutto l’ambito del parlato informale“ (Scholz 2004: 93). Dies- bezüglich hebt sich aus diesem großen Geflecht von Begrifflichkeiten beson- ders die Klassifizierung14 nach Cortelazzo (1997: 293) ab, weshalb sie an die- ser Stelle kurz erläutert werden soll. Er betrachtet JS als ein Konglomerat un- terschiedlicher linguistischer Realitäten, wobei jede Komponente eine be- stimmte Funktion einnimmt. So entsteht sie auf Basis des informellen, kollo- quialen Stils und setzt sich weiterhin zusammen aus Bausteinen des Dialekta- len, der Sprache der Medien und Komponenten anderer Sprachen15, wobei Äl’affettivitj e l’espressivitj trovano la massima realizzazione nei dialettalismi [, e] l’aspetto ludico trova buona espressione negli internazionalismi“ (ibid.: 299). Ferner zählen auch Elemente des sogenannten Slangs oder Jargons dazu. Hier differenziert Cortelazzo zwischen traditionellem und innovativem Jargon, wobei letzterer all das einschließt, was im engsten Sinne als jugendsprachlich gekennzeichnet werden kann und große Teile der identitätsstiftenden Funktion innehält. Der traditionelle Jargon hingegen wird eher durch gebräuchliche ju- gendsprachliche Ausdrücke charakterisiert, welche bereits in das Standardre- pertoire Nicht-Jugendlicher übernommen wurde. (vgl. ibid: 293ff.)

Es existieren demnach zwei Szenarien für die Entwicklung von Jugendmarkern, die sich in einem Schaubild darstellen lassen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Jugendsprachliche Wörter und ihre mögliche Entwicklung

Szenario (A) + B veranschaulich(en) den Prozess der (Re-)Standardisierung. Dabei kommt es zur Sinnverschiebung oder Bedeutungserweiterung eines ur- sprünglich standard-oder umgangssprachlichen Begriffs (X  X‘) im jugend- sprachlichen Register, wie es beispielsweise in den 80ern mit dem Adjektiv geil geschah. Dieser Schritt kann auch ausgelassen werden, wenn das Aus- gangswort (X‘) direkt als Neologismus in den Sprachgebrauch eintritt und sich schließlich an solch großer Beliebtheit erfreut, dass er sich allmählich16 in der Umgangs- oder sogar Standardsprache etabliert. Aus diesem Übergleiten resul- tiert darauf der graduelle Verlust seines jugendsprachlichen Charakters. In wel- chem Moment dieser Übergang passiert, ist schwer nachzuvollziehen17.

Möglichkeit C stellt die Auslöschung eines Begriffes dar, was die Schnelllebigkeit der Jugendsprache untermauert. Begriff X‘ wäre in diesem Fall jugendsprachlich markiert, erfährt aber wegen unzureichenden Zuspruchs keine Verbreitung oder gar Übernahme in andere (Non)-Standard-Varietäten. Schließlich wird er aus dem Gebrauch gestrichen, woraufhin sich womöglich längst ein neues Wort (Y) durchgesetzt hat.

Daraus lässt sich schlussfolgern, dass (besonders die Jugend-) Sprache einem ständigen Wandel unterliegt, dem sogenannten ÄBinnenvarietätenwandel“ (Zimmermann 2003: 33). Dazu schreibt Neuland (2008: 15):

Im Zeichen des fortschreitenden sozialen Wandels lässt sich knapp 30 Jahre nach der öffentlichen ÄEntdeckung“ des Themas Jugend und Jugendsprache eine globale ÄJu- venilisierung“ der Gesellschaft nach den Prinzipien Äforever young“ und Äanything goes“ erkennen. Dies führt zu einer Entgrenzung der Jugend von Alters- und Genera- tionenbeschränkungen zu einer Frage des Lebensstils nach dem Kriterium der subjek- tiven Selbstzurechnung.

Wo Jugendsprache aufhört und an welcher Stelle bereits eine andere Varietät beginnt erweist sich als kontroverse Frage, die die Jugendsprachforschung weiterhin beschäftigen wird. Alles in allem stellt es sich als schwierig heraus, die JS in einem bestimmten Moment festzuhalten und darzustellen, da sie sich in einer Konstellation von Varietäten befindet, die, genau wie ihre Sprecher, in steter Bewegung und von ständigem Wandel geprägt sind.

2 Jugendsprache in Italien und Spanien

Jugendsprache ist ein internationales Phänomen. Mit Blick auf die tabellarisch zusammenfassende Chronik von Radke (1993: 202) lässt sich eine Zurückver- folgung der ersten italienischen Jugendkulturen bis in die 50er Jahre erkennen. Während neuartige, vom Standard abweichende Ausdrucksweisen der Studie- renden oftmals politischer Art waren, präg(t)en auch verschiedene Musikrich- tung zahlreiche Subkulturen. Erst Anfang der 80er steht der spielerische Ge- brauch der Sprache im Mittelpunkt, der sich rasch verbreitet und sogar mediale Aufmerksamkeit erweckt und damit gesamtgesellschaftliche Bedeutung erzielt. Der Slang der paninari, eine Jugendgruppe der 90er Jahre, wird vor einem panini-Bistro in Mailand geboren und stellt sich als Wegbereiter der heutigen Jugendsprache heraus. Diese nur sehr kurzlebige Gruppierung galt als eine vom Konsumdenken bestimmte Mikrokultur. (ibid.: 199ff.)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Chronik italienischer Jugendkulturen

Um die Chronik weiterzuführen, können weitere aktuellere Subkulturen aufge- zählt werden, denken wir beispielsweise nur an die Hip-Hop-Szene. Mit ihren Rap-Texten (MCing) und durch Graffitis (Writing) geben sie der schriftsprach- lichen Ebene eine ganz neue Sichtweise. Auch auf sprachlicher Ebene haben sich innerhalb der Hip-Hop-Welt neue oder, um es mit den Worten eines Hip- Hoppers zu sagen, ganz freshe Ausdrucksweisen gebildet, was sich u.a. für die Italianistik bereits als aufschlussreicher Forschungspunkt18 herausstellte.

So wie die italienische JS ihren Ursprung in der Großstadt Mailand findet, ist es auch eine spanische Metropole19, und zwar die Hauptstadt, in der seit den 70er Jahren jugendsprachliche Geschichte geschrieben wird: Die pasotas20 zählen zu den ersten Anhängern der movida madrileña (vgl. Capanaga/San Vicente 2005: 90). Mit Aufkommen der movida21 rückt das andersartige Ver- halten der spanischen Jugend in den Fokus der Öffentlichkeit. Das Ende der franquistischen Diktatur führt zu einem drastischen Wandel in vielen Berei- chen, wobei sich die movida besonders durch ihre - ähnlich den italienischen paninari - überschwängliche, exzessive und schrille, gar hedonistische Le- bensweise auszeichnet.

Die große Expressivität der entstehenden Jugendsprache, das ständige Brechen von Normen und die kulturelle Fremdheit der neuartigen Jugendkulturen musste damals zwangsläufig eine ablehnende Haltung der autoritär [und teilweise nach wie vor fran- kistisch] geprägten Erwachsenengesellschaft hervorrufen. (Langrock 2007: 85).

Wenige Jahre später entsteht ein neues jugendsprachliches Phänomen am sel- ben Ort, wo einst die movida ihren Ursprung fand. Das Cheli wird in der For- schungsliteratur als Argot, also als eine Art Jargon bezeichnet. Grund dafür ist die Abstammung aus dem Drogen-und Gaunerjargon, wozu auch die Sprache der spanischen gitanos, das caló, einen signifikanten Beitrag22 leistet (vgl. Baumann 2001: 11ff.).

Was die Autoren bisher weitgehendst in ihrer Forschung ignorieren, sind in Spanien auftretende tribus urbanas wie die der canis, pijos oder perroflautas23. Seither beschäftigen sich vereinzelt empirische Studien mit dem Thema. Zu- dem fanden vor allem in den 90ern zahlreiche Slang-Wörterbücher24 den Weg in die spanischen und italienischen Buchhandlungen, welche größtenteils der populärwissenschaftlichen Unterhaltungskultur zugeordnet werden (vgl. Lang- rock 2007: 86).

Zwar kann die die Hispanistik auf eine nicht ganz so lange Jugendsprachfor- schung wie die Italiens zurückblicken, aber trotzdem herrscht Einigkeit über das Innovationspotential, das die Sprecher beider Sprachen auszeichnet und darüber, dass vor allem Medien die JS beeinflussen und vice versa. Hierbei liegt der Fokus in erster Linie auf lexikalischer Ebene25: Wortneuschöpfungen und Derivationen wie whatsappare26 im Italienischen und wasapear im Spani- schen sind allgegenwärtig, wobei das Schriftbild neuartiger Wörter im Spani- schen häufig an die Phonetik angepasst wird. Diese neuen Kreationen sind das Produkt stetiger Nachfrage zahlreicher Smartphone-Nutzer. Denn, insofern seitens der Sprecherschaft das Bedürfnis besteht, eine gewisse Idee als neues Konzept zu definieren, so wird es versprachlicht und ein Wort kann entstehen. Kurz gesagt: WhatsApp oder prinzipiell neue Medien motivieren zu neuartigen sprachlichen Formen - in den Worten von Sara Bentivegna, Mitglied der Acca- demia della Crusca: ÄE se il linguaggio q comunque una forma di potere […] possiamo dire che con i social media si sta polverizzando“ (La Repubblica 2016: online).

3 Mediale Entwicklung und Auswirkungen auf die Sprache

Die Behauptung, der technologische Fortschritt dirigiere die Kommunikation - vorzugsweise der jungen Generation - sei vorerst dahingestellt. Neuartige Technik (Programme, Geräte) etablieren sich in jüngeren Lebenswelten leichter. So erobern die Jugendlichen die mediale Welt mit Leichtigkeit, verbreiten Inhalte in Sekundenschnelle und auf immer neuen Verständigungskanälen. Es steht außer Frage, dass dieser mediale Aspekt die Jugendsprache nur aus einem Blickwinkel beleuchtet. Die Medienkommunikation soll deshalb in den folgenden Kapiteln in den Fokus der Betrachtung rücken.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Klassifikationsmodell nach Neuland

Das mehrdimensionale Modell von Neuland (2008: 61) veranschaulicht nicht nur alle bereits aufgeführten Facetten der Jugendsprache, sondern lässt zudem Raum für weitere Differenzierungen. Sie versteht die Medienkommunikation (auf Ebene V) als Unterpunkt des domänentypischen Sprachgebrauchs in der Freizeitkommunikation. Adoleszente aller Bildungsgrade bedienen sich be- stimmter Verständigungsformen innerhalb der Medienwelt. Auf Ebene VI ist eine weitere Abstufung möglich, wobei die in dieser Arbeit relevante mediale Kommunikationsform WhatsApp hauptsächlich auf schriftlicher Erschei- nungsweise basiert.

Diese schriftlichen -nennen wir sie primär visuelle- Medien werden geprägt von Ausdrucksweisen, die eher der Gesprochenen Sprache zugeordnet werden können. Die Rede ist hier von einer konzeptionellen Mündlichkeit im Schriftlichen. Bevor jedoch weitere Vertiefungen zu dieser Thematik folgen, sind detailliertere Ausführungen zum Medienbegriff notwendig.

3.1 Alte Medien, neue Medien und neue neue Medien

Der Gebrauch von Medien rückt heutzutage stark in den Lebensmittelpunkt vieler Menschen, denn Medien sind allgegenwärtig. Während vor 40 Jahren Zeitschriften, Bücher oder Fernsehsendungen als hauptsächliche Informations- geber fungierten und der Besitz eines eigenen Computers eine Seltenheit dar- stellte, boomt seit Einbruch der Internet-Ära die Industrie der neuen Technolo- gien. Die Generation der digital natives ist in einem medialisierten Alltag auf- gewachsen.

In der Medienlinguistik sind die genannten alten Medien nicht einmal Gegenstand der Betrachtung, sondern vielmehr die neuen Medien wie Telefon, Tablet oder noch aktuellere, sagen wir neue neue27 Medien, wie es beispielsweise Facebook oder Instagram sind. Dabei hat das Internet einen besonderen Stellenwert inne: Emails fungieren als Ersatz für Briefe; Blogs und Vlogs28 sind die neuen, öffentlich zugänglichen Tagebücher; Chats ersetzen Konversationen mit teils Unbekannten, die sonst in einer Bar stattgefunden hätten und statt Fotoalben zu zeigen genügt ein Blick in das Instagram-Profil29.

Der Medienbegriff befindet sich also in stetigem Wachstum, er wird erweitert um immer neue Plattformen, die versuchen die Menschheit zu erreichen. Doch wo hört der Medienbegriff auf? Sind beispielsweise der Computer und das soziale Netzwerk Facebook Medien im gleichen Sinne?

Eine doch recht uneinheitliche Verwendung des Begriffs Medien veranlasst Holly (1997: 64ff.) dazu, Kriterien zur Unterscheidung dieser Konzepte aufzu- stellen30. So definiert er Medien als Äkonkrete, materielle Hilfsmittel, mit de- nen Zeichen verstärkt, hergestellt, gespeichert und/oder übertragen werden können31 “ (ibid.: 69). Demnach hat sich die oben gestellte die Frage erübrigt: Computer, wie auch andere digitale und mobile32 Geräte gehören zu den materiellen Objekten und werden unter dem Begriff Medium gesammelt.

Interessiert man sich weniger für die im engeren Sinne technische Seite der Medien- entwicklung und mehr für ihre sozialen und kulturellen Implikationen, liegt es nahe, sie im Zusammenhang mit Kommunikationsformen zu sehen. (Holly 1996: 10)

Alles nicht Greifbare, sozusagen Plattformen, die innerhalb der Medien gege- ben sind, also Ävirtuelle Konstellationen von einem bestimmten Zeichenspei- cherungs-oder Übertragungspotential“ (1997: 69) fasst Holly unter dem Termi- nus Kommunikationsformen zusammen. Dazu zählen die althergebrachten Emails, Chats, SMS oder Forenbeiträge, die in der Forschung schon ausrei- chend betrachtet worden sind.

Bei jugendlichen Nutzern lässt sich eine kontinuierliche Entfernung zur SMS feststellen, ihr Dienst wird übernommen von anderen Programmen, sogenann- ten Apps33, wie beispielsweise WhatsApp. Dass Medien und Kommunikations- formen mit der Zeit als überholt einzustufen sind und unter Umständen aus dem Repertoire entfernt werden, liegt nicht ausschließlich daran, dass sie nicht mehr dem gegenwärtigen Stand der technologischen Entwicklung entsprechen. Konditionen wie der Wandel von Raum, Sprecher und Zeit (und mit ihr u.a. Modeerscheinungen) oder auch das Geld34 spielen eine ebenso signifikante Rolle und haben zur medialen Weiterentwicklung beigetragen.

Bei chronologischer Weiterverfolgung kommt eine ganze Ansammlung an ak- tuelleren Kommunikationsformen zum Vorschein. Darunter fällt zum einen die gesamte Bandbreite der Social Medias, wie Facebook, Instagram, Twitter, und zum anderen die Instant Messenger, die teilweise in die Dienste der sozialen Netzwerke integriert sind oder eigenständig existieren, wie etwa ICQ, MSN - oder, um nur ein paar der aktuellen und populärsten zu nennen, WhatsApp, Snapchat, Telegram, Vibe oder Threema.

Holly (1997: 68) stellt eine Reihe an Kriterien auf, anhand derer eine genaue Bestimmung der Kommunikationsformen möglich ist: ÄZeichentyp, Kommunikationsrichtung, räumliche und zeitliche Struktur, Anzahl der Kommunikationsbeteiligten und Kapazität von Übertragung und Speicherung“. Inwiefern WhatsApp eine Kommunikationsform darstellt wird Gegenstand der folgenden Kapitel sein. Zuvor jedoch soll WhatApp (als Untersuchungsgegenstand der späteren Analyse) auf seine Eigenheiten und Vorteile gegenüber anderen Kommunikationsformen beleuchtet werden.

3.2 WhatsApp- die Messaging-App der 2010er: Charakterisierung und Einordnung

Als WhatsApp 2009 entwickelt wurde und auf den Markt kam (vgl. WhatsApp Inc. 2016: online) war man sich des enormen Potentials dieses Instant- Messaging-Dienstes noch nicht bewusst. Auch die Forschung sah sich zurück- geworfen: So Ästehen wir also an dem Punkt, an dem sich die linguistische For- schung in Bezug auf andere Kommunikationsformen […] vor ca. 15 Jahren befand: Es gibt noch keine Forschungsarbeiten zu dieser Kommunikations- form, und es kann auch noch nicht vorausgesetzt werden, dass sie allen Lesern bekannt ist“ (Dürscheid/Frick 2014: 150). Dies hat sich in der Zwischenzeit geändert: Mittlerweile existieren die ersten wissenschaftlichen Auseinanderset- zungen zum Thema WhatsApp und seit der Übernahme durch Facebook im Jahr 2014 geht man von einer rasanten Verbreitung in den letzten zwei Jahren aus, was eine Grafik35 veranschaulichen soll. Die Abbildung zeigt, dass bereits ein knappes Viertel der Welt-Bevölkerung36 zu den WhatsApp-Usern zählt, wobei die App innerhalb Europas vor allem in Spanien und Italien gebräuchlich ist. Ähnlich wie in Deutschland sind es dort deutlich über 50% der Bevölkerung, die regelmäßig37 via WhatsApp kommuniziert.

Wie konnte diese App innerhalb kürzester Zeit zu einem der populärsten Kommunikationsmittel werden? An dieser Stelle sollen nicht nur die Vorteile der Kommunikations-App aufgelistet werden, sondern gleichzeitig eine Ab- grenzung zu anderen (noch) gebräuchlichen Kommunikationsformen stattfin- den.

In erster Linie stellt die Verknüpfung von finanziellem und zeitlichem38 Ersparnis ein signifikantes Motiv dar. Ein positiver Nebeneffekt dabei mag das Nichtvorhandensein von Werbeanzeigen sein, was sich bei (fast) kostenfreien Apps als ungewöhnlich erweist, die Attraktivität dieser jedoch extrem steigert (vgl. Dürscheid/Frick 2014: 162).

An erster Stelle steht jedoch sicherlich, neben dem bereits genannten finanziel- len Aspekt, die dauerhafte Verfügbarkeit. Für manch einen mag diese stets kontrollierbare39 Erreichbarkeit erschreckend wirken40, WhatsApp hingegen - eine bewusst und hauptsächlich als Instant Messenger konzipierte Applikation - zeichnet sich genau durch diese Zugänglichkeit aus. Der bedeutende Unterschied zu den ersten gebräuchlichen IM zeigt sich am Medium: Während ICQ oder MSN nur über den PC verfügbar sind, kann WhatsApp zu jeder Zeit an jedem Ort auf dem Smartphone aufgerufen werden.

Auch Androutsopoulos/Schmidt (2001: 28f.) erkennen: Ä[D]ie Intimität und ‚Heimlichkeit‘ einer 1:1-Kommunikation ‚von überall her‘ nach ‚überall hin‘ […] bietet hier eine ideale Mischung von Beziehungspflege in Abwesenheit und Zeitvertreib in langweiligen Situationen“. In der Zeit der voranschreiten- den Globalisierung stellt das mühelose Kontakthalten mit Freunden aus aller Welt gerade für Jugendliche einen besonderen Reiz dar. Wie in der eben be- schriebenen Abbildung erkenntlich, gilt WhatsApp als weitgreifender, globaler Dienst, der Kommunikation auf unterschiedlichen Ebenen41 ermöglicht. ÄDadurch entsteht eine neuartige Form der [...] Ko-präsenz zwischen Personen über verschiedene Zeitzonen hinweg“ (Dürscheid/Frick 2014: 176). Das spricht zum einen für die örtliche Distanz, aber zugleich für die relative Nähe der Kommunizierenden.

Diese Gegebenheit kann auf der hier abgebildeten Skala von Koch/Oesterreicher (1985: 18) pauschal bei a‘ situiert werden42. Eine solche Typisierung impliziert eine Art Transposition des gesprochenen vertrauten Gespräches auf geschriebener Ebene (vgl. ibid.: 19), das mag auch der Grund für die Wortwahl von Dürscheid/Brommer (2009: online) sein. Sie klassifizieren diese Art von Kommunikationsform als Ägetipptes Gespräch“.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Abstufungen innerhalb des Kontinuums/ Realisierungsformen

Doch damit eine Einordnung auf dem Kontinuum präzisiert werden kann, muss WhatsApp vorerst als Kommunikationsform eingeordnet werden. Auf Basis der vorher skizzierten Kriterien nach Holly (1997: 64ff.) kann Folgendes fest- gehalten werden:

Das Übertragungsmedium Smartphone43 schafft die Voraussetzung für die Kommunikationsform WhatsApp, fungiert sozusagen als Hilfsmittel und bringt eine hohe Speicherungskapazität44 mit (vgl. Androutsopoulos/Schmidt 2001: 4). Zudem existiert keine Limitierung der Zeichenanzahl45, was beispielsweise dazu führt, dass SMS-typische ÄEinsparung[en] von Leerzeichen durch Wort- zusammenschreibungen und die damit verbundene Majuskelsetzung zur Mar- kierung der Wortgrenzen“ (Dürscheid/Frick 2014: 159) oder extremer Ge- brauch von Akronymen und verkürzten Formen wie Ähy pso d sa […] NT1D46 “ (Prodromou 2010: 48) in der WhatsApp-Kommunikation nicht zu finden sind. Stattdessen ergeben sich neue charakteristische Besonderheiten, wie die Gra- phemiteration, doch hierzu später mehr.

Zur Kategorie des Zeichentyps ist bekannt, dass die Kommunikation via WhatsApp in erster Linie auf schriftlichem Kanal stattfindet. Dieser wird er- weitert durch Bilder, Videos, Audio-Nachrichten und einer Sammlung an Emo- ticons und Piktogrammen, die als eigenständige Schriftzeichen wiederum als komplexes Code-System betrachtet werden können. Das Zusammenspiel dieser visuellen und akustischen Elemente formt einen eigenen, spezifischen WhatsApp-Code. Es handelt sich bei diesen Interaktionen zwar nicht konkret um face-to-face-Kommunikation im linguistischen Sinne. Da aber die Bedeutung von Äußerungen in face-to-face-Situationen weder allein durch die verwendeten Wörter noch allein durch Artikulation und Stimme oder durch sichtbare Körperbewegungen […], sondern grundsätzlich unter Zuhilfenahme aller verfügbaren Ressourcen [hergestellt werden], (Dausendschön-Gay 2007: 4)

kann bei WhatsApp mit den getippten Nachrichten, den Voicemails und den Emoticons, die als mediales Äquivalent für Mimik, Gestik und Bewegungen stehen, von einer gewissen Multimodalität gesprochen werden, was WhatsApp wiederum einen Schritt näher an die face-to-face-Kommunikation bringt.

Was die Kommunikationsrichtung betrifft, charakterisiert sich WhatsApp vor allem durch seine Dialogizität, die an dieser Stelle mit Blick auf den Smart- phonebildschirm, also anhand eines Screenshots veranschaulicht werden soll.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Aufbau eines Nachrichtenfens- ters auf WhatsApp

Die Wechselseitigkeit wird auch für den Nutzer anschaulich präsentiert: Wäh- rend linker Hand die Nachrichten des Empfängers dargestellt werden, stehen rechtsbündig und grün hinterlegt die des Senders. Die dunkelgrüne Leiste im- pliziert mehrere Funktionen: Mit einem Klick auf das Telefonhörer-Zeichen können kostenfreie Anrufe getätigt werden, während die Büroklammer ein wei- teres Menü mit zahlreichen Funktionen öffnet47. Die drei Punkte führen zu den Einstellungen. Links hingegen können Informationen zum Gegenüber, dem jeweiligen Kommunikationspartner entnommen werden. Beteiligt sind im Normalfall zwei sich bekannte Personen48 (1:1). Als Sonderfall zählt der von WhatsApp angebotene Gruppenchat49, zu dem bis zu 256 Teilnehmer eingela- den werden können50 (vgl. WhatsApp Inc. 2016: online). Der Beziehungsgrad stellt den großen Unterschied zu herkömmlichen, öffentlichen Chats dar, bei denen insbesondere mit Unbekannten kommuniziert wird. Zudem entfällt der Gebrauch von Nicknames, die Anonymität des Chats geht also verloren. Der Öffentlichkeitsgrad, ein von Koch/Oesterreicher (1985: 19) eingeführter Parameter, ist gering, da die Teilnehmer auf privater Ebene kommunizieren. Weiterhin stellen sie die Kategorien Themafixierung und Spontaneität auf. Was WhatsApp betrifft, verläuft die Entwicklung der Themen dynamisch und oft spontan, auch wenn zu bedenken ist, dass eine getippte Nachricht noch vor dem Versenden kurzfristig verändert werden kann, denn Ä[i]n der geschriebe- nen Sprache […] wird ein erhöhter Planungsaufwand (Reflektiertheit) auf Grund der Situationsferne notwendig“ (ibid.: 20). Eine affektive Teilhabe ist dank der häufig emotionalen Bindung der Beteiligten zu erkennen. Anhand dieser Einordnung sollte bereits deutlich geworden sein, dass WhatsApp eine enorme Vielfalt an Nutzungsmöglichkeiten bietet und somit gegebenenfalls ältere Kommunikationsformen ablösen kann oder wird51. Dür- scheid/Frick (2014: 152) sind sich dessen bewusst und überarbeiten, anknüp- fend an Holly, die Begrifflichkeit der Kommunikationsform. Aus ihrer Sicht stellt WhatsApp nämlich keine Kommunikationsform, sondern eine Kommuni- kationsplattform dar, Äda hier verschiedene Kommunikationspraktiken neben- einander nutzbar sind“. WhatsApp wird demnach durch eine Konvergenz un- terschiedlicher Kommunikationsformen charakterisiert, eine Eigenschaft, die zur Attraktivität dieser App maßgeblich beiträgt.

Was die Struktur von Zeit und Raum betrifft, kann WhatsApp als Äquasi- synchrone Kommunikation wie im Chat/Instant Messaging“ (Arens 2014: 82) anerkannt werden, da die Produktion der Nachrichten und das Empfangen mit- unter zeitlich so unmittelbar, eben instant, wie ein face-to-face-Gespräch ab- laufen und somit die räumliche Distanz quasi überwunden wird (vgl. Holly 1996: 15). Eine exakte Bestimmung vorzunehmen erweist sich jedoch als problematisch. Dürscheid (2005: online) schreibt dazu:

Es ist [zwar] eine Kommunikation, die quasi in Echtzeit erfolgt[, d]ennoch ist es nicht berechtigt, den Chat als eine synchrone Form der Kommunikation zu bezeichnen. Die Kommunikationspartner sehen nicht, wie die Äußerung des anderen am Bildschirm entsteht; sie können also auch nicht intervenieren, unterbrechen, sich simultan äußern - all das, was sie als Zuhörer tun könnten. Insofern ist es falsch, den [Instant- Messaging-]Chat mit einem Gespräch gleichzusetzen. Es fehlt ein wichtiges Merkmal, die Simultaneität von Produktion und Rezeption der Äußerung.

Übereinstimmend mit Dürscheid soll an dieser Einschränkung festgehalten werden.

Nun werden abschließend die Kategorien der Kommunikationsform WhatsApp zusammenfassend dargestellt und in Anlehnung an Janssen (2016: 47) und Koch/Oesterreicher (1985: 19ff.) erweitert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Angelehnt an die Tabelle von Holly (1996: 12) ergibt daraus für WhatsApp folgende Charakterisierung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dieses Schema fasst die verschiedenen bei WhatsApp zusammenwirkenden Kanäle zusammen und veranschaulicht die Realität, dass

die elektronische Kommunikation […] nun daran [geht], die Schwächen der Schrift, ihre Reduzierung auf körperentbundene, statische Zeichen, durch eine neue Äsekundäre Oralität“ […] so weit wie möglich zu kompensieren. (ibid.: 14)

Das Stichwort Oralität führt uns zurück zu Koch/Oesterreichers Modell zur Nähe und Distanz und eröffnet an dieser Stelle einen kleinen Exkurs zur konzeptionellen Mündlichkeit.

3.3 Konzeptionelle Mündlichkeit in den neuen Medien

Das Nähe- und Distanz-Modell nach Koch/Oesterreicher (1985) ist in der For- schung bereits ausreichend diskutiert und kritisiert52 worden, weshalb es an dieser Stelle nur in Hinblick auf die konzeptionelle Mündlichkeit betrachtet wird.

Das von den Autoren angenommene Kontinuum erstreckt sich graduell vom Pol der Schriftlichkeit zum Pol der Mündlichkeit. Zwischen den Modi ordnen sich die verschiedensten Textsorten u.a. nach graphischem und phonischem Code ein. Zudem erfolgt die Zuordnung53 auf dem Kontinuum nach einer Auswahl von Kategorien, welche im vorherigen Kapitel benannt wurden. In Anlehnung an die bereits vorgenommene Klassifizierung nähert sich die WhatsApp-Kommunikation der konzeptionellen Mündlichkeit. Die Besonder- heit dabei liegt in ihrer Doppelmodalität. Nachrichten, die via WhatsApp ver- schickt werden, zeichnen sich durch mediale Schriftlichkeit aus, da Buchstaben in einem Medium produziert werden, während sie auf konzeptioneller Ebene eher mündlich ausgerichtet sind. Die Umsetzung des Chattens über WhatsApp ist wegen der verwendeten Ausdrucksweisen also stark an die Oralität ange- lehnt. (vgl. ibid. 17f.)

Die klassische, anonyme Chat-Kommunikation hingegen weist laut der groß- angelegten TIC-Studie des Instituto de la juventud (vgl. 2007: 62) kaum Münd- lichkeitsmarker auf. Das mag an dem Verhältnis der Interagierenden liegen. Eine enge interpersonelle Beziehung erlaubt eine gewisse Informalität, oder wie Gómez Torrego (2001: online) passend ausdrückt, eine Ärelajación lin- güística“, welche jene nähesprachlichen Codes bedingt, die Koch/Oesterreicher (1985: 19) ÄVersprachlichungsstrategien der sprachlichen Nähe“54 nennen.

Neben diesen konkreten Strategien werden weiterhin universal mündlichkeit- bedingte Merkmale wie “inmediatez, improvisación formal, expresión del sen- tido por aproximación, fluidez, comunicabilidad, alternancia/ reversibilidad interlocutiva, fugacidad, imprevisibilidad, dependencia del aquí-ahora” (Insti- tuto de la juventud 2007: 57) als konstitutiv für die konstitutionelle Mündlich- keit erachtet.

3.4 Mediensprache oder Jugendsprache?

Die Jugendsprache wird häufig als eine Sprache der Minderheit abgegrenzt, während die Mediensprache (bzw. die Medienwissenschaft) sich mit öffentli- chen, aktuellen Kommunikationsformen beschäftigt und sozusagen ein Mas- senphänomen darstellt. Wo aber soll die Art des Kommunizierens, wie sie in den neuen Medien oder explizit in WhatsApp üblich ist, eingeordnet werden? Handelt es sich dabei um allgemeingültige Resultate der Medienkommunikati- on oder um Formen, die ausschließlich innerhalb der Jugendkulturen geläufig sind?

Bei einer Korpus-Untersuchung zum medialen Diskurs des Themas Jugendsprache fand Spitzmüller (vgl. 2006: 43) heraus, dass bei einem geringen Anteil der analysierten Artikel die Rede ist von der Jugendsprache als Konstrukt der Medien. Darauf entgegnet Neuland (2008: 18): ÄDas Thema Jugendsprache ist von seiner medialen Vermarktung nicht zu trennen“.

Es kann davon ausgegangen werden, dass Medien- sowie Jugendsprache sich reziprok bedingen. Medien werden als ÄPromotoren [des] sprachlichen Wandels“ (Neuland 2008: 83) oder zumindest als ÄPromotoren der Stilverbreitung […] [und] Stilbildung“ (ibid.: 88) angesehen. Sie greifen neue Ausdrucksweisen der Jugendlichen begierig auf, um sie für ihre Zwecke zu benutzen, d.h. sie verbreiten sie, was, wie bereits erläutert, zur Standardisierung oder Kommerzialisierung der Termini führen kann. (vgl. ibid.)

Vice versa üben die Medien einen gewissen Einfluss auf die Sprache der Ju- gendlichen aus, wobei die Jugendlichen, Ädem sog. Bricolage-Prinzip folgend [,] Medienzitate aufnehmen, sich also Äußerungen aus der Werbung, aus be- liebten Kinofilmen, Liedern etc. beziehen und diese mimetisch zitieren oder spielerisch verfremden“ (Dürscheid 2006: 118). Es etabliert sich also eine Art Kreislauf zwischen Mediensprache und Jugendsprache. Somit besteht berech- tigterweise die Möglichkeit von Deckungsgleichheit bestimmter lexikalischer Formen.

Ein weiterer Aspekt, der beide Sprachformen zu gleichen Teilen bedingt, ist der stetige Wandel, dem die Jugend-sowie Mediensprache unterliegen, was bereits Koch/Oesterreicher (1985: 32) vor drei Jahrzehnten erkannten: ÄTech- nische Veränderungen im Bereich des Mediums verändern die Teilhabe an der Schriftkultur bekanntlich massiv. […] [Zudem] führen mediale Umwälzungen in der Kommunikation […] zu einschneidenden Veränderungen“.

Der Status stetiger Veränderung ist geprägt von lexikalischen Neubildungen, Sinnverschiebungen oder Auslöschungen nicht mehr gebräuchlicher Begriffe bis hin zu anderweitig modifizierten Ausdrucksweisen. So führt, um nur ein Beispiel zu nennen, die Zeichenlimitierung bei der SMS zu neuen linguisti- schen Formen, wie beispielsweise die Akronymisierung aus Gründen des Platzsparens. Kurz gefasst: Die Sprache formt sich nach dem Bedürfnis der Sprecher. Es herrscht also nahezu Einigkeit darüber, dass Medien- und Jugend- sprache nicht deckungsgleich sind, aber mediale Ressourcen bis zu einem ge- wissen Grad von Jugendlichen verwendet werden und Medien sich ausgewähl- ter jugendlicher Ausdrucksweisen annehmen.

Anlehnend an die Konzepte Jugendsprache und Mediensprache existieren in Hinblick auf das Medium WhatsApp zwei bestimmende Faktoren: Zum einen schafft das Repertoire der technischen und expressiven Möglichkeiten, die von WhatsApp geboten werden, Raum für neuartige Ausdrucksweisen. Zum ande- ren, und in Bezug auf die soziale Ebene, sind es die individuellen Interaktions- stile, die von den jeweiligen (Jugend-)Gruppen durch ihre gemeinsame Ge- schichte und durch geteiltes Wissen bedingt werden. Jugendsprache und Medi- ensprache treffen hier aufeinander. In welchem Ausmaß und an welchen Stel- len genau die Jugendsprache medial bedingt oder die WhatsApp- Kommunikation jugendsprachlich markiert ist, wird sich im Analyseteil her- ausstellen.

III Korpusanalyse

1 Korpusbeschreibung

Das Korpus besteht aus rund 2140 Einzelnachrichten vier verschiedener Grup- penchats und wurde im Laufe des letzten Halbjahres (Mai-September 2016) erhoben. Die analysierte Personengruppe setzt sich aus Studierenden55 zusam- men, die sich etwa im gleichen Alter der späten Adoleszenz bewegen (bis ein- schließlich 26) und in Italien oder Spanien leben. Bezüglich der Beziehungen der Partizipanten zeichnen sich alle vier Gruppen durch enge freundschaftliche Verhältnisse aus, wobei es sich teilweise um Kommilitonen verschiedener Herkunft handelt, ferner auch um Cliquen, die sich bereits aus ihrer Heimat- stadt kennen56. So besteht eine der vier untersuchten Gruppen ausschließlich aus Italienern (maskulin), eine andere ausschließlich aus Italienerinnen und die anderen zwei jeweils aus Studentinnen oder Studenten aus Spanien, wie die folgende Grafik noch einmal verdeutlichen soll.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Zusammenstellung des Korpus

Die relative Homogenität der untersuchten Personen bezüglich des Geschlechts und des Alters garantiert eine gewisse Vergleichsbasis. Der zusätzlich berück- sichtigte Faktor Nationalität/Sprache wird Gegenstand der kontrastiven Analy- se.

Da es sich bei WhatsApp-Chats nicht um öffentlich zugängliche Chaträume, sondern um private Kommunikation handelt, liegt die Problematik bei der Erhebung des Datenmaterials darin, Freiwillige zu finden, die ihren Chatverlauf zur Verfügung stellen57. Zudem bedarf es der Bereiterklärung aller Mitglieder des Gruppenchats für die Nutzung und den Druck ihrer Nachrichten. Um Anonymität zu gewähren, werden die Namen58 aller Partizipanten systematisch durch Kürzel ersetzt. So steht beispielsweise das Akronym AMS für Teilnehmer A, der maskulin und spanischer Nationalität ist und CFI für die italienische, feminine Teilnehmerin C. Diese Art der Anonymisierung soll später für die Gegenüberstellung von Beispielen von Vorteil sein.

Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Interpretation und Dechiffrierung der Nachrichten. Oftmals ist eine Entschlüsselung nur den zugehörigen Mitgliedern möglich, da teilweise spezifische Ausdrücke im Gebrauch sind, die für Außenstehende ohne Hintergrundwissen nicht zu ergründen sind. Deshalb erwies es sich für diese Korpusanalyse als unabdingbar, Rücksprachen mit den jeweiligen Mitgliedern zu treffen, um etwaige kontextbezogene Unklarheiten oder unbekannte Begriffe erläutert zu bekommen.

2 Methodische Vorgehensweise bei der Korpusanalyse

Im Mittelpunkt dieser Analyse steht nicht die Whatsapp-Sprache, sondern das Spektrum des sprachlichen Ausdrucks von Jugendlichen innerhalb dieser Kommunikationsform.

Die Untersuchung der gegebenen sprachlichen Ressourcen ist in drei Bereiche gegliedert: Zum einen werden die spezifisch von WhatsApp gebotenen Funkti- onen hinsichtlich ihrer Anwendung und Frequenz untersucht. In einem weite- ren Schritt werden sprachliche Konstitutionsverfahren auf linguistischer Ebene beleuchtet - und zwar jeweils für italienische und spanische Beteiligte59. Dazu zählen u.a. lexikalisch-semantische, orthographische oder grammatikalische Aspekte. Ferner werden besondere Stilmerkmale und nähesprachliche Aus- drucksweisen im Sinne der konzeptionellen Mündlichkeit beim primär schrift- lichen Medium berücksichtigt.

Zum anderen liegt die Aufmerksamkeit im dritten Teil der Analyse bei der Variable Geschlecht. Im Hinblick auf zwei exemplarische kommunikative Gattungen soll der geschlechterspezifische Sprachgebrauch ermittelt und etwaige Differenzen diskursanalytisch herausgestellt werden.

Um einen Eindruck über den Sprachgebrauch der jeweiligen Gruppe(n) zu bekommen, werden demnach hauptsächlich qualitative Untersuchungen vorgenommen; die quantitative Untersuchung, welche u.a. Frequenzen errechnet, dient der Anschauung, besitzt aber keinerlei repräsentativen Charakter, denn dafür bedarf es eines umfangreicheren Korpus.

Die übergeordneten Fragestellungen lassen sich wie folgt resümieren:

1. Welche Gemeinsamkeiten und Divergenzen lassen sich zwischen den italienischen und spanischen Gruppen innerhalb der sprachstrukturellen Muster und Verfahren erkennen? Welche Rolle spielt dabei das Medi- um bzw. die benutzte Kommunikationsform WhatsApp und in welchem Ausmaß beeinflusst die Jugendsprache die untersuchte Interaktion?
2. Lassen sich geschlechtertypische Sprechmuster innerhalb der WhatsApp-Kommunikation erkennen?

Die methodologische Vorgehensweise läuft darauf in mehreren Schritten ab.

1. Das Korpus wird zusammengestellt, die Teilnehmer anonymisiert.
2. Zu jedem der vier Teilkorpora wird eine Datensammlung mit In- formationen zu den Teilnehmern erstellt60.
3. Die Auswahl der Vergleichskriterien festigt sich nach dem ersten Le- sen.
4. Gegebenenfalls muss in Rücksprache mit den Verfassern Hintergrund- wissen eingeholt werden, um die Nachrichten im jeweiligen Kontext verstehen zu können.
5. Das Korpus wird auf die Vergleichskriterien untersucht, Beispiele und Häufigkeit werden mit Seitenzahl vermerkt.
6. Die Themen der Dialogstränge und die jeweilige Dialoglänge werden notiert.
7. Die Ergebnisse bezüglich der Häufigkeit des Auftretens bestimmter Merkmale werden tabellarisch zusammengefasst, als Diagramme dargestellt und verglichen (quantitative Analyse).
8. Exemplarisch werden signifikante Beispiele und Ergebnisse ausgewählt und gegenübergestellt (qualitative Analyse).
9. Ergänzende WhatsApp-Fragebögen61 unterstützen die Ausführungen zu bestimmten analysierten Merkmalen. Hierbei handelt es sich nicht um Fragebögen im klassischen Sinn, sondern um ein am Untersuchungsge- genstand orientiertes Verfahren. Fragen und Antworten werden direkt über die Kommunikationsform WhatsApp ausgetauscht, was die For- schung auf die Ebene des benutzten Mediums bringt und verschiedene Vorteile birgt: Authentizität, praktische Verbreitung und Weiterleitung des Fragebogens in kurzer Zeit, Verwenden des WhatsApp-typischen Schriftcodes (Emoticons).

[...]


1 Während Internetkommunikation Jugendlicher und auch SMS-Kommunikation bereits einen viel betrachteten Forschungsschwerpunkt bildet (vgl. Androutsopoulos/Schmidt 2001), findet das Medi- um Smartphone nur allmählich Berücksichtigung in der Forschung. Auf Grund der Aktualität ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung unter dem Gesichtspunkt von WhatsApp und vor allem in- nerhalb der Romanistik noch unterrepräsentiert. Erste Publikationen zum Thema stammen von Bahlo/König (2014) und Dürscheid/Frick (2014). Ein weiteres großflächiges Projekt, das, gleichwie die vorliegende Arbeit, auch die sprachlichen Merkmale untersucht, läuft zurzeit (vgl. What’s up, Deutschland? 2016: online).

2 Der Terminus Jugendsprache wird aus praktischen Gründen im Folgenden im Singular gebraucht und mit JS abgekürzt, auch wenn von einer Jugendsprache nicht die Rede sein kann. (Näheres hier- zu in Kapitel 1.4).

3 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass aus Gründen der Lesbarkeit die maskuline Personen- bezeichnung gewählt wird. Sämtliche Formen gelten, insofern nicht anders markiert, für beide Ge- schlechter.

4 Dafür sind großflächige empirische Studien notwendig. Das begrenzte Korpus dieser Arbeit bietet keine Grundlage für eine Generalisierung von spezifisch italienischem/spanischem oder männlich/weiblichem Sprachgebrauch. Vielmehr wird der Fokus exemplarisch auf die Besonderheiten und Merkmale der vier Gruppenchats gelegt.

5 Näher hierzu im Kapitel 3.3 (Konzeptionelle Mündlichkeit in den neuen Medien).

6 So definiert das Politiklexikon (vgl. 2016: online) Jugend als Phase zwischen Kindheit und Er- wachsensein und setzt die Grenze bei etwa zwanzig Jahren. Rein biologisch betrachtet beginnt diese Phase mit dem Eintritt der Pubertät. In der Rechtssprache spricht man von Jugendlichen im Alter von 14 bis 19 Jahren.

7 Auch erwachsene Sprecher bedienen sich immer häufiger des jugendlichen Registers. Eine gewisse Osmose ist auch zwischen Standardsprache und (kolloquialer) Jugendsprache zu beobachten. Hiermit beschäftigt sich ausführlicher das Kapitel 1.4.

8 Als Health-Goths bezeichnen sich sportliche, auf gesunde Ernährung achtende Gothic-Anhänger, oder knapp formuliert: ÄClean Chic trifft Death Metal trifft Power Yoga” (Hamburger Morgenpost 2016: online). Sea-Punks hingegen stellen eine ÄMikrokultur [dar, die] vor allem online unter dem hashtag #seapunk […] seit 2011 die sozialen Medien überschwemmt: in Form von animierten Wel- len, Delphinen, Smileys und Meerjungfrauen. Dort begegnen einem auch Neon-Nixen mit aquama- ringefärbten Haaren, die 90er-Jahre-Tattoo-Ketten, Plastik-Schnuller und türkise Sonnenbrillen tragen“ (ibid.).

9 Künftig abgekürzt mit IM.

10 Hierzu mehr in den Analysedarstellungen (Kapitel III.3.1 - Kommunikation auf neuen Wegen).

11 TIC steht für Tecnologías de la información y comunicación. Mittlerweile schließen diese auch Instant-Messaging Dienste ein, auch wenn beispielsweise WhatsApp zum Zeitpunkt der Publikation noch nicht auf dem Markt war. Trotzdem können die Ergebnisse dieser Studie bedenkenlos über- nommen werden.

12 Zum spielerischen Sprachumgang zählen u.a. Verfremdungstechniken. Dabei werden Begriffe teilweise stark modifiziert, dass eine Dechiffrierung sogar Kreativität seitens des Empfängers fordert. Graffe (2014: 55) sieht diese reziproke Kreativität als Voraussetzung für funktionierende (Gruppen-)Gespräche, wobei eine gelungene ÄRezipientenorientierung“ erst stattfindet, wenn Äsich die Interagierenden in ihren Nachrichten sowohl inhaltlich als auch sprachlich explizit an den Wissenshintergrund, den sie beim Interaktionspartner voraussetzen“, halten.

13 Diese Abundanz von Begrifflichkeiten wird weitergeführt im Spanischen, wie auch im Italienischen: Älinguaggio giovanile, lingua dei giovani, linguaggio dei giovani, italiano dei giovani, giovanilese, gergo giovanile, varietà giovanili, uso linguistico giovanile, solo per menzionare quelle più ricorrenti“ (Fusco 2007b: 34). Es werden sogar Neologismen wie ÄIuventolekt“ (Dittmar 1997: 230) herangezogen, um das Phänomen JS zu determinieren.

14 Cortelazzo beschreibt die linguistische Realität Italiens, die Einteilung kann jedoch mit ein paar Ausnahmen und Einzelfällen als für Jugendsprachen allgemeingültig angesehen werden.

15 Cortelazzo bezieht sich hauptsächlich auf die Lexik.

16 Das kann durchaus einige Jahre bis Jahrzehnte dauern.

17 Ä‘In die Standardsprache eingehen‘ heißt nicht, […] daß [sic!] ein Gremium den Gebrauch in der anderen Varietät […] erlaubt, sondern daß […] die Sprecher das Element in formellen Situationen […] gebrauchen“ (Zimmermann 2003: 34). Grundsätzlich gilt: Sobald ein Wort in einem seriösen Nachschlagwerk aufgeführt wird, hat es seinen ursprünglich komplett jugendsprachlichen Charakter verloren (ausgenommen es ist stilistisch markiert).

18 Scholz (2004) beschäftigt sich in seinem Aufsatz Subcultura e lingua giovanile in Italia vorwiegend mit der Lexik italienischer Hip-Hopper.

19 An dieser Stelle sei zu bemerken, dass das Auftreten von JS hauptsächlich von (Groß-)Städten (und nicht provinziellen Gegenden) ausging und sich von dort aus verbreitete. Gründe dafür sind sicherlich die Distanz zum Dialekt und die vergleichsweise hohe prozentuale Rate an Jugendlichen, die die Schule besuchen.

20 Personen, die sich vor allem durch ihr generelles Desinteresse auszeichnen.

21 Dabei steht movida nicht nur für die Szene, sondern wird seitdem auch als Terminus für ÄBom- benstimmung“ (£qué movida!) oder ÄRadau“ im Sinne von juerga oder jaleo (vgl. RAE. Diccionario de la lengua española 2014: online) gebraucht, eben das, was die Zeit der movida madrileña aus- macht.

22 Auch heute noch sind zahlreiche aus dem caló stammende Begriffe im Umlauf. Vor allem in südspanischen Gebieten wie Andalusien, wo sich ein Großteil des spanischen gitano-Volks aufhält, sind vereinzelte Begriffe v.a. in jugendsprachlichem Gebrauch.

23 Interessanterweise sind die aufgeführten Begriffe pejorativ markiert. Während die ursprünglich aus dem gehobenen Mittelstand kommenden pijos durch Markenklamotten und den sogenannten postureo (jugendsprachlich für: zeigen, was man hat; Effekthascherei) auffallen, kann bei den canis (weiblich: chonis) nicht wirklich von einer Subkultur im engeren Sinne gesprochen werden, da die identitätsstiftende Funktion wegfällt. Denn ein Mitglied dieser Gruppierung würde sich selbst nicht als cani bezeichnen, auch wenn alle Merkmale (aus der sozialen Unterschicht, grober Goldschmuck, sportliche Kleidung, provinzielle Sprechweise) übereinstimmen. Die Gruppe der perroflautas nähert sich am ehesten den Hippies. Auffällig sind zu Rastalocken frisierte Haare und ein besonderer Mu- sikstil. Ferner existiert die Gruppe der ninis - Jugendliche, welche ni estudian, ni trabajan.

24 Radkes Antwort im Jahr 1998 ist darauf ist sein italienisches Jugendsprachewörterbuch der Mikrodiachronie. Es stellt sich als eines der ersten korpusbasierten JS-Nachschlagewerke mit wissenschaftlichem Hintergrund für den italienischsprachigen Raum heraus.

25 Mittlerweile wurde u.a. in den Bereichen der Pragmatik, Syntax oder Diskursanalyse in der spanischen und italienischen Jugendsprachforschung publiziert. Es liegt jedoch nahe, dass die Lexik der JS die am häufigsten beschriebene Disziplin bleibt.

26 Von whatsappamento, whatsappata bis hin zu whatsappite (scherzhaft für die Whatsapp-Sucht) ist alles denkbar (vgl. Olmastroni, Accademia della Crusca 2015: online).

27 Da der Ausdruck neue Medien schon mitunter vor zwanzig Jahren aufkam, ist eine Aktualisierung notwendig. Neue neue Medien bezeichnen u.a. weitere Unterarten oder Technologien, die erst seit 5-10 Jahren auf dem Markt sind.

28 Video-Blogs - eine neue, audiovisuelle Form des Blogs, die vor allem auf der Plattform YouTube verbreitet ist.

29 Instagram ist ein soziales Netzwerk, in dem Fotos und Videos bearbeitet, verbreitet und kommentiert werden können.

30 In den nachfolgenden Ausführungen sollen die Termini Medien und Kommunikationsformen deshalb nach seiner Auffassung verstanden werden.

31 Qua Definition müsste demnach das Internet als nicht-greifbares Datennetz ausgeschlossen wer- den.

32 Auch an dieser Stelle stößt man auf die terminologische Problematik: Ist die Rede von digitalen, computer- oder internetbasierten, elektronischen oder mobilen Medien/Kommunikationsformen oder vielleicht von der ÄKeyboard-to-Screen-Kommunikation“ (Jucker/Dürscheid 2012)? Eine eindeutige Antwort ist nicht möglich, vielmehr hängt die schließlich gewählte Bezeichnung vom jeweiligen Analyseausgangspunkt ab.

33 Gebräuchliche Kurzform für Applikationen- Anwendungsprogramme, die man auf Smartphones laden kann.

34 Im Hinblick auf den finanziellen Aspekt lässt sich der große Zuspruch, den WhatsApp erhält, durch den günstigen Anschaffungspreis erklären. Während man für jede SMS einen geringen Cent- betrag zahlt, kostet die Anschaffung von WhatsApp einmalig 99 Cent. Nun mag man meinen, dass bei Besitz einer sog. Flatrate die Möglichkeit besteht, für einen Festpreis eine unbegrenzte Anzahl an SMS zu versenden, trotzdem zeigt sich WhatsApp als günstigere und vor allem ansprechendere und nutzerfreundlichere Alternative.

35 Siehe Abb. 15 im Anhang.

36 In dieser Umfrage wurden 16-65-Jährige Mobiltelefonnutzer befragt.

37 Regelmäßig bedeutet - zumindest bei 50% der Befragten - mehrmalige Benutzung am Tag (vgl. GlobalWebIndex 2016: online).

38 Gerade in stressbeladenen Situationen ist die Funktion der Audio-Nachricht beliebt. Eine Art Memo wird schneller an den Kommunikationspartner versendet, als eine SMS oder eine anderweitig getippte Nachricht, bei der ein Mindestmaß an Konzentration gefordert ist. Voicemails hingegen können auch unterwegs und ohne großen Aufwand zeitsparend verfasst werden.

39 Auf dem Bildschirm ist der Status (online/Zeitpunkt) des jeweiligen Gegenübers nachvollziehbar. Außerdem wird angezeigt, wenn eine Person gerade eine Nachricht tippt. Im Gegensatz zu anderen Kommunikationsformen wie SMS, Email oder Chat weist WhatsApp eine weitere Funktion auf, die dem Versender deutlich macht, ob die versandte Nachricht empfangen worden ist bzw. gelesen wurde. Dies wird durch zwei graue bzw. blaue Haken dargestellt (zu sehen in Abb. 5, S.23). Besonders die Existenz der blauen Häkchen übt einen gewissen Druck auf den Rezipienten aus, direkt antworten zu müssen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, diese Funktion individuell am eigenen Smartphone auszustellen.

40 Schlagzeilen wie ÄWhatsApp kriegt Post vom Anwalt“ (FAZ 2016: online) bieten Angriffsfläche für Kritik wegen datenschutzrechtlicher Angelegenheiten.

41 Konträr zu Diensten wie Skype, die sich ausschließlich auf visueller Ebene im Sinne von Videoübertragung bewegen.

42 Insofern es sich bei dem Dialog um Beteiligte handelt, die in freundschaftlicher Beziehung zueinander stehen und ihre Kommunikation in graphischer Form realisieren.

43 Der Gebrauch von WhatsApp wird synchron auch über den PC ermöglicht. Bedingung dafür ist, dass das jeweilige Mobiltelefon eingeschaltet ist. Das Smartphone bleibt jedoch das hauptsächlich benutzte Medium für WhatsApp.

44 Interaktionsverläufe von WhatsApp lassen sich lange Zeit zurückverfolgen und auch per Mail versenden, insofern dasselbe Gerät verwendet wird und der Nutzer selber keine Löschung vor- nimmt.

45 Trotzdem kann bei der Nachrichtenlänge, wie es sich im Analyseteil herausstellen wird, kein signifikanter Unterschied zwischen SMS und WhatsApp festgestellt werden. Vielmehr liegt der Unterschied in der Quantität von Nachrichten.

46 ÄHoy paso de salir, no tengo un duro” (Heute gehe ich nicht aus, ich habe keine müde Mark mehr).

47 So existieren Buttons, über welche Fotos, Videos oder Audionachrichten, sogenannte Voicemails, aufgenommen und direkt versandt werden können. Ferner besteht die Möglichkeit, Dokumente, Lieder oder Bilder aus dem Archiv des eigenen Smartphones zu teilen, Kontakte aus dem Telefonbuch zu importieren oder gar den aktuellen Standpunkt via GPS zu senden.

48 Um miteinander kommunizieren zu können, muss die jeweilige Mobilfunknummer bekannt und eingespeichert sein.

49 Zu den Auswirkungen dieser neuartigen Funktionen auf das Sprachverhalten siehe Kapitel III.3.1.

50 Der Einladende muss also in einer gewissen Beziehung zu den Eingeladenen stehen, denn es handelt sich um einen nicht öffentlich zugänglichen Raum. Erfahrungsgemäß wird die maximal mögliche Teilnehmerzahl nicht erreicht, sondern beläuft sich üblicherweise durchschnittlich auf 5 bis 10 Personen.

51 Es vereint die Möglichkeit kurze (wie die SMS) oder lange (wie die Email) Nachrichten oder Bilder (wie die MMS) an eine oder mehrere Personen (wie der ursprüngliche Chat) zu versenden, gekoppelt mit der Funktion des Telefonierens (wie beim Anruf) - und das zudem kostenfrei (wie bei Skype).

52 Vgl. Ágel/Hennig (2007).

53 Von einer pauschalisierten Zuordnung sei jedoch abzuraten (vgl. Janssen 2016: 49).

54 Ausführlicher zu den Mündlichkeitsmarkern im Analyseteil (Kapitel III.3.2.4).

55 Nach eigenen Angaben nutzen sie die Applikation WhatsApp intensiv seit mehreren Jahren täg- lich.

56 Weitere persönliche Informationen zu den Beteiligten sind bekannt und werden bei Bedarf heran- gezogen.

57 Beim vorliegenden Korpus ist sichergestellt, dass es sich tatsächlich um authentisches Material handelt, da sich die Textproduzenten beim eigentlichen Schreibprozess noch nicht bewusst waren, dass ihr Chatverlauf für sprachwissenschaftliche Analysen benutzt würde, was eventuell zu (unter-) bewussten Verfälschungen hätte führen können.

58 Das direkte Ansprechen der Teilnehmer von anderen Gruppenmitgliedern wird nicht zensiert, da unterschiedliche Kosenamen oder Modifizierungen der eigentlichen Namen durchaus zum zu unter- suchenden Korpus gehören. Zudem wird auf eine Anonymisierung von Ortsnamen oder Institutio- nen verzichtet.

59 Zimmermann (2008: 170) erklärt, weshalb sich die kontrastive Analyse als kompliziert herausstel- len kann: Ä[D]ie Dimensionen der Jugendsprache [sind] so vielfältig, dass für jede Dimension ein eigener Vergleich nötig wäre und ein Gesamtkontrast deshalb ein Komplex von Vergleichen ver- schiedener Einzeldimensionen wäre“. Aufgrund der Komplexität der untersuchten Teilbereiche und des begrenzten Ausmaßes dieser Arbeit werden nur die Variablen berücksichtigt, die signifikant resultieren. So stellt sich beispielsweise ein direkter Vergleich von Phrasemen als problematisch heraus, da innerhalb dieses begrenzten Korpus das Vorkommen bestimmter Begriffe nicht garantiert und somit nicht vergleichbar ist. Stattdessen soll auf musterhafte Besonderheiten eingegangen wer- den.

60 Siehe Anhang, S. 109ff.

61 Siehe Abb. 17 im Anhang.

Ende der Leseprobe aus 160 Seiten

Details

Titel
Kommunikationsstile italienischer und spanischer Jugendlicher in WhatsApp und digitalen Medien
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Romanistik)
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
160
Katalognummer
V369995
ISBN (eBook)
9783668480285
ISBN (Buch)
9783668480292
Dateigröße
2670 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jugendsprache, WhatsApp, Kommunikationsmodelle, Medien, konzeptionelle Mündlichkeit, Gruppenchats, Analyse, Kommunikationsstrategien, Gender
Arbeit zitieren
Theresa Otto (Autor:in), 2016, Kommunikationsstile italienischer und spanischer Jugendlicher in WhatsApp und digitalen Medien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/369995

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