Steuerhinterziehung. Eine Betrachtung des gesellschaftlichen Problems aus steuerpsychologischer Sicht


Bachelorarbeit, 2005

41 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1.) Einleitung

2.) Definition, Erscheinungsformen und Ausmaß der Steuerhinterziehung
2.1.) Abgrenzung der Steuerhinterziehung von der Steuerausweichung
2.2.) Ausmaß der Steuerhinterziehung
2.2.1.) Die Größe der Schattenwirtschaft
2.2.2.) Ausmaß der Kapitalflucht

3.) Ursachen der Steuerhinterziehung
3.1.) Das Grundmodell rationaler Steuerhinterziehung
3.1.1.) Einführung in das Grundmodell
3.1.2.) Ergebnisse des Grundmodells
3.1.3.) Kritik des Grundmodells
3.2.) Der steuerpsychologische Ansatz
3.2.1.) Steuermentalität
3.2.2.) Steuerbelastung und Steuerbelastungsempfinden
3.2.2.1.) Direkte und indirekte Besteuerung
3.2.2.2.) Euphemistische Deklaration und Freiheitseinschränkungen
3.2.2.3.) Unfairness des Steuersystems
3.2.2.4.) Empirische Untersuchung des subjektiven Belastungsgefühls
3.2.3.) Steuermoral
3.2.4.) Ergebnisse des steuerpsychologischen Ansatzes

4.) Auswirkungen der Steuerhinterziehung und Maßnahmen gegen selbige
4.1.) Folgen der Steuerhinterziehung
4.2.) Gewährung einer Steueramnestie

5.) Ausblick und Verbesserungsmöglichkeiten

Quellenverzeichnis

Ehrenwörtliche Erklärung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Größe der Schattenwirtschaft

Abbildung 2: Subjektive Einschätzung der Steuerlast

Abbildung 3: Bewertung der übernommenen Last

Abbildung 4: Empfundene Steuergerechtigkeit

Abbildung 5: Die Einstellung zum Steuersünder nach Berufsgruppen unterteilt

Abbildung 6: Variabelensystem für Steuerreaktionen

1.) Einleitung

Der Tatbestand der Steuerhinterziehung ist so alt wie die Besteuerung an sich. Zu allen Zeiten versuchten Bürger, sich der auferlegten Last ohne Anspruch auf Gegenleistung zu entledigen. Aber v.a. in den entwickelten Volkswirtschaften der Moderne scheint dieses Problem ein immer größeres Ausmaß anzunehmen. Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick zu verschaffen über den Umfang, die Ursachen und die möglichen Maßnahmen gegen die Steuerhinterziehung. Abgerundet wird dieses Werk durch eine abschließende Betrachtung der Sachlage und Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten von öffentlicher Seite aus. Der Fokus dieser Arbeit liegt dabei eindeutig auf der Begründung der Steuerhinterziehung, welche mit Hilfe von wirtschafts- bzw. steuerpsychologischen Instrumenten durchgeführt wird. Folglich werden v.a. Begriffe wie Steuermentalität, Belastungsgefühl und Steuermoral eine gewichtige Rolle spielen.

Ursachenforschung zur Steuerhinterziehung bieten zwar auch traditionell-ökonomische Modelle an, doch soll dieser Weg hier nicht eingeschlagen werden. Trotzdem wird der traditionellen Ökonomie in dieser Arbeit Tribut gezollt, indem das „Grundmodell der rationalen Steuerhinterziehung“ mitsamt seinen Lösungsansätzen kurz vorgestellt wird. Sollte von Seiten des Lesers weiterhin ein Informationsbedarf bestehen, welcher über das Angebot in dieser Arbeit hinausgeht, dann wird dem durch ausführliche Verweise auf weiterführende Literatur Rechnung getragen.

Zum Ende dieser Einführung sei noch anzumerken, dass der hier eingeschlagene Weg der Bearbeitung keinen Anspruch auf Einzigartigkeit erhebt. Nicht zuletzt durch die Restriktion des begrenzten Umfangs dieser Arbeit ist es nötig, Entscheidungen zu treffen, welcher Weg verfolgt und welcher Weg vernachlässigt werden soll. Demzufolge können manche Aspekte auch nicht oder nur am Rande behandelt werden. Dieser Umstand ist allerdings nicht weiter tragisch, denn egal wie viele Seiten einem Autor zur Verfügung stehen, der Umfang wird zur Bearbeitung des Themas nie ausreichen. Das Verfassen eines Textes ist somit ein inverses Abbild der Steuerproblematik, denn Steuersätze können noch so niedrig sein, sie werden immer eine Belastung der Bevölkerung sein.

2.) Definition, Erscheinungsformen und Ausmaß der Steuerhinterziehung

Ziel dieses ersten Abschnittes ist es, den Unterschied zwischen Steuerhinterziehung und legaler Steuerausweichung aufzuzeigen und im Anschluss daran zu versuchen, das Volumen des illegalen Steuerwiderstandes in Bezug auf die Größe der Schattenwirtschaft bzw. auf das Ausmaß der Kapitalflucht zu quantifizieren.

2.1.) Abgrenzung der Steuerhinterziehung von der Steuerausweichung

Der Zensit kann der Steuerzahlung auf zwei verschiedene Weisen entgehen. Zum einen durch die legale Steuerausweichung, zum anderen durch die illegale Steuerhinterziehung, wobei eine genaue Abgrenzung zwischen diesen beiden Möglichkeiten teilweise problematisch ist, da sich viele Handlungen, die getätigt werden um die individuelle Steuerlast zu reduzieren, im Grenzbereich zwischen Steuerausweichung und Steuerhinterziehung befinden.

Unter Steuerausweichung versteht man die Handlungen, die ein Individuum unternimmt, um auf legale Weise die Steuer zu vermeiden und die auch letztlich zu den bereits aus der traditionellen Finanzwissenschaft bekannten Substitutionseffekten führen. Dazu gehört die häufigere Nutzung von Freizeit bei starker Einkommensbesteuerung, die verminderte Spartätigkeit bei erhöhter Besteuerung des Kapitaleinkommens und der geringere Konsum von besonders stark besteuerten Gütern. Obwohl eine Veränderung der individuellen Präferenzen aus der Sicht des Staates oftmals sicherlich nicht gewollt ist[1], und solche Handlungen jeweils neben der Steuerbelastung auch noch weiteren Nutzenverlust durch die Zusatzlast hervorrufen, ist dieses Verhalten nicht gesetzeswidrig.

Während bei der Steuerausweichung sowohl die Steuervermeidung, als auch die entsprechende wirtschaftliche Aktivität legal ist, stellt sich der Tatbestand der Steuerhinterziehung etwas komplexer dar [Vgl. Beckmann, K. (2003), S. 4]. Beckmann unterscheidet hier drei verschiedene Fälle, wobei jedem zugrunde liegt, dass die Steuervermeidung an sich illegal ist. Ist die zugrundeliegende wirtschaftliche Aktivität zudem ebenfalls illegal, wie z.B. der Drogenhandel, dann handelt es sich um Kriminalität im engeren Sinne. Bei der Steuerhinterziehung i.e.S. ist die wirtschaftliche Aktivität hingegen vollkommen legal. So verstößt beispielsweise das Anlegen von Kapital gegen kein Gesetz, aber eine etwaige Nichtdeklaration der Kapitaleinkünfte gegenüber dem Finanzamt zum Zwecke der Steuerhinterziehung ist illegal. Der letzte Fall thematisiert das sogenannte „Moonlighting“, die Aktivitäten einer Person in der Schattenwirtschaft „nach Feierabend“, die nur deshalb ungesetzlich sind, weil diese Arbeiten „schwarz“, mit dem klaren Ziel der Besteuerung zu entgehen, verrichtet werden. Diese Tätigkeiten könnten ohne weiteres durch eine offizielle Anmeldung und damit verbundenen Steuerzahlungen aus ihrer Illegalität befreit werden, wenn es denn von den beteiligten Akteuren so gewollt wäre [Vgl. Beckmann, K. (2003), S. 3-5].

Als nächstes ist es interessant zu wissen, welche Definition die deutsche Gesetzgebung zur Steuerhinterziehung hat, um den Tatbestand der Illegalität weiter zu präzisieren. So wird nach AO 1977 § 370 Steuerhinterziehung jeder, der Steuern verkürzt, selbige also „nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festsetzt“, oder „nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt“, mit einer Geldstrafe oder einer bis zu fünf Jahre andauernden Freiheitsstrafe belegt, in besonders schweren Fällen sogar bis zu zehn Jahren. Die Verkürzung kann entweder durch falsche, unvollständige oder unterlassene Auskünfte gegenüber den (Finanz)Behörden geschehen, oder durch die Unterlassung der „Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern“ [Vgl. AO 1977 § 370 Steuerhinterziehung].

Aus der Sicht eines Ökonomen ist eine juristische Abgrenzung der Legalität bzw. Illegalität gewisser Steuervermeidungspraktiken allerdings nicht befriedigend. Vielmehr ist es bedeutend, ob der Zensit davon ausgeht, dass sein steuerverkürzendes Verhalten eine Bestrafung seitens der Obrigkeit zur Folge haben wird, unabhängig vom genauen Wortlaut im Gesetzestext [Vgl. Beckmann, K. (2003), S.6]. Aus der Sicht des Grundmodells rationaler Steuerhinterziehung „handelt es sich nicht um Steuerhinterziehung, wenn zwar der Buchstabe des Gesetzes eine bestimmte Form der Steuervermeidung als illegal erklärt, dies aber de facto nicht durchgesetzt wird“ [Beckmann, K. (2003), S.6] und vice versa.[2]

2.2.) Ausmaß der Steuerhinterziehung

Das schwerwiegendste Problem beim Versuch der Messung der Steuerhinterziehung ist die Tatsache, dass solche Aktivitäten weitestgehend im Verborgenen stattfinden. Zwar existieren offizielle Berichte der (Steuer)Behörden über die Anzahl der aufgedeckten Steuerdelikte und die Gesamthöhe der entdeckten hinterzogenen Steuern, vermutlich jedoch stellen diese nur einen Bruchteil der wahren Hinterziehungstätigkeiten dar. Folglich nimmt die Schätzung der Steuerhinterziehungsaktivitäten eine wichtige Stellung beim Versuch ein, das Ausmaß zu bestimmen. Allerdings sind diese Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen, da diesen Meßmethoden ein bedeutend hohes Ausmaß an Unsicherheit beiwohnt.

2.2.1.) Die Größe der Schattenwirtschaft

Die Bestimmung der Größe der Schattenwirtschaft ist überaus wichtig, um die damit verbundene Steuerhinterziehung schätzen zu können. Unter Schattenwirtschaft versteht man den Teil der Wirtschaft, der im Verborgenen stattfindet, mit Tätigkeiten, die deshalb nicht offiziell statistisch erfasst werden, aber dennoch „im Sinne der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung eine Wertschöpfung darstellen“ [Weck, H./ Pommerehne, W./ Frey, B. (1984), S. 7]. Folglich gehören diesem Sektor beispielsweise kriminelle Aktivitäten oder die Tätigkeit in der Schwarzarbeit (Moonlighting) an. Das gilt aber nicht für die private Hausarbeit oder ein Engagement für karitative Zwecke, ebenso wenig wie „rein finanzielle Transaktionen, die keine Wertschöpfung darstellen“ [Weck, H./ Pommerehne, W./ Frey, B. (1984), S. 8], wobei für den letztgenannten Punkt besonders die unter dem Schlagwort „Kapitalflucht“ bekannte Transaktion von Kapital ins Ausland zum Zwecke der Steuerhinterziehung für diese Arbeit interessant ist [Vgl. Weck, H./ Pommerehne, W./Frey, B. (1984), S.8].

Zur genaueren Quantifizierung des Umfangs der Schattenwirtschaft existieren verschiedene Ansätze wie z.B. die repräsentative Bürgerbefragung. Der Ansatz aber, der heutzutage am verbreitetsten ist, ist der Bargeldansatz.[3]

Wie bereits erwähnt, versuchen die in der Schattenwirtschaft agierenden Individuen möglichst unbemerkt zu bleiben. Folglich wird angenommen, dass die Zahlungen in der Schattenwirtschaft im Normalfall in bar abgewickelt werden, um dem Fiskus keine Spuren wie z.B. verräterische Kontenbewegungen, zu hinterlassen. Schattenwirtschaftliche Aktivitäten wären also an Bargeldbeträgen zu erkennen, die über ein als normal erachtetes Maß hinausgehen würden. Beim Bargeldansatz werden nun durch multiple Regression einerseits die klassischen Determinanten der Bargeldnachfrage, also der Zinssatz, Bargeldsubstitute und die Einkommenshöhe, als auch andererseits der Einfluss, der durch die Schattenwirtschaft entsteht, geschätzt. [Vgl. Weck, H./ Pommerehne, W./ Frey, B. (1984), S.15-16][4]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die aus dieser Art der Schätzung resultierenden Ergebnisse lassen für Deutschland eine Größe der Schattenwirtschaft von 370 Milliarden Euro im Jahre 2003 vermuten. Dies entspricht 17,07 % des offiziellen BIP. Die Größe der Schattenwirtschaft im Verhältnis zum BIP ist außerdem seit 1975 beinahe kontinuierlich von 5,75 % bis auf ihren heutigen Wert gestiegen. Der deutsche Wert liegt dabei leicht über dem Durchschnitt von 21 ausgewählten OECD-Ländern, wobei bemerkenswert ist, dass die größten Untergrundwirtschaften anscheinend in Südeuropa beheimatet sind, von denen noch einmal Italien und Griechenland mit Werten von 26,2 % bzw. 28,3 % herausragen. Die relativ kleinsten Schattenwirtschaften finden sich in den USA mit 8,6 % und in der Schweiz mit 9,5 %. Eine für die Bundesrepublik Deutschland bedenkliche Situation ist zudem die Tatsache, dass die relative Bedeutung der Aktivitäten im Untergrund im Durchschnitt über die 21 OECD-Länder in den letzten Jahren etwas zurückging, während sie in Deutschland weiter anstieg.[5] [Vgl. Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (2003)]

Diejenigen wirtschaftlichen Aktivitäten, die im Verborgenen stattfinden, sind natürlich auch nicht der Steuer unterworfen. Folglich entsteht dem Staat aufgrund der teilweise erheblichen Größe der Schattenwirtschaft ein gewaltiger Steuerausfall. Beziffert man den Umfang der Schattenwirtschaft in Deutschland wie bereits geschehen auf 370 Milliarden Euro und setzt daraufhin die durchschnittliche Steuerquote von 21,7 %[6] an [Vgl. Bundesministerium der Finanzen (2004)], dann entgingen dem Fiskus allein im Jahre 2003 knapp über 80 Milliarden Euro an Steuereinnahmen.

Dieser Wert kann natürlich nur eine grobe Abschätzung der Höhe, der durch die Schattenwirtschaft entstandenen Steuerausfälle sein, verdeutlicht aber eindeutig das für Deutschland zunehmende Problem, welches man noch plakativer darstellen kann. Denn würde es gelingen, etwas mehr als die Hälfte dieser Steuerausfälle einzutreiben, dann wäre die komplette Neuverschuldung des Bundes, welche im Bundeshaushalt 2004 mit dem Rekordwert von 43,5 Milliarden Euro beziffert wurde, obsolet.

2.2.2.) Ausmaß der Kapitalflucht

Da „rein finanzielle Transaktionen, die keine Wertschöpfung darstellen“[7] [Weck, H./ Pommerehne, W./ Frey, B. (1984), S.8], nicht zur Schattenwirtschaft gerechnet werden, und somit auch nicht in den entsprechenden Größenschätzungen enthalten sind, lohnt es sich an dieser Stelle auf das Problem der Kapitalflucht aus Deutschland gesondert einzugehen. Bei der Kapitalflucht werden Geldbeträge ins meist grenznahe Ausland geschafft, mit der Intention u.a., dort erwirtschaftete Kapitalerträge bei der Besteuerung in Deutschland nicht zu deklarieren. Wie auch bei der Quantifizierung der Schattenwirtschaft ist eine exakte Erfassung des gesamten Ausmaßes nicht möglich, aufgrund der Bestrebungen der Täter im Verborgenen zu bleiben. So schätzt das Bundesministerium der Finanzen, dass „Schwarzgeld“ in der Größenordnung von ca. 100 Milliarden Euro im Ausland lagert, wobei die Deutsche Steuer-Gewerkschaft allerdings von einem Vielfachen dieses Betrages ausgeht. [Vgl. Die Zeit (2003)] Ebenfalls interessant ist, dass der deutsche Zoll im Jahre 2003 allein an der schweizerischen Grenze „Schwarzgeld“ in der Höhe von zwei Milliarden Euro entdeckt hat, wobei die entdeckte Summe wahrscheinlich wie bei der aufgedeckten Steuerhinterziehung, nur einen Bruchteil des wirklich transferierten Schwarzgeldes ausmacht. [Vgl. Wirtschaftswoche (2004)]

Dass auch die Bundesregierung um die Bedeutung des illegal ins Ausland transferierten Geldes weiß, zeigt das „Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit“, das zum Jahresbeginn 2004 in Kraft trat. Mit diesem Gesetzes soll versucht werden, Steuersünder, deren Schwarzgeld bislang im Ausland lagerte, mithilfe eines ermäßigten Steuersatzes und der Aussicht auf Straffreiheit, zur Deklaration ihres Schwarzgeldes zu bewegen und somit den Weg zurück in die Steuerehrlichkeit zu ebnen.[8]

3.) Ursachen der Steuerhinterziehung

Nachdem im vorhergehenden Abschnitt, wenn auch zum Teil nur mittels Schätzungen, dargelegt wurde, welches Ausmaß die Steuerhinterziehung insbesondere in Deutschland hat, beschäftigt sich dieser Abschnitt mit den Ursachen der Steuerhinterziehung. Dabei wird der Frage nachgegangen, welche Motive einen Steuerzahler bewegen, steuerehrlich zu bleiben oder steuerunehrlich zu werden.

3.1.) Das Grundmodell rationaler Steuerhinterziehung

3.1.1.) Einführung in das Grundmodell

Innerhalb des Grundmodells nach Allingham/Sandmo (1972) wird ein rationales, risiko-averses, steuerpflichtiges Individuum betrachtet, welches verpflichtet ist, dem Fiskus sein exogen gegebenes Einkommen zu deklarieren. Der Fiskus erhält seine Informationen über das Einkommen einzig und allein durch den Steuerzahler, der also folglich der Steuer für den Teil des Einkommens entgehen kann, den er der Obrigkeit gegenüber verschweigt. Allerdings sind die Hinterziehungsaktivitäten mit einem gewissen Risiko belastet, denn wird der entsprechende Zensit einer Steuerprüfung von Seiten des Fiskus unterzogen, dann bringt diese immer das wahre Ausmaß des Einkommens ans Tageslicht. Zudem folgt bei einer aufgedeckten Hinterziehung eine automatische Geldstrafe, die abhängig von der Schwere des Vergehens, also der Höhe des nichtdeklarierten Einkommens ist. [Vgl. Hagedorn, R. (1991), S. 7][9]

Im Modell beschreibt Y das wahre Einkommen des Individuums, D das gegenüber dem Fiskus deklarierte und H steht für das hinterzogene Einkommen. Der proportionale Steuersatz t liegt zwischen null und eins. Entscheidet sich das Individuum nun dafür, nicht sein gesamtes Einkommen zu deklarieren, dann ist D < Y und H > 0. Wird diese Hinterziehung vom Finanzamt zudem nicht entdeckt, dann beträgt das Nettoeinkommen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Einkommen nach Steuern entspricht dem Bruttoeinkommen abzüglich der veranschlagten Steuerzahlungen für das deklarierte Einkommen. Anders ausgedrückt zeigt der zweite Teil der Formel, dass das Nettoeinkommen umso höher ist, je mehr das Individuum von seinem wahren Einkommen nicht deklariert. [Vgl. Hagedorn, R. (1991), S. 8]

Allerdings schwebt die Bedrohung durch eine Steuerprüfung wie ein Damoklesschwert über dem hinterziehenden Zensiten. Eben jene Wahrscheinlichkeit beschreibt die Variable p, die zwischen null und eins liegen kann. In den Extremfällen wird bei p = 0 keine Steuererklärung genauer geprüft, bei p = 1 erfolgt eine Nachprüfung bei jeder eingehenden Erklärung. Mit einer Wahrscheinlichkeit von q = 1- p bleibt dem Steuerzahler also eine genaue Prüfung seiner Angaben erspart. [Vgl. Hagedorn, R. (1991), S. 9]

Kommt es allerdings mit der Wahrscheinlichkeit p zu einer Überprüfung und wird die Steuerhinterziehung aufgedeckt, dann muss nicht nur die hinterzogene Steuerverpflichtung beglichen werden, sondern auch eine Geldstrafe, abhängig von der Höhe des nichtdeklarierten Einkommens bezahlt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

a bezeichnet man auch als Strafsatz, dessen Höhe in Verbindung mit den hinterzogenen Steuern das Ausmaß der Strafe determiniert. [Vgl. Hagedorn, R. (1991), S. 8]

Wird die Steuerhinterziehung nun mittels einer Steuerprüfung aufgedeckt, dann beträgt das Einkommen des steuerhinterziehenden Individuums:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Einkommen nach Steuern und aufgedeckter Hinterziehung entspricht dem Bruttoeinkommen abzüglich der Steuerzahlungen für das deklarierte Einkommen, der Steuernachzahlung für das hinterzogene Einkommen sowie der Strafzahlung. Der zweite Teil der Gleichung zeigt, dass bei exogen gegebenem a das Nettoeinkommen umso geringer wird, je mehr das Individuum an Einkommen hinterzogen hat. [Vgl. Hagedorn, R. (1991), S. 8]

Für das Individuum existiert zudem eine auf den Konsum C bezogene Nutzenfunktion U(C ). „Für die Ableitung dieser Funktion gelte [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] und [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]: Der Steuerpflichtige zeichnet sich durch Nichtsättigung und Risikoaversion aus.“ [ Hagedorn, R. (1991), S. 9] Ziel des Steuerpflichtigen ist es also, „das hinterzogene Einkommen so zu wählen, dass der Erwartungsnutzen[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]aus dem Konsum des Einkommens nach Steuer und Strafe maximal ist.“ [ Hagedorn, R. (1991), S. 9]

Der entsprechende Steuerzahler ist also mit folgendem Problem konfrontiert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Unter der Nebenbedingung, dass H mindestens den Wert von 0 und höchstens den Wert von Y annehmen kann, die Angabe von negativem Einkommen also nicht möglich ist. Zudem lässt sich aus der Formel sehr schön ersehen, dass die Variable H, also die Höhe des hinterzogenen Einkommens, die einzige Variable ist, die der Steuerpflichtige beeinflussen kann, um seinen Nutzen zu maximieren. [ Vgl. Hagedorn, R. (1991), S. 9][10]

[...]


[1] Anders sieht es bei der Besteuerung von umweltschädlichem oder „lasterhaftem“ Verhalten wie Alkohol-, Glücksspiel-, oder Zigarettenkonsum aus. Hier ist durchaus anzunehmen, dass der Staat ein Interesse an einer Eindämmung dieser Aktivitäten hat, auch wenn er sie nicht verbietet. Allerdings darf nicht verschwiegen werden, dass die Einnahmen aus eben jenen Steuern teilweise einen großen Posten im Staatsetat innehaben, ein Einnahmerückgang aufgrund von Minderkonsum also paradoxerweise nicht immer im Interesse des Staates liegen muss.

[2] Eine kurze Einführung in das Grundmodell rationaler Steuerhinterziehung erfolgt in Abschnitt 3.

[3] Das Durchführen einer Umfrage ist eine direkte Methode, während der Bargeldansatz zu den indirekten Methoden gehört. [Vgl. Weck, H./ Pommerehne, W./Frey, B. (1984), S.8]

[4] Eine tiefergehende Betrachtung des Bargeldumlauf-Ansatzes selbiger Autoren findet sich auch in „Die heimliche Wirtschaft“ (1986).

[5] Eine visuelle Aufbereitung der Entwicklung der Schattenwirtschaft über die letzten 30 Jahre in Deutschland, Österreich und der Schweiz in Bezug auf das jeweils aktuelle BIP, findet sich in Abbildung 1.

[6] Diese Steuerquote ist die deutsche Steuerquote des Jahres 2002.

[7] Schmiergeldzahlungen und Bestechungen sind ebenfalls finanzielle Transaktionen, die keine Wertschöpfung darstellen.

[8] Eine genauere Betrachtung des „Steueramnestiegesetzes“ erfolgt in Abschnitt 4.2.

[9] Die Beschreibung des Modells ist hauptsächlich entnommen von Hagedorn (1991). Eine tiefergehende Betrachtung findet sich zudem bei Beckmann (2003), sowie, wenn auch nicht direkt in dieser Arbeit zitiert, bei Allingham und Sandmo (1972): Income tax evasion: a theoretical analysis, Journal of Public Economics 1, 323-38.

[10] Ziel dieser Arbeit ist es, einen Einblick in das rationale Grundmodell zu gewähren und anhand der daraus resultierenden Ergebnisse, Kritik zu üben. Eine genaue Herleitung der Ergebnisse würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Deshalb wird der geneigte und am Grundmodell interessierte Leser auf die bereits zitierten Quellen im Allgemeinen, sowie nochmals auf Hagedorn, R. (1991) im Speziellen verwiesen, für den Fall, dass weiterer Informationsbedarf in dieser Hinsicht besteht.

Ende der Leseprobe aus 41 Seiten

Details

Titel
Steuerhinterziehung. Eine Betrachtung des gesellschaftlichen Problems aus steuerpsychologischer Sicht
Hochschule
Universität Paderborn
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
41
Katalognummer
V37287
ISBN (eBook)
9783638366755
ISBN (Buch)
9783656560647
Dateigröße
654 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit analysiert das Phänomen unter Zuhilfenahme steuerpsychologischer Instrumente, welche nicht nur eine größere Nähe zur Realität, sondern auch gravierende Differenzen im Vergleich mit der traditionellen ökonomischen Theorie aufweisen. Das führt im Endeffekt zu spannenden und aufschlußreichen Erkenntnissen, die sich von der traditionellen ökonomischen Theorie klar abheben.
Schlagworte
Steuerhinterziehung, Eine, Betrachtung, Problems, Sicht
Arbeit zitieren
Steffen Sinnhuber (Autor:in), 2005, Steuerhinterziehung. Eine Betrachtung des gesellschaftlichen Problems aus steuerpsychologischer Sicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37287

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