Einführung der Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance und deren Auswirkung auf die Entwicklung von Resistenzen


Projektarbeit, 2017

68 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung, Zielsetzung und Forschungsfrage
1.2 Vorgehensweise

2 Antibiotika
2.1 Geschichte
2.2 Einteilung und Wirkung
2.3 Anwendungsbereiche
2.4 Resistenzförderung und -verbreitung
2.5 Gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung

3 Maßnahmen gegen Antibiotikaresistenzen
3.1 Globaler Aktionsplan
3.2 DART 2020
3.3 10-Punkte-Plan
3.4 Weitere Maßnahmen

4 Surveillance-Systeme
4.1 European Antimicrobial Resistance Surveillance Network
4.2 Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System
4.3 Antibiotika-Resistenz-Surveillance
4.3.1 Teilnahmevoraussetzungen und Methodik
4.3.2 Datenbasis
4.3.3 Datenmanagement

5 Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance
5.1 Hintergrund und Ziele
5.2 Teilnahmevoraussetzungen
5.3 Methodik
5.4 Datenmanagement
5.5 Leistungen für die Krankenhäuser
5.6 Bereitstellung der erstellten Daten

6 Resistenzentwicklung
6.1 Escherichia coli
6.2 Staphylococcus aureus
6.3 Enterococcus faecium
6.4 Pseudomonas aeruginosa
6.5 Klebsiella pneumoniae

7 Diskussion

8 Fazit

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Literatur- und Quellenverzeichnis

Anhang

1 Einleitung

Zu den bisher größten Errungenschaften der Medizin gehören Antibiotika, da sie zu den effektivsten Instrumenten in der Behandlung bakterieller Infektionskrankheiten gelten. Doch die weltweit zunehmende Entwicklung von Antibiotikaresistenzen stellt nicht nur eine Herausforderung für sämtliche Bereiche des Gesundheitswesens, sondern der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge auch eine Bedrohung für die Gesundheit der Menschen dar. Aufgrund der zunehmenden Globalisierung und Reisefreiheit verbreiten sich resistente Erreger weltweit deutlich schneller als noch vor Jahrzehnten. Aufgrund der hohen Prävalenz und der rapiden Ausbreitung von Resistenzen können bestimmte bakterielle Infektionen möglicherweise mittelfristig nicht mehr behandelbar sein.

In diesem globalen Kontext sind Antibiotika zur Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten unverzichtbar für Mensch und Tier geworden. Umso erschreckender ist daher die Tatsache, dass immer mehr Bakterien Resistenzen gegen zahlreiche Antibiotika entwickeln. Dies führt dazu, dass bakterielle Erreger nicht mehr auf Antibiotika ansprechen, Krankheiten deshalb nicht mehr adäquat behandelt werden können und diese Resistenzen letztlich immer mehr Todesopfer fordern – weltweit sterben jede Minute 250 Menschen an Infektionen, die nicht mehr mit einem Antibiotikum zu behandeln sind.[1] Zum Vergleich: Durch Krebs starben im Jahr 2013 circa 8,2 Millionen Menschen – durch Antibiotikaresistenzen starben im selben Jahr etwa 700.000 Menschen. Die Anzahl der Todesfälle durch Antibiotikaresistenzen könnte im Jahr 2050 auf 10 Millionen ansteigen.[2]

Wurden durch die Entdeckung des Penicillins Anfang des 20. Jahrhunderts Antibiotika noch als Segen für die Menschheit angesehen, sind sie mittlerweile ein Fluch für Mensch und Tier geworden. Seitdem die Europäische Union (EU) im Jahr 2006 das Verbot von Antibiotika als Leistungsförderer in der Tierhaltung ausgesprochen hat, ist die Menge der Antibiotika, die aus therapeutischen Gründen verschrieben werden, zunächst deutlich angestiegen.[3] Erst in den letzten Jahren ist ein Rückgang um 15 Prozent der Verordnungen (zwischen 2011 und 2013) in diesem Bereich zu verzeichnen.[4] Sowohl beim Menschen als auch beim Tier werden die meisten bakteriellen Infektionen von denselben bakteriellen Erregern verursacht. Durch den Einsatz derselben Wirkstoffklassen in der Therapie, wird die wechselseitige Übertragung von bakteriellen Infektionskrankheiten gefördert. Nicht nur im Fleisch der Tiere, das Menschen konsumieren, sondern auch im Trinkwasser, im Abwasser und in Gewässern werden resistente Erreger nachgewiesen und stellen so eine potentielle Gefahr für Mensch und Tier dar. Jeder Antibiotikaeinsatz birgt daher das Risiko einer Entstehung von Resistenzen.

Eine daraus herzuleitende Einschränkung des Antibiotikagebrauchs ist jedoch nicht immer sinnvoll, wie an dem Einsatz von Antibiotika in den USA beispielhaft erkennbar ist. Dort ist der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung zwar verboten, jedoch sind die Resistenzraten dort im Vergleich mit der Europäischen Union viel höher, weil Antibiotika dort nicht verschreibungspflichtig sind und somit zu den OTC-Arzneimitteln gehören.[5] Schweden erkannte bereits im Jahr 1986 die Gefahren des Antibiotikaeinsatzes und überwachte fortan den Verbrauch von Antibiotika in der Tierhaltung.

Seit Jahren ist die Resistenzproblematik im Gesundheitswesen, der Politik, der Pharmaindustrie und der Forschung bekannt, doch die Bekämpfung der Resistenzen wird immer noch nicht mit der nötigen Konsequenz verfolgt. Eine ganzheitliche Betrachtung der Gesundheit der Menschen und der Tiere ist hinsichtlich der Resistenzproblematik absolut notwendig und zielführend. Im Sinne des sogenannten One-Health-Konzeptes wird die Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance (AVS) als wichtiges Instrument in der Humanmedizin angesehen. Auch der 10-Punkte-Plan des Bundesministeriums für Gesundheit zur Bekämpfung resistenter Keime ist ein wichtiger Schritt seitens der Politik.

Die Surveillance von resistenten Erregern ist spätestens seit dem Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Jahr 2001 für Krankenhäuser Pflicht. Zehn Jahre später erweiterte das Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Gesetze (IfSGuaÄndG) die Surveillance auf die Anwendung beziehungsweise den Verbrauch von Antibiotika. Der für die sachgerechte Umsetzung der Maßnahmen erforderliche Zeitaufwand und der Mangel an Hygienefachpersonal steht dem gegenüber.

Zum einen soll die Wirksamkeit der Antibiotika erhalten bleiben, zum anderen ist die Prävention hinsichtlich Infektionen und vor allem der Resistenzbildung wichtig. Als Voraussetzung hierfür ist sowohl die Einhaltung der Hygienestandards als auch die Überwachung der Resistenz- und Verbrauchssituation von Antibiotika notwendig. Eine der vielen Maßnahmen zur Bewältigung der Resistenzproblematik in Deutschland ist – neben den nationalen und internationalen Strategien – die Einführung einer Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance im Jahr 2014. Durch die Überwachung des Antibiotikaverbrauchs wird die Grundlage für die Umsetzung von Eindämmungsmaßnahmen der Antibiotikaresistenzen geliefert.

1.1 Problemstellung, Zielsetzung und Forschungsfrage

Aus der vorangegangenen Situationsbeschreibung lässt sich die größte medizinische Herausforderung des 21. Jahrhunderts klar definieren. Wenn Antibiotika nicht mehr wirken, weil die zu bekämpfenden bakteriellen Erreger resistent gegen diese sind, dann befinden wir uns medizinhistorisch wieder im Jahr 1943, als Antibiotika noch keine Rolle in der Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten spielten. Umso wichtiger ist es daher, die rechtzeitige und adäquate Eindämmung von Resistenzentwicklungen vor allem in der Humanmedizin, der Veterinärmedizin und Tierhaltung voranzutreiben.

Ziel dieser Arbeit ist es, ein konkretes Beispiel einer Maßnahme gegen diese Problemstellung darzustellen und die Auswirkungen dieser auf die Entwicklung von Resistenzen zu untersuchen. Sie soll einen Überblick über den Erfolg oder Misserfolg dieser bestimmten Maßnahme, wie z. B. ein Verbrauchs-Überwachungssystem, bieten und so auch prospektiv eine Entscheidungshilfe bei der Sinnhaftigkeit solcher Maßnahmen sein.

Die Frage stellt sich, wie sich die Einführung einer Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance im Jahr 2014 bis heute auf die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen ausgewirkt hat. Untersucht wird, inwieweit sich durch dieses Überwachungssystem die Zahl der Antibiotika-Resistenzen verändert hat und inwieweit sich solche Maßnahmen grundsätzlich für die Bekämpfung von Resistenzen eignen.

1.2 Vorgehensweise

In dieser Arbeit wird zunächst die Medikamentengruppe der Antibiotika erklärt. Von der ersten Entdeckung der Wirksamkeit von antibiotischen Substanzen bis hin zur ersten industriellen Massenherstellung wird die (Forschungs-)Geschichte skizziert. Anschließend erfolgt eine Beschreibung der Antibiotika hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Einteilung. Dabei werden die verschiedenen Angriffspunkte von Antibiotika an Bakterien erläutert. Danach werden verschiedene Bereiche thematisiert, in denen Antibiotika eingesetzt werden und die Dimensionen des Antibiotikaeinsatzes veranschaulicht. Es folgt eine Darstellung der verschiedenen Faktoren, die eine Antibiotikaresistenz fördert. Schließlich wird im Zusammenhang der Resistenzproblematik die Bedeutung und die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen von Antibiotika betrachtet.

Nachdem die Problematik des Antibiotikaeinsatzes erläutert wurde, wird auf die bisherigen Maßnahmen gegen die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen eingegangen. Dabei wird zum einen der Globale Aktionsplan der Weltgesundheitsorganisation und zum anderen die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie und der 10-Punkte-Plan des Bundesministeriums für Gesundheit vorgestellt. Darauffolgend werden bisherige und zukünftige nationale und internationale Maßnahmen einzelner Akteure beleuchtet.

Als wichtige Instrumente zur Überwachung des Verbrauchs und der Resistenzen gelten Surveillance-Systeme, die im anschließenden Kapitel dargestellt werden. Neben dem in teilnehmenden Krankenhäusern bestehenden Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS) wird dabei auch auf die Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS) eingegangen. Bei letzterem System, in dem die relevanten Daten in Laboratorien gewonnen werden, liegt ein besonderer Schwerpunkt auf den Teilnahmevoraussetzungen und dem methodischen Vorgehen. Der Datenfluss beziehungsweise das Datenmanagement dieses Systems werden schließlich ebenfalls kurz erklärt. Die im nachfolgenden Kapitel thematisierte Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance findet ihre Begründung in der partiellen Strukturähnlichkeit. Sie fördern das Verständnis der grundlegenden Strukturen der Antibiotika-Resistenz-Surveillance.

Im Kapitel "Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance" sollen vor allem die Unterschiede zur Antibiotika-Resistenz-Surveillance deutlich werden, indem im Einzelnen auf die Ziele, die Teilnahmevoraussetzungen, die Methodik, das Datenmanagement, die Vorteile für teilnehmende Krankenhäuser und schließlich die Bereitstellung der erstellten Daten genauer eingegangen wird.

Um letztlich auch die Auswirkungen der eingeführten Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance auf die Entwicklung von Resistenzen untersuchen zu können, wird mit Hilfe von Daten aus der Antibiotika-Resistenz-Surveillance die Resistenzentwicklung vor und nach der Einführung der Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance analysiert und veranschaulicht.

Am Ende dieser Arbeit werden gewonnene Erkenntnisse diskutiert und kritisch hinterfragt, um schließlich im Fazit die eingangs gestellte Frage zu beantworten, inwieweit sich die Einführung der Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance auf die Entwicklung von Resistenzen bisher ausgewirkt hat.

2 Antibiotika

2.1 Geschichte

Antibiotika zählen schon lange zu den essentiellen Arzneimitteln zur Bekämpfung von bakteriellen Infektionskrankheiten. Seit ihrer Entdeckung haben sie die Lebenserwartung der Menschen entscheidend beeinflusst.

Schon im Mittelalter war die antibakterielle Wirkung von bestimmten Organismen bekannt. So diente verschimmeltes Brot beispielsweise als Heilmittel gegen Wunden.[6] Auch Lauchgewächse, wie zum Beispiel Zwiebeln, waren für ihre antibiotische Wirkung durch ihren Inhaltsstoff Allicin bekannt. Dieser antibiotische Effekt von bestimmten Bakterien wurde 1877 auch bei der Hemmung des Milzbrand-Erregers von Louis Pasteur und Joseph Joubert beobachtet und dokumentiert.[7] Das von Alfred Bertheim und Paul Ehrlich erste synthetisch hergestellte Antibiotikum namens Arsphenamin, wurde im Jahr 1910 unter dem Handelsnamen Salvarsan von dem Pharmaunternehmen Hoechst gegen die bakterielle Infektionskrankheit Syphilis auf den Markt gebracht.[8]

Im Jahr 1896 injizierte der Militärarzt Ernest Duchesne Schimmelpilzkulturen bakteriell infizierten Meerschweinchen, die anschließend alle genasen. Durch einen weiteren Versuch bestätigte sich seine Behauptung: Er beobachtete, dass diese bestimmten Schimmelpilzkulturen in der Lage waren, das Bakterium Escherichia coli zu eliminieren. Duchesnes Doktorarbeit war die erste wissenschaftliche Arbeit, die die Therapie von bakteriellen Infektionskrankheiten mit Schimmelpilzen thematisierte.[9]

Als eigentlicher Entdecker des ersten Antibiotikums gilt der Brite Alexander Fleming, der im Jahr 1928 eine Wachstumshemmung von Staphylococcen in der Nähe von Penicillium-Kolonien bemerkte. Die Wirksamkeit von Penicillinen wurde jedoch erst 10 Jahre später von Howard W. Florey und Ernst B. Chain erkannt, die schließlich die erste klinische Erprobung im Jahr 1942 zur Folge hatte. Schon zwei Jahre später folgte die industrielle Massenherstellung.[10] Im Jahr 1945 erhielten Fleming, Florey und Chain den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin „for the discovery of penicillin and its curative effect in various infectious diseases"[11]. Diese Grundlagenforschung ermöglichte die gezielte Suche weiterer anwendbarer Antibiotika, wie zum Beispiel Streptomycin (1943) und Neomycin (1948).[12] Bereits im Jahr 1947 waren erste Resistenzen festzustellen. Staphylococcus areus (S. aureus) war das erste Bakterium, das sich gegen Penicillin angepasst hatte.[13]

2.2 Einteilung und Wirkung

Antibiotika lassen sich hinsichtlich ihrer Wirksamkeit in zwei Gruppen einteilen. Bakteriostatitsche Antibiotika hindern die Bakterien lediglich an der Vermehrung, töten diese jedoch nicht ab, wohingegen bakterizide Antibiotika alle Bakterien abtöten und somit unschädlich machen.

Bakterien hingegen lassen sich aufgrund ihres Aufbaus der Zelle in grampositive und gramnegative Bakterien einteilen. Die Unterscheidung erfolgt mittels eines Färbungsverfahrens aus dem Jahr 1884, das nach dem dänischen Arzt Hans Gram benannt ist. Lassen sich die Bakterien mit einem Färbstoff einfärben, so spricht man von grampositiven Bakterien. Ist dies nicht möglich, so gelten die Bakterien als gramnegativ.[14]

Bakterien weisen hinsichtlich ihrer Strukturen und Vorgänge einige Besonderheiten auf, die sich für deren gezielte Bekämpfung als vorteilhaft erweisen. So sind Bakterien die einzigen Lebewesen, deren Zellwand aus Murein besteht. Durch das Hemmen der bakteriellen Zellwandsynthese kann deshalb eine Vermehrung unterbunden werden. Bakterien unterscheiden sich außerdem hinsichtlich ihrer Ribosomen, ihrer Enzyme bei der Replikation der DNA und der Folsäuresynthese deutlich vom Menschen. Ansatzpunkte bei der antibiotischen Therapie sind die in den Ribosomen stattfindende Proteinbiosynthese, die Enzyme bei der DNA- beziehungsweise RNA-Replikation und die Hemmung der Synthese von Folsäure.

Aufgrund ihrer verschiedenen chemischen Struktur werden die Antibiotika in Gruppen eingeteilt. Die bakteriziden Beta-Laktame sorgen durch eine kovalente und irreversible Bindung an Peptide für Läsionen in der Murein-Zellwand, sodass es zu einer Instabilität der Zellwand und schließlich zum Platzen des Bakteriums kommt. Zu dieser Gruppe zählen beispielsweise Penicilline, Cephalosporine, Monobactame und Carbapeneme. Die bakteriziden Glykopeptide hemmen ebenfalls die Zellwandsynthese, wirken aber nur auf grampositive Bakterien. Das Bakterium platzt letztlich auch durch Läsionen in der Zellwand, jedoch mit dem Unterschied, dass zuvor unkontrolliert Wasser in die Bakterienzelle einströmt. Vancomycin und Dalbavancin gehören zu dieser Antibiotikagruppe. Polyketide wirken bakteriostatisch, indem sie die Translation in der Proteinbiosynthese hemmen oder sich an den Ribosomen anlagern und so eine Anlagerung der Transfer-RNA (tRNA) verhindern. Hierzu zählen Makrolide, Lincosamide, Ketolide, Tetracykline, Oxazolidinone, Chloramphenicol und Lipopeptide. Auch die Entstehung von sogenannten Nonsensproteinen während der Proteinbiosynthese ist durch die bakteriziden Aminoglykoside möglich. In der Zellmembran wirken bakterizide Polypeptid-Antibiotika, indem sie den Abtransport von toxischen Stoffen verhindern. Thyrothricin, Bacitracin und Polymyxine gehören zu dieser Gruppe. Die DNA- beziehungsweise RNA-Replikation hemmen Chinolone, Notroimidazol-Derivate und Rifampicin, indem bei diesen Prozessen bestimmte Enzyme inaktiviert werden und das Bakterium abgetötet wird (bakterizid). Die Folsäuresynthese hemmen Sulfonamide und Trimethoprim durch Eingriff in die Synthese der Nucleinsäure (bakteriostatisch).[15]

Aufgrund der relativ große therapeutische Breite sind viele Antibiotika gut verträglich. Eine antibiotische Therapie hat vor allem bei Breitspektrum-Antibiotika eine Zerstörung der Darmflora zur Folge, weshalb von einer langfristigen beziehungsweise hoch dosierten Therapie abzuraten ist. Auch Allergien gegen bestimmte Antibiotika gehören zu den Hauptnebenwirkungen genauso wie die Entstehung von Pilzen im oder am Körper.

Durch entsprechende Komedikation können Antibiotika ein breites Spektrum an Wechselwirkungen verursachen. Besonders bei Tetracyklinen und Chinolonen in Kombination mit anderen Arzneimitteln kann sich die Biotransformation so verändern, dass unlösliche Produkte entstehen und Antibiotika nicht vollständig wirken. Aus diesem Grund wird bei Antibiotikaeinnahme beispielsweise vom Verzehr von Milch abgeraten.[16]

Besonders Flourchinoline und Cephaloporine der dritten beziehungsweise vierten Generation sowie Glykopeptide ebenso wie Makrolide sind laut Weltgesundheitsorganisation von einer solch großen medizinischen Bedeutung, dass sie „nur mit größter Vorsicht und Sorgfalt eingesetzt werden sollten."[17]

2.3 Anwendungsbereiche

Sowohl in der Humanmedizin als auch in der Veterinärmedizin beziehungsweise in der Tierhaltung werden Antibiotika eingesetzt. In der Humanmedizin werden sie als Arzneimittel zur Bekämpfung bakterieller Erreger verwendet. In der Tierhaltung dienen diese jedoch lediglich als Wachstums- und Leistungsförderer und haben keine medizinisch notwendige Indikation.[18] Im Jahr 2013 wurden allein in Deutschland 179 mg/PCU[19] antimikrobieller Substanzen für Lebensmittel liefernde Tiere abgegeben. Mit dieser Menge lag Deutschland weltweit auf Platz sechs. Die Nachbarländer Frankreich und die Niederlande lagen mit 95 mg/CPU beziehungsweise 70 mg/CPU vergleichsweise deutlich dahinter.[20] Die Auswirkungen des Einsatzes von Antibiotika in der Veterinärmedizin und Tierhaltung sind bereits sichtbar: Bis zu 60 Prozent der Mitarbeiter[21] in Geflügelmastbetrieben zeigen bereits „Resistenzen, weil sie im Alltag offenbar noch immer viel zu häufig mit Antibiotika in Kontakt kommen und beispielweise Antibiotikastäube einatmen."[22]

In der Humanmedizin in Deutschland ist die Verordnungsdichte im ambulanten Bereich seit dem Jahr 2005 nahezu konstant geblieben und betrug im Jahr 2014 17,4 DDD[23] pro 1.000 Personen pro Tag.[24] Innerhalb der EU wurde im Jahr 2013 in Griechenland mit 32,2 DDD pro 1.000 Personen pro Tag die höchste Menge an Antibiotika verschrieben. Frankreich folgte mit 30,1 DDD pro 1.000 Personen pro Tag. Deutschland verschrieb im selben Jahr zum Vergleich um die Hälfte weniger mit 15,8 DDD pro 1.000 Personen pro Tag.[25] Die niedrigste Verordnungsdichte hatte die Niederlande mit 10,8 DDD pro 1.000 Personen pro Tag.[26] Antibiotika zählen seit Jahren zu den „umsatzstärksten Wirkstoffgruppen der ambulanten GKV-Arzneimittelverordnungen.“[27]

Ein Grund für diese Umsatzstärke ist unter anderem die hohe Anzahl an Fehlverordnungen. Im ambulanten Bereich ist beispielsweise eine Atemwegsinfektion die Hauptindikation für eine Antibiotikatherapie, obwohl „im Unterschied zur Lungenentzündung akute obere Atemwegsinfektionen, vor allem die akute Bronchitis, in mehr als 90 Prozent der Fälle durch Viren ausgelöst werden und daher keine primäre Indikation für Antibiotika darstellen"[28]. Generell werden etwa 85 Prozent der Antibiotika im ambulanten Sektor verordnet, was etwa 500 bis 600 Tonnen Antibiotika entspricht.[29]

Im stationären Bereich hingegen zeigten „im Zeitraum 2013/14 nichtuniversitäre Akutkrankenhäuser, unabhängig von der Größe, im Median einen Verbrauch von 59 DDD/100 Pflegetage und Universitätskliniken einen Verbrauch von 84 DDD/100 Pflegetage.“[30]

2.4 Resistenzförderung und -verbreitung

Es gibt zahlreiche Faktoren in der Human-, der Veterinärmedizin und in der Tierhaltung, die zur Förderung der Bildung von Resistenzen führen. Erworbene Resistenzen gehen weitestgehend auf Fehlverhalten der Menschen zurück.

Einerseits werden sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin Antibiotika prophylaktisch verordnet und eingenommen. Eine vorherige Abklärung, ob es sich tatsächlich um einen bakteriellen Erreger handelt, findet nur in den wenigsten Fällen statt. Auch die genaue Bestimmung des bakteriellen Erregers wird nicht vorgenommen. Andererseits werden Antibiotika unter diesen Umständen nicht nur vorbeugend, sondern auch nachsorgend – also metaphylaktisch – verordnet. Antibiotika werden häufig bereits bei banalen Infektionen verordnet. So gaben im Jahr 2013 35 Prozent der EU-Bürger an, in den letzten 12 Monaten Antibiotika eingenommen zu haben.[31] Auch die Gabe von Breitspektrum-Antibiotika ist resistenzfördernd, da aufgrund der nicht identifizierten Erreger die Resistenzentwicklung vieler Erreger begünstigt wird. Bei einer vorherigen Identifizierung der Erreger wären in diesem Fall auch Basis-Antibiotika wirksam. In diesem Zusammenhang ist zudem die Therapie des bakteriellen Erregers häufig inadäquat. Ein fehlendes Antibiogramm, fehlende Hintergrundinformationen – sowohl in der Bevölkerung als auch beim medizinischen Fachpersonal – und mangelndes Verantwortungsbewusstsein hinsichtlich der Verordnungen, sind weitere begünstigende Faktoren zur Resistenzförderung. Hinzu kommt, dass sich Breitspektrum-Antibiotika erwiesenermaßen preiselastisch verhalten, das heißt, je mehr Breitspektrum-Antibiotika verordnet werden, desto preiswerter werden sie. Demzufolge werden sie auch häufiger eingesetzt, was sich in Bezug auf die Eindämmung von Resistenzen als nicht vorteilhaft erweist.[32] Belegen lässt sich dieser Mechanismus durch die Verdopplung des Norfloxacin- und Ciprofloxacin-Verbrauchs innerhalb von sieben Jahren, nachdem diese beiden Antibiotika durch Generika-Hersteller deutlich preiswerter wurden. Im gleichen Zeitraums stieg die Resistenzrate gegen Ciprofloxacin bei Escherichia coli an. An diesem Beispiel wird der ökonomische Aspekt von Arzneimitteln beziehungsweise Antibiotika deutlich und lässt vermuten, dass Antibiotika nicht immer der Indikation angemessen eingesetzt werden.[33]

Die Unwissenheit hinsichtlich Antibiotikaresistenzen spiegelt sich auch in dem Bericht „Special Eurobarometer 407" der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2013 wider, in dem in Deutschland 1.505 Interviews mit Privatpersonen geführt wurden. Das Interview bestand aus drei Aussagen, die die Personen mit „richtig", „falsch" oder „ich weiß es nicht" beantworten sollten. „Antibiotika töten Viren" war die erste Aussage. Die zweite lautete: „Antibiotika sind gegen Erkältungen und Grippe effektiv". Die letzte Aussage lautete: „Unverantwortlicher Antibiotikaeinsatz führt zu Resistenzen". Lediglich 34 Prozent der Befragten wussten, dass Antibiotika keine Viren töten. 49 Prozent der Befragten behaupteten, dass Antibiotika gegen Erkältungen und Grippe effektiv wirksam sind. Da sowohl Erkältungen als auch Grippen von Viren ausgelöst werden, sind Antibiotika bei dieser Therapie nicht wirksam. Immerhin bewerteten 67 Prozent der Befragten die Aussage als richtig, dass unverantwortlicher Antibiotikaeinsatz resistenzfördernd ist. Zum Vergleich lag bei der ersten Aussage der EU-weite Anteil derer, die wussten, dass Antibiotika keine Viren töten, bei 40 Prozent. Bei der zweiten Aussage lag der EU-weite Anteil der richtigen Antwort bei 52 Prozent. Mit 84 Prozent bewertete eine große Mehrheit die Aussage als richtig, dass unverantwortlicher Antibiotikaeinsatz zur resistenzfördernd ist. Bei allen drei Aussagen wird deutlich, dass das Wissen über Antibiotikaeinsatz beziehungsweise Antibiotikaresistenzen in Deutschland im EU-weiten Vergleich unterdurchschnittlich ist.[34]

Die Entstehung von resistenten Erregern erfolgt in erster Linie durch die Gabe von Antibiotika. Die Verbreitung erfolgt durch verschiedenste Übertragungswege der resistenten Erreger.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Entstehung und Verbreitung von resistenten Erregern (Stiftung Warentest: So entstehen und verbreiten sich resistente Keime, 2013, S. 29)

Wie in Abbildung 1 dargestellt, wird in der Tierhaltung durch den massenhaften therapeutischen Einsatz von Antibiotika die Entwicklung von Resistenzen gefördert. Die resistenten Erreger gelangen so zum einen durch die Ausscheidungen der Tiere sowohl ins Abwasser als auch in die Gewässer. Die Resistenzentwicklung wird dort besonders gefördert, indem beispielsweise ganze Tierherden präventiv therapiert werden, was primär ökonomische Interessen zur Voraussetzung hat.[35] Zum anderen gelangen jedoch auch die Ausscheidungen der Verbraucher, also der Menschen, ins Abwasser und Gewässer. Die Verbraucher fördern durch die Einnahme von Antibiotika und gleichzeitig durch den Konsum tierischer Lebensmittel vom Schlachthof die Resistenzbildung weiter. Auch die pflanzlichen Lebensmittel, die von Abwässern, Gewässern und der Gülle der Tiere belastet sind, werden vom Verbraucher konsumiert. Diese belasteten pflanzlichen Lebensmittel dienen den Tieren zudem als Futter. Bei anfälligen Menschen und bei Landwirten, die beruflich häufigen Kontakt zu Tieren und auch Kontakt zum Verbraucher haben, sind Infektionen ein Grund für einen Krankenhausaufenthalt, in dem wiederum Antibiotika verordnet und eingenommen werden. Durch Operationen, Verletzungen, Katheter, Beatmungsschläuche und Infusionen sind bakterielle Infektionen möglich, die dann ebenfalls mit Antibiotika therapiert werden. Außerdem ist die Weitergabe der resistenten Erreger an andere Patienten, Pfleger, Ärzte oder Geräte im Krankenhaus möglich. So ist der Kontakt mit Antibiotika beziehungsweise mit resistenten Erregern in fast jedem Lebensbereich gegeben und fördert somit die Entstehung und Ausbreitung resistenter Erreger.

2.5 Gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung

Antibiotika kommen nicht nur eine herausragende medizinische Bedeutung zu, sondern haben auch eine große gesellschaftliche und wirtschaftliche Signifikanz. So werden durch die steigende Anzahl an Resistenzen auch die Kosten durch Behandlung dieser enorm steigen und somit auch einen Anstieg der Morbidität und Mortalität begünstigen. Das Weltwirtschaftsforum (WEF) zählt Antibiotikaresistenzen gegenwärtig zu den größten Bedrohungen für die Weltwirtschaft.

Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung wurden im Jahr 2014 nahezu 45 Millionen Antibiotika mit 448 Millionen definierten Tagesdosen und einem Umsatz von 920 Millionen Euro verordnet. Dabei ist das meistverkaufte Antibiotikum nach definierten Tagesdosen Amoxicillin. Darauf folgt Cefuroxim, das als Reserveantibiotika eingestuft ist und in keiner deutschen Leitlinie als Mittel der Wahl gilt.[36] Im Bereich der privaten Krankenversicherung liegen keine Daten diesbezüglich vor.

Zwar werden im ambulanten Bereich mehr Antibiotika verordnet, doch im Krankenhaus werden diese pro Patient häufiger eingesetzt, sodass es für die resistenten Erreger zu einem erhöhten Selektionsdruck kommt. Neben den Patienten werden auf diese Weise auch die Angehörigen und vor allem das Krankenhauspersonal als Überträger markiert. Der dadurch bedingte Personalausfall, sowie die Isolation infizierter Patienten auf den einzelnen Stationen, sorgen in der Konsequenz zu höheren Kosten für das entsprechende Krankenhaus, die Krankenkassen, das Gesundheitswesen und die Volkswirtschaft generell. Die stetig steigende Resistenzrate durch die jahrzehntelange Gabe von Breitspektrum-Antibiotika – „sowohl zur Prophylaxe als auch zur Therapie von Infektionen"[37] – hat die weitere Resistenzentwicklung fortlaufend begünstigt und somit die Kosten für die Bekämpfung dieser Resistenzen stetig erhöht.[38] Generell führt auch eine Fehlversorgung mit Antibiotika – beispielsweise bei einer Virus- oder Pilzerkrankung – zu einer beschleunigten Resistenzentwicklung. Diese Fehlversorgung verursacht zudem vermeidbare unerwünschte Wirkungen (wie Magen-Darm-Beschwerden, Allergien, Nahrungsmittelunverträglichkeiten usw.), die als Begleiterscheinung bei Antibiotikatherapien auftreten.[39]

Da die Preise für Antibiotika auf dem Markt vergleichsweise sehr gering sind und sich die Vermarktung neuer daher nicht lohnt, ist bis auf wenige Ausnahmen die Antibiotikaforschung in der Pharmaindustrie zum Erliegen gekommen. Gründe dafür sind zum einen die fehlenden Rentabilitäten von Entwicklungsinvestitionen und zum anderen die hohen Entwicklungskosten neuer Arzneimitteln von durchschnittlich circa einer Milliarde US-Dollar. Hinzu kommen die einschränkenden regulatorischen Rahmenbedingungen seitens des Gesetzgebers und die teilweise unsicheren Ertragsaussichten. So sorgen also hauptsächlich betriebswirtschaftliche Gründe für die Stagnation in der Antibiotikaforschung und -entwicklung.

In Deutschland kommt es durchschnittlich zu 500.000 Krankenhausinfektionen pro Jahr, wovon etwa 7.500 bis 15.000 Todesfälle sind.[40] Zusätzlich 2,5 Millionen Krankenhaustage werden durch resistente Erreger in Europa verursacht.[41] Europaweit verursachen Infektionen mit resistenten Erregern Kosten von etwa 1,5 Millionen Euro, wovon fast die Hälfte durch Arbeitsausfälle entstehen.[42]

Um der Resistenzproblematik effektiv begegnen zu können, ist es notwendig, dass noch mehr Daten hinsichtlich Morbidität, Mortalität und ökonomischer Auswirkungen für die Gesundheitssysteme beziehungsweise der Gesellschaft vorliegen.[43]

3 Maßnahmen gegen Antibiotikaresistenzen

3.1 Globaler Aktionsplan

Auf internationaler und nationaler Ebene sind in den letzten Jahren zahlreiche Strategien gegen Antibiotikaresistenzen verfasst worden. Die Weltgesundheitsorganisation hat in Zusammenarbeit mit der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) und der Weltorganisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) eine internationale Strategie zur Bewältigung dieses Problems erarbeitet. So wurde von der Weltgesundheitsversammlung (WHA) im Mai 2015 ein Aktionsplan gegen die globale Entwicklung von Antibiotikaresistenzen verabschiedet, der fünf Hauptpunkte umfasst: Generell soll zunächst das Bewusstsein und Verständnis für beziehungsweise von Resistenzen gegen Antibiotika geschärft und verbessert werden. Dies soll durch eine wirksame Kommunikation und durch eine gute Aus-, Weiter- und Fortbildung des medizinischen Fachpersonals erreicht werden. Zudem soll die Überwachung und die Forschung diesbezüglich weiter vorangetrieben und praktiziert werden. Dazu gehört, dass generell die Inzidenz von Infektionen weltweit reduziert werden soll. Durch eine Optimierung des bisherigen Antibiotikaeinsatzes und verbesserte Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen soll dies beispielsweise realisiert werden. All diese Maßnahmen zielen vor allem auf eine nachhaltige Wirkung ab. Dies soll vor allem durch langfristige Investitionen für die Erforschung und Diagnostik neuer Antibiotika gelingen.[44]

Bis zum Jahr 2017 werden alle Regierungen aufgefordert, eine an den WHA-Aktionsplan angelehnte nationale Resistenzstrategie vorzuweisen. Mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation wird die Entwicklung und Implementation der nationalen Strategien vorangetrieben, um den sinnvollen Gebrauch von Antibiotika in der Veterinärmedizin, in der Tierhaltung und in der Humanmedizin langfristig schützen und erhalten zu können.[45]

3.2 DART 2020

Bereits im selben Monat der Verabschiedung des Globalen Aktionsplans gegen Antibiotikaresistenzen durch die Weltgesundheitsversammlung, beschloss die deutsche Bundesregierung – auf die vorherige gemeinsame Initiative der Bundesministerien für Gesundheit (BMG), für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und für Bildung und Forschung (BMBF) – die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie. Diese nationale Strategie verfolgt dieselbe Zielsetzung wie die der Weltgesundheitsorganisation.

Die Ziele umfassen sechs Punkte. Als erstes soll der One-Health-Ansatz national und international gestärkt werden. Das bedeutet, dass eine ganzheitliche Betrachtung der Resistenzproblematik notwendig ist, um sektorübergreifend (in der Veterinärmedizin, in der Tierhaltung und in der Humanmedizin) mit Hilfe der zuständigen nationalen und internationalen Institutionen reagieren zu können.[46]

Das zweite Ziel thematisiert die frühzeitige Erkennung von Resistenzentwicklungen, um Empfehlungen hinsichtlich der Therapie und Hygiene in betreffenden Einrichtungen fortlaufend anpassen zu können. Realisiert wurde dieses Ziel bereits mit Einführung der Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance im Jahr 2007.[47]

Die Therapie-Optionen sollen laut der Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie erhalten und zugleich verbessert werden, um einen langfristigen und sinnvollen Antibiotikaeinsatz sicherstellen zu können. Auch dieses Ziel wurde bereits im Jahr 2014 mit der Einführung der Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance erreicht, an der deutschlandweit aktuell 282 Krankenhäuser teilnehmen. Die gewonnenen Daten dienen als Grundlage für das Verständnis der Zusammenhänge zwischen Antibiotikaverbrauch und Resistenzentwicklung.[48]

Um Infektionen vermeiden zu können, ist als viertes Ziel die frühzeitige Unterbrechung von Infektionsketten definiert. Durch gute Aus-, Weiter- und Fortbildung des betroffenen Personals in den verschiedenen Sektoren hinsichtlich der Hygiene und Diagnostik, können Infektionsketten unterbrochen werden.[49] Diese Maßnahmen können zudem auch dem fünften Ziel „Bewusstsein fördern und Kompetenzen stärken"[50] zugeordnet werden. Nicht nur in den entsprechenden Fachkreisen ist eine umfassende Aufklärung der Problematik notwendig, sondern auch in weiten Teilen der Bevölkerung muss ein Verständnis dafür wachsen.[51]

Zuletzt ist die Unterstützung der Forschung und Entwicklung von Antibiotika und der Entwicklung von Resistenzen wichtig, um auch in Zukunft den sich ständig ändernden Bedingungen wirksam entgegentreten zu können.[52] Zur Entwicklung gehört in diesem Sinne beispielsweise auch die Entwicklung neuer oder die Verbesserung bestehender Surveillance-Systeme, die eine effektive Maßnahme zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen sein können.

3.3 10-Punkte-Plan

Vom Bundesministerium für Gesundheit wurde ebenfalls im Jahr 2015 ein 10-Punkte-Plan zur Vermeidung behandlungsassoziierter Infektionen und Antibiotika-Resistenzen vorgelegt. Wenige Monate vor dem Beschluss der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie wurde der 10-Punkte-Plan als Maßnahme gegen die Resistenzproblematik vorgestellt, nachdem zuvor verschiedene gesundheitspolitische Initiativen mäßig erfolgreich waren.

Demnach soll weiterhin die Ausbreitung von multiresistenten Erregern verhindert werden, indem die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) in Krankenhäusern – vor allem bei ambulanten Screenings vor einem Krankenhausaufenthalt – konsequenter als bisher umgesetzt werden sollen. Das Robert Koch-Institut soll dabei „die regionalen Netzwerke aus Gesundheitsämtern, Ärzten und Krankenhäusern zur Bekämpfung der Antibiotika-Resistenzen"[53] unterstützen. So ist zum Beispiel auch die Einführung eines verbindlichen „Screenings auf multiresistente gramnegative Erreger (4MRGN) schon vor der Aufnahme in ein Krankenhaus"[54] geplant. Durch Hygiene-Förderprogramme sollen außerdem die Hygienestandards in allen Einrichtungen weiter ausgebaut werden, indem unter anderem genügend und ausreichend qualifiziertes „ärztliches und pflegerisches Personal sowie Reinigungspersonal"[55] vorhanden ist. Bei der Landeskrankenhausplanung soll zur Qualitätssicherung beziehungsweise -steigerung beispielsweise die Einhaltung der Hygienemaßnahmen berücksichtigt werden. Zur Schaffung von mehr Transparenz und zur Sicherung der Qualität sollen nun auch Patienten durch verpflichtende Qualitätsberichte seitens der Krankenhäuser besser und objektiver informiert werden. Eine Verschärfung der Meldepflichten durch eine Änderung der Meldepflichtverordnung sorgt für ein schnelleres Handeln der Gesundheitsämter und gleichzeitig für „notwendige epidemiologische Daten über die Entwicklung und Verbreitung"[56] von multiresistenten Erregern für das Robert Koch-Institut. Aus diesen Daten lassen sich anschließend zielgenaue Maßnahmen zur Bekämpfung resistenter Erreger ableiten. Die Voraussetzung für ein qualifiziertes pflegerisches und ärztliches Personal im ambulanten und stationären Bereich sind verpflichtende Fortbildungen hinsichtlich der Diagnostik und Therapie. „Die Fortbildung von medizinischem Personal ist eine wesentliche Voraussetzung für einen sachgemäßen Einsatz von Antibiotika."[57] Ein weiterer Punkt ist die Verbesserung der Versorgungsforschung zur Vermeidung nosokomialer Infektionen. Dies soll durch eine Verstärkung der Forschungsanstrengungen mit Hilfe einer „gemeinsame[n] ‚Task Force Antibiotikaforschung' bei den Bundesministerien für Bildung und Forschung sowie für Gesundheit"[58] erreicht werden.[59] Durch die Aktualisierung der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie wird die jeweils aktuelle Situation in der Humanmedizin, Veterinärmedizin und Tierhaltung sachgerecht bewertet und an die sich ändernden Herausforderungen angepasst. Durch diesen Prozess wird der One-Health-Gedanke weiter gestärkt. Die Erforschung und Entwicklung neuer Antibiotika soll durch einen offenen Dialog zwischen Wissenschaft und der pharmazeutischen Industrie gefördert werden. Probleme sollen identifiziert und Anreize geschaffen werden, damit auch in Zukunft eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Antibiotika sichergestellt ist. Die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie hat bereits „einen wichtigen Beitrag bei der Ausarbeitung und Umsetzung des Globalen Aktionsplans"[60] der Weltgesundheitsorganisation geleistet. Durch die Schaffung eines Bewusstseins der Bedrohung durch Resistenzen wird die Voraussetzung für eine Zusammenarbeit zwischen den Staaten geschaffen. Generell sollen die bedeutendsten Industrienationen eine Vorbildfunktion hinsichtlich der Bekämpfung resistenter Erreger einnehmen und so „Instrumente zur Entwicklung neuer Antibiotika, […] [diagnostische] Testmethoden und […] [alternative] Behandlungen"[61] vorantreiben.[62]

[...]


[1] Vgl. Biermann: Antibiotika-Resistenzen, 2016, www.deutschlandfunk.de.

[2] Vgl. IFPMA: Todesfälle aufgrund von Antibiotikaresistenz im Vergleich, o. J., www.statista.de.

[3] Vgl. PAN Germany: Antibiotika in der Tierhaltung, o. J., www.pan-germany.org.

[4] Vgl. Meyer, E.: Antibiotikaeinsatz und Resistenzentwicklung in Deutschland, 2015, S. 13.

[5] Vgl. Sauer, M.: Woher kommt die Antibiotikaresistenz? 2004, www.uni-bielefeld.de.

[6] Vgl. Spektrum: Antibiotika. Geschichte, o. J., www.spektrum.de.

[7] Vgl. Pasteur L., Joubert J.: Charbon et septicémie, 1933, S. 178.

[8] Vgl. Ehrlich, P.: Behandlung der Syphilis mit dem Ehrlichschen Präparat, 1910, S. 1893.

[9] Vgl. Duchesne, L.: Contribution à l'etude de la concurrence vitale chezles microorganismes, 1897, S. 1.

[10] Vgl. Marshall, L.: Industrielle Biotechnologie in Deutschland, 2000, S. 31.

[11] Nobel Media AB: The Nobel Prize in Physiology or Medicine, 2014, www.nobelprize.org.

[12] Vgl. Spektrum: Antibiotika. Geschichte, o. J., www.spektrum.de.

[13] Vgl. WHO: Strategischer Aktionsplan, 2011, S. 1.

[14] Vgl. Casanova Mazana, J.: Bacteria and their dyes, 1992, S. 1.

[15] Vgl. Dingermann, T. et al: Pharmazeutische Biologie, 2002, S. 29.

[16] Vgl. Bushra, R. et al: Food-Drug Interactions, 2011, S. 77ff.

[17] Deutscher Bundestag: Maßnahmen gegen Antibiotikaresistenzen, 2015, S. 6.

[18] Vgl. BfR: Antibiotika-Einsatz in der Nutztierhaltung, 2016, www.bfr.bund.de.

[19] Population Correction Units: Ein PCU entspricht einem Kilogramm tierischer Lebendmasse.

[20] Vgl. BVL, PEG: GERMAP – Antibiotika-Resistenz und -Verbrauch, 2015, S. 25.

[21] In dieser Arbeit ist bei Berufs-, Gruppen- oder Personenbezeichnungen stets auch die jeweils weibliche Form gemeint. Der Verfasser sieht daher bewusst von einer genderneutralen Ausdrucksweise ab.

[22] Glaeske, G.: Anitbiotika – eine „Wunderwaffe" wird stumpf, 2015, S. 29.

[23] DDD (engl.: defined daily dosis): Definierte Tagesdosis eines Arzneimittels.

[24] Vgl. BVL, PEG: GERMAP – Antibiotika-Resistenz und -Verbrauch, 2015, S. 3.

[25] Vgl. OECD, Health at a Glance, 2013, S. 111.

[26] Vgl. OECD, Health at a Glance, 2013, S. 137.

[27] Glaeske, G.: Resistenzen – der Super-GAU, 2015, S. 28.

[28] Vgl. Glaeske, G.: Resistenzen – der Super-GAU, 2015, S. 28.

[29] Vgl. BMG, BMEL, BMBF: DART 2020 – Zwischenbericht, 2017, S. 33.

[30] Vgl. BVL, PEG: GERMAP – Antibiotika-Resistenz und -Verbrauch, 2015, S. 3.

[31] Vgl. Europäische Kommission: Antimicrobial resistance, 2013, S. 5.

[32] Vgl. Meyer, E.: Antibiotikaeinsatz und Resistenzentwicklung in Deutschland, 2015, S. 8.

[33] Vgl. Meyer, E.: Antibiotikaeinsatz und Resistenzentwicklung in Deutschland, 2015, S. 12.

[34] Vgl. Europäische Kommission: Antimicrobial resistance, 2013, S. 24ff.

[35] Vgl. ECDC, EFSA, EMA: Analysis of the consumption of antimicrobial agents, 2015, S. 93.

[36] Vgl. BVL, PEG: GERMAP – Antibiotika-Resistenz und -Verbrauch, 2015, S. 9.

[37] Schatzmann, K: Beeinflussung des Antibiotikaverbrauchs, 2013, S. 197.

[38] Vgl. Schatzmann, K: Beeinflussung des Antibiotikaverbrauchs, 2013, S. 197.

[39] Vgl. Glaeske, G.: Resistenzen – der Super-GAU, 2015, S. 27.

[40] Vgl. Gastmeier, P., Fätkenheuer, G.: Infektiologie: Dilemma, 2015, www.aerzteblatt.de.

[41] Vgl. Schatzmann, K: Beeinflussung des Antibiotikaverbrauchs, 2013, S. 197.

[42] Vgl. ECDC/EMEA: The bacterial challenge: time to react, 2009, S. 13.

[43] Vgl. Wilke, M. H.: Multiresistant bacteria and current therapy, 2010, S. 571ff.

[44] Vgl. WHO: Global Action Plan on Antimicrobial Resistance, 2015, S. 8ff.

[45] Vgl. WHO: WHA addresses antimicrobial resistance, 2015, www.who.int.

[46] Vgl. BMG, BMEL, BMBF: DART 2020 – Zwischenbericht, 2017, S. 8ff.

[47] Vgl. BMG, BMEL, BMBF: DART 2020 – Zwischenbericht, 2017, S. 13ff.

[48] Vgl. BMG, BMEL, BMBF: DART 2020 – Zwischenbericht, 2017, S. 15ff.

[49] Vgl. BMG, BMEL, BMBF: DART 2020 – Zwischenbericht, 2017, S. 19ff.

[50] BMG, BMEL, BMBF: DART 2020 – Zwischenbericht, 2017, S. 23.

[51] Vgl. BMG, BMEL, BMBF: DART 2020 – Zwischenbericht, 2017, S. 23f.

[52] Vgl. BMG, BMEL, BMBF: DART 2020 – Zwischenbericht, 2017, S. 25f.

[53] BMG: 10-Punkte-Plan, 2015, S. 2.

[54] Vgl. BMG: 10-Punkte-Plan, 2015, S. 2.

[55] BMG: 10-Punkte-Plan, 2015, S. 2.

[56] BMG: 10-Punkte-Plan, 2015, S. 2.

[57] BMG: 10-Punkte-Plan, 2015, S. 3.

[58] BMG: 10-Punkte-Plan, 2015, S. 3.

[59] Vgl. BMG: 10-Punkte-Plan, 2015, S. 3.

[60] BMG: 10-Punkte-Plan, 2015, S. 4.

[61] BMG: 10-Punkte-Plan, 2015, S. 4.

[62] Vgl. BMG: 10-Punkte-Plan, 2015, S. 4.

Ende der Leseprobe aus 68 Seiten

Details

Titel
Einführung der Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance und deren Auswirkung auf die Entwicklung von Resistenzen
Hochschule
Rheinische Fachhochschule Köln
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
68
Katalognummer
V374807
ISBN (eBook)
9783668521575
ISBN (Buch)
9783668521582
Dateigröße
1484 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Antibiotika, Verbrauch, Surveillance, Resistenz, Antibiotikaresistenz, Resistenzbildung, Resistenzentwicklung, Resistenzauswirkungen, Surveillance-System, Medizinökonomie, Gesundheitsökonomie
Arbeit zitieren
Alexander Stein (Autor:in), 2017, Einführung der Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance und deren Auswirkung auf die Entwicklung von Resistenzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/374807

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