Die iroschottische Mission. Buße, Peregrinatio und Christianisierung von Luka


Hausarbeit, 2016

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


2
1. Einleitung
,,Die asketische Bewegung, die er [Columban] ins Leben rief und die von seinen größtenteils aus
dem fränkischen Adel rekrutierten Jüngern fortgesetzt wurde, brachte in der ersten Hälfte des 7.
Jahrhunderts eine Wende in der Entwicklung der abendländischen christlichen Frömmigkeit."
1
So fasst Peter Brown die Entwicklungen zusammen, die durch die ersten Wandermönche der
iroschottischen Kirche angestoßen wurden. Zu Beginn des Frühmittelalters war das Christentum in
Europa in Ansätzen verbreitet, jedoch gab es keine einheitliche Basis. Das römische Christentum
hatte noch immer mit dem Arianismus, beispielsweise unter den Germanen verbreitet, zu kämpfen.
Auch die beiden Konzile von Nicäa und Konstantinopel konnten keinen Konsens schaffen. Im
Westen, zwischen Mittelmeer und Loire, konnte sich das römisch-christliche Kirchentum bereits
etablieren, während die Christianisierungsrate östlich des Rheines immer weiter abnahm. So waren
dort vereinzelt kirchliche Strukturen aufzufinden; die Alemannen, Thüringer und Bajuwaren hingen
aber noch immer heidnischen Göttern an.
Ab dem 6. Jahrhundert jedoch kam es zu einer Mönchsbewegung, die erstaunlicherweise aus
einem Land stammt, welches stets von der antiken Welt isoliert blieb. Irland brachte einige
Missionare hervor, die, wie Brown es beschreibt, in den beiden folgenden Jahrhunderten großen
Einfluss auf das kontinentale Christentum haben sollten. Doch wo liegen die Besonderheiten des
Ursprungslandes und was macht die iroschottische Kirche aus? Was trieb die Mönche dieser Kirche
an, die eigene Insel zu verlassen und in eine Welt zu reisen, deren lateinische Gepflogenheiten sie
erst selbst lernen mussten. Welche neuen Entwicklungen entstanden auf der Insel und inwiefern
trugen sie zur Christianisierung bei?
Im Rahmen dieser Arbeit soll zunächst einmal ein Überblick über die Entwicklungen der
Kirche auf der irischen Insel geboten werden. Wie gelangte das Christentum nach Irland und wie
entwickelte es sich? Dabei werde ich vor allem auf das monastische Leben eingehen und
beleuchten, welche Grundideen hinter der iroschottischen Kirche liegen. Dazu werde ich auch die
Besonderheiten und Neuerungen dieser Kirche darlegen, mit dem Hintergrund, wie sie sich von der
römisch geprägten Kirche abgrenzt. Danach soll die eigentliche Mission am Beispiel des Columban
von Luxeuil und seiner Geschichte gezeigt werden. Auch werde ich mich auch kurz mit den
entstandenen Konflikten befassen. Die Hochphase der iroschottischen Mission ist im 6. bis 8.
Jahrhundert anzusiedeln; ich werde in dieser Ausarbeitung nur den genannten Zeitraum betrachten
und nicht auf die Ausläufer eingehen können, die sich bis ins 12. Jahrhundert entwickelten.
2. Irland
1
Brown (1996) S.184

3
2.1 Grundlagen und Christianisierung
Irland war seit jeher isoliert von der antiken Welt. Den Römern gelang es nie, bis auf die Insel
Hibernia vorzudringen, was somit auch die Isolation Irlands gegenüber allen römischen Einflüssen
bedeutete. An einem der letzten Horte des von den Römern zurückgedrängten Keltentums erhielten
sich hier ,,oftmals altertümliche Lebens ­ und Sprachformen"
2
. Archäologische Funde an der
Ostküste Irlands zeigen zwar, dass es Kontakt zum römischen Britannien gab (,,[...] probably
through a variety of means: trading, raiding and through intermarriage between people living in the
coastal areas of eastern Ireland and those in western Britain"
3
), jedoch kam es nie zu einem
vollständigen Ausbreiten der Römer auf Irland. Ebenso unberührt blieb Irland von der sogenannten
Völkerwanderung. Politisch und militärisch nicht zentralistisch
4
, sondern extrem partikularistisch
wurde Irland zunächst durch über hundert Kleinreiche (Túatha) verwaltet, die alle von einem
jeweiligen König geführt wurden. Im Laufe der Zeit bildeten sich hier fünf Provinzialkönigtümer
(Connacht, Munster, Leinster, Mide, Ulster) heraus. Die Bevölkerung setzte sich nach den sozialen
Ständen des Adels, der Freien und der Unfreien zusammen, welche eine kriegerisch-bäuerliche
Lebensweise führten.
5
Nachdem die letzten römischen Truppen 410 die Provinz Britannia verließen, war diese nun
praktisch schutzlos. Die Iren begannen folglich mit Plünderzügen gegen die Westküste der
Nachbarinsel und sollten dort schon bald politischen Einfluss ausüben. Das aus dem Norden
Brittanias stammende Volk der Pikten wurde unter anderem versklavt und gelangte so auch nach
Irland. Wichtig hierbei ist die Tatsache, dass die Pikten bereits christianisiert waren, sodass das
Christentum auch auf die irische Insel übergreifen konnte
6
.
Papst Coelestin I. sandte 431 n. Chr. den Dekan Palladius als ersten Bischof nach Irland, um
dort ­ vor allem in Leinster ­ missionstätig zu werden. Als Quelle hierzu dient die Chronik des
Prosper Tiro von Aquitanien, welche ebenso darauf verweist, dass Palladius dort bereits auf irische
Christen traf.
7
Angeblich zeitgleich (die Forschung geht von einem etwas breiteren Zeitraum von
ca. 400 bis 460 aus
8
) begann auch die Missionstätigkeit des heiligen Patrick in Irland. Als von ihm
verfasste Schriften sind zwei Texte anerkannt: die Autobiographie ,,Confessio", in der er von seiner
Abstammung aus Britannien berichtet, und ein Brief (,,Epistola ad milites Corotici"). Beide Quellen
liefern wenige zuverlässige Tatsachen zu seinem Leben. Als Sklave gelangte er nach Irland, floh
nach einigen Jahren zurück in die Heimat, wo ,,ihn [die] 'Stimmen der Iren' [mahnten], wieder
2
Angenendt (1995) S.203
3
Ó Floinn (2012) S.13f
4
Vgl. Ebd. S.11
5
Vgl. Angenendt (1995) S.203
6
Vgl. Ebd. S.204
7
Vgl. Ó Floinn (2012) S.12; Ó Floinn bemerkt außerdem, dass 431 der erste Fixpunkt für das Christentum in Irland
ist. Alle anderen Nachweise stammen aus späteren Quellen und seien in Teilen propagandistisch geprägt. Vgl.
Padberg (1998) S.65f
8
Vgl. Angenendt (1995) S.204

4
umzukehren und auf der Insel zu missionieren"
9
. Dort wurde er dann Bischof und hatte seinen Sitz
wohl in Armagh, dessen Kirche auch heute noch als das religiöse Zentrum Irlands gilt. Hier bildet
sich in Patricks Verlassen der Heimat für den Glauben und um zu missionieren bereits eine Form
von peregrinatio heraus, welche für den Verlauf der iroschottischen Mission noch von essentieller
Wichtigkeit werden soll.
In der Folgezeit wurde Irland weiterhin vom Festland isoliert. Die Angelsachen eroberten
Britannien und Neuerungen wie beispielsweise die Neuberechnung des Ostertermins erreichten nie
die irische Insel. Des Weiteren entwickelte sich das Mönchtum anders als auf dem Festland und
auch das Sakrament der Beichte und die damit verbundene Buße erfuhr eine ,,Reform" in Irland.
2.2 Die Begrifflichkeit ,,iroschottisch"
Als ,,iroschottisch" bezeichnet man eine Ausprägung des Christentums, also eine ,,Kirche", die
ihren Ursprung im keltischen, römisch unberührten Irland findet. Dort entwickelte sich die
iroschottische Kirche im 3. bis 5. Jahrhundert nach Christus. Oft wird diese Kirche auch als
,,Missionskirche" bezeichnet, was auf die Missionstätigkeit einiger ihr angehöriger Mönche im 6.
bis 8. Jahrhundert auf dem europäischen Festland zurückzuführen ist.
Durch die Abgrenzung zum Festland entwickelte sich innerhalb der iroschottischen Kirche
eine eigene Struktur bzw. Organisation. Die Begrifflichkeit ,,iroschottisch" soll diese Kirche also
von der römischen abgrenzen. Jedoch sei darauf verwiesen, dass der Begriff scotus im Mittelalter
nicht nur ,,Schotte", sondern ebenso ,,Ire" bedeutete.
10
2.3 Das kirchliche Leben
Ab etwa der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts war das Christentum allgemein in Irland als
Religion anerkannt.
11
Zwar führten Palladius und Patrick die Bischofsverfassung in Irland ein, aber
tatsächlich war die Kirche dezentral organisiert; die Kirchensprengel waren lediglich an die túatha
9
Ebd.
10
Vgl. Stancliffe (2005) S.451; Padberg (1993) Sp.964: Padberg verweist hier auf die Missachtung der
Doppeldeutigkeit von scotus. Als alternative Bezeichnung schlägt er die ,,kontinentale irische Mission" vor. Da die
Bezeichnung ,,iroschottisch" aber die in der Forschung üblicherweise angewandte ist, werde ich sie auch weiterhin
in dieser Arbeit benutzen.
11
Vgl. Stancliffe (2005) S.401

5
angepasst worden.
12
Das auf dem Festland übliche Episkopat konnte sich hier nicht behaupten.
Während auf dem Kontinent der Bischof das Oberhaupt einer jeweiligen Diözese war und auch alle
dieser Diözese zugehörigen Klöster unter seiner Kontrolle standen, waren in Irland vielmehr (ab
etwa dem 7. Jahrhundert) die Äbte der einzelnen Klöster die geistlichen Oberhäupter. Zwar gab es
weiterhin Bischöfe in Irland; entschieden und ,,regiert" haben jedoch die Äbte über ihre Klöster.
13
Solche Klöster entstanden vermehrt im 6 Jahrhundert. Der vermutlich berühmteste Gründer irischer
Klöster war Columba (zur Abgrenzung zu Columban ,,dem Jüngeren" auch öfter mit dem Beinamen
,,der Ältere" versehen), welcher die Klöster Durrow, Derry und vor allem Iona auf der
gleichnamigen Insel in Schottland einrichtete. Letzteres sollte für lange Zeit das Oberkloster und
damit auch zeitgleich das geistliche Zentrum des Reiches der herrschenden Familie der U'Neill
werden, welcher Columba ebenfalls angehörte.
14
Das Mönchtum und das Klosterleben entwickelten sich bald zu zentralen Teilen der irischen
Kirche und auch der irischen Gesellschaft. Die heidnischen Druiden, welche zuvor als Priester
fungierten und der Gelehrtenschicht angehörten, wurden im allmählich christianisierten Land von
christlichen Priestern abgelöst. Klöster basierten meist auf einer losen Zusammenfügung
verschiedener Gebäude, die von einem Erd- oder Steinwall umgeben wurden. Gestiftet wurden die
Klöster häufig von den ansässigen Adelsfamilien, welche im Gegenzug ein Einsetzungsrecht für das
Amt des Abtes hielten. So entwickelte sich eine Art Erbrecht, da das Oberhaupt des Klosters
fortwährend aus derselben Familie gestellt wurde. Die Äbte lebten gewöhnlicherweise im Zölibat
und waren daher nicht verheiratet. Das Amt des Abtes konnte also nicht an einen Sohn
weitergegeben werden, sondern wurde dann an Neffen oder Cousins weitergereicht.
15
Die Äbte fungierten nun als die zentralen Figuren einer paruchia, also eines
Seelsorgebezirks. Dadurch, dass sie sich gegen die Bischöfe durchsetzen konnten, waren sie zu den
kirchlichen Rechtssprechern geworden und waren ebenso für die Seelsorge ihrer paruchia
verantwortlich. Weihen konnten jetzt von einem geweihten Mönch (der dem jeweiligen Kloster
angehörig war) ausgeübt werden, was zusätzlich eine Schwächung des episkopalen Einflusses
bedeutete.
16
Da man Mönche auf Grund ihrer Lebensweise als Gottesmänner verstand, entstand
bald die Auffassung, dass sie die besseren Heilsmittler seien und somit auch die Heilsgnaden der
Kirche besser ,,austeilen" konnten (ein Bischof entsprach beispielsweise nicht dem Ideal eines
solchen Gottesmannes, da er eben nicht die asketische Lebensweise der Mönche teilte).
17
Um dieses Ideal des Gottesmannes zu erfüllen, lebten die Mönche in strengster Askese. Ziel
war es, einen ,,fast lebendige[n] Tod" zu leben.
18
Die strengen Regeln der Klöster sahen bereits bei
12
Vgl. Angenendt (1995) S.205
13
Vgl. Stancliffe (2005) S.419
14
Vgl. Angenendt (1995) S.206
15
Vgl. Stancliffe (2005) S.407f
16
Vgl. Angenendt (1995) S.205
17
Vgl. Ebd. S.207f
18
Vgl. Ebd. S.205

6
kleinen Vergehen, ja sogar nur geringsten ,,Fehltritten", eine harte Bestrafung, beispielsweise in
Form von Stockschlägen, vor. Die Mönche übten sich in ,,asketische[r] Höchstleistung"
19
, in dem
sie tagelang streng fasteten, sich in kaltes Wasser stellten oder zahllose Kniebeugen ausführten.
20
Darüber hinaus kamen sie sechsmal täglich zum Gebet zusammen und beteten am Tag bis zu 150
Psalmen. Zusätzlich arbeiteten, studierten oder übten Lehrtätigkeiten aus. Hohes Ansehen genoss
darüber hinaus die sich auf der Insel entwickelnde Kultur, besonders ihre Schrift- und Buchkunst,
die vor allem in den monastischen Skriptorien ausgeübt wurde.
21
19
Vogt (1982) S.50
20
Vgl. Angenendt (1995) S.205
21
Vgl. Ebd. S.208f
Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die iroschottische Mission. Buße, Peregrinatio und Christianisierung von Luka
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Geschichte)
Veranstaltung
Proseminar: Grundprobleme der Geschichte des Frühmittelalters
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
15
Katalognummer
V375375
ISBN (eBook)
9783668526273
ISBN (Buch)
9783668526280
Dateigröße
458 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Iroschottische Mission, iroschottisch, peregrinatio, buße, mönche, möch, missionierung, christianisierung
Arbeit zitieren
Luka Moskopp (Autor:in), 2016, Die iroschottische Mission. Buße, Peregrinatio und Christianisierung von Luka, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375375

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