Spannungsfeld Gesundheit und Ökonomie. Das Gesundheitssystem in Mittelosteuropa und sein Vorreiter Ungarn


Diplomarbeit, 2005

113 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemaufriss
1.2 Überblick

2. Hintergrund
2.1 Spannungsfeld zwischen Gesundheit und Ökonomie
2.2 Gesundheitsökonomie
2.2.1 Begriffsbestimmung
2.2.2 Schematische Übersicht der Betätigungsfelder
2.2.3 Aufgaben
2.2.4 Ursachen für die Notwendigkeit von Kostendämpfungsmaßnahmen
2.2.4.1 Stetiger Kostenanstieg im Gesundheitssystem
2.2.4.2 Öffentliche Hand als Hauptkostenträger
2.3 Begrenzung der Arzneimittelausgaben
2.3.1 Gründe
2.3.2 Bisherige Maßnahmen
2.4. Arzneimittelkostenerstattung
2.4.1 Bedeutung der Arzneimittelkostenerstattung für die Gesellschaft
2.4.2 Bisherige Hürden zur Erlangung der Arzneimittelkostenerstattung
2.5 Wirtschaftlichkeit - die vierte Hürde
2.5.1 Die vierte Hürde in der Diskussion
2.5.2 Gesundheitsökonomische Analyseverfahren
2.5.3 Methodische Aspekte gesundheitsökonomischer Bewertungen
2.5.3.1 Wahl der Perspektive
2.5.3.2 Kosten und Nutzen
2.5.3.3 Datenquellen
2.5.3.4 Wahl der Vergleichsintervention
2.5.3.5 Diskontierung
2.5.3.6 Sensitivitätsanalyse
2.5.4 Probleme bei der Übertragung internationaler Studienergebnisse auf nationale Fragestellungen
2.5.5 Health Technology Assessment
2.5.5.1 Health Technology Assessment Agentur
2.5.5.2 National Institute for Health and Clinical Excellence
2.5.5.3 Gesellschaftliche Zahlungsbereitschaft für Gesundheit
2.5.6 Pharmakoökonomische Richtlinien - Gemeinsamkeiten und Unterschiede

3. Pharmakoökonomische Evaluationen als Erstattungsvoraussetzung für Arzneimittel in Ungarn
3.1 Situation in Mittelosteuropa
3.1.1 Gesundheit und Gesundheitssysteme
3.1.2 Pharmakoökonomische Bestrebungen
3.2 Ungarn
3.2.1 Gesundheitssystem Ungarns
3.2.2 Preisfestsetzung und Kostenerstattung von Arzneimitteln in Ungarn vor der Einführung der vierten Hürde
3.2.2.1 Ablauf der Verhandlungen über die Preisfestsetzung und die Kostenerstattung
3.2.2.2 Kategorien der Kostenerstattung
3.2.3 Prozess zur Erlangung der Kostenerstattung von Arzneimitteln in Ungarn seit der Einführung der vierten Hürde
3.2.3.1 Ablauf des Verfahrens zur Erlangung der Kostenerstattung
3.2.3.2 Ungarische Richtlinien zur ökonomischen Bewertung von Gesundheitstechnologien und ihre Anwendbarkeit in der Praxis
3.2.3.3 Besonderheiten im Zusammenhang mit der vierten Hürde in Ungarn

4. Bedeutung der vierten Hürde in Ungarn für die pharmazeutische Industrie
4.1 Auswirkungen des gegenwärtigen Erstattungsverfahrens
4.2 Auswirkungen möglicher Entwicklungen im Zusammenhang mit der vierten Hürde
4.3 Sonderregelung im Zusammenhang mit der vierten Hürde
4.4 Generelle Handlungsempfehlung

5. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Internetverzeichnis

Geführte Gespräche

E-Mail-Befragungen

Anhang

Ehrenwörtliche Erklärung

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb. 1: Übersicht über die Betätigungsfelder der Gesundheitsökonomie

Abb. 2: Ursachen für den Kostenanstieg im Gesundheitssystem

Abb. 3: Maßnahmen zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben

Abb. 4: Hürden der Kostenerstattung

Abb. 5: Ziele der vierten Hürde

Abb. 6: Gesundheitsökonomische Evaluationen

Abb. 7: Kosten- und Nutzenarten

Abb. 8: Verlauf eines HTAs

Abb. 9: Schematischer Ablauf eines „technology appraisals“ bei NICE

Abb. 10: Kosten/QALY-Verhältnisse von zwei Produkten der Schering AG

Abb. 11: Schematische Übersicht über das ungarische Gesundheitssystem

Abb. 12: Ablauf des Verfahrens zur Erlangung der Kostenerstattung

Abb. 13: Kriterien zur Entscheidung über das anzuwendende Erstattungsverfahren

Abb. 14: Bestandteile des Berichts des staatliches HTA Büros

Abb. 15: Kriterien bei der Entscheidungsempfehlung

Abb. 16: Lösungsvorschläge für die pharmazeutische Industrie

TABELLENVERZEICHNIS

Tab. 1: Lebenserwartung bei der Geburt in Jahren für 1960, 1970, 1980, 1990, 1995, 2000 - 2002

Tab. 2: Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP in % für 1960, 1970, 1980, 1985, 1990, 2000 - 2002

Tab. 3: Anteil der öffentlichen Ausgaben an den gesamten Gesundheitsausgaben in % für 2002

Tab. 4: Anteil der Arzneimittelausgaben an den gesamten Gesundheitsausgaben in % für 1960, 1970, 1980, 1985, 1990, 1995, 2000 - 2002

Tab. 5: Durchschnittliche Kosten in DM pro Patient für verschiedene Studien- perspektiven aus einer Krankheitskostenstudie über Multiple Sklerose in Deutschland 1999

Tab. 6: Zu beachtende Punkte bei der Übertragung von gesundheitsökonomischen Studien

Tab. 7: Lebenserwartung bei der Geburt in Jahren für 1999 - 2003

Tab. 8: Gesundheitsausgaben pro Kopf in Kaufkraftparitäts-Dollar für 1999 - 2002

Tab. 9: Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP in % für 1999 - 2002

Tab. 10: Aktueller Stand pharmakoökonomischer Bestrebungen in Mittelosteuropa 30

Tab. 11: Anteil der Arzneimittelausgaben an den gesamten Gesundheitsausgaben in % für 1999 - 2003

Tab. 12: Öffentlicher Anteil an den gesamten Arzneimittelausgaben in % für 1999 - 2003

Tab. 13: Übersicht über die Kategorien der Kostenerstattung

Tab. 14: Übersicht über die weltweit bestehenden pharmakoökonomischen Richtlinien (Dateiname: Anhang 14.pdf) auf beigefügter CD

1. Einleitung

1.1 Problemaufriss

Jahrzehntelang musste ein Pharmaunternehmen nur Wirksamkeit, Qualität und Sicherheit eines neuen Arzneimittels belegen, um hierfür die Marktzulassung und die Kostenerstattung zu erhalten.[1]

Diese Situation änderte sich 1993, als Australien erstmals ökonomische Evaluationen von neu zugelassenen Arzneimitteln verlangte, bevor sie in die Kostenerstattung aufgenommen wurden.[2] Die so genannte vierte Hürde war geboren. In den Folgejahren führten weitere westliche Länder gesundheitsökonomische Evaluationen als Erstattungsvoraussetzung ein. Da die Preise für Arzneimittel die Zahlungs­fähigkeit des Einzelnen oftmals übersteigen, ist die Kostenerstattung durch die Kostenträger unerlässlich für den Erfolg eines innovativen pharmazeutischen Produktes.[3]

Dieser Entwicklung gingen stark steigende Gesundheitsausgaben voraus. Obwohl die Gesundheitskostenträger versucht haben, den Kostenanstieg durch verschiedene Maßnahmen wie Leistungseinschnitte oder höhere Patientenselbstbeteiligungen zu begrenzen, sind die Gesundheitsausgaben in der EU seit 1970 jährlich um 1,7 Prozentpunkte stärker gestiegen als das Wirtschaftswachstum.[4] Dies ist allerdings kein EU-spezifisches Problem. Wurden damals im OECD-Durchschnitt etwas über 5 % des BIP für die Bereitstellung von Gesundheits­leistungen ausgegeben, so sind es heutzutage fast 9 %[5] - die USA als Ausgabenspitzenreiter wenden bereits heute über 15 % des BIP für Gesundheits­ausgaben auf.[6]

Die pharmazeutischen Unternehmen haben auf die veränderten Erstattungsbedingungen reagiert und beziehen heute den Nachweis des Produktmehrwerts in die Entwicklungsprogramme ein. Diese Informationen werden genutzt, um zu zeigen, dass ein Arzneimittel für das jeweilige Gesundheitssystem wirtschaftlich ist. Für die Schering AG und alle anderen pharmazeutischen Unternehmen, die der weltweiten Top 20 angehören, ist dieses Vorgehen heutzutage gängige Praxis.

Der Druck, mit den vorhandenen Ressourcen optimal zu haushalten, besteht nicht nur in westlichen Gesundheitssystemen. Die Nutzung von steigenden Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich der Gesundheitsökonomie hat dazu geführt, dass auch in Schwellenländern das Interesse an gesundheitsöko­nomischen Evaluationen wächst.[7]

Diese Entwicklung wirft allerdings auch eine Reihe von Problemen und Fragen auf. Gewonnene Erfahrungswerte, z. B. zur Zahlungsbereitschaft einer Gesellschaft für Gesundheitsleistungen, hängen immer auch mit der Wirtschaftskraft des jeweiligen Landes zusammen.

Würde bei der Bewertung der gesundheitsökonomischen Evaluationen die westliche Zahlungsbereitschaft unterstellt, besteht die Gefahr, dass die Gesundheitssysteme in den Schwellenländern schnell in die Zahlungsunfähigkeit geraten. Wäre allerdings einzig die wirtschaftlich begründete Zahlungsfähigkeit der Bewertungsmaßstab, würde dies zwangsläufig dazu führen, dass gewisse Arzneimittel aufgrund der hohen Kosten nicht erstattet würden. Im Ergebnis blieben der Bevölkerung des Schwellenlandes wichtige medizinische Neuerungen vorenthalten.[8]

Das Spannungsfeld zwischen medizinisch wünschenswerten und finanziell machbaren Behandlungsmethoden ist in den Schwellenländern daher größer als in den Industrienationen.[9]

Aber nicht nur für die betroffenen Länder ist diese Situation schwierig. Für ein pharmazeutisches Unternehmen wie die Schering AG bedeutet sie erst einmal Unsicherheit, da keine Erfahrungen bestehen, wie die vierte Hürde in den Schwellenländern ausgestaltet wird, wie groß ihr Einfluss im Erstattungsprozess sein wird und wie sie sich insgesamt von ihren Pendants in den Industrienationen unterscheidet. Die Lage wird durch den Mangel an Literaturquellen noch verkompliziert. Während in den westlichen Ländern viele praktische Erfahrungen bei der Umsetzung der gesundheitsökonomischen Theorien gewonnen wurden und die ärmsten Länder z. B. durch das Projekt CHOICE der Weltgesundheitsorganisation in diesem Bereich unterstützt werden,[10] gibt es für die Schwellenländer relativ wenige Hilfestellungen, wie diese mit den speziellen Problemen bei der Implementierung einer vierten Hürde zurecht kommen können.

1.2 Überblick

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollen daher der gegenwärtige Stand der Gesundheitsökonomie in Mittelosteuropa dargestellt und mögliche Entwicklungen in diesem Bereich aufgezeigt werden. Hierzu werden im folgenden Kapitel die theoretischen Grundlagen erläutert werden, die unabdingbar sind, um die zuvor angesprochenen Probleme zu verstehen. Anfangs werden die Ursachen für die steigende Bedeutung der Gesundheitsökonomie aufgezeigt. Im Anschluss daran werden die existierenden gesundheitsökonomischen Analyseverfahren sowie die dazugehörigen methodischen Aspekte erläutert und die möglichen Probleme bei der Anwendung von internationalen Studien im nationalen Kontext aufgezeigt. Daran anschließend wird die Funktion von Health Technology Assessment (HTA) Agenturen vorgestellt. Ein besonderes Augenmerk richtet sich hierbei auf das englische National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE), da diesem eine gewisse Vorbildfunktion zugeschrieben wird. Den Abschluss des zweiten Kapitels bildet eine Übersicht über die bestehenden pharmakoökonomischen Richtlinien. Der Fokus liegt hierbei insbesondere auf den Gemeinsamkeiten, Unterschieden und Problemen der Richtlinien.

Den Einstieg in das dritte Kapitel bildet die Darlegung der speziellen Situation mittelosteuropäischer Gesundheitssysteme. Weiterhin wird ein kurzer Überblick über die dortigen Bestrebungen im Bereich Gesundheitsökonomie gegeben. Der daran anschließende Teil befasst sich mit der vierten Hürde in Ungarn. Da Ungarn auf diesem Gebiet Vorreiter in Mittelosteuropa ist, können die mit der vierten Hürde gemachten Erfahrungen für die anderen Länder der Region eine Signalwirkung haben. Zuerst werden das ungarische Gesundheitssystem sowie der Prozess der Preisfestsetzung und Kostenerstattung von Arzneimitteln, wie er vor der Einführung der vierten Hürde ablief, im Überblick dargestellt. Darauf aufbauend werden der seit 01.05.2004 existierende Entscheidungsprozess im Rahmen der vierten Hürde analysiert und die offiziellen pharmakoökonomischen Richtlinien näher betrachtet.

Im vierten Kapitel werden basierend auf den Betrachtungen des vorangegangenen Kapitels die Auswirkungen auf die pharmazeutische Industrie erläutert und Lösungsmöglichkeiten vorgestellt.

Den Abschluss bildet im fünften Kapitel das Aufzeigen der wichtigsten Aspekte dieser Arbeit in der Schlussbetrachtung.

Der theoretische Teil dieser Arbeit basiert auf umfangreichen Literatur- und Internetrecherchen, wobei die Quellen insgesamt relativ übereinstimmende Informationen lieferten. In eigenen Punkten traten jedoch sehr gegensätzliche Sichtweisen hervor, die hier kritisch betrachtet wurden.

Die in der Literatur vorgefundenen Informationen über die pharmakoökonomischen Bestrebungen in Mittelosteuropa wurden durch E-Mail-Anfragen an Personen, die aus den untersuchten Ländern stammen und über die gegenwärtige Situation der Pharmakoökonomie im jeweiligen Land unterrichtet sind, vervollständigt. Alle Daten über die vierte Hürde in Ungarn fußen auf fragebogengestützten und freien Gesprächen mit ungarischen Experten der Pharmakoökonomie.

2. Hintergrund

2.1 Spannungsfeld zwischen Gesundheit und Ökonomie

Die einen sagen, dass "Gesundheit .. das höchste Gut des Menschen [ist]“[11] und um sie zu erhalten, sei nichts zu teuer. Auf der anderen Seite hört man immer häufiger, dass das Gesundheitswesen in einer Krise steckt: Wenn die Kosten weiter im bisherigen Tempo steigen, können wir uns die Gesundheit bald nicht mehr leisten.[12] Auch wenn beide Aussagen auf den ersten Blick konträr erscheinen mögen, so stimmen sie beide in dem Punkt überein, dass die Gesundheit unbezahlbar sei. Allerdings hat das Wort "unbezahlbar" zwei Bedeutungen, und in jeder der beiden Aussagen steht eine andere Bedeutung im Vordergrund. Während im ersten Fall Gesundheit als unendlich wertvoll angesehen wird, so wird sie im zweiten Fall für sehr teuer gehalten.[13]

Ein Teil des Problems liegt darin begründet, dass bei Gütern wie Gesundheits­leistungen, die durch Fisci und Parafisci (Krankenkassen) finanziert werden, Produktion und Preis nicht durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden. Stattdessen haben politische und staatliche Entscheidungsträger die Aufgabe zu bestimmen, welche Güter in welchen Mengen vom Staat gekauft bzw. produziert werden sollten.[14]

Wie weit die Entscheidungsträger aber auch bereit sein mögen, die Gesundheitsausgaben auszudehnen, irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem die Gesundheitsversorgung in Konflikt mit anderen Zielsetzungen einer Volkswirtschaft tritt.[15]

Außerdem sollten zwei Punkte nicht vergessen werden: Erstens können die verfügbaren Ressourcen einer Volkswirtschaft auch außerhalb des Gesundheitswesens gesamtwirtschaftlich sinnvoll eingesetzt werden. Zweitens besteht auch die Möglichkeit, dass die in anderen Bereichen eingesetzten Mittel dort einen größeren positiven Einfluss auf die Gesundheit der Bevölkerung haben als dieselben Mittel im Gesundheitswesen.[16] Dieser Aspekt wird stets von denjenigen vernachlässigt, die immer höhere Budgets für das Gesundheitssystem fordern.

Vor dem Dilemma „unbegrenzte Wünsche – begrenzte Ressourcen“ ist auch die Gesundheit, bzw. die Bereitstellung von medizinischen Leistungen nicht gefeit, so dass Prioritätensetzung ein Thema von zentraler Bedeutung im Gesundheitswesen ist.[17]

2.2 Gesundheitsökonomie

Bei dieser Prioritätensetzung können sich die Entscheidungsträger nicht auf einen funktionierenden Markt stützen, da dieser im Gesundheitswesen nicht existiert. Einen Ausweg bietet die Gesundheitsökonomie, die anhand von Wirtschaftlichkeitsanalysen der medizinischen Maßnahmen rationale Kriterien für Mittelzuweisungen innerhalb des Gesundheitsbudgets aufzeigt.[18]

2.2.1 Begriffsbestimmung

Für Gesundheitsökonomie bzw. das englische Original Health Economics gibt es keine einheitliche Definition.

Die International Society for Pharmacoeconomics and Outcomes Research (ISPOR) definiert Gesundheitsökonomie als

„discipline that analyses the economic aspects of health and health care and that usually focuses on the costs (inputs) and the consequences (outcomes) of health care interventions using methods and theories from economics and medicine“.[19]

Gegenüber anderen Definitionen, die Gesundheitsökonomie nur „as the application of the theories, tools and concepts of economics“[20] oder als „a branch of economics“[21] sehen, wird bei der Definition von ISPOR deutlich, dass es sich um eine interdisziplinäre Wissenschaft handelt.

Aus diesem Grund wird der Autor den Begriff Gesundheitsökonomie im Folgenden gemäß der Definition von ISPOR verwenden.

Im Zusammenhang mit dem Begriff Gesundheitsökonomie tauchen häufig die Begriffe Pharmakoökonomie (englisch: Pharmacoeconomics) und Outcomes Research (OR) auf.

Auch wenn sich die Methoden und der Inhalt von pharmakoökonomischen Studien nicht von gesundheitsökonomischen Studien unterscheiden, spricht der engere Fokus der Pharmakoökonomie dafür, diese als Subdisziplin der Gesundheitsökonomie zu betrachten. Laut Schöffski spricht man von einer pharmakoökonomischen Studie, „wenn mindestens ein Arzneimittel bei der [ökonomischen] Evaluation als Alternative beteiligt ist“.[22]

Bezüglich OR verwendet der Autor eine weitere Definition von ISPOR. Demnach ist OR

„the collection and analysis of data on the use of health care products, procedures, services and programs, and the evaluation of the clinical, economic, quality of life, and patient satisfaction outcomes of that care, to determine the value of those products, procedures, services and programs.“[23]

Während die Gesundheitsökonomie nur die wirtschaftlichen Aspekte betrachtet, bezieht OR auch noch medizinische und soziale Komponenten ein. Daher sieht der Autor OR als der Gesundheitsökonomie übergeordnet an.

Das Mehr von OR im Vergleich zur Gesundheitsökonomie ist im Rahmen dieser Arbeit allerdings irrelevant, da ihr Fokus eindeutig auf den Problemstellungen im Zusammenhang mit der Gesundheitsökonomie bzw., noch enger gefasst, mit der Pharmakoökonomie liegt.

2.2.2 Schematische Übersicht der Betätigungsfelder

Die Gesundheitsökonomie ist ein sehr vielschichtiges Themenfeld. Die Abbildung 1 gibt einen guten Überblick über die einzelnen Bereiche sowie die Verknüpfungen untereinander.

Die inneren vier Rechtecke stellen vornehmlich das Werkzeug bereit, das von den Themenfeldern der äußeren Rechtecke benötigt wird.[24]

So wird im inneren Bereich die Frage nach der Bedeutung von Gesundheit in Zusammenarbeit von Ökonomen, Soziologen, Epidemiologen und Psychologen betrachtet (Box A). Weiterhin wird untersucht, welche Faktoren auf die Gesundheit Einfluss haben (Box B). Die Ergebnisse dieser beiden Teilbereiche sind wiederum wichtig für das Teilgebiet, das sich mit der Nachfrage nach Gesundheitsleistungen beschäftigt (Box C). Das Pendant hierzu und gleichzeitig der Abschluss des inneren Bereichs ist der Teilbereich, der das Angebot an Gesundheitsleistungen untersucht (Box D).[25]

Der Bereich Marktanalyse befasst sich mit der Fragestellung, wie die Märkte oder Quasi-Märkte im Gesundheitssystem eines Landes funktionieren (Box E). Ein Großteil der angewandten Gesundheitsökonomie wird in diesem Bereich erbracht. Das zweite Segment im äußeren Bereich, die mikroökonomische Bewertung, ist der Ausgangspunkt für die gesundheitsökonomischen Evaluationen (Box F). Die Box G beschäftigt sich u. a. mit der Frage, wie das Zusammenspiel der verschiedenen Parteien im Gesundheitswesen optimiert werden kann. In den USA spielt dieser Bereich eine große Rolle, da sich die Krankenversicherungen, die Anbieter von Gesundheitsleistungen, und die Erstattungsmechanismen stark von einander unterscheiden.[26] Schließlich stützt sich das letzte Forschungsgebiet (Box H) direkt oder indirekt auf die Ergebnisse aller vorher beschriebenen Bereiche, um das Gesundheitssystem im Ganzen zu analysieren. Erst anhand dieses Zusammenspiels der einzelnen Teilbereiche können die übergeordneten Fragen der Gesundheitsökonomie beantwortet werden.[27]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Übersicht über die Betätigungsfelder der Gesundheitsökonomie; Quelle: Culyer, Anthony J. / Newhouse, Joseph P. (2000), S. 4.

2.2.3 Aufgaben

Die Aufgabe jedes Gesundheitssystems besteht darin, die Volksgesundheit zu maximieren.[28] Da die Einnahmenseite des Gesundheitssystems nicht beliebig steigerbar ist, muss die Effizienz des Systems erhöht werden, um den Output zu vergrößern. Hier leistet die Gesundheitsökonomie ihren Beitrag – die Bewertung der Effizienz von medizinischen Interventionen. Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen dienen der Beantwortung der Frage, ob die Ressourcen im Gesundheitssektor entsprechend ökonomischen Prinzipien eingesetzt werden.[29]

Um dies zu erreichen, untersuchen Gesundheitsökonomen die Allokation der verfügbaren Ressourcen (Input) auf der Mikro-[30] und der Makroebene[31] und die Distribution der daraus resultierenden Gesundheitsleistungen (Output). Nur wenn beide Faktoren innerhalb eines Gesundheitssystems optimal funktionieren, erreicht es seine größtmögliche Effizienz.[32]

Weiterhin wird anhand von Systemvergleichen ermittelt, wie die Strukturen des Gesundheitssystems verändert werden müssen, um die gesellschaftlichen Ziele der Gesundheitsversorgung am besten zu erreichen. Diese Vergleiche finden nicht nur zwischen verschiedenen Gesundheitssystemen statt. Es ist ebenso möglich, dass das Gesundheitssystem mit anderen Branchen in der Industrie verglichen wird, um aus den dort gemachten Erfahrungen zu lernen.[33]

Man kann Gesundheitsökonomie in diesem Zusammenhang auch als Rationierungs­prophylaxe verstehen, da sie dem Gesundheitspolitiker erlaubt, die unliebsame Rationierungsentscheidung bis zur Ausschöpfung aller Rationalisierungsmöglichkeiten aufzuschieben.[34]

2.2.4 Ursachen für die Notwendigkeit von Kostendämpfungsmaßnahmen

2.2.4.1 Stetiger Kostenanstieg im Gesundheitssystem

Der Generalsekretär der OECD, Donald J. Johnston sagt zurecht, „OECD countries have good reason to feel proud of their accomplishments in improving health“[35], da die durchschnittliche Lebenserwartung in der OECD seit den 60er Jahren um neun Jahre gestiegen ist.[36] Dieser eindeutig positive Trend wurde allerdings recht teuer erkauft. Wie bereits auf den vorigen Seiten kurz aufgezeigt, sind die Ausgaben in vielen Gesundheitssystemen der Erde seit den 60er Jahren stärker gestiegen als das jeweilige Bruttoinlandsprodukt.[37]

Der erste Faktor, der für gewöhnlich in Verbindung mit dem Ausgabenanstieg genannt wird, ist die wachsende ältere Bevölkerung, da diese einen überdurchschnittlich hohen Ressourcenanteil im Gesundheitssystem konsumiert. Allerdings ist es nicht die Zunahme einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, die den Anstieg der Gesundheitsausgaben hauptsächlich verursacht. Die Hauptursache für den Kostenanstieg ist der medizinische Fortschritt. Die Verfügbarkeit immer neuer Behandlungsmöglichkeiten gepaart mit der gesellschaftlichen Fähigkeit und Bereitschaft, sowohl die Quantität als auch die Qualität der Gesundheitsleistungen stetig zu erhöhen, lassen die Kosten stark ansteigen.[38]

Die Abbildung 2 fasst die verschiedenen, für den Kostenanstieg verantwortlichen Faktoren zusammen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Ursachen für den Kostenanstieg im Gesundheitssystem; Eigene Darstellung, Quellen: Kaplan, Max (2001), S. 324; Kobelt, Gisela (2002), S. 11.

2.2.4.2 Öffentliche Hand als Hauptkostenträger

Speziell in Europa stehen die Fragen bezüglich der Finanzierung des Gesundheitssystems ganz oben auf der politischen Agenda, da der Großteil der Kosten im Gesundheitssystem durch öffentliche Mittel finanziert wird – sei es nun über Steuern, Sozialversicherungsabgaben oder eine Mischung aus beidem.[39]

Die Einnahmen aus diesen Quellen sind begrenzt und auch nicht beliebig steigerbar, so dass steigende Ausgaben im Gesundheitssektor wachsende Belastungen für den Staatshaushalt darstellen. Daher sind Maßnahmen zur Begrenzung der Gesundheitsausgaben unvermeidbar. Je mehr die öffentliche Hand in die Finanzierung des Gesundheitssektors eingebunden ist, desto stärker ist die öffentliche Diskussion über diese Maßnahmen.[40]

2.3 Begrenzung der Arzneimittelausgaben

2.3.1 Gründe

Die Regierungen in Europa haben besonders im Bereich der erstatteten Arzneimittel vielfach versucht, die Ausgaben zu begrenzen. Die Gründe hierfür sind vielfältig.

Ein­erseits ist eine Durchsetzung der Kostensenkung aufgrund der verhältnismäßig hohen Datentransparenz und der zentralen Kontroll- und Regulationsmechanismen ein­facher als in Bereichen mit nur indirekter Kontrolle und Selbstverwaltungsprinzipien.[41]

Auf der anderen Seite spielen auch politische Erwägungen eine Rolle. Regulierungen in diesem Bereich werden gesellschaftlich eher akzeptiert als in anderen Bereichen, da die hohe Profitabilität der pharmazeutischen Unternehmen oft als ungerechtfertigt angesehen wird.[42]

Hinzu kommt, dass die Ausgaben für Arzneimittel zwar in fast allen OECD-Ländern nicht den größten Ausgabenposten im Gesundheitssektor ausmachen, aber trotzdem mit einem Anteil von ca. 9 - 28 % so groß sind, dass Einschnitte in diesem Bereich merklichen Einfluss auf den Gesamtetat haben.[43]

2.3.2 Bisherige Maßnahmen

Die politischen Entscheidungsträger in Europa bedienten sich in den letzten Jahren einer Vielzahl von Maßnahmen, die darauf abzielten, durch Rationierung und Kostenverlagerung sowohl das Angebot als auch die Nachfrage im Bereich erstatteter Arzneimittel zu begrenzen (vgl. Abbildung 3).[44]

Allerdings haben diese Maßnahmen das Ausgabenwachstum weniger stark begrenzen können, als zuvor erwartet wurde. Außerdem haben sie in vielen Fällen die Komplexität erhöht und auch zu wirtschaftlichen Verzerrungen geführt.[45]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Maßnahmen zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben; Eigene Darstellung, Quelle: Kobelt, Gisela (2002), S. 12.

Exemplarisch soll hierzu die Arzneimittelbudgetierung näher betrachtet werden.

Die Festlegung einer Obergrenze für Arzneimittelausgaben soll die Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung erhöhen, indem der Arzt bei der Therapiewahl den Arzneimittelpreis berücksichtigt.[46] Wenn dieser Ansatz auf den ersten Blick auch vernünftig erscheinen mag, so ist er doch zu kurz gegriffen. Mit der steigenden Bedeutung des Preises könnten andere wichtige Kriterien wie Wirksamkeit und Nebenwirkungen in den Hintergrund treten.[47] Dies würde zu einer Verschlechterung der Arzneimittelversorgung führen und könnte im Endeffekt zu höheren Kosten führen. Zudem führt die Konzentration auf ein Teilbudget (Silo-Mentalität) dazu, dass die Gesamtkosten einer Krankheit vernachlässigt werden. Auch wenn ein Arzt das für das Arzneimittelbudget günstigste Medikament auswählt, können die totalen Krankheitskosten, z. B. durch längere berufliche Ausfallzeiten, höher sein als bei der Verwendung eines Arzneimittels, das für das Arzneimittelbudget weniger günstig ist.

2.4 Arzneimittelkostenerstattung

2.4.1 Bedeutung der Arzneimittelkostenerstattung für die Gesellschaft

Kostendämpfungsmaßnahmen im Bereich der Arzneimittelausgaben wirken sich direkt auf die Erstattungspolitik aus. Dies hat Auswirkungen auf alle Beteiligten im Gesundheitswesen, da die Höhe der Kostenerstattung für alle von großer Bedeutung ist.[48]

Der Staat bzw. der Gesundheitskostenträger definiert über die Höhe der Kostenerstattung für Arzneimittel einen Teil des Leistungskatalogs im Gesundheitswesen und kann somit die Ausgaben maßgeblich beeinflussen.[49]

Für den Patienten hat die Höhe der Kostenerstattung direkten Einfluss auf die eigene Zuzahlung. Hohe Zuzahlungen oder eine komplett fehlende Kostenerstattung können die Verwendung des Arzneimittels stark einschränken. Dies trifft vor allem zu, wenn es vergleichbare Alternativprodukte gibt, die besser erstattet werden.[50]

Besonders für die Hersteller innovativer, hochpreisiger Arzneimittel bedeutet dies, dass nach der Produktzulassung die Erlangung der Kostenerstattung für die erfolgreiche Vermarktung der eigenen Produkte und somit für die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens grundlegend wichtig ist.[51]

2.4.2 Bisherige Hürden zur Erlangung der Arzneimittelkostenerstattung

Notwendige Voraussetzung für die Erlangung der Kostenerstattung ist, dass das Arzneimittel bereits zugelassen ist.[52] Hierbei müssen die pharmazeutischen Unternehmen die „angemessene
Qualität, .. Wirksamkeit und Unbedenklichkeit“[53] belegen. Die genannten Kriterien werden daher als die drei Hürden bei der Zulassung von Arzneimitteln bezeichnet.[54]

Wären im Gesundheitssystem die Ressourcen nicht knapp, könnte jedes zugelassene Arzneimittel auch erstattet werden.[55] Wie auf den vorangegangenen Seiten aber dargestellt, ist das leider nicht der Fall. In immer mehr Ländern entscheidet daher das Kriterium der Wirtschaftlichkeit als weitere Hürde über die Erstattungsfähigkeit neuer Arzneimittel (vgl. Abbildung 4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Hürden der Kostenerstattung; Eigene Darstellung; Quellen: Wolinsky, Steven (2004), S. 6; Jordan, Harald (2002), S. 180f.

2.5 Wirtschaftlichkeit - die vierte Hürde

Um die vierte Hürde zu passieren, müssen die Arzneimittelhersteller mit Hilfe von pharmakoökonomischen Studien belegen, dass die Kosten des Arzneimittels in einem akzeptablen Verhältnis zum erbrachten Nutzen stehen und das neu zugelassene Medikament zur Wirtschaftlichkeit des Gesundheitssystems beiträgt.[56]

Häufig werden die Begriffe Kosten-Nutzen-Bewertung oder Kosten-Effektivität als Synonyme für die vierte Hürde genannt.[57] Da diese beiden Begriffe aber verschiedene Arten von gesundheitsökonomischen Bewertungen bezeichnen, betrachtet sie der Autor als Teilmengen und verwendet sie in dieser Arbeit somit nicht synonym.[58]

2.5.1 Die vierte Hürde in der Diskussion

Die Meinungen über die vierte Hürde gehen weit auseinander. In Deutschland kann man innerhalb der letzten zwei Jahre eine lebhafte Debatte verfolgen, die die verschiedenen Positionen gut abbildet.

Von Seiten der Ärzteschaft und der Pharmaindustrie wird die vierte Hürde mehrheitlich abgelehnt, da es durch die ökonomischen Bewertungen zu impliziten Rationierungen von Leistungen komme[59] und der therapeutische Handlungsspielraum der Ärzte eingeschränkt werde[60]. Weiterhin wird damit argumentiert, dass durch die vierte Hürde der Marktzugang von Innovationen behindert wird, was letztlich zu Lasten der Patienten gehe.[61] Es wird auch betont, dass die vierte Hürde zu keinen Kosteneinsparungen führen werde.[62]

Bei einigen dieser Positionen wird deutlich, dass die Ziele der vierten Hürde teilweise noch nicht verstanden sind. Zum besseren Verständnis werden daher in der Abbildung 5 die Ziele, die durch die Einrichtung einer vierten Hürde verfolgt werden, zusammengefasst.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Ziele der vierten Hürde; Quelle: Wille, Eberhard (2002), S. 74.

Die Befürworter der vierten Hürden führen an, dass eine vierte Hürde eben nicht als Instrument der Kostensenkung gesehen werden darf, auch wenn die Belastung des Gesundheitswesen durch Präparate mit marginalem Zusatznutzen aber hohen Zusatzkosten so eingeschränkt werden können. Vielmehr dient sie der Transparenz. So kann gegenüber allen gesellschaftlichen Gruppen anhand eines reproduzierbaren Verfahrens dokumentiert werden, dass die Finanzmittel des Gesundheitssystems für Arzneimittel nach wirtschaftlich sinnvollen Kriterien ausgegeben werden. Sofern dieses Vorgehen transparent ist und die Details der Bewertung im Einvernehmen mit der Industrie festgelegt werden, muss dies für die pharmazeutische Industrie kein Nachteil sein.[63]

Auch handelt es sich bei der vierten Hürde nicht um ein Rationierungs-, sondern um ein Rationalisierungsinstrument. Anstelle nach der “Rasenmähermethode“ die Erstattung wirtschaftlicher und weniger wirtschaftlicher Arzneimittel gleichermaßen herabzusetzen oder den Arzt durch Wartelisten und Arzneimittelbudgets zum Fall-zu-Fall-Rationierer zu degradieren, werden durch die vierte Hürde Leitlinien geschaffen, deren Ziel der wirtschaftlichere Umgang mit den Ressourcen im Gesundheitssystem ist.[64]

Dies ist auch der wesentliche Vorteil der vierten Hürde gegenüber den aufgezeigten Kostensenkungsmaßnahmen, die auf Kostenverlagerungen und Rationierungen basieren.[65]

Die Kritik, dass Patienten durch die vierte Hürde länger auf ein Medikament warten müssen, erscheint auf den ersten Blick berechtigt, da der zusätzliche Bewertungsprozess Zeit in Anspruch nimmt.[66] Jedoch versetzen die aus der vierten Hürde stammenden Leitlinien den Arzt in einen Kenntnisstand, den er ohne die vierte Hürde nicht hätte. Der Lernprozess des Arztes bei einem neuen Medikament kann somit verkürzt werden, was dazu führen kann, dass der Arzt das neue Medikament nicht erst bei einer kleineren Patientengruppe einsetzt, sondern zügiger seine Behandlungsmethoden umstellt und eine größere Patientenpopulation mit dem innovativen Medikament versorgt.[67]

Nicht verschweigen sollte man allerdings, dass pharmakoökonomische Studien die Entwicklungskosten von neuen Medikamenten auch beträchtlich erhöhen.[68] Wenn eine vierte Hürde einen gesellschaftlichen Nutzen bringen soll, so darf die Erhebung der pharmakoökonomischen Daten deren Nutzen nicht übersteigen. Hilfreich sind hier unter anderem Informationen über die Kosten im jeweiligen Gesundheitssystem, die den Unternehmen als Berechnungsgrundlage für pharmakoökonomische Analysen dienen und den Studienaufwand verringern.[69]

2.5.2 Gesundheitsökonomische Analyseverfahren

Wie bereits im vorhergehenden Kapitel kurz angedeutet, gibt es verschiedene gesundheitsökonomische Analyseverfahren. Die Wahl der Analyseform hängt hierbei immer vom Untersuchungsgegenstand und dem Zweck der Studie ab.[70]

Die nicht vergleichenden Analyseverfahren sind nur eine Vorstufe der eigentlichen gesundheitsökonomischen Evaluationen mit vergleichendem Charakter. Da sie aber wichtige Informationen für die gesundheitsökonomischen Evaluationen liefern, bindet sie der Autor trotzdem in die Systematik der verschiedenen Bewertungsformen in Abbildung 6 ein.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Gesundheitsökonomische Evaluationen; Eigene Darstellung, Quellen: Greiner, Wolfgang et al. (2002), S. 191; Dietrich, Susanne (2002), S. 120.

Der erste Schritt auf dem Weg zur ökonomischen Evaluation ist eine reine Kosten-Analyse. Sie umfasst ausschließlich die Kosten einer bestimmten Maßnahme. Als Ergebnis einer Kosten-Analyse erhält man z. B., wie viel eine Impfung kostet.[71]

Eine weitergehende Form ist die Krankheitskosten-Analyse (Cost of Illness; COI). Hierbei werden alle Kosten, die im Rahmen einer Krankheit anfallen, betrachtet. Das Ziel ist es, die volkswirtschaftlichen Kosten verschiedener Krankheiten zu erkennen und Anhaltspunkte für eine sinnvolle Verwendung der Forschungsgelder zu ermitteln.[72]

Allein aus der Kenntnis dieser Kosten lässt sich allerdings keine Entscheidung für oder gegen eine Behandlungsmethode treffen. Hierzu ist ein Vergleich mit Alternativen im Rahmen einer gesundheitsökonomischen Evaluation notwendig, wobei sowohl die Kosten (Input) als auch der medizinische Nutzen (Outcome)[73] jeder Maßnahme betrachtet werden.[74]

Die Kosten-Kosten-Analyse hat zum Ziel, die kostengünstigste Behandlungsmethode aus mehreren verfügbaren Alternativen herauszufinden. Daher wird sie auch Kosten-Mini­mie­rungs-Analyse (Cost-Minimisation Analysis; CMA) genannt. Notwendige Voraussetzung für diese Analyseform ist, dass alle untersuchten Behandlungsmethoden genau den gleichen Nutzen bringen. Dadurch ist es ausreichend, nur noch die Kostenseite dieser Analyse zu betrachten. Das bedeutet, dass die Kosten-Kosten-Analyse nichts anderes ist als die Zusammenführung von je einer Kosten-Analyse für alle miteinander zu vergleichenden Therapien.[75]

Sobald sich die Outcomes der unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten aber unterscheiden, ist die Kosten-Kosten-Analyse nicht mehr ausreichend.[76]

Die Kosten-Nutzen-Analyse (Cost-Benefit Analysis; CBA) dient der Förderung der effizienten Allokation von knappen Ressourcen in öffentlichen Programmen. Ihre Wurzeln gehen zurück bis ins 19. Jahrhundert. Den Eingang in die ökonomische Bewertung des Gesundheitswesens fand sie 1972.[77] Das Besondere an der CBA ist, dass nicht nur die Kosten sondern auch der Nutzen in Geldeinheiten ausgedrückt wird. Der Vorteil dieser Analyseform liegt darin, dass so Projekte aus den unterschiedlichsten Bereichen miteinander verglichen werden können. Außerdem versetzt sie die politischen Entscheidungsträger in die Lage, die öffentlichen Mittel dort einzusetzen, wo sie am effizientesten sind. Trotzdem findet die CBA im Gesundheitswesen kaum Anwendung. Das Hauptproblem besteht darin, dass es selten möglich ist, den Nutzen von medizinischen Interventionen monetär zu bewerten. Außerdem wird es als ethisch nicht vertretbar angesehen, die Nutzenseite einer Therapie und das Leben auf den monetären Aspekt zu reduzieren und dem Primat der Effizienz unterzuordnen.[78]

Sowohl die Kosten-Wirksamkeits-Analyse (Cost-Effectiveness Analysis; CEA) als auch die Kosten-Nutzwert-Analyse (Cost-Utility Analysis; CUA) setzen an dieser Schwierigkeit an, indem sie den Nutzen einer Therapie nicht-monetär bewerten.

Bei der CEA wird der Nutzen einer Therapie in klinischen Parametern, wie z. B. zusätzliche Lebensjahre, Anzahl der beschwerdefreien Tage oder Höhe der Blutdrucksenkung, wiedergegeben. Daraus resultierend ergibt sich im Ergebnis ein Verhältnis aus Kosten pro Einheit des gemessenen klinischen Parameters.[79] Der Nachteil der CEA ist, dass verschiedene Therapien nur dann miteinander verglichen werden können, wenn sie sich auf gleiche Outcomeparameter beziehen. Zudem wird die qualitative Komponente nicht berücksichtigt. Wenn es nicht auf eine bloße Verbesserung der klinischen Parameter ankommt, sondern auch um die Verbesserung der Lebensqualität, stößt die Kosten-Wirksamkeits-Analyse an ihre Grenzen.[80]

Die CUA heilt diesen Mangel. Die Nutzenseite verknüpft durch die Verwendung von qualitätskorrigierten Lebensjahren (QALYs) die quantitativen Komponenten einer Therapie (gewonnene Lebenszeit) mit der qualitativen Komponente (gewonnene Lebensqualität).[81] Mit der CUA können auf diese Weise Therapien für unterschiedlichste Krankheiten mit verschiedensten Outcomes miteinander verglichen werden.[82]

Es sollte allerdings nicht verschwiegen werden, dass auch diese Analyseform nicht frei von Problemen ist. Die grundsätzliche Schwierigkeit der CUA ist die Ermittlung der qualitativen Komponente. Die Ergebnisse der Lebensqualitätsmessung hängen vom eingesetzten Instrument ab und führen nicht selten zu widersprüchlichen Ergebnissen.[83]

Letztlich stehen sowohl die CEA als auch die CUA vor dem Problem, dass politisch festgelegt werden muss, welche Kosten pro klinischem Parameter bzw. pro QALY angemessen sind.[84] Dies hat direkte Auswirkungen darauf, ob eine (Arzneimittel-)Therapie als effizient oder ineffizient eingestuft wird und somit erstattet wird oder nicht.[85]

2.5.3 Methodische Aspekte gesundheitsökonomischer Bewertungen

2.5.3.1 Wahl der Perspektive

Die Ergebnisse einer ökonomischen Evaluation hängen ganz entscheidend von der gewählten Analysenperspektive ab, da sie festlegt, welche Kosten und Nutzen einer Intervention berücksichtigt werden.[86]

Die gesellschaftliche (soziale) Perspektive ist die umfassendste und berücksichtigt alle Kosten- und Nutzenkomponenten, ganz gleich wer sie trägt oder wem sie zugute kommen.

Neben der gesellschaftlichen Perspektive ist eine häufig eingenommene Perspektive die eines Kostenträgers (z. B. gesetzliche Kranken- oder Rentenversicherungsträger). Erhebungs- und rechnungstechnisch geht die Perspektive nicht vollkommen mit der gesellschaftlichen Perspektive auf, da insbesondere Transferzahlungen (z. B. Krankentagegeld) aus gesamtgesellschaftlicher Sicht irrelevant sind, jedoch aus der Sichtweise eines Kostenträgers von wesentlicher Bedeutung sein können.[87]

2.5.3.2 Kosten und Nutzen

Dies führt dazu, dass Kosten und Nutzen nach Zurechenbarkeit zusammengefasst werden. Abbildung 7 illustriert die verschiedenen Kosten- und Nutzenarten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Kosten- und Nutzenarten; Quellen: Greiner, Wolfgang (2000), S. 161ff.; Niebecker, Ronald (2003), S. 18.

Zu den direkten Kosten und Nutzen wird derjenige medizinische und nicht-medizinische Ressourcenverbrauch gezählt, der unmittelbar mit der Behandlung verbunden ist (direkte Kosten) bzw. durch die Behandlung zukünftig vermieden werden kann (direkte Nutzen). Indirekte Kosten (Nutzen) betreffen vor allem die durch Krankheit hervorgerufenen (durch eine Behandlung vermiedenen) Produktivitätsverluste. Mit intangiblen Kosten (Nutzen) werden monetär nicht messbare Effekte bezeichnet, wie z. B. die durch eine Krankheit hervorgerufenen Schmerzen (bzw. die durch eine Behandlung reduzierten Schmerzen).[88]

2.5.3.3 Datenquellen

Die Zuverlässigkeit des Ergebnisses einer gesundheitsökonomischen Bewertung hängt stark von der Verfügbarkeit und der Qualität der verwendeten Datenquellen ab. Es existieren zwei Zugangswege bei der Datensammlung: einerseits auf individueller, patientenbezogener Ebene über Primärdatenquellen wie Patientenakten oder Datenbanken, andererseits auf aggregierter Ebene über Sekundärdaten aus administrativen Datenquellen, wie z. B. amtliche Statistiken. Der erstgenannte Ansatz (Bottom-up-Ansatz) macht eine Verdichtung der Daten notwendig, um allgemein gültige Aussagen treffen zu können, im zweiten Fall (Top-down-Ansatz) müssen die Daten auf die jeweilige Ebene herunter gebrochen werden.[89]

Häufig werden auch im Rahmen von prospektiven doppelblinden randomisierten Studien (randomized clinical trials; RCTs), pharmakoökonomische Fragen untersucht. Für die Untersuchung der medizinischen Wirksamkeit einer Intervention stellen RCTs den Goldstandard dar, da das spezielle Studiendesign sehr zuverlässige Aussagen liefert. Die hierbei gewonnenen pharmakoökonomischen Daten sind allerdings nur begrenzt nutzbar, da das Studiendesign die Generalisierbarkeit dieser Daten erschwert. Eine höhere Aussagekraft bezüglich pharmakoökonomischer Fragestellungen wird durch Studien erreicht, deren Design lebensnäher ist und die Gesundheitsökonomie in den Vordergrund rückt.[90]

Problematisch stellt sich die Verwendung von Preisen aus Datenquellen dar. Durch die staatliche Regulierung werden Tarife erzeugt, die nicht die Opportunitätskosten widerspiegeln. Wenn sich die Preise von den (oft schwer ermittelbaren) Opportunitätskosten gravierend unterscheiden, sollten die Preise angepasst werden, da die Verzerrungen bei den gesundheitsökonomischen Bewertungen sonst zu groß wären.[91]

2.5.3.4 Wahl der Vergleichsintervention

Damit die Ergebnisse einer gesundheitsökonomischen Evaluation auch aussagekräftig sind, sind bei einer Studie auch die zur Verfügung stehenden Behandlungsalternativen zu berücksichtigen. Bei einem neu entwickelten Arzneimittel müssen daher nicht nur die bereits vorhandenen Konkurrenz-Arzneimittel in die Untersuchung eingeschlossen werden, sondern auch andere verfügbare Behandlungstechniken wie Operationstechniken, präventive Maßnahmen und die Null-Alternative (keine Behandlung). Sobald etablierte Behandlungsmethoden existieren, ist die Null-Alternative jedoch nicht sinnvoll und auch nicht akzeptiert.[92] In diesem Fall kann man sich bei der Wahl der möglichen Alternativen auf den Vergleich mit der am häufigsten verwendeten, der klinisch wirksamsten und / oder der bisher effizientesten Handlungsalternative beschränken.[93]

2.5.3.5 Diskontierung

Bei vielen Behandlungen treten Kosten und Nutzen naturgemäß nicht zur gleichen Zeit auf. Um die Behandlungen trotzdem miteinander vergleichen zu können, muss diskontiert werden. Eine Rolle spielt hierbei die Wahl des richtigen Diskontierungssatzes, denn mit zunehmender Länge des betrachteten Zeitraums wächst der Einfluss des Diskontierungssatzes auf das Gesamtergebnis. Übliche Diskontierungsraten liegen zwischen 0 % und 10 % p. a. Bei einer Analyse aus gesellschaftlicher Perspektive wird häufig ein Diskontierungssatz von 5 % p. a. vorgeschlagen.[94]

Mehr Gewicht als die Wahl des Diskontierungssatzes hat die Frage, welche Kosten- und Nutzenkomponenten überhaupt diskontiert werden sollen. Weitgehend einig ist man sich hierbei, dass alle monetären Kosten diskontiert werden müssen; diese Ansicht wird auch beim monetären Nutzen vertreten, wobei die Meinungen hier bereits weiter auseinander gehen. Kontroverse Diskussionen werden dagegen geführt, wie die nicht-monetären Kosten- und Nutzeneffekte behandelt werden sollen. Die Handlungsempfehlung lautet, in der Hauptrechnung alle monetär bewertbaren Kosten und Nutzen jeweils mit einem einheitlichen Diskontierungssatz abzuzinsen, wobei der Diskontierungssatz für den Nutzen geringer sein sollte als für die Kosten, und alle übrigen Effekte unangetastet zu lassen. In einer Nebenrechnung werden dann auch diese nicht-monetären Komponenten diskontiert. So ergeben sich zwei alternative Studienergebnisse aus denen der Studienadressat gemäß seiner Vorstellungen auswählen kann.[95]

2.5.3.6 Sensitivitätsanalyse

Viele Daten, die in eine ökonomische Evaluationsstudie einfließen, sind mit Unsicherheit behaftet. Die Wirklichkeit ist zu komplex, als dass sie in einer Studie exakt abgebildet werden kann. Hierbei ist die Sensitivitätsanalyse ein wesentliches Instrument zur Offenlegung des Einflusses unsicherer Annahmen auf das Endergebnis. Durch die Variation der Annahmen werden so alternative Gesamtergebnisse ermittelt. Die einfachste Form dieser Analyse ist die Veränderung von einem oder mehreren Parametern innerhalb eines Schwankungsbereichs. Zudem ist es möglich, wie bei einer Break-Even-Analyse den Schwellenwert einer untersuchten Variable festzulegen, bei dessen Über- bzw. Unterschreitung sich das Studienergebnis grundlegend ändert.[96]

2.5.4 Probleme bei der Übertragung internationaler Studienergebnisse auf nationale Fragestellungen

Wie bereits erwähnt, werden gesundheitsökonomische Studienergebnisse häufig im Rahmen von klinischen Studien gewonnen. Während sich die klinischen Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit eines Medikamentes über die Ländergrenzen hinweg nicht oder nur geringfügig unterscheiden und es somit für die Verwendbarkeit der Ergebnisse kaum eine Rolle spielt, wo die klinische Studie durchgeführt wurde,[97] müssen die gesundheitsökonomischen Daten an das jeweilige nationale Umfeld angepasst werden. Nur so können die Studiendaten in den nationalen Gesundheitssystemen zur Entscheidungsfindung eingesetzt werden.[98]

Wie in Tabelle 6 erkennbar ist, lassen sich die Problemfelder in drei Gruppen einteilen. Um die Auswirkungen exemplarisch zu beschreiben, werden einige der in der Tabelle genannten Faktoren näher erklärt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Unterschiedliche epidemiologische und demografische Umstände in den jeweiligen Ländern können die Wirtschaftlichkeit von Gesundheitsprogrammen beeinflussen, besonders wenn diese bevölkerungsweit eingesetzt werden sollen. So sind Immunisierungs- oder Screeningprogramme wirtschaftlicher, wenn eine Krank­heit in einem Land häufig vorkommt, als wenn diese nur gering verbreitet ist. Zudem hängt die Wirtschaftlichkeit einer Behandlung auch von den Patientencharakteren, wie z. B. Alter, Lebensstil oder medizinischer Vorgeschichte ab.[99]

Die Strukturen der Gesundheitssysteme in den einzelnen Ländern können ebenfalls variieren. Während in einigen Ländern ein Hausarztsystem mit starken ambulanten Strukturen im Vordergrund steht, mag in anderen Ländern der stationäre Bereich von größerer Bedeutung sein. Auch besteht die Möglichkeit, dass es Unterschiede in Bezug auf die verfügbaren und angewandten Behandlungsmethoden für eine Krankheit gibt. Beides führt dazu, dass die Ressourcenverbräuche im jeweiligen Land von den getroffenen Annahmen in der Studie abweichen können.[100]

In der Regel unterscheiden sich auch die nationalen Kosten und Preise für medizinische Leistungen von den Kosten und Preisen, mit denen der Ressourcenverbrauch in der Studie bewertet wurde. Hierbei sollte das Augenmerk jedoch nicht auf die absoluten Werte gerichtet werden, sondern auf die relativen. Es ist einleuchtend, dass ein Arzneimittel ceteris paribus im nationalen Kontext wirtschaftlicher ist, wenn andere Kosten für z. B. Operationen, Krankenhausaufenthalte oder andere ärztliche Behandlungen im Land relativ höher sind als in der Studie.[101]

Um diese Anpassungen vornehmen zu können, müssen die Studien so transparent sein, dass das Ergebnis und der Weg dorthin eindeutig nachvollziehbar sind. Handelt es sich um eine multinationale Studie, bei der einzelne Studienzentren aus unterschiedlichen Ländern zum Gesamtergebnis beitragen, so ist Transparenz noch essentieller notwendig, da das Ergebnis bereits eine Ergebniszusammenführung aus unterschiedlichen Systemen darstellt.[102]

2.5.5 Health Technology Assessment

2.5.5.1 Health Technology Assessment Agentur

Die Health Technology Assessment (HTA) Agentur ist eine Schnittstelle zwischen den Herstellern von Medizintechnik bzw. Arzneimitteln und den Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen. Ihr kommt eine beratende Funktion im Rahmen der vierten Hürde zu, indem sie alle vorhandenen Informationen zu einer Gesundheitstechnologie bewertet und in einem HTA Report zusammenfasst. Auf diese Weise werden die Entscheidungsträger mit verlässlichen und zeitgemäßen Informationen über den allgemeinen Wert einer untersuchten Gesundheitstechnologie im nationalen Kontext versorgt.[103] Die Produkthersteller sind bei diesem Prozess in aller Regel für die Bereitstellung der gesundheitsökonomischen Daten verantwortlich.[104] Unter Gesundheitstechnologie werden hierbei

„all .. methods used by health professionals to promote health, to prevent and treat disease, and to improve rehabilitation and long term care”[105]

verstanden.

Die Ermittlung des Wertes einer Gesundheitstechnologie geschieht, wie der Name der Agentur schon sagt, im Rahmen eines HTAs. Dies ist ein

„systematic process by which the direct and indirect consequences of a particular technology are assessed – it is concerned with evaluating the safety, effectiveness, and cost-effectiveness, and (where appropriate) the social, ethical, and legal impact of a technology.”[106]

Die Anfänge von HTA Agenturen gehen zurück auf das Jahr 1972, als in den USA das Office of Technology Assessment gegründet wurde. In den darauf folgenden Jahren nahm die Anzahl der HTA Agenturen stark zu.[107] Das bedeutendste HTA-Agentur-Netzwerk, International Network of Agencies for Health Technology Assessment (INAHTA), umfasst derzeit 39 HTA Agenturen aus 21 Ländern.[108]

Obwohl das Ziel jeder HTA Agentur darin besteht, die Entscheidungsträger durch die Bereitstellung von relevanten Informationen zu unterstützen und der HTA-Prozess auch im Wesentlichen immer gleich ist,[109] unterscheiden sich HTA Agenturen bei der Ausgestaltung des HTA-Prozesses voneinander.[110]

Während in Belgien und Australien alle neu zugelassenen Arzneimittel einem HTA unterzogen werden, sind es in den Niederlanden nur pharmazeutische Produkte, die nicht einer Gruppe von therapeutisch austauschbaren Produkten innerhalb des Referenzpreissystems zugeordnet werden können. In Großbritannien verläuft die Auswahl weniger automatisch – hier gibt das Gesundheitsministerium den Auftrag für ein HTA.[111]

Auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit externen Beratern oder auf das Gewicht der HTA Reports im gesundheitspolitischen Entscheidungsprozess unterscheiden sich die HTA Agenturen.[112]

[...]


[1] Vgl. Banta, H. David / Luce, Bryan R. (1993), S. 20.

[2] Vgl. Harris, Anthony (2004), S. 4.

[3] Vgl. 2.4; vgl. 2.5. Etwas anders stellt sich die Situation bei so genannten Life-Style-Präparaten und Over-the-counter-Pro­dukten dar. Durch ihre relative Erschwinglichkeit können sie auch ohne eine Kostenerstattung am Markt erfolgreich sein.

[4] Vgl. Busse, Reinhard (2001), S. 158.

[5] Vgl. Johnston, Donald J. (2004), S. 91.

[6] Vgl. Heffler, Stephen et al. (2005), Abstract.

[7] Vgl. International Society for Pharmacoeconomics and Outcomes Research (2005), CEE Discussion Group; vgl. Wolinsky, Steven (2004), S. 6.

[8] Vgl. Rovira, Juan (2002), S. 223.

[9] Vgl. Wikler, Daniel (2003), S. 1.

[10] Vgl. WHO (2005), Webseite des Programms WHO- CHO osing I nterventions that are C ost E ffective.

[11] Auf die Volksweisheit „Gesundheit ist das höchste Gut“ wird an verschiedenen Stellen zurückgegriffen. Vgl. Kohl, Hannelore (2001), Überschrift; vgl. Oberender, Peter et al. (2002), S. 13.

[12] Vgl. Müller, Ingrid (2003), Absatz 1ff.; vgl. Oberender, Peter et al. (2002), S. 1.

[13] Vgl. Breyer, Friedrich et al. (2003), S. 1.

[14] Vgl. Wasem, Jürgen / Hessel, Franz (2000), S. 319; vgl. Greiner, Wolfgang et al. (2002), S. 189.

[15] Vgl. Mitton, Craig R. (2002), S. 240.

[16] Mögliche Beispiele hierfür sind der Bildungsbereich und der Umweltschutz.

[17] Vgl. Wille, Eberhard (2003), S. 7; vgl. Greener M. (2001), S. 3; vgl. Schöffski, Oliver (2000), S. 4.

[18] Vgl. Wasem, Jürgen / Hessel, Franz (2000), S. 319; vgl. Schöffski, Oliver (2000), S. 5.

[19] Berger, Marc L. et al. (2003), S. 121.

[20] Kobelt, Gisela (2002), S. 10.

[21] Wikimedia Foundation Inc. (2005), Absatz 1.

[22] Schöffski, Oliver (2000), S. 6.

[23] Pashos, Chris L. et al. (1998), S. 14.

[24] Vgl. Culyer, Anthony J. / Newhouse, Joseph P. (2000), S. 4.

[25] Vgl. Ebenda, S. 5.

[26] Vgl. Culyer, Anthony J. / Newhouse, Joseph P. (2000), S. 5f.

[27] Vgl. Ebenda, S. 6.

[28] Vgl. Banta, H. David / Luce, Bryan R. (1993), S. 1.

[29] Vgl. Kersting, W. (2000), S. 29.

[30] Auf dieser Ebene werden ökonomische Bewertungen verschiedener Behandlungsmöglichkeiten zu einer Indikation vorgenommen.

[31] Auf dieser Ebene wird betrachtet, ob es effizienter ist, Mittel zwischen verschiedenen Gesundheitsfeldern (z. B. Prävention, Intensivmedizin, etc.) umzuschichten.

[32] Vgl. Niebecker, Ronald (2003), S. 8.

[33] Vgl. Anell, Anders / Willis, Michael (2000), S. 1; vgl. Gerdtham Ulf-G. / Jönsson Bengt (2000), S. 13ff.

[34] Vgl. Kersting, W. (2000), S. 29.

[35] Johnston, Donald J., (2004), S. 91.

[36] Tabelle 1 (siehe Anhang 1) illustriert den Anstieg der Lebenserwartung zwischen 1960 und 2002 in den OECD-Ländern.

[37] Vgl. 2.1; vgl. Syrett, Keith (2003), S. 509. Tabelle 2 (siehe Anhang 2) stellt den Anteil der gesamten Gesundheitsausgaben am BIP zwischen 1960 und 2002 in den OECD-Ländern dar.

[38] Vgl. Oberender, Peter et al (2002), S. 11; vgl. Wolinsky, Steven (2004), S. 5; vgl. Folland, Sherman et al. (2004), S. 2; vgl. Dinkel, Reiner (2005), S. 37.

[39] Vgl. Kobelt, Gisela (2002), S. 11.

[40] Vgl. Johnston, Donald J. (2004), S. 91; vgl. Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (2004), S. 3; vgl. Gröhl, Cornelia (2002), Abschnitt 3f. der Rede. In Tabelle 3 (siehe Anhang 3) ist der prozentuale Anteil der öffentlichen Mittel an den gesamten Gesundheitsausgaben im Jahr 2002 in allen OECD-Ländern zusammengefasst.

[41] Vgl. Kulp, Werner et al. (2003), S. 1.

[42] Vgl. Schulenburg, Johann-Matthias Graf von der (2002), S. 25.

[43] Die Slowakische Republik bildet hier eine Ausnahme. Mit einem Anteil von 37,3 % am Gesamtbudget liegen die Ausgaben für Arzneimittel noch vor denen für stationäre Behandlungen (35 %). Tabelle 4 (siehe Anhang 4) enthält eine Auflistung des prozentualen Anteils der Arzneimittelausgaben an den gesamten Gesundheitsausgaben zwischen 1960 und 2002 in allen OECD-Ländern.

[44] Vgl. Kobelt, Gisela (2002), S. 11f.

[45] Vgl. Ebenda, S. 12.

[46] Vgl. Kanavos, Panos (2002), S. 40ff.

[47] Vgl. Fricke, Frank-Ulrich (2002), S. 95f.

[48] Vgl. Rovira, Juan (2002), S. 223.

[49] Vgl. Beske, Fritz (2001), Absatz „Neubestimmung des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung nach
SGB V“.

[50] Vgl. Sozialverband Deutschland e. V. (2004), Absatz 3f.

[51] Vgl. Schwerdt, Oliver (2001), S. 39f.

[52] Eine Ausnahme besteht beim so genannten Heilversuch. Hierbei kann ein Arzt auch Arzneimittel verwenden, die nicht im eigenen Land zugelassen sind. Die Kostenerstattung erfolgt über eine Einzelfallregelung.

[53] o. V. (2001), S. 1.

[54] Vgl. Koch, Klaus (2002), Absatz 6.

[55] Vgl. Wille, Eberhard (2003), S. 7.

[56] Vgl. Wikimedia Foundation Inc (2003), Satz 1.

[57] Vgl. Niebecker, Ronald (2003), S. 11; vgl. Dodds-Smith, Ian et al. (2003), S. 43; Ärzte Zeitung (2003), Artikelzusammenfassung.

[58] Vgl. 2.5.1.

[59] Vgl. Köbele, Walter (2003), Antwort auf die 1. Frage in einem Interview mit der Ärzte Zeitung.

[60] Vgl. Ärzte Zeitung (2003 a), Satz 1.

[61] Vgl. Schering Deutschland GmbH (2002), Absatz 1f.; vgl. Oehlrich, Marcus (2002), Absatz 4.

[62] Vgl. Ärzte Zeitung (2003 b), Artikelzusammenfassung.

[63] Vgl. Müller-Bohn, Thomas (2003), Absatz 7f.; vgl. Heim, Thomas (2005), Absatz 1.

[64] Vgl. Dietrich, Eva Susanne (2003), Absatz 4.

[65] Vgl. 2.3.2.

[66] Vgl. Oehlrich, Marcus (2002), Absatz 4.

[67] Vgl. National Institute for Clinical Excellence (1999), Absatz 2.

[68] Vgl. Dodds-Smith, Ian et al. (2003), Absatz 8f.

[69] Vgl. Dietrich, Eva Susanne (2003), Absatz 7.

[70] Vgl. Schöffski, Oliver / Uber, Andrea (2000), S. 175; vgl. Dietrich, Susanne (2002), S 120ff.

[71] Vgl. Schöffski, Oliver / Uber, Andrea (2000), S. 176.

[72] Vgl. Kobelt, Gisela (2002), S. 33ff.

[73] Während in der Ökonomie regelmäßig der Begriff Output verwendet wird, ist im Bereich des Gesundheitswesens die Terminologie Outcome geläufiger.

[74] Vgl. Schöffski, Oliver / Uber, Andrea (2000), S. 176.

[75] Vgl. Kobelt, Gisela (2002), S. 72ff.; vgl. Wasem, Jürgen / Hessel, Franz (2000), S. 327.

[76] Vgl. Schöffski, Oliver / Uber, Andrea (2000), S. 192.

[77] Vgl. Blumenschein, Karen / Johannesson, Magnus (1996), S. 114.

[78] Vgl. Häussler, Bertram / Ecker, Thomas (2004), S. 6; vgl. Schöffski, Oliver / Uber, Andrea (2000), S. 191.

[79] Vgl. Sorkin, Alan L. (1992), S. 111; vgl. Häussler, Bertram / Ecker, Thomas (2004), S. 2; vgl. Schöffski, Oliver / Uber, Andrea (2000), S. 192.

[80] Vgl. Häussler, Bertram / Ecker, Thomas (2004), S. 3.

[81] Neben den Q uality- A djusted L ife Y ear s gibt es auch noch weitere Konzepte wie D isability- A djusted L ife Y ear s oder H ealthy Y ear E quivalent s. Allerdings werden diese Konzepte seltener angewandt als QALYs.

[82] Vgl. Wasem, Jürgen / Hessel, Franz (2000), S. 327f.

[83] Vgl. Häussler, Bertram / Ecker, Thomas (2004), S. 4.

[84] Im Rahmen von so genannten League-Tables werden die Behandlungskosten pro gewonnenem QALY von unterschiedlichen Krankheiten dargestellt und vergleichbar gemacht.

[85] Vgl. Kobelt, Gisela (2002), S. 75.

[86] Vgl. Greiner, Wolfgang / Schöffski, Oliver (2000), S. 206.

[87] Vgl. Ebenda; vgl. Wasem, Jürgen / Hessel, Franz (2000), S. 320f. Tabelle 5 (siehe Anhang 5) enthält ein Beispiel, wie sich die unterschiedlichen Perspektiven auf die Kostenstruktur auswirken.

[88] Vgl. Greiner, Wolfgang (2000), S. 161ff.; vgl. Wasem, Jürgen / Hessel, Franz (2000), S. 324ff.

[89] Vgl. Wasem, Jürgen / Hessel, Franz (2000), S. 321.

[90] Vgl. Ebenda; vgl. Revicki, Dennis A. / Frank, Lori (1999), S. 423.

[91] Vgl. Greiner, Wolfgang / Schöffski, Oliver (2000), S. 209f.

[92] Vgl. Greiner, Wolfgang / Schöffski, Oliver (2000), S. 208f.; vgl. Wasem, Jürgen / Hessel, Franz (2000), S. 322f.

[93] Vgl. Greiner, Wolfgang / Schöffski, Oliver (2000), S. 209.

[94] Vgl. Kobelt, Gisela (2002), S. 66f.; vgl. Wasem, Jürgen / Hessel, Franz (2000), S. 326.

[95] Vgl. Greiner, Wolfgang / Schöffski, Oliver (2000), S. 219f.

[96] Vgl. Kobelt, Gisela (2002), S. 68f.; vgl. Greiner, Wolfgang / Schöffski, Oliver (2000), S. 223f.

[97] Um festzustellen, ob ein Arzneimittel z. B. bei Asiaten anders verstoffwechselt wird als bei Europäern - und damit unterschiedlich stark wirkt - werden so genannte Bridging-Studien durchgeführt. Sind die Unterschiede zu groß, muss in der betroffenen Region eine eigene klinische Studie durchgeführt werden.

[98] Vgl. Drummond, Michael / Pang, Francis (2001), S. 256; vertiefend siehe Greiner, Wolfgang et al. (2000), S. 403ff.; eine sehr ausführliche Anleitung zur praktischen Ausführung findet sich bei Welte, Robert et al. (2004), S. 857ff.

[99] Vgl. Drummond, Michael / Pang, Francis (2001), S. 257; vgl. Greiner, Wolfgang et al. (2000 a), S. 97.

[100] Vgl. Drummond, Michael / Pang, Francis (2001), S. 257.

[101] Vgl. Ebenda, S. 258; vgl. Greiner et al. (2000 a), S. 95f.

[102] Vgl. Drummond, Michael / Pang, Francis (2001), S. 273f;

[103] Vgl. Szczepura, Ala / Kankaanpää, Jari (1996), Vorwort; vgl. Goodman, Clifford (1996), S. 29; vgl. Banta, H. David / Oortwijn, Wija (1999), S. 16f.

[104] Vgl. Dickson, Michael et al. (2003), S. 16f.

[105] NHS Advisory Group on Health Technology Assessment (1992), S. 1.

[106] Szczepura, Ala (1993), S. 1.

[107] Vgl. Banta, H. David / Luce, Bryan R. (1993), S. 60; vgl. McDaid, David (2001), S. 26.

[108] Vgl. International Network of Agencies for Health Technology Assessment (2005), Absatz 1; vgl. Datamonitor (2003),
S. 42.

[109] Die Abbildung 8 (siehe Anhang 6) stellt den generellen Verlauf eines HTAs dar.

[110] Vgl. Simpson, Sue (2002), Absatz 4f.

[111] Vgl. Datamonitor (2003), S. 78.

[112] Vgl. Ebenda, S. 77.

Ende der Leseprobe aus 113 Seiten

Details

Titel
Spannungsfeld Gesundheit und Ökonomie. Das Gesundheitssystem in Mittelosteuropa und sein Vorreiter Ungarn
Hochschule
Fachhochschule für Wirtschaft Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
113
Katalognummer
V41237
ISBN (eBook)
9783638395359
Dateigröße
2048 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pharmakoökonomie, Theorie, Praxis, Pharmakoökonomische, Evaluationen, Erstattungsvoraussetzung, Arzneimittel, Mittelosteuropa, Beispiel, Ungarn, Implikationen, Lösungsansätze, Industrie
Arbeit zitieren
René Schüler (Autor:in), 2005, Spannungsfeld Gesundheit und Ökonomie. Das Gesundheitssystem in Mittelosteuropa und sein Vorreiter Ungarn, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41237

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