Bauerngarten - Tradition oder Erfindung


Seminararbeit, 2005

15 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Geschichte des bäuerlichen beziehungsweise ländlichen Gartens und des „Bauerngartens“
2.1. Der bäuerliche beziehungsweise ländliche Garten bis zum Mittelalter
2.2. Der bäuerliche beziehungsweise ländliche Garten im Mittelalter
2.3. Der bäuerliche beziehungsweise ländliche Garten des 19. Jahrhunderts und die
Entstehung des „Bauerngartens“
2.4. Der „Bauerngarten“ im Nationalsozialismus
2.5. Der bäuerliche beziehungsweise ländliche Garten in der Nachkriegszeit
2.6. Der „Bauerngarten“ zur Zeit des Wirtschaftswunders
2.7. Der „Bauerngarten“ seit dem Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre

3. Die Pflanzenwelt des „Bauerngarten“

4. Die mögliche Gestaltung des „Bauerngarten“

6. Die Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der „Bauerngarten“ – Tradition oder Erfindung ? erscheint auf den ersten Blick eine Frage, die keiner Antwort bedarf. In einer Umfrage würde die Mehrheit der Befragten ohne viel überlegen zu müssen ein relativ homogenes Bild von einem „Bauerngarten“ entwerfen. Ein Meer aus Blumen, Gemüse und Kräuter zum Würzen, zwar in Beeten voneinander abgegrenzt, jedoch die Arten recht willkürlich im Garten vermischt, alte Sorten vor allem, ausgetretene Wege eventuell mit Holz ausgelegt, eine Vogelscheuche, ein alter Holzzaun und hier und da etwas Altes, Vergessenes oder Verrostetes, alles wahnsinnig idyllisch und scheinbar schon immer existent, über Jahre im Familienbesitz … die Beschreibung könnte so weiter geführt werden. Die Vermutung liegt also nahe, dass die Antwort nur „Tradition“ lauten kann.

Zu Beginn der Arbeit soll zunächst ein Einblick in die allgemeine Geschichte des Gartens gegeben werden. Daran anschließend wird immer mehr der Begriff des bäuerlichen Gartens eingeführt und damit eine Übersicht über seine Entwicklung seit seiner „Entstehung“ bis zum heutigen Tag angegliedert. Einen weiteren Abschnitt und das Kernstück dieser Arbeit stellt die Geburt und Renaissance des Typus „Bauerngarten“ im 19. Jahrhundert dar wie er neuzeitlich gebraucht wird und seine Präsenz in den jeweiligen Jahrzehnten bis in die heutige Zeit. Der Bezug zum bäuerlichen Garten soll dabei nicht aus den Augen gelassen werden. Als bereichernde Basisliteratur ist hier vor allem der Beitrag von Doris Schulmeyer-Torres „Bauerngärten. Historische Entwicklung und Charakterisierung des aktuellen Artenbestandes der ländlichen Gärten in West-Mitteleuropa anhand ökologischer und historisch-geografischer Merkmale“ zu nennen. So wird sich schließlich zeigen, ob der manifestierte Begriff des „Bauerngarten“ einer Tradition entspringt oder eine Erfindung der Neuzeit und somit ein künstlicher Begriff ist.

2. Zur allgemeinen Geschichte des ländlichen beziehungsweise bäuerlichen Gartens und des „Bauerngartens“

Grundsätzlich ist die Geschichte des bäuerlichen Gartens wie jede andere Art der Gartengestaltung geprägt von sich im ständigen Wechsel befindenden klimatischen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Faktoren. Die Entwicklung führt uns von den gerade sesshaft werdenden Bauern über die Gärten des Mittelalters bis zum Garten des 19. Jahrhunderts und der heutigen Zeit. Und schließlich wird deutlich werden, dass der „Bauerngarten“ im Vergleich zum bäuerlichen oder ländlichen Garten - wie bald zu erkennen sein wird - keine traditionelle Gartenform ist, auch wenn dieser Begriff heutzutage geradezu synonym sowohl für den im 19. Jahrhundert entstehenden Typus sowie seinen vermeintlichen Vorläufer, den ländlichen Garten der Bauern, benutzt wird.

2.1. Der bäuerliche beziehungsweise ländliche Garten bis zum Mittelalter

Als aus Nomaden sesshafte Bauern werden, beginnen sie zur Lebenserhaltung Rohstoffe für Kleidung, den Hausbau oder Medizin anzubauen. Dazu nutzen sie unter anderem das Stück Land direkt am Haus. Dort pflanzen sie zunächst wild wachsende heilende Kräuter für Mensch und Tier und andere stärke-, zucker- und fettreiche Pflanzen an. Folglich ist nun ein Schutz vor Eindringlingen wie zum Beispiel wilden Tieren notwendig. Sie begrenzen ihr Land mit Zäunen aus gefälltem Holz oder mit „lebendigen“ Zäunen aus Schlehe oder Weißdorn.[1]

Etymologisch geht der Begriff „Garten“ auf die Bezeichnung für einen umzäunten Besitz zurück. Sein Wortstamm kann unter anderem auf das mittelhochdeutsche garte und das althochdeutsche garto für ein „begrenztes Stück Land [an, um ein Haus] zur Anpflanzung von Gemüse, Obst, Blumen o. Ä.“ zurückgeführt werden.[2]

Der Zaun gibt dem Garten demzufolge schließlich seinen Namen. Der Charakter des Gartens gleicht zu jener Zeit einem schlichten Nutzland, auf dem der Germane das Nötigste zum Leben anbaut. Die Umzäunung grenzt es nun deutlich vom Allgemeingut wie Feld, Wiese und Wald ab. Seine Bepflanzung beschränkt sich auf Nutz- und Heilpflanzen. Als Folge des Eindringens der Römer im 1. Jahrhundert n. Chr. findet eine Bereicherung des germanischen Würz- und Heilgarten statt und bereichern so den bisherigen Bestand. Dazu zählen Raute, Anis, Dill, Kerbel, Senf und Koriander ebenso wie hochwertige Obstsorten wie zum Beispiel Kirsche, Pflaume, Pfirsich, Aprikose, Walnuss, aber auch die Weinrebe. Im folgenden Jahrhundert werden sogar erste Blumenbeete angelegt, jedoch mit der Einschränkung, dass hier zunächst nicht die Zier, sondern der Nutzen der Blumen als Heilmittel im Vordergrund steht. Die Beete der von den Römern angelegten Gärten werden mit kleinwüchsigem Buchsbaum eingefasst, ein Element, welches sich später auch im „Bauerngarten“ wiederfindet. Die Völkerwanderung, die im 2. Jahrhundert n. Chr. einsetzt und einige Jahrhunderte anhält, hat zur Folge, dass die Reichhaltigkeit der Gärten zerstört und mancherlei Errungenschaft verloren geht.[3]

2.2. Der bäuerliche beziehungsweise ländliche Garten im Mittelalter

Über die ländlichen beziehungsweise bäuerlichen Gärten im Mittelalter ist nur wenig bekannt. Zu jener Zeit sind es die Klöster, die mit ihrem umfangreichen Wissen über Land- und Waldwirtschaft die Gartenkultur erhalten. Sie sind zum überwiegenden Teil Selbstversorger und bauen nicht nur die Heilkräuter und Blumen wie zum Beispiel Rosen, Lilien, Iris und Salbei an und erforschen diese, sondern sie geben Pflanzen und Samen und ihr Wissen darüber auch an die Dorfbewohner ab, vor allem aber an andere Klöstern. Die Blumen dienen nicht der Zierde, sondern sind von ihnen aufgrund angenommenen oder nachgewiesenen heilende Kräfte in den Garten aufgenommen worden. Das dabei vorherrschende Kriterium zur Auswahl der Sorten ist oftmals der Duft. Zudem lässt sie aber auch ihre christliche Symbolik und ihre Verwendung zum Altarschmuck zum festen Bestandteil des Klostergartens werden. Dank der italienischen Klöster erweitert sich der Bestand der Blumen in den Klöster Deutschlands und zunehmend auch in den ländlichen Gärten. Dieser Austausch führt zu einem sich stetig erweiternden Reichtum an Pflanzen im ländlichen Garten. Eine genauere Darstellung der rein landschaftlich aufgebauten Wirtschaft zu dieser Zeit gibt uns auch die von Karl der Großen verordnete Landgüterverordnung von 812, das Capitulare de villis et curtis imperialibus, in der er im 70. Kapitel 73 Nutzpflanzen und 16 verschiedene Obstbäume bestimmt, die in den Landgütern angebaut werden sollen. Dazu zählen unter anderem Sorten wie Melonen, Flaschenkürbisse, Saubohnen, Kreuzkümmel, Rosmarin, Kümmel, Kichererbse, Meerzwiebel, Schwertlilie, Drachenwurz, Feige, Nußbaum oder Kirschbaum. Es ist unbedingt anzunehmen, dass diese Güter wohl auch Einfluss auf die ländlichen Gärten der einfachen Leute nehmen.[4]

Zur weiteren Verbreitung von Pflanzen – und Pflanzwissen tragen im Hochmittelalter unter anderem die Äbtissin Hildegard von Bingen und Konrad von Megenberg mit ihren Büchern bei. Dort werden die entsprechenden Pflanzen aufgeführt und dazugehörige Kenntnisse um Heilwirkungen und die Art des Anbaus geliefert. Bis zum 15. Jahrhundert kommt es zu einer stetigen Zunahme von nichtheimischen Gewächsen in ländlichen Gärten. Dazu gehören auch immer öfter reine Zierpflanzen. Sie werden zunächst mit Begeisterung von Botanikern und gehobenen Bürgertum aufgenommen. Schließlich finden sich Sorten wie Immergrün, Rittersporn, Pfingstrose, Silberblatt, Christrose, Schneeglöckchen, Gänseblümchen oder Stock- beziehungsweise Bauernrose auch in einfachen Gärten der ländlichen Bevölkerung. Nach dem Fall von Konstantinopel im Jahr 1553 und den daraus resultierenden friedlichen Beziehungen mit dem blumenliebenden Abendlande ziehen nach und nach Tulpen, Kaiserkrone, Hyazinthe, Ranunkel, Flieder und viele mehr in den heimischen Gärten ein, so zum Beispiel aus Mexiko und Peru die Sonnenblume und die Studentenblume. Die heutige Vielfalt in den Gärten verdanken wir also vor allem dem kontinuierlich Austausch mit vielen Ländern, ein Zeichen dafür, das die Mehrheit der heutigen „typischen Bauerngartenpflanzen“ noch nicht lange Zeit in den diesem Musterbild zugrundeliegenden bäuerlichen Gärten heimisch sind wie geglaubt. Über den Verlauf der Entwicklung der ländlichen Gärten kann wie bereits erwähnt generell nur Vermutungen angestellt werden, es müssen stets Parallelen zu Schulgärten oder Pfarrgärten oder anderen Quellen über den kultivierten Anbau von Pflanzen gezogen werden.[5] Das ist deshalb so, weil uns der Bauer selbst aus dieser Zeit keine spezifischen Quellen gibt, denn so berichten uns Brigitte Grießmair und Anneliese Kompatscher: „was nun den Bauerngarten betrifft, so müssen wir uns mit Vermutungen und Querverbindungen zur allgemeinen Gartengeschichte begnügen. [...] [Sie] haben über ihren Garten nichts berichtet, [...][denn sie] waren über Jahrhunderte des Lesens und Schreibens unkundig. Auch sonst wäre es ihnen nicht in den Sinn gekommen, ihren Garten zu beschreiben, er war für sie eine Selbstverständlichkeit.“[6]

Die “Zeit der Hausväterliteratur“ des 16.-18. Jahrhundert gibt uns weitere wertvolle Aufschlüsse, dass der Garten in Größe, Reichhaltigkeit und kunstvollen Formen eine rasche Entwicklung nimmt. Es herrscht Freude an einer neuen Fülle von Pflanzen. Vor allem aber Hausbuchübersetzungen aus dem Französischen oder Literatur wie die „Garten Ordnung“ des 1596 von dem Pfarrer Johannes Peschelius offenbaren dem heutigen „Bauerngarten“ sehr ähnliches Bild eines ländlichen Garten. In anderen von Pfarrern im 18. Jahrhundert verfassten Briefe wird die relativ schlechte Versorgungslage der ländlichen Bevölkerung thematisiert und wie sie zu verbessern sei. Um das zu gewährleisten, muss der Garten für die Bäuerin effektiv und gut durchplant sein. Es wird von 4 Quartieren, einem kleinem Rondell, Abgrenzungen mit Buchs und Wegen mit Sand oder Kies gesprochen.[7] Das entspricht auch den heutigen Empfehlungen zum Anlegen eines „Bauerngartens“.[8]

[...]


[1] Vgl. Schulmeyer-Torres, Doris: Bauerngärten. Historische Entwicklung und Charakterisierung des aktuellen Artenbestandes der ländlichen Gärten in West-Mitteleuropa anhand ökologischer und historisch-geografischer Merkmale; ein Beitrag zur Erforschung der Überreste des Bauerngartens, Saarbrücken, 1994, S. 19.

[2] Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG (Hrsg.): Die Zeit. Das Lexikon in 20 Bänden. Deutsches Wörterbuch, Bd.17, Hamburg 2005, S. 838.

[3] Vgl. Schulmeyer-Torres, Doris: Bauerngärten. Historische Entwicklung und Charakterisierung des aktuellen Artenbestandes der ländlichen Gärten in West-Mitteleuropa anhand ökologischer und historisch-geografischer Merkmale; ein Beitrag zur Erforschung der Überreste des Bauerngartens, Saarbrücken, 1994, S. 20f.

[4] Vgl. Schulmeyer-Torres, Doris: Bauerngärten. Historische Entwicklung und Charakterisierung des aktuellen Artenbestandes der ländlichen Gärten in West-Mitteleuropa anhand ökologischer und historisch-geografischer Merkmale; ein Beitrag zur Erforschung der Überreste des Bauerngartens, Saarbrücken, 1994, S. 21 - 26.

[5] Vgl. Schulmeyer-Torres, Doris: Bauerngärten. Historische Entwicklung und Charakterisierung des aktuellen Artenbestandes der ländlichen Gärten in West-Mitteleuropa anhand ökologischer und historisch-geografischer Merkmale; ein Beitrag zur Erforschung der Überreste des Bauerngartens, Saarbrücken, 1994, S. 26 - 40.

[6] Grießmair, Brigitte; Anneliese Kompatscher: Vielgeliebter Bauerngarten, 3. Aufl. Athesia 1994, S. 17.

[7] Vgl. Franz, Günther (Hrsg.): Geschichte des deutschen Gartenbaues, Bd.6, Stuttgart, 1984, S. 116. und vgl. Klein, Rüdiger-Lutz (Verf.): Ein Bauerngarten von 1750 – für zuhause: Tips zum Anlegen und zur Pflege eines ländlichen Hausgartens aus dem 18.Jahrhundert; Ülzen: Landwirtschaftsmuseum Lüneburger Heide, 1998, S.1 - 12.

[8] Vgl. Stein, Siegfried: Großmutters Blumengarten. Pflanzen aus alten Zeiten wiederentdeckt, München, 1991, S. 43 - 45.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Bauerngarten - Tradition oder Erfindung
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Volkskunde/Kulturgeschichte)
Veranstaltung
Kompaktseminar "Gartenkultur"
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
15
Katalognummer
V61626
ISBN (eBook)
9783638550468
ISBN (Buch)
9783638792813
Dateigröße
486 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bauerngarten, Tradition, Erfindung, Kompaktseminar, Gartenkultur
Arbeit zitieren
M.A. Sina Neumann (Autor:in), 2005, Bauerngarten - Tradition oder Erfindung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61626

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