Das Medizinproduktegesetz - ein Überblick


Seminararbeit, 2006

26 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Das Medizinproduktegesetz
1. Sinn und Zweck des Gesetzes
a) Vom Schutzbereich erfasste Personen
b) Vom Schutzbereich erfasste Produkte
2. Medizinprodukte
3. Klassifizierung
4. Zulassung

II. Inverkehrbringen und Inbetriebnahme
1. Sachgerechte Installation
2. Erlöschen der Betriebserlaubnis
a) durch Wegfall der Zulassungsvoraussetzungen
b) durch Verbund oder Modifikation
aa) Zusammenschluss CE gekennzeichneter Systeme
bb) Zusammenschluss nicht CE gekennzeichneter Systeme

III. Öffentliche Sanktionen
1. Stilllegung
2. Strafen
3. Bußgeld

IV. Haftung
1. Gefährdungshaftung
a) Hersteller
b) Dritte
2. Allgemeines Haftungsrecht
3. Haftung nach Produkthaftungsgesetz

V. Resümee

Abkürzungsverzeichnis

Quellenverzeichnis

I. Das Medizinproduktegesetz

In Anbetracht der Gefahrenträchtigkeit bestimmter Systeme und der damit verbundenen vorzunehmenden Abgrenzung von verbotenem und erlaubtem Wagnis bei Eingriffen in den menschlichen Organismus, ist der Gesetzgeber ermächtigt nach öffentlich-rechtlichen Maßstäben für die Sicherheit der betroffenen Personenkreise durch den Erlass von Verordnungen, welche das Inverkehrbringen von gefährdenden Produkten und Stoffen regeln, zu sorgen.

Die Rechtsgrundlage hierzu bildet der allgemeine Vertrauensgrundsatz, welcher den Verfassungsgedanken der Verhältnismäßigkeit aufgreift und somit einerseits den Herstellern, Betreibern, Anwendern und anderen vom Schutzbereich erfassten Personen der folgend beschriebenen Medizinprodukte ein rechtlich gesicherten Handlungsspielraum bietet, andererseits eben diese Personen dadurch schützt, dass bei Einhaltung der Vorschriften, das Restrisiko für die Betroffenen so gering wie möglich gestaltet wird.

Das zum 02. August 1994 verabschiedete und zum 01. Januar 2005 in Kraft getretene Medizinproduktegesetz, nachfolgend MPG genannt, setzt zum Einen mehrere Richtlinien im Rahmen des europäischen Gemeinschaftsrechts um, zum Anderen fasst es den gesamten Bereich bisheriger Regelungen neu in einer Norm zusammen.

Im Einzelnen werden folgende Richtlinien abgehandelt:

- 90/385/EWG vom 20. Juni 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte.
- 93/42/EWG vom 22. Juli 1993 über Medizinprodukte.
- 93/68/EWG zur Änderung weiterer Richtlinien
- 98/79/EG über In-Vitro-Diagnostika
- 2000/70/EG zur Änderung der Richtlinie 93/42/EWG in Hinblick auf Medizinprodukte, die stabile Derivate aus menschlichem Blut oder Blutplasma enthalten.

Das Gesetz ermöglicht mittels CE –Kennzeichnung (Communautés Européennes) der entsprechenden Produkte (Medizinprodukte, medizinisches Gerät), den freien Verkehr im Europäischen Wirtschaftsraum sowie den Drittstaaten Australien, Kanada, Neuseeland, USA und der Schweiz.

1. Sinn und Zweck des Gesetzes

Das Medizinproduktegesetz soll den Verkehr von Medizinprodukten sowie deren Errichtung und Betrieb in Sachen Sicherheit, Eignung und Leistung[1] regeln.

Unter Sicherheit versteht der Gesetzgeber den Umstand, dass das Medizinprodukt bei sachgemäßem Gebrauch keinen Schaden anrichtet. Weiter muss das Produkt geeignet sein, die Funktion im Rahmen der Zweckbestimmung, welche durch den Hersteller selbst festgelegt wird, zu gewährleisten. Zuletzt ist die versprochene Leistung des Gerätes zu erfüllen. Anders als aus zivilrechtlicher Sicht, welche ebenfalls Mängelansprüche des Käufers bei Nichteinhaltung von versprochenen Leistungsmerkmalen kennt, erlischt hier die CE Kennzeichnung, ohne die das Produkt weder in Erst- noch in Zweitverkehr gebracht werden darf.

Dabei gilt die Norm nur für die Verwendung von Medizinprodukten am Menschen.

a) Vom Schutzbereich erfasste Personen

Zu beachten dabei ist der weit gezogene Schutzbereich, d.h. nicht nur Patienten oder Anwender der Heil- und Zahnheilkunde sind eingeschlossen, sondern auch die Betreiber, Monteure, Kundendienste, Instandhalter, Hilfskräfte, sogar Hilfskräfte und unbeteiligte Anwesende wie Besucher, Kunden und Reinigungspersonal sind vom Radius des Gesetzes erfasst[2]. Dies ergibt sich aus der Formulierung des § 1 MPG welcher für die Gesundheit von Patienten, Anwendern und Dritten nennt. Die Formulierung „ Dritte“ öffnet somit die Tür für letztlich alle Personen die durch die Anwendung eines Medizinproduktes direkt oder auch indirekt betroffen sein können.

b) Vom Schutzbereich erfasste Produkte

Gemäß § 2 MPG, gilt das Gesetz für Medizinprodukte und das als eigenständiges Medizinprodukt behandelte Zubehör.

2. Medizinprodukte

Gemäß § 3 MPG werden als Medizinprodukte alle einzeln oder miteinander verbunden verwendete Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder andere Gegenstände, welche vom Hersteller zur Anwendung für Menschen bestimmt sind bezeichnet. Dazu zählt heute ebenfalls die in Verbindung mit dem Medizinprodukt vertriebene Software. Hierbei decken sich die Definitionen auf europäischer und nationaler Regelung.

Wichtig ist der Aufbau der Definition. Somit machen bestimmte positive Voraussetzungen ein Medizinprodukt aus, jedoch wird auch negativ ausgegrenzt. Dies wird am Beispiel der Arzneimittel deutlich. Demnach muss die Funktion folgenden Zwecken dienen:

1. Der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten,
2. der Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen,
3. der Untersuchung, der Ersetzung oder Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs oder
4. der Empfängnisregelung.

Die bestimmungsgemäße Hauptwirkung soll im oder am menschlichen Körper erreicht werden, wobei diese weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel erreicht werden darf, noch durch Metabolismus. Lediglich eine Unterstützung durch solche Mittel ist zulässig, was in jedem Fall zweckdienlich ist, da ansonsten die Einstufung als Medizinprodukt dadurch umgangen werden könnte, dass durch Zugabe von Medikamenten eben dieses als Hauptzweckmittel genannt würde und somit nur das Arzneimittelgesetz zum tragen käme.

Hierbei wird deutlich, dass trotz des unter 1a. beschriebenen, weit gefassten Betroffenenbereichs, die Norm ausschließlich für am Menschen angewandte Medizinprodukte gilt.

Bei Zweckentfremdung ist somit offen, ob die Geräte nach den Bestimmungen des MPG genutzt werden müssen, bzw. ob diese Geräte dann noch als Medizingeräte angesehen werden können.

In Frage kommen hier beispielsweise radiovisiographische Verfahren, die anstelle der Aufnahme von Röntgenbildern von Teilen des menschlichen Körpers z.B. zur Materialprüfung verwandt werden.

Ebenfalls in der Veterinärmedizin werde Gerätschaften mit erheblichem Gefahrenpotential für die Nutzer angewandt.

Hier ist der Schutz der Anwender und anwesender Personen in den Vordergrund zu stellen, daher sollte sich der Schutzbereich der Norm, zumindest die Gefährdung betreffend, im Zweifelsfall auch über diesen Bereich erstrecken, insbesondere wenn keine andere Schutznorm die Handhabung regelt.

3. Klassifizierung

Der § 13 des Medizinproduktegesetzes gibt eine Zuordnung von Medizinprodukten zu Klassen vor[3]. Ausgenommen sind In- Vitro- Diagnostika, welche zu Untersuchung menschlicher Gewebeproben, in vitro, also im Reagenzglas gedacht sind[4]. Außerdem befreit von der Klassifizierungspflicht sind aktive implantierbare Medizinprodukte, Geräte also, welche dafür ausgelegt sind, ganz oder teilweise durch einen chirurgischen oder medizinischen Eingriff in den menschlichen Körper eingeführt zu werde und dort zu verbleiben[5].

Die Art und Weise der Klassifizierung ist im Anhang IX der Richtlinie 93/42/EWG geregelt.

Die Einordnung erfolgt in vier Klassen:

- Klasse I
- Klasse II a
- Klasse II b
- Klasse III

Die jeweilige Klasse welcher das Medizinprodukt zugeordnet ist, entscheidet über die Art der Konformitätsbewertung, welche gemäß Artikel 11 der EU Richtlinie 93/42/EWG durchgeführt werden muss, um das Produkt mit der CE Kennzeichnung versehen zu dürfen. Ausgenommen davon sind Sonderanfertigungen und für klinische Prüfungen bestimmte Produkte. Sonderanfertigungen müssen nach den besonderen Bestimmungen des Anhangs VIII der o.g. Richtlinie durchgeführt werden. Über diese Sonderanfertigungen muss der Hersteller ggf. eine Liste an die jeweils zuständige Behörde übermitteln.

Eine Besonderheit besteht weiter für Produkte, für die zusätzliche Rechtsvorschriften einzuhalten sind (z.B. Röntgenverordnung). Bei diesen Medizinprodukten müssen für die CE Kennzeichnung auch die anderen Rechtsvorschriften erfüllt sein[6].

4. Zulassung

Die Zulassung der Medizinprodukte in Form einer Konformitätsbewertung ist nun abhängig von der Klasse in welche das Medizinprodukt eingestuft wurde.

Betrachtet man die Anforderungen der Prüfverfahren der Anhänge II bis VIII der Richtlinie 93/42/EWG, so ist erkennbar, dass die Härte der Prüfkriterien für Medizinprodukte der Klasse III und insbesondere aktive implantierbare Medizinprodukte, wie Herzschrittmacher, Arzneimittelpumpen oder künstliche Organe[7], am höchsten ist, für Medizinprodukte der Klasse I, wie z.B. Verbandmaterialien am niedrigsten.

Im Rahmen der Zulassung für den bestimmungsgemäßen Einsatz von Medizinprodukten werden der öffentlich-rechtliche Bezug und der Eingriff in die unternehmerische Freiheit deutlich.

Zunächst wird erneut nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die grundlegende Voraussetzung verlangt, dass die Anwendung der Produkte weder den klinischen Zustand und die Sicherheit der Patienten, Anwender und ggf. Dritter gefährdet. Etwaige Risiken müssen in einem Angemessenen Nutzen verglichen mit dem Risiko für Gesundheit und Sicherheit sein[8].

Um nun mit der Konformitätsbewertung beginnen zu dürfen, hat der Hersteller gemäß EWG Richtlinie 93/42 Anhang II, 3.3.1 einen Antrag auf die Bewertung seines Qualitätssicherungssystems einzureichen. Hiermit muss die Übereinstimmung des Verfahrens mit den einschlägigen Bestimmungen der o.g. Richtlinie in allen Instanzen der Herstellung, jedoch auch weiterführend in der Beobachtung der sich im Einsatz befindenden Medizinprodukte gewährleistet werden. Die benannte Stelle nach § 15 MPG, welche die Anträge prüft, hat das Recht Tests und weitergehende Untersuchungen vom Hersteller zu verlangen

Weiter muss der Hersteller die Durchführung aller erforderlichen Inspektionen versichern.

Unabhängig der nachfolgend aufgeführten Verfahren zur Konformitätsbewertung müssen alle Medizinprodukte ein klinisches Bewertungsverfahren gemäß § 19 MPG durchlaufen. In begründeten Ausnahmefällen genügt u.U. das zur Verfügung stellen anders erhobener Daten.

Das Verfahren zu Konformitätsbewertung nach Anhang II ist für die Klassen III und II b grundsätzlich vorgegeben.

Es ist das umfangreichste Verfahren, die genaue Bezeichnung lautet EG-Konformitätserklärung (vollständiges Qualitätssicherungssystem).

Die weitere Einstufung wurde wie folgt gestaltet:

- Anhang III: EG-Baumusterprüfung

- Anhang IV: EG-Prüfung

- Anhang V: EG-Konformitätserklärung (Qualitätssicherung Produktion)

- Anhang VI: EG-Konformitätserklärung (Qualitätssicherung Produkt)

- Anhang VII: EG-Konformitätserklärung

Folgende Bewertungsverfahren sind zulässig:

Produkte der Klasse III:

EG-Konformitätserklärung (vollständiges Qualitätssicherungssystem) o d e r EG-Baumusterprüfung in Verbindung mit der EG-Prüfung oder EG-Konformitätserklärung (Qualitätssicherung Produktion)

Für Produkte der Klasse II a:

EG-Konformitätserklärung gemäß Anhang VII in Verbindung mit einem der Verfahren gemäß Anhang IV o d e r Anhang V o d e r Anhang VI.

Für Produkte der Klasse II b:

Entweder das Verfahren nach Anhang II (Ohne Abschnitt 4) oder das Verfahren gemäß Anhand III in Verbindung mit einem der Verfahren gemäß Anhang IV o d e r Anhang V o d e r Anhang VI.

Für Produkte der Klasse I:

Es gilt das Verfahren gemäß Anhang VII.

Sind die genannten Konformitätsbewertungen durchgeführt worden, so darf das Medizinprodukt gemäß Anhang XII der Richtlinie 93/42/EWG (Medizinprodukte) mit dem CE Kennzeichen gekennzeichnet werden.

Zu Beachten sind die besonderen Zertifizierungsvorschriften für aktive Implantate und In-Vitro-Diagnostika. Deren Kennzeichnung erfolgt gemäß Anhang IX der Richtlinie 90/385/EWG (gilt für aktive Implantate), Anhang X der Richtlinie 98/79/EG (bei In-Vitro-Diagnostika).

[...]


[1] Vgl. Medizinproduktegesetz, § 1.

[2] Vgl. Kindler 3.1.1, S.3 f.

[3] Vgl. auch EU Richtlinie 92/42/EWG, Art. 9, Nr. 1.

[4] Vgl. § 3 Nr. 4.

[5] Vgl. EU Richtlinie 90/385/EWG, Art. 1, Nr. 2a-2c.

[6] Vgl. § 6 Abs. 3.

[7] Schorn, S. 361.

[8] Vgl. Richtlinie 93/42/EWG, Anhang I, I.1.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Das Medizinproduktegesetz - ein Überblick
Hochschule
Universität Hamburg  (Fakultät für Wirtschaftswissenschaften)
Veranstaltung
Öffentliches Wirtschaftsrecht
Note
2,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
26
Katalognummer
V80858
ISBN (eBook)
9783638873802
ISBN (Buch)
9783656661801
Dateigröße
418 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Medizinproduktegesetz, Wirtschaftsrecht
Arbeit zitieren
Jan Antonios Nitsios (Autor:in), 2006, Das Medizinproduktegesetz - ein Überblick, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80858

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