Das Hermannsdenkmal


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

20 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsangabe

1. Einleitung

2. Das Hermannsdenkmal in der Geschichte
2.1 Alte Geschichte: der historische Hintergrund
2.2 Der Mythos: Hermann der Cherusker und die Germanen
2.3 Die Entstehung des Hermannsdenkmals im Wandel des Nationalbewußtseins
2.4 Die Rezeptionsgeschichte des Hermannsdenkmals: Der Wandel der Deutung vom Deutschen Kaiserreich bis heute

3. Das Hermannsdenkmal als Gegenstand des Lernens
3.1 Mit dem Hermannsdenkmal zu einem kritischen Geschichtsbewusstsein
3.2 Das Hermannsdenkmal im Unterricht

4. Schlusswort

Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Das Hermannsdenkmal in Hiddesen bei Detmold steht für die Schlacht im Teutoburger Wald im Jahre 9 n. Chr.“[1]

So einfach diese Aussage ist, so plausibel und glaubwürdig sie erscheint, so falsch ist sie auch. Das Hermannsdenkmal in Detmold bedeutet viel mehr, als die Initiatoren der offiziellen Internetseite des bekannten Nationaldenkmales glauben machen wollen. Was es wirklich mit diesem Denkmal auf sich hat, welche Bedeutung es wirklich trägt, soll im historischen ersten Teil dieser Arbeit beantwortet werden. Der didaktische zweite Teil beschäftigt sich mit der Frage, wie das Denkmal und seine Geschichte für den Geschichtsunterricht motivationsfördernd nutzbar gemacht werden können und aus welchen Gründen besonders das Hermannsdenkmal für bestimmte Unterrichtsziele innerhalb bestimmter Unterrichtseinheiten geeignet ist.

Besonders zur Beantwortung dieser letzten Fragen ist der nun folgende historische Teil notwendig, da hier deutlich werden soll, wie der Hermannsmythos auf das allgemeine Geschichtsbewusstsein der Deutschen wirkte und wirken sollte. Dadurch kann einmal gezeigt werden, warum dem vernachlässigten Hermannsmythos ein größerer Stellenwert im Unterricht gebührt und außerdem, inwiefern das Hermannsdenkmal mit diesem Mythos verflochten ist, wodurch es sich als Quelle im Unterricht besonders eignet.

2. Das Hermannsdenkmal in der Geschichte

2.1 Alte Geschichte: der historische Hintergrund

Wenn man das Hermannsdenkmal bewerten oder dessen Wert für das historische Lernen beurteilen will, ist es notwendig, dessen historischen Hintergrund zu betrachten. Was steckt hinter dem Mythos von Hermann dem Cherusker, der im Jahre 9 u.Z. den Germanen die Freiheit von den Römern erkämpfte? Eine einigermaßen objektive Beschreibung der Vorgänge im Norden des Gebietes, das erst durch ein Konstrukt aus politischen Gründen in Julius Caesars Bellum Gallicum die feststehende Bezeichnung Germanien im Gegensatz zu dem linksrheinisch gelegenen Gallien erhielt[2], ist schwierig zu geben. Schriftliche Quellen sind rar und ausschließlich von Autoren mit römischer Sichtweise verfasst worden, deren Ambitionen teils alles andere als wahrheitstreue Darstellungen der Geschehnisse waren.[3] Zeitgenössische Abhandlungen gibt es abgesehen von den vagen Schilderungen des Velleius Paterculus nicht. Die spärliche Quellenlage, die viel Raum für Mutmaßungen lässt, führte in der Vergangenheit zu vielen falschen Interpretationen und politischem Missbrauch.[4] Immerhin gibt es anlässlich der Funde in der Kalkrieser-Niewedder Senke, dem neuentdeckten Schauplatz zumindest eines Teils der sogenannten Varusschlacht aktuelle Darstellungen, die das Thema ideologisch unbefangen aufgreifen.[5]

Wer war nun dieser Hermann, der erst durch deutsche Humanisten aus Anlass der Neuentdeckung der Germania des Tacitus diesen Namen erhielt[6], wobei in Wahrheit nur der lateinische Name Arminius überliefert ist? Und wie waren die Umstände im Germanien jener Zeit, die zur Varusschlacht führten und was waren die tatsächlichen Folgen dieser vermeintlich „welthistorischen Epochenwende“?[7]

Zunächst ist festzuhalten, dass, wie schon angedeutet, die Vorstellung eines einheitlichen Germaniens ein Konstrukt war – und zwar ein römisches. Ein überregionales Zusammengehörigkeitsgefühl gab es nicht. Der sogenannte Germane empfand sich selbst lediglich seinem Stamm zugehörig. Er war Friese, Chauke, oder Cherusker. Auch gab es weder synchron bei den verschiedenen Stämmen ein einheitliches noch diachron bei den einzelnen Stämmen ein kontinuierliches Verhältnis zu den Römern. Diese Uneinigkeit und Diskontinuität zog sich sogar durch Stämme, Sippen und selbst Familien.[8]

Nach einer Zeit von wechselnder Durchdringung des ostrheinischen Raumes durch die Römer, deren Zielsetzung in erster Linie der Sicherung der gallischen Provinz galt[9], sprechen die lateinischen Quellen über die Zeit im unmittelbaren Vorfeld der Ereignisse im Jahre 9 u.Z. von lediglich den Markomannen als unbesiegten Stamm[10], sowie von Städtegründungen und Gewöhnung der Barbaren an die römische Lebensweise.[11] Die römischen Legionen hatten scheinbar guten Grund, sich sicher zu fühlen. Auch wenn man nicht von einer offiziellen Provinzialisierung sprechen kann, konnte Rom einen gewissen Herrschaftsanspruch erhalten.[12] Das Ziel der Sicherung der Rheingrenze durch Kontrolle des Vorfeldes mit der Option einer langsamen Romanisierung schien erreicht zu sein.

Für die Römer gab es jedoch das Problem, dass sie durch die Beschränkung bei der Kontrolle der ostrheinischen Gebiete auf wenige strategisch bedeutende Punkte auf verlässliche Stammesführer zurückgreifen mussten, die es aber aufgrund der instabilen Verhältnisse bei den germanischen Stämmen nicht gab.[13] So mussten sie in Konflikte um die Führung innerhalb der Stämme hineingezogen werden, wie es bei den Cheruskern passiert ist. Arminius wurde aufgrund seiner schlechteren Position im Kampf um die Führung bei den Cheruskern gegenüber seinem prorömischen Onkel und unfreiwilligen Schwiegervater Segestes und ebenfalls prorömischen Bruders Flavus zum Aufstand gegen die Römer getrieben. Eine gesamtgermanische Erhebung hat es mitnichten gegeben.[14] Möglicherweise konnte Arminius durch teils ungeschicktes Verhalten des Varus gegenüber den Germanen leichter Unterstützung gewinnen.[15]

Im Herbst des Jahres 9 u.Z. befand sich Varus dann mit drei Legionen und einigen kleineren Einheiten, insgesamt 15.000-20.000 Mann auf dem Gebiet der Cherusker. Der sich zuvor im Krieg in Pannonien verdient gemachte und mit der römischen Ritterwürde ausgestatte Arminius genoss Varus vollstes Vertrauen, begleitete diesen und zählte zusammen mit seinem Vater Segimer häufig zu dessen Tischgästen. Warnungen, unter anderem seitens Segestes, Arminius Onkel, tat er vermutlich als Missgunst innerhalb der zerstrittenen Familie ab. Als Varus die fingierte Nachricht von Aufständen im Osten erhielt, brachen seine germanischen Verbündeten erst zusammen mit ihm auf, blieben dann unter dem Vorwand des Zusammenziehens von weiteren Verbündeten zurück, töteten die bei ihnen verbliebenen römischen Soldaten und stellten Varus Legionen eine Falle. Diese waren im unwegsamen Gelände durch ihre langgezogene Marschreihe und den Tross nicht in der Lage, eine geordnete Schlachtreihe zu bilden und den Angriffen relativ hilflos ausgeliefert. Die Kämpfe dauerten mehrere Tage, in denen sich weitere zuvor unentschlossen Krieger dem Heil des Arminius anschlossen, so dass kaum ein Römer überlebte.[16]

Diese zweifellos schmerzliche Niederlage für die Römer unter dem Verslust von drei Legionen, deren Namen nie wieder vergeben wurden, führte allerdings nicht zu einer Kehrtwende in der römischen Germanenpolitik. Stattdessen wurden die verlorenen drei Legionen durch ihre doppelte Anzahl ersetzt. Das Ziel der Absicherung Galliens durch aktive Kontrolle des Vorfeldes blieb erhalten. Der bereits mit Germanien vertraute und zukünftige Kaiser Tiberius wurde für die nächsten drei Jahre mit dieser Aufgabe, die er erfolgreich durchführte betraut.[17]

Nach dem Tod des Augustus, dauerte es noch einige Jahre, bis im Jahre 17 u.Z. der östlich des Rheines großräumig agierende Feldherr Germanicus durch den neuen Kaiser Tiberius abberufen wurde. Zuvor war Germanicus, auf dessen Seite auch Flavus, der Bruder des Arminius kämpfte, zwar erfolgreich in verschiedenen Schlachten. Das Verhältnis zwischen großem Aufwand und kleinem Ergebnis gab aber schließlich für Tiberius den Ausschlag, nach Zurückgewinnung verlorener Feldzeichen den Sieg über die Germanen zu verkünden, sich auf Gallien zu konzentrieren und die Germanen sich selbst zu überlassen. Tatsächlich fand Arminius sein Ende durch die Hände seiner eigenen Verwandten, während die Römer längerfristig den Schwerpunkt ihrer Germanenpolitik auf den heutigen süddeutschen Raum legten.[18]

2.2 Der Mythos: Hermann der Cherusker und die Germanen

Betrachtet man die Ereignisse um Arminius und Varus einigermaßen unbefangen, stellen sie sich nicht uninteressanter, aber zumindest zum großen Teil völlig anders dar, als es in der deutschen Geschichtskultur[19] lange Zeit der Fall war. Besonders das Urteil des Tacitus, der in der Varusschlacht einen Wendepunkt sieht, wurde im 19. Jahrhundert zugunsten einer mythologischen Auslegung der Ereignisse genutzt. Übersehen wurde dabei, dass Tacitus insgesamt ein aus seiner Sicht negatives Bild des Kaiser Tiberius zeichnen wollte und dessen Engagement im direkten Anschluss an die Varusschlacht nur am Rande erwähnt, um das ihm gefälligere spätere aggressive Eingreifen des Germanicus besonders positiv hervorzuheben.[20] Genau diesen künstlich erzeugten Bruch in der Germanenpolitik hat es aber nach der Varusschlacht in Wahrheit nicht gegeben.

Zusammen mit der auch heute noch populären Annahme, es habe sich bei der Varusschlacht um einen Aufstand von „Widerstands- und Freiheitskämpfern“ einer „Nationalpartei“ unter der Führung des Arminius gehandelt[21], ermöglichte dieser konstruierte Bruch eine Gleichsetzung dieses „Freiheitskampfes“ mit der deutschen Einigung von 1871.[22]

Hiermit erhielt die deutsche Reichsgründung den Gründungsmythos den sie benötigte. Dadurch, dass nicht alle Deutschen durch die kleindeutsche Lösung in einem Staat vereinigt waren, dass dafür französische, polnische und dänische Minderheiten existierten und dass andererseits die süddeutschen katholischen Staaten dem preußischen Protestantentum entgegenstanden, der bayerische Staat sich die Einheit teuer bezahlen ließ, war das neugegründete Reich ein „unvollendeter Nationalstaat.“[23] Zusammengehalten wurde das Gebilde durch die in der Verfassung begründeten Begriffe Reich und Kaiser, was zu einem „schwer fassbare[n] Reichsmystizismus“[24] führte. Dieser bedurfte eines weit zurückreichenden Gründungsmythos, der in oben geschilderter Tacitusrezeption seinen Ursprung fand.[25]

Arminius wurde als Vorläufer der mittelalterlichen Kaiser und als Ahnherr der zeitgenössischen nationalen Bewegung zum Symbol für eine Kontinuität deutscher Geschichte von den Germanen bis zur Reichsgründung. Das Hermannsdenkmal als „wichtigste moderne Rezeptionsvorgabe“[26] einer solchen Geschichtsauffassung wurde somit zum Prototypen der Denkmäler als „Wegbereiter der nationalen Einheit“[27]. Dieses Schlagwort wiederum veranschaulicht die Bedeutung von Denkmälern innerhalb der Geschichtskultur.

Der gefährlichste Aspekt dieser im Bild vom germanischen Befreiungskämpfer angelegten Geschichtsauffassung ist die Verbindung die zwischen dem antiken (in dieser allgemeinen Formel auch nicht zutreffenden) römisch-germanischen Gegensatz und dem aktuellen französisch-deutschen Gegensatz gezogen wurde, was sich durch alle Gesellschaftsbereiche, auch und besonders durch die Geschichtswissenschaft zog.[28] Die Angst vor der „Verwelschung“ wurde zum eigentlichen die Nation verbindendem Element. Sie findet ihre Grundlage in der Napoleonischen Expansion. Die Befreiungskriege konnten mit dem germanischen Befreiungskriegen gleichgesetzt werden. Verfestigt wurde diese Analogie zusätzlich durch den die Reichsgründung erst ermöglichenden deutsch-französischen Krieg 1870/71.[29] Alle inneren politischen Gegensätze wurden dagegen im Bezug zum Hermannsmythos nicht öffentlich aufgegriffen. Einigkeit wurde nur im negativen Sinne als Abgrenzung nach außen, Freiheit nur im Sinne der Verteidigung gegen Frankreich und nicht gegen die monarchische Ordnung verstanden.[30]

[...]


[1] http://www.hermannsdenkmal.de (17.03.05).

[2] Vgl. Rainer Wiegels: Rom und Germanien in augusteischer und frühtiberischer Zeit. In: Wolfgang Schlüter (Hg.): Kalkriese – Römer im Osnabrücker Land. Archäologische Forschungen zur Varusschlacht. 2. überarb. Aufl. Bramsche: 1993. S. 241.

[3] Vgl. ebd., S. 234ff u. S. 239f.

[4] Vgl. ebd., 231f.

[5] Vgl. Volker Losemann: „Varuskatastrophe“ und „Befreiungstat des Arminius“. Die Germanienpolitik des Augustus in antiker und moderner Sicht. In: Mamoun Fansa (Hg.): Varusschlacht und Germanenmythos. Eine Vortragsreihe anläßlich der Sonderausstellung Kalkriese – Römer im Osnabrücker Land in Oldenburg 1993. Oldenburg: 1994 (Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 9). S. 40.

[6] Vgl. Arnulf Krause: Die Geschichte der Germanen. Frankfurt/New York: 2002. S. 260f.

[7] Hermann Kesting: Der Befreier Arminius im Lichte der geschichtlichen Quellen. 3. erw. u. verbess. Aufl. Detmold: o.J. (Vorwort von 1957). S.15. Kesting steht noch in den 50er Jahren in Tradition einer nationalistischen Germanenrezeption. Vgl. Losemann, S. 38.

[8] Vgl. Wiegels, S. 233f.

[9] Vgl. ebd., S. 252.

[10] Vgl. Velleius Paterculus (2, 108).

[11] Vgl. Cassius Dio (56, 18, 1-2).

[12] Vgl. Wiegels, S. 257.

[13] Vgl. ebd., S. 246.

[14] Vgl. ebd., S.246f.

[15] Vgl. Cassius Dio (56, 18, 3-4) u. Florus (2, 30, 32-33). Die schlechte Darstellung des Varus in den römischen Quellen sollte allerdings kritisch betrachtet werden. Vgl. Wiegels, S. 232.

[16] Vgl. ebd. (56, 19,1-22,2).

[17] Vgl. Wiegels, S. 260f. u. S. 231.

[18] Vgl. Wiegels, S. 262f.

[19] Dieser Begriff wird in Kapitel 3.1 näher erläutert werden.

[20] Vgl. Losemann, S. 29.

[21] Kesting, S. 9.

[22] Vgl. Losemann, S. 30.

[23] Ulrich Schlie: Die Nation erinnert sich. Die Denkmäler der Deutschen. München: 2002. S. 47f.

[24] Ebd., S. 48.

[25] Vgl. ebd.

[26] Losemann, S. 31.

[27] Schlie, S. 50.

[28] Vgl. Losemann, S. 31.

[29] Andreas Dörner: Politischer Mythos und symbolische Politik. Der Hermannmythos: Zur Entstehung des Nationalbewußtseins der Deutschen. Hamburg: 1996. S. 155.

[30] Vgl. Charlotte Tacke:Denkmal im sozialen Raum. Göttingen: 1995 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 108). S. 37.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das Hermannsdenkmal
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Note
1
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V87261
ISBN (eBook)
9783638016827
ISBN (Buch)
9783638918626
Dateigröße
421 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hermannsdenkmal
Arbeit zitieren
Matthias Rouwen (Autor:in), 2005, Das Hermannsdenkmal, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87261

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