Von der Ermordung des Gaius Iulius Caesar


Hausarbeit, 2000

18 Seiten


Leseprobe


Von der Ermordung des Gaius Iulius Caesar

von Oliver H. Herde

Man schreibt die Iden des Monats Martius und nach dem Schriftsteller Marcus Terentius Varro das 710. Jahr seit Gründung der Stadt.

Es ist ruhig in Rom, da verbreitet sich am späten Vormittag eine unglaubliche Botschaft wie ein Lauffeuer: Der Imperator Caesar wurde ermordet! Die Bevölkerung gerät in Panik. Krawalle erschüttern die Stadt. Unschuldige werden massakriert, Häuser verwüstet. Die Senatoren verstecken sich. Die Veteranen besetzen das Forum. Es dauert Tage, bis die Senatorenschaft die Stadt wieder halbwegs beruhigen kann.

»Ich kam, sah, siegte!«

Ein Jahr zuvor hatte Caesar den Bürgerkrieg erfolgreich beendet. Scheinbar nichts stand ihm mehr im Wege, fast niemand wagte noch, ihm die Stirn zu bieten. Er war alleiniger Consul und Dictator zugleich, ebenso oberster Priester und Sittenwächter. Nun endlich - so glaubte Caesar - kam ihm die Anerkennung zu, die der Dignitas, der Ehre eines Mannes von ältestem römischem Adel und Siegers über Gallien zustand.

So feierte er bei seiner Rückkehr aus Africa vier Triumphe hintereinander für seine Siege über Gallien, Pontos, Ägypten und Africa. Ein fünfter kam im Oktober 709 a.u.c. hinzu nach seiner Rückkehr aus Spanien.[1] Besonders letzterer wurde ihm missgönnt, da er doch keinen äußeren Feind besiegt hatte, sondern die Söhne des Pompeius. Vielleicht rechtfertigte Caesar diesen letzten Triumph sich selbst gegenüber dadurch, dass er vor Jahren auf einen solchen hatte verzichten müssen, um für das Amt als Consul kandidieren zu können. Aber auch die beiden kleinen Triumphe, die er bald darauf zweien seiner Unterfeldherren gestattete, verstießen gegen althergebrachte Sitten.

Zumindest einen gab es, der offen seinen Unmut gegenüber Caesar zum Ausdruck brachte: Der Volkstribun Pontius Aquila erhob sich nicht zum Gruße, als der Triumphator vorbeizog. Caesar zürnte: »Fordere also von mir, Aquila, die Republik zurück, du Tribun!« Und noch Tage später machte er sich Luft, indem er allen seinen Versprechungen und Entschlüssen hinzufügte: »Jedoch nur, wenn es durch Pontius Aquila erlaubt wird.«[2]

Caesars Erfolge im Krieg und sein sprichwörtliches Glück ließen ihn für manchen als unüberwindlich erscheinen. Viele wollten sich mit ihm gutstellen, teilweise in Erwartung von Gegenleistungen, andere fürchteten sich ganz einfach vor ihm. Schon während seines kurzen Romaufenthalts im Jahre 708 suchte man Caesar im Senat mit allerlei Ehrungen und Sonderrechten zu überhäufen, und es kamen ständig weitere hinzu.[3] Viele Ehrungen, die man ihm zutrug, lehnte er jedoch ab. Auch die Authentizität der einzelnen Ehrungen ist in der Forschung umstritten, da in der Überlieferung zahlreiche Widersprüche auftreten. Jehne diskutiert dies ausführlich,[4] dass an dieser Stelle darauf verzichtet werden kann. Doch seien im Folgenden Arten und Umfang der Ehren angedeutet: Die Ehrungen betrafen vor allem Ämter, Titel und Entscheidungsgewalten Caesars: Er wurde zum Dictator für 10 Jahre ernannt. Bisher war dieses Sonderamt zur Behebung von allgemeinen Notständen nie auf länger als ein Jahr befristet gewesen. Er bekam den neuen Titel eines Praefectus Moribus mit der Amtsgewalt eines Censors auf drei Jahre.

Weiterhin handelte es sich um äußerliche Ehrungen, die im Wesentlichen nur im Senat oder bei offiziellen Anlässen im Circus oder Theater zum Tragen kamen: Er durfte im Senat neben den Consuln auf der Sella curulis sitzen, einem erhöhten goldenen Sessel, und stets als erster im Senat noch vor den Consuln seine Meinung äußern, was eigentlich wenig ausmachte, da er für den Rest seines Lebens dieses Amt selbst nur mit einer kurzen Unterbrechung innehatte. Bei Circusspielen sollte er allein das Zeichen zur Eröffnung geben. Ferner durfte er zu solchen Anlässen das Triumphalgewand tragen, was man nicht als sonderliche Neuerung betrachten kann. Es war üblich, sich im Theater mit den eigenen Siegen zu brüsten, ähnlich wie heutzutage Militärs ihre Orden zur Schau tragen. In diese Sparte gehören auch der Gold- und der Lorbeerkranz.

Zu republikanischen Zeiten kam die Aufstellung von Statuen lebender Personen seltener vor. Doch Caesars Bildnis wurde an vielen symbolträchtigen Schlüsselstandorten platziert, wie auf der Rostra (der Rednertribüne auf dem Forum), in Tempeln und neben den Königen und dem legendären Befreier und ersten Consul Brutus auf dem Capitolinus. Auch auf Münzen erschien nun sein Konterfei.

Ämter und Ehrungen, die bislang das Volk verliehen hatte, sollte nun er vergeben.

Neue Feste zu seinen Ehren wurden festgelegt, alte zu seinen Ehren verlängert. Die Umbenennung des Monats Quinctilis in Iulius erfolgte jedoch erst nach seinem Tode auf Bestreben des Marcus Antonius.

Die Gründe für die Ehrungen scheinen eindeutig und klar: Angst und Schmeichelei dem Sieger des Bürgerkrieges gegenüber, die Hoffnung, ihn schon durch den Vorschlag solcher Maßnahmen für sich einnehmen zu können. Und so wurden sie mit Eifer weiter betrieben. Immer größere, immer absurdere Privilegien wurden Caesar zugestanden und aufgedrängt, dass man nicht zweifeln kann, dass einige davon durch seine Gegner initiiert wurden, die seinem Ansehen auf diese Weise schadeten. Caesar konnte nicht alles ablehnen, wenn er den Senat nicht vor den Kopf stoßen wollte - und manch eine Ehrung kam ihm durchaus gelegen.

»Die Republik ist ein Nichts!«

Wie Caesars weiterer Weg aussehen würde, darüber gab es bei seinen Zeitgenossen verschiedene Auffassungen. Seit Beginn des Bürgerkrieges hatte man immer befürchtet, er könne sich als zweiter Sulla gebärden und eine neue Welle der Proskriptionen auslösen. Doch Caesar dementierte dies immer. Und er stellte es wiederholt unter Beweis, wenn er besiegte Gegner begnadigte und frei gehen ließ. Wenn sie ihn offen bekämpften, war ihm dies lieber, als wenn sie gegen ihre Natur handelten.

Durch Caesars Milde ermutigt, erhofften sich Männer wie Marcus Iunius Brutus und Marcus Tullius Cicero von ihm die Wiederherrichtung der Republik. Es brauchte seine Zeit, bis sie erkennen mussten, dass Caesar nichts für die Republik übrig hatte. Hatten sich für ihn doch ihre Institutionen als unfähig erwiesen, ein Weltreich zu regieren und zu verwalten. Sie waren auf einen Staat angelegt, der sich auf das Gebiet einer Stadt beschränkte. Und Caesar war es seit seinem ersten Consulat leid, mit der kurzsichtigen und habgierigen Oligarchie um offensichtlich notwendige Maßnahmen zu ringen.

Doch wenn Caesar auch nichts mehr von der Republik hielt, so bereitete ihm die Frage nach einem anderen System Schwierigkeiten. Schon damals warf man ihm vor, er strebe nach der Königswürde. Was aber hätte er davon gehabt? Der Titel war dem Volk wie dem Senat verhasst. Und hatte Caesar nicht längst mehr Macht als ein König?

Da Caesar die Staatsform der Republik als gescheitert erkannte, bedeuteten ihm auch deren Ämter nicht viel mehr, als geeignete Einrichtungen, seine Leute zu belohnen. So gab er besonders verdienten Veteranen den Rang eines Senators und brachte auf diese Weise die Mitgliederzahl von 600 nach und nach auf 900. Das erregte natürlich Anstoß gerade bei der Nobilität. Niemand solle einem neuen Senator den Weg in die Curie zeigen, ließ man verlauten, denn es waren vornehmlich Söldlinge und gar Barbaren aus Gallien, Spanien und anderen besiegten Ländern, die Caesar so ehrte.

Doch ging es Caesar auch darum, das in den letzten beiden Jahrhunderten entstandene Weltreich in ein regierbares umzuformen und geeignete Verwaltungsstrukturen zu entwickeln. Nur erfüllte das Konzept der Res publica diese Anforderungen nicht. Den Frieden im Reich konnte man nicht stabilisieren, wenn die Stellung eines Mannes sich danach richtete, ob er italischer Abkunft war. So verlieh Caesar nicht nur Ämter, sondern auch Bürgerrechte.

Am letzten Tag des Jahres 709 trieb er das Spiel mit den Ämtern auf die Spitze. Quintus Fabius Maximus, einer der beiden Consuln, verstarb des Nachts oder am frühen Vormittag. Da ließ Caesar ohne die formellen Rahmenbedingungen einzuhalten kurzerhand den Offizier Gaius Caninius Rebilus für die restlichen Stunden des Jahres zum Consul wählen. Cicero spottete verbittert darüber, man müsse sich eilen, dem neuen Consul zu gratulieren, um nicht zu spät zu kommen, wenn dieser sein Amt schon wieder niedergelegt habe. Auch später erregte er sich noch in Briefen, unter diesem Consul sei nicht gefrühstückt worden, und er hätte sich durch besondere Wachsamkeit ausgezeichnet, da er während seiner gesamten Amtszeit kein Auge zugetan habe.[5]

Caesar hingegen gab auf solche kleinen Zwischenfälle nichts. Er hatte sich um wichtigere Dinge zu kümmern und konnte nicht auf gekränkte Eitelkeiten unter seinen Standesgenossen Rücksicht nehmen. In den Augen seiner Gegner aber entfernte er sich dadurch von römischen Sitten und Gesetzen.

Doch Caesar plante derweil Großes für die Zukunft: Zur Verbesserung des Seeverkehrs sollte der Isthmos von Korinth durchstochen werden. Die Stadt selbst, ebenso wie Karthago sollten nun - gut 100 Jahre nach ihrer Verwüstung - wiedererrichtet werden. Auch in Italien sollten die Verkehrswege und Häfen ausgebaut und die Pontinischen Sümpfe und der Fucinersee zur Besiedelung und Beackerung trockengelegt werden. Die Literatur der griechisch-römischen Welt sollte zu einer gewaltigen Bibliothek zusammengetragen werden. Auch ein bürgerliches Gesetzeswerk war geplant, entstand jedoch erst Jahrhunderte später. Die Durchstechung des Isthmos sowie die Trockenlegung der Sümpfe mussten aufgrund seines plötzlichen Todes gar fast zweitausend Jahre auf ihre Verwirklichung warten.

Und noch etwas beschäftigte Caesar: Der Feldzug gegen Parthien.

»Ich bin Caesar, nicht Rex!«

Ein weiterer Vorfall, der die Nobilität kränkte, ereignete sich im Januar 710. Der Senat hatte wieder einige Ehrungen beschlossen, und dies in Abwesenheit Caesars, um die eigene Souveränität hervorzuheben. Nun marschierte man in großer Zahl zu Caesar, der sich vor dem Tempel der Venus Genetrix seinen Geschäften widmete, und verlas ihm die Beschlüsse. Caesar jedoch erhob sich nicht, wie es höflich gegenüber Männern seines Standes gewesen wäre, zumal sie ihm doch so feierlich begegneten. Statt dessen erklärte er, es seien eher zu viele als zu wenige der Ehrungen.[6]

Nun ist viel darüber gerätselt worden, warum sich Caesar in Anwesenheit des ehrenwerten Gremiums nicht erhob. So vertreten einige die Ansicht, der Ruhm sei ihm zu Kopf gestiegen. Zweifellos fühlte er sich jenen Schmeichlern gegenüber auch als höherstehend. Doch wäre immerhin nicht auszuschließen, dass er die Geste einfach vergaß, als man ihn ein weiteres Mal mit Ehrungen überfiel, die ihm langsam lästig, ja gefährlich wurden.

Dass ihm der Fehler hinterher klar wurde, beweist das Gerücht, das er wohl selbst verstreuen ließ: Er habe wegen einer Krankheit Beschwerden gehabt und sich deshalb nicht erheben können. Allerdings wäre denkbar, dass diese Erklärung im Volke entstand, da sie in kleinen Varianten überliefert wird. Und letztlich werden noch weitere mögliche Gründe angegeben, wie jene, L. Cornelius Balbus habe ihn mit den Worten »Bedenke, dass du Caesar bist!« vom Aufstehen abgehalten.

Doch selbst nach diesem Vorfall brachen die Ehrungen nicht ab. Sicher wurden auch einige von Caesars Gegnern inszeniert, um ihn weiter in Misskredit zu bringen. Allerdings erfolgte dies nicht unbedingt über Senatsbeschlüsse.

So wurde einmal eine der beiden Caesarstatuen auf der Rostra mit einem Diadem gekrönt gefunden, jenem Symbol hellenistischer Monarchie, das auch in Rom allgemein bekannt war. Die Volkstribunen G. Epidius Marullus und L. Caesetius Flavus ließen sie sofort entfernen. Caesar ärgerte sich über den Vorfall, vermutlich, weil man ihm nicht Gelegenheit gab, die Binde selbst abnehmen zu lassen.[7]

Bald darauf, als Caesar vom Mons Albanus heimkehrte, rief man ihn vereinzelt als Rex an. Sogleich gelang ihm die schlagfertige Antwort, sein Name sei nicht Rex, sondern Caesar. Damit spielte er zugleich auf die Familie seiner Großmutter an, die Rex als Beinamen führte. Fast mutet diese Antwort prophetisch an, da der Titel Caesar doch bald schon viel höher eingeschätzt wurde als Rex.[8]

Doch die beiden bereits erwähnten Volkstribunen ließen den ersten Rufer verhaften. In Caesars Augen spielten sie den Vorfall damit unnötig auf. Er zeigte seinen Ärger nun öffentlich, woraufhin die Tribunen in einem Edikt behaupteten, die Freiheit ihrer Amtsausübung sei bedroht. Caesar erklärte vor dem Senat, die beiden betrieben gemeine Hetze gegen ihn. Er lehnte die Todesstrafe jedoch ab, so dass der Senat die Absetzung beider Tribunen beschloss, und sie aus der Senatsliste gestrichen wurden.

Dieser Konflikt schürte weiter die Gerüchte, Caesar wolle König werden. Da es sich jedoch um einen unheilvollen Titel handele, verbot er Bestrebungen, ihn zum König krönen zu wollen. Auch entließ er seine spanischen Leibwachen, um nicht als Tyrann zu erscheinen. Die Senatoren leisteten daraufhin den Eid, ihn mit Leib und Leben schützen zu wollen.

Schon vor einiger Zeit war Caesar zum Dictator auf Lebenszeit designiert. Er hatte dies bisher allerdings aus gutem Grunde ausgeschlagen. Erst zwischen dem 9. und dem 15. Februar 710 nahm er den Titel doch an. Hier scheint das größte Rätsel in der Diskussion um Caesar und den Königstitel zu liegen. Caesar hätte sich über die Folgen im klaren sein müssen: Nach diesem Zeitpunkt formierte sich die Verschwörung gegen ihn ungehemmt. Die Hoffnung, Caesar bliebe nur Dictator auf Zeit, war dahin. Fast ebensogut hätte er den Königstitel fordern können. Wollte Caesar klare Verhältnisse schaffen? War er der Diskussionen und Gerüchte überdrüssig? Der Ausspruch, Sulla sei ein politischer Analphabet gewesen, weil er die Dictatur niedergelegt hatte, würde dazu passen. Warum dann aber nicht der Königstitel?

Während des Lupercalienfestes am 15. Februar zeigte er sich gemäß den Ehrenbeschlüssen wie ein römischer König in Purpurtoga und Goldkranz. Mit Ziegenfellen um die Hüften, rannten die Luperci einem alten Fruchtbarkeitsritus folgend an der Rostra, der Rednertribüne vorbei, von der Caesar zuschaute. Unter ihnen lief auch der Consul Marcus Antonius mit, löste sich jedoch von der Masse und eilte die Rostra hinauf. Er ließ sich von einem Sklaven ein Diadem reichen, das er Caesar aufzusetzen suchte. Doch Caesar sträubte sich, woraufhin das Volk jubelte. Er ließ das Diadem in den capitolinischen Tempel bringen. Jupiter sei alleiniger König der Römer. In die Fasten ließ er eintragen, er habe das ihm vom Volke angebotene Diadem abgelehnt.[9]

Nun ist immer schon gemutmaßt worden, Caesar habe den Vorfall inszeniert und das Diadem nur abgelehnt, weil der Beifall ausblieb. Eine andere Theorie besagt, er habe geplant, es von vorne herein abzulehnen, um die Diskussionen zu beenden, da er nicht den Königstitel anstrebte. Beides erscheint fragwürdig. Hätte Caesar ein solches Schauspiel, wäre es von ihm so oder so geplant worden, nicht besser vorbereitet? Einem totalitären Regime ist es ein Leichtes, zu einem solchen Anlass hinreichend Leute zu bestellen, die nach Wunsch agieren.

Der Eintrag in die Fasten allerdings war eindeutig und schwerwiegend. Caesar verzichtete offiziell und endgültig auf den Königstitel. Die Dictatur genügte vollauf, dies mussten auch seine Gegner erkennen.

»Dort ist der Feind!«

Als Initiator der Verschwörung muss Gaius Cassius Longinus (RE 59) betrachtet werden, auch wenn sich bereits die Alten darin widersprechen.10[10] Er hatte während des Bürgerkrieges auf der Seite des Pompeius gestanden, war aber von Caesar wie so viele andere begnadigt worden. Für 710 bewarb er sich um das Amt eines Praetoren. Als jedoch nicht er, sondern sein Mitbewerber Marcus Brutus den Posten des angesehensten Praetors, des Praetor Urbanus erhielt, Cassius selbst hingegen nur den des Praetor Peregrinus, fühlte er sich von Caesar zurückgesetzt. Auch wurde er für kein Consulat während Caesars Partherzuges bestimmt und bekam auch keine Rolle darin zugedacht.

Da er ohnehin nie Caesarianer gewesen war, versuchte er nun um so aktiver, Verbündete gegen Caesar zu finden. Doch viele, die er ansprach, schraken vor einer umstürzlerischen Tat zurück. Ein Aushängeschild, eine Galionsfigur für den Erhalt der Republik musste herbei. Und diese sah Crassus eben gerade in seinem Konkurrenten und Schwager Marcus Iunius Brutus (RE 53). Dieser war ebenfalls Pompeianer gewesen - obgleich Pompeius einst seinen Vater hatte töten lassen - und zugleich Schwiegersohn und Neffe des Caesargegners Cato. Er stammte aus angesehenem Hause und in männlicher Linie nach allgemeiner Auffassung vom sagenumwobenen ersten Consul Lucius Iunius Brutus ab, dem Vertreiber des letzten Königs und Befreier Roms. Gerüchte, dass dieser seine Nachkommen erschlagen habe,[11] störten dabei nicht.

Diesen naiven, aber rechtschaffenen Charakter für eine Bluttat zu gewinnen, sollte jedoch nicht leicht werden. Brutus nahm an, Caesar würde die Republik schon wieder herstellen. Er vertrug sich inzwischen gut mit Caesar, stand in seiner höchsten Gunst, vielleicht auch auf die Vermittlung seiner Mutter und Caesars langjähriger Geliebter Servilia hin. Nur langsam wurden ihm die Ehrungen und Rechte Caesars unheimlich. Dennoch zögerte Brutus, sich gegen Caesar zu wenden.

Folglich bearbeiteten ihn Crassus und seine Anhänger nicht nur mit Gesprächen, es wurden ihm auch Zettel auf den Amtssessel gelegt, auf denen aufrüttelnde Parolen wie »Du schläfst, Brutus!« standen.[12] Doch vermutlich gab Caesars Annahme der Dictatur auf Lebenszeit letztlich den Ausschlag für Brutus, sich an der Verschwörung zu beteiligen.

So sammelten Cassius und Brutus weitere Verbündete um sich, rund sechzig Männer sollen es gewesen sein, von denen heute jedoch lediglich zwanzig namentlich bekannt sind.[13] Unter ihnen waren prominente Gestalten, die teils auch aus Caesars eigenem Lager stammten, wie sein ehemaliger Legat Decimus Iunius Brutus Albinus (RE 55a), der zu seinen besten Freunden gerechnet und sogar als Ersatzerbe in Caesars Testament genannt wurde, falls der schwächliche C. Octavius vor Caesar stürbe.

Ein weiterer Legat aus dem Bürgerkriege war Servius Sulpicius Galba (RE 61), der Großvater des späteren gleichnamigen Kaisers. Er fühlte sich durch Caesar gegenüber den jüngeren Konkurrenten Lepidus und Dolabella zurückgesetzt.

Quintus Ligarius (RE 4) hingegen gehörte von Anfang an zu den Anhängern des Pompeius. Seine Begnadigung durch Caesar war nur Ciceros Verteidigungsrede zu verdanken, denn eigentlich hatte Caesars Urteil schon gestanden. Er wollte nur wieder einmal dem großen Redner lauschen, war jedoch so beeindruckt, dass er Ligarius freiließ. So empfand auch Ligarius keinen Dank für seine Gnade und stachelte später Marcus Brutus trotz eigener Bettlägerigkeit noch auf. Wenn es gegen Caesar ginge, sei er gesund.

Eher aus schwierigen Verhältnissen stammte der ursprüngliche Caesarianer Lucius Minucius Basilus (RE 38), geborener Marcus Satrius. Den für seine Brutalität gegenüber seinen Sklaven bekannten Mann hatte es gekränkt, dass er keine Anwartschaft auf eine Provinz zugesichert bekam.

Caesars Legat Gaius Trebonius (RE 6) wandte sich wohl schon während des spanischen Feldzuges gegen die Söhne des Pompeius verdeckt von Caesar ab. Die eintägige Einsetzung des Caninius Rebilus betrachtete er wohl als Missachtung seines eigenen Consulats, obwohl er es doch selbst erst im Laufe des Jahres und unter nicht unähnlichen Umständen erhalten hatte. Von Cicero wird er als aufrichtiger Republikaner gelobt, aber auch des Undanks und Verrats beschuldigt.

Der Beiname des Lucius Tillius Cimber (RE 5) kann wohl nicht von einem Sieg gegen den germanischen Stamm herrühren, da Siegerbeinamen üblicherweise nicht vererbt wurden. Man muss annehmen, dass der Name auf Cimbers Trunk- und Streitsucht fußt.

Die weiteren überlieferten Verschwörer [14] waren Caecilius Bucilianus (RE Buc.) und dessen Bruder, ferner Pacuvius Antistius Labeo (RE Ant. 35), Publius Turullius (RE 1), [M.] Rubrius Ruga (RE 23), der schon erwähnte Volkstribun [L.] Pontius Aquila (RE 17), Marcus Spurius (RE 2), Gaius Cassius Parmensis (RE 80), die Brüder Gaius Servilius Casca (RE 52) und Publius Servilius Casca Longus (RE 53), Sextius Naso (RE 33) und ein Petronius.

Alles in allem ein Fegefeuer der Eitelkeiten. Diesen Männern ging es nicht vornehmlich um das hehre Ziel der Republikserhaltung. Sie wollten selbst eigenen Ruhm ernten, als Herren der Welt eigene Macht ausüben und darum wetteifern, statt einem einzelnen zu dienen; sie wollten sein wie Caesar und waren durchaus bereit, wie er die überkommenen Spielregeln der Republik zu brechen. Der zaghafte Cicero passte nicht hierzu.

»Was dieser junge Mann will, weiß ich nicht...«

Der Plan der Verschwörer war einfach im Ablauf und geradezu naiv in den Erwartungen, die sie in ihn setzten:

Die Tat sollte mitten im Senat begangen werden, wie seinerzeit angeblich die Ermordung des zum Tyrannen entarteten legendären Stadtgründers Romulus. Nach Dio ging ein Gerücht, man habe einen Orakelspruch entdeckt, nach dem nur ein König die Parther besiegen könne. Caesars Schwiegervater wolle deswegen an den Iden des März den Dictator für den Königstitel vorschlagen. Ein anderer, einfacherer Grund scheint plausibler: Man wählte den Tag, da die Zeit drängte. Caesars Abreise war für drei Tage später geplant. Von da ab wäre er stets von seinen Veteranen umgeben gewesen.

Gaius Trebonius sollte seinen Freund Marcus Antonius eine Weile vom Sitzungssaal fernhalten. Einerseits fürchtete man den kräftigen, jungen Antonius, andererseits bestand Marcus Brutus darauf, ihn am Leben zu lassen.[15] Beide Consuln zu töten, wäre nach seiner Überzeugung über einen Tyrannenmord hinausgegangen. Es wäre einem Putsch gleichgekommen. Aber man wollte ja nur den Tyrannen beseitigen und die Republik neu ausrufen, wie sie einmal gewesen war.

Decimus Brutus sollte sich im der Curie benachbarten Theater des Pompeius mit seinen Gladiatoren bereithalten, falls es zu weiterführenden Kämpfen oder anderen Zwischenfällen käme.[16]

Lucius Tillius Cimber sollte mit einem Gnadengesuch für seinen Bruder an Caesar herantreten, um ihn abzulenken und von seiner Umgebung zu trennen. Die anderen Mörder sollten ihn dabei unterstützen. Wenn Cimber dem Caesar die Toga herunterriss, würde dies das Zeichen zur Tat sein. Jeder sollte einmal zustechen.

Danach würde Marcus Brutus sich an den Senat wenden und ihm die Gründe für dieses Vorgehen erklären, sowie ihm zur zurückgewonnenen Republik gratulieren. Man glaubte, der Senat würde die Verschwörer begeistert feiern und wieder zur Tagesordnung übergehen, indem er die Regierungsgewalt wieder übernahm.

Caesars Leiche sollte in den Tiber geworfen werden, wie es einem Tyrannen geziemte. Seine Güter mussten vom Staat konfisziert, alle seine Maßnahmen und Gesetze für ungültig erklärt werden.

»Soll ich bezweifeln, dass ich äußerst verhasst bin...?«

Caesar wusste nur zu gut um die Anfeindungen seiner Standesgenossen und die Unsicherheit und Unzufriedenheit im Volke. Die Verdächtigungen zu zerstreuen, ihm verlange nach der Krone, gelang ihm nicht. Die Republik erkannte er als gescheitert und als unfähig, ein Weltreich zu regieren. Doch fand auch er keine Lösung zu diesem Problem. Er wollte die Entscheidung hinauszögern.

Der Abstand zu seinen Standesgenossen wuchs mit den Ehrungen, die sie ihm selbst gaben. Seine Verantwortung ließ ihm wenig Zeit. Sogar im Circus und im Theater musste Caesar nebenbei Bittschriften lesen und Briefe diktieren. So wurde selbst Cicero einmal genötigt, lange zu warten, bis er zu ihm vorgelassen wurde. Ein Umstand, den auch Caesar als bedenklich empfand.

Nichts hielt ihn in einem Rom der Gerüchte und der Vorwürfe, nicht einmal seine Geliebte Kleopatra, die seit Monaten zum Anstoß der Öffentlichkeit jenseits des Tibers in Caesars Gartenpalast wohnte. Gerüchte liefen um, er wolle ihr zuliebe seine Residenz nach Alexandreia verlegen, oder seiner Abstammung wegen nach Ilion. Dabei bewiesen seine Bautätigkeit, die Planung einer gewaltigen Bibliothek im Rom und der Trockenlegung der Sümpfe doch das Gegenteil.

Caesar wollte von alledem nichts mehr hören. Ihn trieb es zu neuen Eroberungen, die ihn vom Gejammer und Geschacher von Volk und Senat befreiten. Übergriffe der Daker und Parther im Osten verlangten nach Maßnahmen. Caesar plante einen dreijährigen Feldzug, angefangen mit der Befriedung Makedoniens und seiner Nachbarn. Von dort aus wollte er über Armenien nach Partien marschieren und die Feldzeichen seines 701 bei Karrhae gescheiterten Freundes M. Licinius Crassus zurückerobern. Viel weiter wird Caesar nicht geplant haben, wusste er doch zu gut, wie schnell sich im Kriege Anforderungen ändern. Doch den Gerüchten nach, wollte er nach dem Sieg einen Bogen zwischen dem Kaspischen und dem Schwarzen Meer beschreiben und die Donau entlang nach Gallien zurückkehren. Für die Dauer seiner Abwesenheit hatte er die hohen Magistrate bereits im Voraus wählen lassen, um nicht in Absenz als Dictator abgesetzt zu werden wie einst Sulla.

Schon sammelten sich die Legionen bei Apollonia, wo Caesars Großneffe und designierter Magister Equitum Gaius Octavius auf ihn wartete. Caesar selbst wollte am 18. März von Rom aufbrechen.

Lange schon sprach man von der römischen Herrschaft über den Erdkreis. Caesar wollte sie nun umsetzen. Der geplante Feldzug war äußerst populär. Selbst Caesars Gegner hätten nichts dagegen einwenden können. Nach seiner Rückkehr, so erhoffte sich Caesar sicherlich richtig, würde man es ihm in Rom nicht mehr so schwer machen.

Doch bei seinen Gegnern säte dieser Plan nur weitere Ängste. Sollte Caesar die Unternehmung gelingen, woran kaum jemand zu zweifeln wagte, wäre an seiner über allen anderen stehenden Machtstellung nicht mehr zu rütteln gewesen. Man musste handeln, bevor Caesar ins Lager aufbrach und von seinen Legionären umgeben würde.

»Wo sind denn nun deine Prophezeiungen?«

Die Alten berichten von zahlreichen Vorzeichen, die auf Caesars nahenden Tod hingewiesen hätten.17[17] Vieles davon ist Topos, nachträglich hinzugedichtet, um Lesern und Hörern mehr Spannung zu bieten. Doch mag in einigen Motiven ein wahrer Kern liegen.

Am bekanntesten ist wohl die Anekdote mit dem Seher, der Caesar vor den Iden des März gewarnt haben soll. Es ist nicht auszuschließen, dass in der brodelnden Gerüchteküche Roms mehr Personen als nur die Verschwörer vom Zeitpunkt der Tat wussten oder diesen auch nur ahnten.

Auch durch Opferschauen sollen Caesar schlechte Vorzeichen erklärt worden sein, doch der nüchterne Epikuräer, der nicht an Götter, sondern nur an den Zufall glaubte, schlug diese Warnungen in den Wind, wie er es immer damit gehalten hatte.

Sogar auf Träume verzichtet keiner der antiken Autoren, mal von Caesar selbst, mal von seiner Gattin. Es ist leicht, so etwas im Nachhinein zu erfinden, doch mag ja bei Caesar oder Calpurnia so kurz vor dem gewaltigen Feldzug eine gewisse Unruhe vorgeherrscht haben, die schlechte Träume erklären würde.

Doch auch Caesars aufrichtig ergebene Gefolgsleute rieten ihm, sich wieder durch seine Leibgarde zu schützen. Caesar lehnte ab. Er wollte lieber sterben, als in ständiger Angst leben. Und er wollte ebensowenig mit einer solchen Maßnahme Furcht säen. Es war ihm ernst mit der Versöhnung, dies beweist allein schon das Verzicht, seine Gegner zu bespitzeln. In ein paar Tagen würde er ohnehin abziehen. Letztlich konnte er sich auch nicht recht vorstellen, seine Feinde würden ihn tatsächlich mit Gewalt beseitigen. Ohne ihn, so ahnte er, würde der Staat in einen neuen Bürgerkrieg gestürzt. Und er glaubte, auch seinen Gegnern müsse dies bewusst sein.[18]

Am Abend vor den Iden des März hat Caesar bei seinem Magister Equitum Marcus Aemilius Lepidus den baldigen Aufbruch zum Partherfeldzug gefeiert. Dabei kam das Gespräch auf den Tod und auf die Art, wie man zu sterben wünsche. Caesar antwortete unverzüglich, er bevorzuge den plötzlichen Tod.[19] Daraufhin ist gar gemutmaßt worden, er habe seinen Tod selbst inszeniert. Eine labile Argumentation. Allein der Eifer, mit dem er den Feldzug vorbereitet hatte, beweist das Gegenteil.

Am nächsten Morgen verspätete sich Caesar so sehr zur Senatssitzung, dass man im Verschwörerkreise schon fürchtete, es sei etwas bekannt geworden. Man schickte Decimus Brutus, den engen Freund Caesars, ihn in die Curie zu locken.

Nach den antiken Autoren sollen Unwohlsein und schlechte Träume Calpurnias Caesar aufgehalten haben. Wahrscheinlicher jedoch dürfte ein Unwohlsein von Caesars Seite her sein: Er hatte einen Kater vom gestrigen Umtrunk und erwog wohl schon, die Sitzung ausfallen zu lassen. Das hätte er kaum, wenn er sich dort zum König hätte vorschlagen lassen wollen. Hauptpunkt der Tagesordnung müssen die Bestimmung des P. Cornelius Dolabella zu seinem Nachfolger als Consul für den Rest des Jahres und der Einspruch des Mitconsuls Antonius gewesen sein.

Als Caesar sich dann der Curie näherte, versuchte man ihn zu warnen. Artemidoros, ein Freund und Gastgeber Caesars aus Knidos, bemühte sich, ihm eine schriftliche Warnung zukommen zu lassen. Sicher war es nicht einfach, überhaupt bis zu dem Dictator vorzudringen, der von Bittstellern, Anhängern und Sklaven dicht umringt gewesen sein muss. Trotzdem gelang es dem Griechen, Caesar das aufklärende Dokument zu überreichen. Er solle es hier und jetzt lesen, da es für ihn von größter Wichtigkeit sei. Doch obwohl Caesar es nicht gleich an seine Sekretäre weitergab, sondern in der Hand behielt, kam er nicht mehr dazu, es zu lesen. Zu viele forderten seine Aufmerksamkeit ein, und es mögen neben Decimus Brutus noch weitere Verschwörer darunter gewesen sein, die Caesar bis zum Tatort von allen Vorzeichen und Warnungen ablenken konnten. Und gewiss war Caesar mit seinen Gedanken bereits fern im Osten.

»Das ist ja Gewalt!«

Während Marcus Antonius wie besprochen von Gaius Trebonius vor dem Gebäude aufgehalten wurde, betrat Caesar die Curie.

Kaum an seinem Amtssessel angelangt, bestürmte ihn der Großteil der Verschwörer vordergründig mit dem Bittgesuch für den Bruder des Lucius Tillius Cimber. Caesar wehrte zunächst ab. Die Sitzung hatte ja noch nicht einmal begonnen und er wollte zunächst zum eigentlichen Punkt des Tages kommen. Auch fühlte er sich bedrängt durch die vielen Männer, die ihn nun in ihre Mitte schlossen und von nicht Eingeweihten trennten.

Da zerrte Cimber dem Caesar die Toga herunter - das verabredete Zeichen, loszuschlagen. Publius Casca führte den ersten Hieb, der auf den Hals zielte, doch nur den Rumpf streifte. Beide rangen kurz miteinander, schrieen sich an. Da begannen auch die anderen, auf Caesar einzustechen. Caesar verteidigte sich nach Kräften mit dem einzigen, was ihm als Waffe zur Verfügung stand: Seinem Schreibgriffel. Doch abzüglich der andernorts eingesetzten Mitwisser müssen es wenigstens vierzig bis fünfzig Männer gewesen sein, die wild nach ihm stachen und sich dabei teils gegenseitig trafen.[20]

Schließlich musste Caesar schwer verletzt und hilflos gegen die große Überzahl aufgeben. Dreiundzwanzig Wunden würde der Arzt Antistius später zählen. Aber Caesar lebte noch und die Verschwörer müssen, nachdem ein jeder seinen Hieb geführt hatte, von ihm abgelassen haben, denn die Alten stimmen darin überein, dass er noch sein Gewand zurechtrückte, bevor er vor der Statue des Pompeius niedersank.[21]

Nun wandte sich Brutus dem Senat zu, um ihn über die hehren Ziele der Mörder aufzuklären. Der Senat hingegen brach sogleich in Panik auseinander. Man wusste ja nicht, wer als nächstes getötet werden sollte. Auch war sicher vielen gar nicht vorstellbar, was ohne Caesar mit dem Staat geschehen sollte. Alle beruhigenden Zurufe der Mörder halfen nichts, alles stürzte fluchtartig hinaus, wo sich Angst und Konfusion auf die Passanten übertrugen.

Da wichen die Mörder einstweilen von ihrem Plan ab, Caesars Leiche in den Tiber zu werfen. Sie ließen ihn liegen wo er war und verließen ihrerseits die Curie. Draußen versuchten sie vergeblich, die Leute zu beruhigen, ihnen zu erklären, sie seien nun von einem Tyrannen befreit. Niemand sah auf ihre Filzhüte, die sie als Symbol für freigelassene Sklaven trugen, sondern vielmehr auf das Blut, das ihren Kleidern anhaftete. Die Freiheit, die die Mörder verkündeten, war eine Freiheit der Aristokratie, nicht des Volkes. So verschanzten sich die Mörder geschützt durch die Gladiatoren des Decimus Brutus auf dem heiligen Capitolinus.

Auch Antonius und Lepidus flüchteten und versteckten sich bei Freunden, da sie fürchten mussten, als nächste einem Putsch zum Opfer zu fallen.

In der Stadt indes breiteten sich die Unruhen immer weiter aus. Angst und Verwirrung herrschten beim Volk. Viele verbarrikadierten sich in ihren Häusern, andere liefen in die Curie, den Toten zu sehen, der dort noch immer unangetastet lag. Erst später wurde er von drei Sklaven in sein Heim an der Via Sacra gebracht.

Erbitterte Caesarianer suchten ihn zu rächen und die Mörder zu töten. Doch aufgrund von Missverständnissen und Namensähnlichkeiten traf es nur die Falschen. Vielfach wurden Senatorenhäuser gestürmt. Nur noch Panik und Krawalle regierten die Hauptstadt des Weltreiches.[22] Wieder waren die Würfel zu einem neuen, noch längeren und blutigeren Bürgerkrieg geworfen.

»Die Republik wird, wenn mir etwas geschieht, keine Ruhe finden...«

Am nächsten Tage lag eine Lähmung über der römischen Bevölkerung. Lepidus hatte das Forum mit Caesars Veteranen besetzt und forderte die Bestrafung der Mörder. Diese hingegen zeigten sich nicht mehr in der Lage, umzusetzen, was das von ihnen rückersehnte System des Klüngelns und Paktierens forderte. Einzig Brutus hielt eine Rede an das Volk, um es zu beruhigen, was ihm einstweilen mit Mühe gelang.

Antonius erkannte die Gefahr und ließ sich auf Verhandlungen ein. Er berief seine Senatssitzung im Tempel der Tellus ein, half gar bei der Durchsetzung einer Amnestie für die Mörder. Caesar jedoch zum Tyrannen zu erklären, verhinderte er. Wenn man nämlich seine Taten für ungültig erklärte, hätten alle seine Gesetze und Amtszuweisungen rückgängig gemacht werden müssen. Die Senatoren hätten sich selbst der eigenen Würden enthoben und den Staat seiner Ordnung. Und über allem schwebte der Druck tausender draußen wartender Veteranen Caesars, die um ihre Landlose fürchteten. So blieb es bei einem widersprüchlichen Kompromiss, der letztlich den Verschwörern den Hals brechen sollte: Amnestie der Mörder, aber Anerkennung aller Verfügungen Caesars.[23]

Die Bestattung[24] Caesars sollte wohl außerhalb des Pomeriums auf dem Marsfelde stattfinden. Zuvor bahrte man ihn jedoch zur Trauerfeier auf dem Forum auf. Man verlas das Testament, in dem Caesar unter anderem dem Volke seine Gärten vermachte, sowie jedem einzelnen eine größere Summe Geldes. Schon trauerte die Masse wieder um ihren Gönner, als Antonius seine Leichenrede begann. In ihr lobte er Caesars Leistungen, mahnte an, wie wenig dankbar man sich ihm für seine Leistungen und seine Milde erwiesen hatte, und stellte schließlich Caesars blutdurchtränkte Gewänder zur Schau.

Die Volksmenge reagierte, wie sie sollte: Caesar bekam seine Feuerbestattung an Ort und Stelle. Bänke wurden zu einem Scheiterhaufen beisammengetragen, den jeder noch durch eigene Habseligkeiten Schürte. Und wieder brachen Krawalle hervor, die die Stadt erschütterten. Den Mördern blieb nichts anderes übrig, als eiligst in ihre zugeteilten Provinzen abzureisen.

Als Cicero später feststellen musste, wie wenig die Ermordung des Dictators die Republik rettete, schrumpfte seine Freude über die Tat und seine Sympathie für die Mörder. "Caesar wäre nicht zurückgekommen", schrieb er seinem Freund Atticus und meinte den Feldzug, den der gealterte und geschwächte Caesar vielleicht gar nicht überstanden hätte.

Doch auch Caesars Rückkehr wäre nicht zwingend das Ende der Republik gewesen. Dass Caesar nach seinem natürlichen Tode einen einzelnen politischen Erben eingesetzt hätte, bleibt fraglich, da er in seinem Testament dem C. Octavius nur familiären Besitz und den eigenen Namen vermachte, jedoch keine Ämter. Es war das gewöhnliche Vermächtnis eines römischen Privatmanns, nicht das eines Königs.

So zerstörten die Verschwörer endgültig, was sie zu retten glaubten. Ohne Caesar blieb ein gewaltiges Machtvakuum zurück, welches der Senat nicht zu füllen vermochte. Keiner der Mörder sollte einen natürlichen Tod finden. In dreizehn Jahren Bürgerkrieges bekämpften die großen Feldherrn des Reiches einander, bis nur noch einer übrig blieb: Der Erbe Caesars.

Zeittafel

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quellen

Appian(os) von Alexandr(e)ia: Römische Geschichte - Die Bürgerkriege, Übers. Otto Veh, Stuttgart 1989

Cassius Dio (Cocceianus): Römische Geschichte, Übers. Otto Veh,

Band 2 - Bücher 36-43, Zürich-München 1985

Band 3 - Bücher 44-50, Zürich-München 1986

Nikolaos von Damaskus: Leben des Kaisers Augustus; Übers. Jürgen Malitz (Hrsg.); Darmstadt 2003

Plutarch(os): Alexander - Caesar, Übers. Marion Giebel, Stuttgart 1990

Plutarch(os): "Antonius" in: Große Griechen und Römer, Bd. 5, Übers. Konrat Ziegler, Zürich 1960

"Brutus" a.a.O. Bd. 4, 1957

"Caesar" a.a.O., Übers. Walter Wuhrmann

(Gaius) Sueton(ius Tranquillus): Kaiserbibliographien, Übers. Otto Wittstock, Berlin 1993

Marcus Tullius Cicero: Atticus-Briefe, Übers. Helmut Kasten, München 1976

Marcus Tullius Cicero: An seine Freunde, Übers. Helmut Kasten, München-Zürich 1989

Literatur

Andreas Alföldi: Caesar in 44 v.Chr., Bd. 1: Studien zu Caesars Monarchie und ihren Wurzeln, Bonn 1985

Georg Brandes: Gajus Julius Caesar, Bd. 2, Berlin 1924

Karl Christ: Caesar - Annäherungen an einen Diktator, München 1994

Werner Dahlheim: "Die Iden des März 44 v. Chr." in: Das Attentat in der Geschichte, Hrsg. Alexander Demandt, Köln 1996

Werner Dahlheim: Julius Cäsar - Die Ehre des Kriegers und der Untergang der Römischen Republik, München 1987

Gerhard Dobesch: Ausgewählte Schriften; Bd. 1: Griechen und Römer; Köln - Weimar - Wien 2001

Matthias Gelzer: Caesar - Der Politiker und Staatsmann, Wiesbaden 1983

Helga Gesche: Caesar, Darmstadt 1976

Eberhard Horst: Julius Caesar - Eine Biographie, Düsseldorf 1980

Martin Jehne: Der Staat des Dictators Caesar, Köln-Wien 1987

Rudolf Kassner: "Die Iden des März" (1956) in: Caesar, Hrsg. Detlef Rasmussen, Darmstadt 1967

Christian Meier: Caesar, Berlin 1982

Eduard Meyer: Caesars Monarchie und das Principat des Pompejus - Innere Geschichte Roms von 66 bis 44 v.Chr., Darmstadt 1978

Hans Oppermann: Caesar - Wegbereiter Europas, Göttingen-Berlin-Frankfurt 1958

Hans Oppermann: Julius Caesar in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbeck 1968

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE), Hrsg. Wissowa-Kroll-Mittelhaus-Ziegler, 84 Bände, Stuttgart 1958-80

Leopold von Ranke: Julius Cäsar und sein Jahrhundert, Berlin 1942

[...]


[1] Triumphzüge: Dio 43,42; Suet. iul. 37, 38; Plut. caes. 55, 56

[2] Pontius Aquila: Suet. iul. 78

[3] Ehrungen und Rechte: Dio 43,14; 44,4-7; App. b.c. 440-444; Jehne

[4] insbesondere S. 191-331

[5] Ein-Tages-Consulat: Cic. fam. 7,30; Dio 43,46; Suet. iul. 76; Plut. caes. 58

[6] Sitzen bleiben: Dio 44,8; Suet. iul. 78, Plut. caes. 60, App. b.c. 2,445-447

[7] Diadem auf der Statue: App. b.c. 2,449, Dio 44,9; Plut. caes. 61, Suet. iul. 79

[8] Caesar, nicht Rex: Dio 44,10; App. b.c. 2,450-453, Suet. iul. 79

[9] Lupercalienfest: App. b.c. 2,456-458; Suet. iul. 79; Dio 44,11; Plut. caes. 61, ant. 12

[10] Verschwörungskopf: Plut. caes. 62, brut. 8+10; Dio 44,14; Suet. iul. 80, App b.c. 2,464; Vell. 2,56

[11] Dio 44,12; Plut. brut. 1

[12] Brutusaufrufe: App. b.c. 2,469; Plut. brut. 9, caes. 62; Dio 44,12; Suet. iul. 80

[13] Suet. iul. 80; RE 10/1, Sp. 255

[14] vgl. RE 10/1, Sp. 255

[15] Antoniuseinbeziehung: App. b.c. 2,478; Plut. brut 18, ant. 13

[16] Dio 44,16

[17] Vorzeichen: App. b.c. 2,480-489; Plut. caes. 63; Suet. iul. 77+81; Dio 44,17-18

[18] Suet. iul. 86

[19] App. b.c. 2,479

[20] Nach Dahlheim (Iden, S. 52) sollen zwei der Senatoren Caesar zu Hilfe geeilt sein.

[21] Ermordung: App. b.c. 2,490-494; Suet. iul. 81,4-82; Plut. caes. 66, brut. 17; Dio 44,18-19; Nikol. F130,82-90

[22] Krawalle: Dio 44,20; App b.c. 2,494-495; Plut. caes. 67

[23] Senatssitzung: App. b.c. 2,525-569; Plut. caes. 67, brut. 19; Dio 44,22-34

[24] Bestattung: App. b.c. 2,596-616; Dio 44,35-50; Suet. iul. 84-85; Plut. caes. 68, ant. 14, brut. 20

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Von der Ermordung des Gaius Iulius Caesar
Hochschule
Technische Universität Berlin
Autor
Jahr
2000
Seiten
18
Katalognummer
V97637
ISBN (eBook)
9783638960892
ISBN (Buch)
9783640123087
Dateigröße
466 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Attentat, C. Iulius Caesar, Gajus Julius Cäsar, Julius Cäsar, Brutus, Caesar, Römische Republik, Römisches Reich, Kleopatra, Marc Anton
Arbeit zitieren
Oliver H. Herde (Autor:in), 2000, Von der Ermordung des Gaius Iulius Caesar, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97637

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