Das Erlernen von Wortbedeutungen beim Kind


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Hauptteil
1. Semantik
1.1 Gegenstand der Semantik
1.2 Das sprachliche Zeichen
1.3 Drei grundlegende Modelle zum Spracherwerb
2. Erlernen von Bedeutungen
2.1 Vokabelerwerb beim Kind
2.2 Wie lernen Kinder Konzepte und Bedeutungen?
3. Theorien zur Entwicklung semantischer Strukturen
3.1 Semantische Merkmalstheorie
3.1.1 Semantische Merkmale
3.1.2 Merkmalsanalyse beim Kind
3.1.3 Das Problem der Übergeneralisierung
3.1.4 Weitere Probleme der semantischen Merkmalsanalyse
3.2 Die Theorie vom funktionalen Kern
3.2.1 Die Hypothese vom funktionalen Kern
3.2.2 Verdeutlichung der Hypothese am Wortbeispiel „Ball“
3.2.3 Problematiken der Hypothese
3.3 Prototypentheorie
3.3.1 Was ist ein Prototyp?
3.3.2 Beispiele für Prototypen und die dazu gehörigen Kategorien
3.3.2 Prototyptheorie vs. klassische Kategorisierungstheorien
3.4 Wortfeldtheorie

Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Einleitung

In dieser Hausarbeit soll auf die zentrale Fragestellung, wie Kinder Wortbedeutungen erlernen, eingegangen werden. Dazu wird zunächst in Kapitel eins geklärt, was Bedeutung heißt. Außerdem werden zum besseren Vorverständnis drei grundlegende Modelle des Spracherwerbs kurz dargelegt, die von der Vorstellung einer ´Tabula Rasa´ bis zur Vorstellung eines bereits vorhandenen sprachlichen Rasters einer Universalgrammatik beim Menschen reichen.

Auch muss eine Differenzierung von ‚Begriff’ und ‚Bedeutung’ vorgenommen werden. Begriffe sind hier als psychologische Konzepte zu verstehen, die vor dem Erwerb sprachlicher Bedeutungen für diese Begriffe vorhanden sind. In dieser Hausarbeit werde ich mich darauf beschränken zu beschreiben, wie die Bedeutung von Wörtern erlernt wird. Ich gehe also der Frage nach, was bei Kindern vor sich geht, wenn sie Namen für die gedanklichen Begriffe finden.

Als Antworten auf diese Frage führe ich drei Theorien an: Die semantische Merkmalstheorie, die Theorie vom funktionalen Kern und die Prototypentheorie. Sie werden in Teil drei erläutert. Diese drei Theorien stehen in der wissenschaftlichen Diskussion nebeneinander, wobei sie sich in weiten Teilen gegenseitig ausschließen.

Ich führe zusätzlich eine vierte Theorie, die Wortfeldtheorie, an, weil sie grundlegend für die Frage der Bildung semantischer Strukturen ist. Sie stellt eine Grunlage dar für die Einordnung erlernter Wörter, da sie sich auf grundlegende kognitive Ordnungsstrukturen beim Spracherwerb bezieht.

Die Problematik bei allen vier genannten Theorien besteht darin, dass sie lediglich beschreiben können, wie linguistischer Bedeutungserwerb funktioniert, nicht aber, wie Kinder Begriffe erwerben, was aber auch nicht, wie oben dargelegt, Thema meiner Arbeit ist.

Hauptteil

1. Semantik

1.1 Gegenstand der Semantik

Semantik wird als die „Lehre von Inhalten und Bedeutungen der Wörter und Sätze“[1] definiert. Sie ist eine Teildisziplin der Linguistik und beschäftigt sich mit der „Analyse und Beschreibung der sogenannten ‚wörtlichen’ Bedeutung von sprachlichen Ausdrücken“[2]. Jedoch ist Bedeutung ein Begriff, für den es viele verschiedene Definitionen gibt. So ist mit Bedeutung einmal die grammatische Bedeutung, einmal die soziale Bedeutung, einmal die lexikalische Bedeutung usw. gemeint.[3] Auch die Umschreibung des Begriffs Bedeutung durch andere Termini, wie Inhalt, Sinn oder Referenz, führt zu keinem befriedigenden Ergebnis, da die anderen Termini zumeist ebenso unklar sind wie der Begriff Bedeutung selbst.

Aufgrund dieser Schwierigkeiten ist es um so problematischer erklären zu wollen, wie Kinder Bedeutungen erlernen. Erschwerenderweise kommt hinzu, dass die Daten aus Versuchen zur Sprachentwicklung sehr einseitig sind. So wird z. B. primär der Beginn der Sprachentwicklung und nicht das Fortschreiten des Sprachvermögens untersucht; hauptsächlich wird der Erwerb von Nomen, nicht der von Verben untersucht.[4] Bei McNeel wird deshalb die semantische Entwicklung sehr treffend als „zugleich der umfassendste und am wenigsten verstandene Aspekt des Spracherwerbs“[5] beschrieben.

1.2 Das sprachliche Zeichen

Sprache ist nach Saussure ein Zeichensystem, in dem jedes Zeichen zwei Seiten hat, die untrennbar miteinander verbunden sind: eine Ausdrucksseite und eine Inhaltsseite. So ist bei sprachlichen Zeichen das Lautbild willkürlich, aber untrennbar mit einem gedanklichen Konzept verbunden. Willkürlich heißt, dass beispielsweise die Lautfolge Tisch nichts mit der Bedeutung von Tisch zu tun hat. Untrennbar sind Lautbild und Begriff verbunden, weil beispielsweise ein deutschsprachiger Sprecher Tisch nicht durch Pisch oder Kisch ersetzen kann, aber auch nicht durch Fisch, ohne missverstanden zu werden. Sprachliche Zeichen werden also jeweils als ganzes gelernt.[6]

1.3 Drei grundlegende Modelle zum Spracherwerb

Zum Problemkreis, wie Kinder sprachliche Zeichen erlernen, gibt es drei Grundannahmen: Die behavioristische Annahme, die nativistische Annahme und die Konvergenztheorie.

1. Die behavioristische Annahme stützt sich auf die Versuche von Pawlow und Skinner und geht davon aus, dass Sprache und damit auch die Bedeutung von Wörtern durch Konditionierung erworben wird. Sprache wird in dieser Theorie durch die Verbindung von Stimulus und Response erlernt. Ein Kind lernt also durch Sprachäußerungen, die ständig von außen einwirken, sprechen und durch Verstärkung der eigenen Sprachäußerungen. Diese Annahmen sind insofern fragwürdig, als sie bedeuten, dass das Erlernen des Wortschatzes beim Kind lediglich durch Verstärkung zustandekommen würde. Jedes erlernte Wort müsste also einzeln verstärkt worden sein, was einen erheblichen Zeitaufwand benötigt hätte. Dagegen spricht die relativ kurze Kernzeit, in der Sprache erworben wird.

2. Die nativistische Theorie geht auf Noam Chomsky zurück. Er ist der Meinung, dass jeder Mensch eine angeborene Universalgrammatik besitzt und dass beim Spracherwerb die bereits angeborenen sprachlichen und grammatischen Fähigkeiten entfaltet werden. Für Chomskys Theorie spricht, dass Kinder mit ihrer Umgebung verstehen, bevor sie selber sprechen können. Fenson et al.[7] fanden in einer Studie heraus, dass Kinder mit 11 Monaten etwa 50 Wörter verstehen, während sie nur 3-5 Wörter selbst sprechen können.[8] So zeigt z. B. ein Kind auf die Frage, wo Muttis oder Teddys Nase (Auge, Ohr) ist, auf die richtige Stelle.[9]

Dieses frühe Verständnis, vor dem eigene aktiven Spracherwerb, lässt auf eine semantische Tiefenstruktur und angeborene semantische Erfahrung schließen.

3. Stern entwickelte eine Theorie, die eine Mischung aus den beiden vorherigen Modellen darstellt: die Konvergenztheorie. Sie besagt, dass Sprachentwicklung ein Konvergenzprodukt zwischen fortwährend auf das Kind eindringenden Sprachäußerungen seiner Umgebung und inneren Sprachbedürfnissen und Fähigkeiten ist. Dies scheint nach Oksaar die plausibelste Erklärung zu sein.[10]

2. Erlernen von Bedeutungen

Im Laufe ihrer Entwicklung lernen Kinder nicht nur Wörter, sondern lernen auch, dass Erwachsene „mit bestimmten Lautformen ganz bestimmte Inhalte verbinden“[11], also dass die einzelnen Wörter eine bestimmte Bedeutung haben.

Zunächst sollen einige Untersuchungen zum frühkindlichen Wortschatzumfang und zum Wortschatzzuwachs betrachtet werden, um festzustellen, wann Kinder Begriffe und Bedeutungen überhaupt erlernen. Dann soll festgestellt werden, wie das Erlernen von Begriffen und Bedeutungen vor sich geht.

2.1 Vokabelerwerb beim Kind

Bis zum ersten Lebensjahr sind die sprachlichen Mittel des Kindes auf Schreien, Lallen und den Ausdruck von Silbenkonturen von Wörtern beschränkt[12]. Die Funktion dieser sprachlichen Äußerungen ist es, Bedürfnisse auszudrücken, emotionalen und sozialen Kontakt aufzubauen und Gegenstände zu benennen. Die Zahl der Wörter beschränkt sich auf drei bis fünf und bezeichnet Menschen aus der nächsten Umgebung.[13]

Bis zum zweiten Lebensjahr wächst nach der Untersuchung von Smith (1926)[14] die Zahl der erlernten Wörter auf 272 an. Oksaar weist allerdings darauf hin, „daß die Entwicklung des Wortschatzes heute schneller verläuft“[15].

Der beachtlichste Zuwachs findet zwischen 1,6 und 2 Jahren statt.[16] Man spricht sogar von einer „Vokabelexplosion“[17]. Nach Stern und Stern beruht dieses Vokabelwachstum darauf, dass Kinder ein ´Symbolbewusstsein´ entwickeln und bemerken, dass alle Dinge Namen haben.[18]

Das frühe Vokabular besteht zu einem Großteil aus Nomen und bezeichnet Menschen, Tiere und Gegenstände aus der nächsten Umwelt, wie beispielsweise Eltern, Haustiere, bestimmte Spielzeuge, Nahrungsmittel und Körperteile.[19] Ab dem zweiten Lebensjahr beherrschen Kinder auch die Beschreibung von Zuständen, z. B. heiß, kalt. Auch kenne sie einige Verben, hauptsächlich Aktionswörter, wie springen oder laufen, die nur ein Argument (Subjekt) haben und keine Objektstelle benötigen. Dies könnte daran liegen, dass Wörter wie geben zu schwierig sind: Sie nämlich haben drei Argumente, ICH GEBE JEMANDEM ETWAS (Subjekt, Dativ- Objekt, Akkusativ- Objekt) und setzen darum ein Vorverständnis voraus.

Mit dem zweiten Lebensjahr beginnt bei Kindern auch die Kombination von Wörtern zu einfachen Phrasen. Ebenfalls setzt der bewusste und aktive Bedeutungserwerb von Wörtern ein. Die Kinder beginnen in Kooperation mit Erwachsenen Bedeutungskommunikation zu betreiben, Fragen zu stellen und Kommunikation und Kontakt zur Umwelt bewusst einzusetzen.

[...]


[1] Bünting, Klaus- Dieter. Einführung in die Linguistik. Frankfurt: Athenäum 1971. In: Vater, Heinz: Einführung in die Sprachwissenschaft. 4., vollst. überarbeitete und erweiterte Aufl. München: Wilhelm- Fink, 2002. S.131. Nach der ersten Nennung einer Literaturangabe eines Textes verwende ich im weiteren den unterstrichenen Teil der Literaturangabe als Kurzangabe, unter dem dieser im Literaturverzeichnis zu finden ist.

[2] Bußmann, Hadumod (Hg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3., aktualisierte und erweiterte Aufl. Stuttgart: Kröner, 2002. S.590.

[3] Vgl. hierzu: Vater, Heinz: Einführung in die Sprachwissenschaft. 4.,vollst. überarbeitete und erweiterte Aufl. München: Wilhelm- Fink,2002. S.131.

[4] Vgl.: Szagun, Gisela: Sprachentwicklung beim Kind. 6., vollst. überarbeitete Aufl. Weinheim und Basel: Beltz, 2000. S.99.

[5] Mc Neill, David: Der Spracherwerb.1. Aufl. Düsseldorf: Schwann, 1974. S.152.

[6] Vgl. hierzu: Saussure, Ferdinand de: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft. Berlin: De Gruyter, 1967.

[7] Szagun. S.101.

[8] Vgl.: Lewandowski, Theodor: Spracherwerb und kognitive Entwicklung. In: Gerhard Augst (Hg.): Spracherwerb von 6-16. 1. Aufl. Düsseldorf: Schwann, 1978. S.170.

[9] Vgl. Studie: Oksaar, Els: Spracherwerb im Vorschulalter. Einführung in die Pädolinguistik. 2., erweiterte Aufl. Stuttgart,1987. S.178.

[10] Annahmen: Vgl.: Oksaar. S.145ff. / Szagun. S.99ff.

[11] Oksaar. S.177.

[12] Abschnitt: Vgl.: Lewandowski. S.169ff.

[13] Vgl.: Oksaar. S.187.

[14] Vgl. Untersuchung: ebenda. S.187.

[15] ebenda. S.188.

[16] Vgl.: Mc Carthy.1954. In: Oksaar. S.188.

[17] Szagun. S.101.

[18] Vgl.: ebenda. S.101.

[19] Vgl.: ebenda. S.99.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Das Erlernen von Wortbedeutungen beim Kind
Hochschule
Universität zu Köln  (Pädagogisches Seminar)
Veranstaltung
Psychologie des Zweitspracherwerbs
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V116584
ISBN (eBook)
9783640186747
Dateigröße
448 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar aus der Bewertung: "Eine differenzierte Analyse, deren Ergebnisse Sie sprachlich wohlformuliert darstellen.
Schlagworte
Erlernen, Wortbedeutungen, Kind, Psychologie, Zweitspracherwerbs
Arbeit zitieren
Theuer Eun Soon (Autor:in), 2004, Das Erlernen von Wortbedeutungen beim Kind, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116584

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