Leseprobe
Inhalt
1 Einleitung
2 Der Beitrittskandidat Türkei
2.1 Jüngere Gerschichte
2.1.1 Gründung der Republik
2.1.2 Türkei ab 1945
2.1.3 Zypern
2.2 Die Verfassung
3 Die türkischen Beziehungen zu Europa
3.1 Die Europäische Union
3.2 Beziehungen zwischen Türkei und EU
3.3 Beziehungen zwischen Türkei und Bundesrepublik Deutschland
4 Beitritt zur Europäischen Union
4.1 Erweiterung und Beitrittskriterien
4.2 Fortschrittsbericht 2002
4.2.1 Politische Ebene
4.2.2 Wirtschaftliche Ebene
4.2.3 Übernahme politischer Ziele
4.3 Vorteile und Nutzen der Erweiterung
4.3.1 Wirtschaftliche Situation
4.3.2 Zuwanderung
4.3.3 Menschenrechte
4.3.4 Außen- und Sicherheitspolitik
4.3.5 Energiepolitik
4.3.6 EU-Reform
4.3.7 Radikal-Islamische-Kräfte
4.3.8 EU-Beitritt als Chance politischen Gestaltung
4.3 Probleme und Risiken der Erweiterung
4.3.1 Demokratiedefizit
4.3.2 Kurdenfrage
4.3.3 Wirtschaftliche Situation
4.3.4 Geografische Lage und Bevölkerung
5 Ausblick
Literatur
Anhang
Anhang I. (Überschrift)
1 Einleitung
Die Erweiterung der Europäischen Union und ein baldiger EU-Beitritt der Türkei wurden in der jüngsten Vergangenheit wie kaum ein anderes Thema kontrovers diskutiert. Die Diskussion zog sich quer durch alle Gesellschaftsschichten, die Parteien, die Mitgliedstaaten der EU und die USA.
Deutschland ist der wohl wichtigste Partner der Türkei, dies gilt sowohl für wirtschaftliche Handelsbeziehungen als auch für ihren Weg in die Europäische Union. Daher sollen in dieser Arbeit insbesondere die deutsch-türkischen Beziehungen und die Auswirkungen eines Beitritts im Rahmen der Europäischen Union dargestellt werden. Nach einem knappen historischen Überblick werden die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verbindungen der Republik Türkei mit der Bundesrepublik Deutschland herausgearbeitet.
Als Mitglied der Europäischen Union hat sich Deutschland zur Zusammenarbeit im Hinblick auf eine gemeinsame europäischen Außen- und Sicherheitspolitik verpflichtet. In der Türkei wird von Deutschland, einem der wichtigsten EU- Mitglieder, angesichts der deutsch- türkischen Freundschaft besonderer Einsatz zu Gunsten der seit 1963 angestrebten Mitgliedschaft der Türkei in der EU erwartet. Vor diesem Hintergrund soll der derzeitige Stand der Türkei auf ihrem Weg in die Europäische Union erläutert werden. Abschließend sollen die Argumente in der aktuellen Türkei-Debatte aufgezeigt werden. Diese spiegeln die Chancen und Risiken des EU-Beitritts für Deutschland wieder.
2 Der Beitrittskandidat Türkei
2.1 Jüngere Geschichte
2.1.1 Gründung der Republik
Die Gründung der republikanischen Türkei erfolgte Anfang des 20. Jahrhunderts: Im Kampf um einen souveränen Staat formierte sich in den Zwanziger Jahren unter Mustafa Kemal (1882-1938) eine Nationalbewegung.
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Nach dem Sieg über Griechenland im Unabhängigkeitskampf gründete Mustafa Kemal Atatürk 1923 als erster Staatspräsident die moderne Türkische Republik. In den folgenden Jahren erwirkte Mustafa Kemal, dem 1936 von der Nationalversammlung der Titel Atatürk (Vater der Türken) verliehen wurde, zahlreiche Reformen (Vgl. http://www.auswaertiges-mt.dewww/de/laenderinfos/).
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Die einschneidenden Veränderungen orientierten sich an den Prinzipien der nach Atatürk benannten Ideologie, dem Kemalismus. Neben der Maxime der Gründung eines Nationalstaats zur Einheit der Nation stand vor Allem der Laizismus im Vordergrund; durch die Abschaffung des Islam als Staatsreligion und der Hinwendung zum europäischen Rechtssystem bekräftigte Mustafa Kemal die Trennung von Kirche/Religion und Staat.
Ein weiterer schwerwiegender Einschnitt erfolgte durch die Hinwendung zum Republikanismus: kurz nach der Ausrufung der Republik werden in der Türkei Kalifat und Sultanat abgeschafft, der letzte legitime Nachfolger des Osmans ins Exil geschickt
2.1.2 Türkei ab 1945
Nach dem zweiten Weltkrieg wird die Türkei Gründungsmitglied der Vereinten Nationen. Innenpolitisch leitet die Nachkriegszeit in der Türkei den Übergang zum Mehrparteiensystem ein.
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Im Rahmen der Containment Policy unter dem amerikanischen Präsidenten Truman engagieren sich die USA stark in der Türkei und legen so den Grundstein für eine starke Westbindung des Staates. Intensive Wirtschafts- und Militärhilfen führen zu einer starken parlamentarischen Zustimmung für einen NATO-Beitritt, der 1952 erfolgt.
1950 findet im türkischen Parlament erstmalig ein Regierungswechsel statt: die republikanische Volkspartei Atatürks wurde von der demokratischen Partei unter Adnan Menderes abgelöst.
Die jüngere Geschichte der Türkei ist durch Konflikte zwischen den gewählten Regierungen und dem Einfluss des Militärs gekennzeichnet: Am 27. Mai 1960 erfolgt der erste Staatsstreich des Militärs, der zur Absetzung der Regierung und dem Verbot der Regierungspartei, sowie zur Unabhängigkeit Zyperns führt. 1961 wird eine neue, liberalere Verfassung durch eine Volksabstimmung angenommen.
Aufgrund gewalttätiger Auseinandersetzungen verschiedener politischer Gruppen, denen der mit absoluter Mehrheit regierende Ministerpräsident Demirel nicht gewachsen schien, folgt am 12. März 1971 ein zweiter Staatsstreich des Militärs: Demirel tritt auf Druck des Militärs zurück. Ende der Siebziger Jahre wird das Land von einer Welle des Terrorismus erschüttert. 1980 übernimmt das Militär abermals die Staatsgewalt: General Evren übernimmt die Amtsgewalt und verfolgt ehrgeizige Ziele: durch Strukturreformen sollen politische Stabilität und ökonomischer Erfolg gewährleistet werden. 1982 wird unter der Militärherrschaft des Generals Evren eine neue, als restriktiv zu betrachtende Verfassung durch eine Volksabstimmung verabschiedet; gleichzeitig wird General Evren für sieben Jahre zum Staatspräsidenten gewählt. Die Militärregierung beschließt ein zehnjähriges Politikverbot, welches jedoch durch eine Volksabstimmung 1987 mit knapper Mehrheit aufgehoben wurde; es kommt zu Neuwahlen, aus denen die Partei ANAP (Mutterlandspartei) unter Turgut Özal als Sieger hervorgeht. Nach dem Ablauf der Amtszeit des Staatspräsidenten Evren lässt sich Özal in das Amt wählen. Özal führte zahlreiche Reformen durch mit dem Ziel, sich an die Europäische Gemeinschaft anzunähern.
2.1.3 Zypern
In der jüngeren Geschichte der Türkei hat Zypern immer wieder eine besondere Rolle gespielt. Auf Zypern sind sowohl Inselgriechen, als auch Inseltürken beheimatet. 1959 übernimmt die Türkei durch die Verträge von London und Zürich neben Griechenland und Großbritannien die Garantiemacht für Zypern. Die türkische Minderheit auf Zypern geriet in den Sechziger Jahren zunehmend unter Druck. 1963 kommt es zu schweren Konflikten zwischen Türken und Griechen, da der zypern-griechische Staatspräsident die Verfassung kündigt. Im Jahr 1964 droht schließlich die Türkei mit ihrer Einmischung in die Auseinandersetzungen. Anfang der Siebziger Jahre putscht der griechische Diktator Papadopolos gegen den zypern-griechischen Staatspräsidenten, um dem Ziel einer Wiedervereinigung mit dem Festland näher zu kommen. Im Sommer 1974 besetzen türkische Truppen daraufhin den Norden Zyperns und provozieren auf diese Weise nahezu einen Kriegausbruch. Die Türkei besetzte ca. 40% Zyperns; über 100.000 Griechen flüchteten (Vgl. IpB Nr. 277 2002: 40). 1975 riefen die zypern-türkischen Führer den unabhängigen türkischen föderativen Staat aus. Seither birgt die Zypernfrage Konfliktpotential in sich: insbesondere durch den EU-Beitritt Zyperns wird neuer Verhandlungsbedarf deutlich.
2.2 Verfassung
Die Türkei (offiziell: Türkiye Cumhuriyeti) ist eine parlamentarische Demokratie. Die geltende Verfassung besteht seit 1983, wurde jedoch durch einige Reformen verändert. Der Staatspräsident als Oberhaupt der Republik wird von der großen Nationalversammlung auf sieben Jahre gewählt und hat vier zentrale Kompetenzen:
(1) Recht zur Ernennung von Ministern, Vorsitzender des Ministerrats
(2) Recht zur Auflösung der Nationalversammlung
(3) Vetorecht (formelles und materielles Prüfungsrecht) im Gesetzgebungsverfahren
(4) Er ist Mitglied des Vorsitzes des Nationalen Sicherheitsrates
Die große Nationalversammlung besteht aus 500 Abgeordneten, die für fünf Jahre direkt von der wahlberechtigten Bevölkerung gewählt werden. In Ausnahmefällen kann der Staatspräsident bereits nach weniger als fünf Jahren Neuwahlen anordnen oder eine Amtsverlängerung um ein Jahr beschließen.
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Die Regierung wird durch den Ministerrat gebildet, dessen Mitglieder aus den Abgeordneten vom Ministerpräsidenten ausgewählt und durch den Staatspräsidenten ins Amt erhoben werden. Der Ministerpräsident ist zunächst Mitglied der Nationalversammlung und wird vom Staatspräsidenten eingesetzt.
Im Nationalen Sicherheitsrat, dessen Bestehen seit 1961 in der Verfassung verankert ist, sind sowohl das Militär (Armee, Luftwaffe, Marine, Generalstab) vertreten, als auch zivile Amtsträger wie der Staatspräsident, Ministerpräsident, sowie Innen-, Außen- und Verteidigungsminister (Vgl. http://www.europa-digital.de/laender/tue/staat/). Der Nationale Sicherheitsrat ist als die zentrale Einflusssphäre der militärischen Kräfte anzusehen. Zwar kann der Sicherheitsrat offiziell nur ‚Empfehlungen’ aussprechen, dennoch hat das Militär durch dieses Organ die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, da oft den Empfehlungen entsprochen wird.
Die Türkei ist ein zentralistischer Staat. Ansätze von regionalen Entscheidungsstrukturen sind zwar vorhanden, aber nur rudimentär ausgebildet. Die wichtigen Entscheidungen werden nach wie vor in Ankara getroffen, um Zersplitterung und Instabilität im Lande zu vermeiden (Vgl. IpB Nr. 277: 20).
In der Türkei gibt es 81 Provinzen, in denen ein Gouverneur die Regierung repräsentiert. Die einzelnen Provinzen gliedern sich in verschiedene Bezirke, diese Bezirke sind abermals in Unterbezirke geteilt. Es gibt Stadtgemeinden, die über gewisse Selbstverwaltungskompetenzen und eine Stadtverwaltung verfügen. In kleineren Orten werden Dorfvorsteher gewählt.
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