Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Aufbau der Arbeit
2. Geschichtlicher Hintergrund der Besteuerung von Wertzuwächsen am Beispiel Deutschlands
3. Besteuerung von Wertzuwächsen in der Steuertheorie: Verschiedene Methoden
3.1. Begriffsdefinitionen
3.1.1. Einkommen
3.1.2. Wertzuwachs und Veräußerungsgewinn
3.1.3. Leistungsfähigkeitsprinzip und Äquivalenzprinzip
3.1.4. Lock-in Effekt
3.2. Methoden der Besteuerung in der steuerrechtlichen Literatur
3.2.1. Quellentheorie
3.2.2. Reinvermögenszugangstheorie
3.2.3. Markteinkommenstheorie
3.3. Volkswirtschaftliche Ansätze der Besteuerung von Wertzuwächsen
3.3.1. Einführung
3.3.2. Besteuerungsmethoden in der finanzwissenschaftlichen Theorie
3.3.2.1. Besteuerung auf Grundlage des Gewinns
3.3.2.2. Nachträgliche Versteuerung nach James E. Meade
3.3.2.3. Besteuerung nach der full equivalence method
3.3.2.4. Nachträgliche Versteuerung nach William Vickrey
3.3.2.5. Besteuerung der kontinuierlichen Rückzahlungsrendite
3.3.3. Zwischenfazit
4. Einfluss der Besteuerung von Wertzuwächsen auf die Volkswirtschaft
4.1. Einführung
4.2. Nutzenmaximierung unter verschiedenen Besteuerungssystemen
4.3. Auswirkungen auf die Wohlfahrt
4.4. Zwischenfazit
5. Besteuerung von Wertzuwächsen im internationalen Vergleich
5.1. Deutschland
5.1.1. Allgemeines
5.1.2. Besteuerung von Wertzuwächsen im Privatvermögen
5.1.3. Besteuerung von Wertzuwächsen im Betriebsvermögen
5.1.4. Berücksichtigung von Veräußerungsverlusten
5.2. Großbritannien
5.2.1. Allgemeines
5.2.2. Besteuerung von Veräußerungsgewinnen und Capital Gains
5.2.3. Berücksichtigung von Veräußerungsverlusten und Capital Losses
5.3. Vereinigte Staaten von Amerika
5.3.1. Allgemeines
5.3.2. Besteuerung von Veräußerungsgewinnen und Capital Gains
5.3.3. Berücksichtigung von Veräußerungsverlusten und Capital Losses
5.4. Skandinavien
5.4.1. Allgemeines
5.4.2. Besteuerung von Veräußerungsgewinnen und Capital Gains
5.4.3. Berücksichtigung von Veräußerungsverlusten und Capital Losses
6. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Rechtsquellenverzeichnis
Internetquellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Allgemeine Berechnung von Veräußerungsgewinn und -verlust
Abbildung 2: Allgemeine Berechnung von Veräußerungsgewinn und -verlust im Privatvermögen
Abbildung 3: Allgemeine Berechnung von Veräußerungsgewinn und -verlust im Betriebsvermögen
Abbildung 4: Gewinnbzw. Verlustberechnung bei Veräußerung von privatem Wohneigentum
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Prozentuale Steuerermäßigung im Rahmen des Taper Reliefs
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
Die Thematik der Besteuerung von Wertzuwächsen beschäftigt bereits seit mehr als einhundert Jahren Literatur, Gesetzgebung und Rechtsprechung. Eine eindeutige Vorgehensweise ist umstritten. Es ist nicht verwunderlich, dass die Besteuerung des Wertzuwachses sowohl in voller Höhe der Steuer unterworfen werden kann als auch eine komplette Steuerfreistellung denkbar ist. Eine Mischform, unter Betrachtung der vorgenannten Möglichkeiten, ist ebenso vorstellbar und wird aus Praktikabilitätsgründen von der Mehrzahl der Industriestaaten angewandt.
Die geschichtliche Entwicklung hat gezeigt, dass verschiedene Einkommenstheorien und somit auch unterschiedliche Methoden der Wertzuwachsbesteuerung die Steuereinnahmen des Staates bestimmen. Ziel des Staates ist es, möglichst hohe Steuereinnahmen zu erzielen. Die Methode der Wertzuwachsbesteuerung stellt in diesem Zusammenhang einen wichtigen Bestandteil der Steuererhebung dar, der auch im Rahmen von politischen Debatten immer wieder zum Tragen kommt. Eine völlige Steuerfreiheit ist aus Steuergerechtigkeitsund Steuergleichheitsgründen zu verneinen. Aufgabe der Gesetzgebung ist es somit, eine Besteuerungsmethode zu entwickeln, die sowohl steuerrechtlichen als auch volkswirtschaftlichen Ansprüchen genügt. In steuerrechtlicher Hinsicht ist insbesondere das Leistungsfähigkeitsprinzip als Fundamentalnorm zu beachten. Bei gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ist eine gleich hohe Steuerbelastung der Steuersubjekte festzusetzen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht sind die Besteuerungsformen so zu wählen, dass unerwünschte Folgeerscheinungen vermieden werden. Das Wohlfahrtsniveau soll im Idealfall durch die Auferlegung von Steuern nicht gemindert werden. Hinsichtlich einer Besteuerung von Wertzuwächsen fällt hier insbesondere der Lock-in Effekt ins Gewicht. Dieser kann Individuen dazu veranlassen, eine nicht-optimale Allokationsstrategie zu verfolgen.
Neben der Einbettung der Steuer auf Wertzuwächse in ein Einzelsteuergesetz, wie das Einkommensteuergesetz und das Körperschaftsteuergesetz im deutschen Steuerrecht, ist eine von anderen Steuerarten losgelöste, spezielle Besteuerung möglich. Als mögliche Besteuerungsformen stehen eine Steuer auf den Realisationszeitpunkt (Gewinnsteuer) und eine reine Wertzuwachssteuer zur Auswahl. Hierbei stellt sich die Frage, welche Sachverhalte und welche Wirtschaftsgüter durch eine spezielle Steuer abgedeckt sein sollen. Ist eine ausschließliche Betrachtung der Wertzuwächse des Grund und Bodens zweckmäßig, oder sollten auch Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs sowie Immobilien und Wertpapiere des Betriebsvermögens und Privatvermögens der Steuerpflicht unterliegen?
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, einen Überblick über verschiedene Besteuerungsmethoden zu geben und mit diesen, die Auswirkungen auf die volkswirtschaftliche Wohlfahrt zu überprüfen.
1.2. Aufbau der Arbeit
Kapitel zwei gibt einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Wertzuwachssteuer. An dem Beispiel Deutschland wird verdeutlicht, dass bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts die Einführung einer Steuer auf Wertzuwächse thematisiert wurde. Der Überblick umfasst die steuerliche Behandlung von Wertsteigerungen in dem Zeitraum von 1891 bis zu den derzeitigen rechtlichen Regelungen im deutschen Einkommensteuerund Körperschaftsteuergesetz.
In Kapitel drei wird das Ziel verfolgt, einen Einblick in verschiedene Methoden der Wertzuwachsbesteuerung zu ermöglichen. Um eine korrekte Bearbeitung der Thematik der Methoden der Wertzuwachsbesteuerung zu gewährleisten, werden zu Beginn dieses Kapitel wichtige Begriffe erläutert. Neben dem Einkommen, dem Wertzuwachs sowie dem Veräußerungsgewinn sind auch die Schlagworte Leistungsfähigkeitsprinzip und Äquivalenzprinzip zu definieren. Dieser Abschnitt wird mit einer Ausführung zu dem Lock-in Effekt abgeschlossen. Anschließend wird ein Ü- berblick über Besteuerungsmethoden in der steuerrechtlichen Literatur gegeben. Hauptaugenmerk liegt hier auf den in der Literatur verankerten Einkommenstheorien, da durch die Bestimmung des Einkommens die Art der Besteuerung festgelegt werden kann. Neben der älteren Quellentheorie werden auch die Reinvermögenszugangstheorie sowie die Markteinkommenstheorie betrachtet. Im dritten Abschnitt des Kapitels werden die volkswirtschaftlichen Aspekte der Besteuerung betrachtet. Nachdem zunächst eine Einführung in die Thematik erfolgt und ein kurzer Überblick über verschiedene Methoden gewährt wird, beschäftigt sich der Abschnitt im Weiteren mit einer formalen Überprüfung ausgewählter Besteuerungsmethoden. Neben der klassischen Gewinnbesteuerung werden die Vorschläge einer optimalen Besteuerung von Wertzuwächsen im Rahmen einer retrospektiven Vorgehensweise von James E. Meade und William Vickrey dargestellt. Des Weiteren werden die Grundlagen der full equivalence method und der Vorschlag von Stephen B. Land bzgl. einer optimalen Besteuerungsmethode vorgestellt. Das Kapitel schließt mit einem Zwischenfazit ab.
Kapitel vier behandelt die Auswirkungen einer steuerlichen Belastung von Wertzuwächsen auf die Volkswirtschaft. Nach einer kurzen Einführung erfolgt eine verbale Darstellung eines Gleichgewichtsmodells, in dem die Individuen versuchen, ihren Nutzen zu maximieren. Das Verhalten und die Folgen werden für den Fall der umfassenden Steuerfreiheit sowie für die Besteuerungsformen der Gewinnsteuer und der Wertzuwachssteuer dargelegt. Im Anschluss hieran werden die Folgen einer Steuerbelastung auf die Wohlfahrt aufgezeigt. Hierbei erfolgt eine Überprüfung der Auswirkungen durch die Zusatzbelastung mit einer Steuer sowie das Problem der Steuerüberwälzung und dem bereits in Kapitel drei definierten Lock-in Effekt. Abschließend wird ein Zwischenfazit gezogen.
Einen internationalen Überblick und Vergleich der verschiedenen in der Praxis angewandten Methoden bietet Kapitel fünf. In diesem Kapitel werden die Vorgehensweisen einzelner Staaten hinsichtlich der Besteuerung von Wertzuwächsen dargestellt. Um einen internationalen Vergleich zu gewährleisten, erfolgt eine Darstellung der steuerlichen Vorgehensweisen des deutschen Steuerrechts sowie der steuerlichen Vorschriften Großbritanniens und der USA. Als Staatengruppe wird des Weiteren Skandinavien berücksichtigt, da diese Gruppe beweist, dass eine einfache steuerliche Behandlung der Thematik der Wertzuwachsbesteuerung möglich ist. Nach einem allgemeinen Überblick über das Steuersystem des jeweiligen Staates, erfolgt, soweit möglich und nötig, eine Unterscheidung in Betriebsvermögen und Privatvermögen. Ebenso werden Verlustberücksichtigungsmöglichkeiten in den einzelnen Staaten betrachtet.
In Kapitel sechs erfolgen ein abschließendes Fazit sowie ein Ausblick auf die weitere Entwicklung der Besteuerung von Wertzuwächsen.
2. Geschichtlicher Hintergrund der Besteuerung von Wertzuwächsen am Beispiel Deutschlands
Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Problem der Besteuerung von realisierten und unrealisierten Wertzuwächsen thematisiert. Zunächst bezog sich die Wertzuwachssteuer lediglich auf Wertsteigerungen von Grundstücken. Eine Betrachtung anderer Wirtschaftsgüter, die ebenfalls der Wertsteigerung unterlagen, erfolgte nicht.
Im Rahmen eines historischen Überblicks ist das preußische Einkommensteuergesetz von 1891 als erstes und wahrscheinlich bedeutsamstes Gesetz zu nennen.1 Der Gesetzgeber berücksichtigte in diesem Gesetz die von Bernhard Fuisting entwickelte Quellentheorie, nach der lediglich solche Einnahmen der Besteuerung unterworfen wurden, die einer dauerhaften Quelle entsprangen.2 Dies bedeutet, dass Wertzuwächse, die auf Grund eines außerordentlichen Vorgangs entstanden sind und die zu Grunde liegende Quelle dem Grunde nach nicht regelmäßig zur Erzielung von Einnahmen gehalten wurde, von der Besteuerung freigestellt waren.3 Ende des 19. Jahrhunderts wurde eine spezielle Steuer auf Wertzuwächse entwickelt. Die fortschreitende Industrialisierung, die daraus resultierende Steigerung des Volkseinkommens und das Phänomen der Landflucht, die zu einer enormen Wertsteigerung von Grund und Boden führte, veranlasste den Gesetzgeber, eine spezielle Steuer auf Wertzuwächse zu erheben. Die gewünschte Steuergerechtigkeit und Belastungsgleichheit konnte nicht mehr nur durch die Besteuerung der Einkommensquellen Arbeit und Kapital erreicht werden. Auch die Gewinne aus Grundstücken wurden der Wertzuwachssteuer unterworfen, wenn diese mit Spekulationsabsicht veräußert wurden.4 Mit der Einführung der Reichswertzuwachssteuer vom 14. Februar 19115 wurde die bisher separat in einzelnen Gemeinden und Städten erhobene Wertzuwachssteuer ersetzt. Als Bemessungsgrundlage wurde ausschließlich der realisierte Wertzuwachs eines inländischen Grundstücks berücksichtigt. Der Steuersatz ermäßigte sich je Besitzjahr um 1% innerhalb einer Steuersatzspanne von 10% bis 30%.6 Bereits 1913 wurde das Reichswertzuwachssteuergesetz durch das Gesetz über die Besitzsteuer ersetzt. Hiernach sollten nunmehr auch unrealisierte Wertzuwächse des gesamten Vermögens innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren der Besteuerung mit einem Steuersatz zwischen 0,75% und 1,5% unterliegen. Steuerfreistellungen ergaben sich bei einem Wertzuwachs unter 10.000 Mark und einem Vermögen bis zu 20.000 Mark.7 Eine tatsächliche Durchführung dieses Gesetzes scheiterte jedoch an der praktischen Umsetzung. Das Vermögenszuwachssteuergesetz vom 08. April 1922 lehnte sich wieder an das vor dem ersten Weltkrieg bestehende Reichszuwachssteuergesetz an, kam auf Grund der schwierigen wirtschaftlichen Situation in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts nie zur Anwendung. Das Finanzausgleichgesetz vom 23. Juni 1923 sollte sich der Problematik der Inflation annehmen und das Sachvermögen nicht besser stellen als das Geldvermögen. Auch dieses Gesetz war zum Scheitern verurteilt und in der Praxis nicht anwendbar.8 Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wurde die Wertzuwachssteuer auf Grundstücke durch die Grundsteuer ersetzt.
Neben der speziellen Wertzuwachssteuer, die insbesondere auf Wertsteigerungen des Grund und Bodens zugriff, entwickelte sich die Besteuerung anderer Wertzuwächse innerhalb des jeweilig gültigen Einkommensteuergesetzes. Nach dem Ende des ersten Weltkrieges wurde das Reichseinkommensteuergesetz von 1920 erlassen. Im Gegensatz zu dem von der Quellentheorie beherrschten Preußischen Einkommensteuergesetz von 1891, stand hier die Theorie des Reinvermögenzugangs nach Georg von Schanz im Vordergrund.9 Durch die Anlehnung an die Reinvermögenszugangstheorie wurden grundsätzlich „alle in Geld und Geldeswert bestehenden Einkünfte“10 der Besteuerung unterworfen. Eine Ausnahme bestand lediglich in der Steuerfreiheit der Veräußerungen von Grundstücken und Gegenständen des alltäglichen Gebrauchs außerhalb der so genannten Spekulationsfrist.11 Mangels praktischer Durchführbarkeit des Reichseinkommensgesetzes kam auch dieses nie zur Anwendung. Durch das Reichseinkommensteuergesetz von 1925 wurden die strenge Unterscheidung in eine Besteuerung nach der Quellentheorie oder der Reinvermögenszugangstheorie aufgegeben. Erstmals wurde ein abschließender Katalog von Einkunftsarten entwickelt, die der Steuer unterlagen.12 Hiervon versprach sich der Gesetzgeber die bislang vermisste Praxistauglichkeit der Besteuerung.13 Sowohl der Wertzuwachs aus Grundstücksveräußerungen als auch aus dem Verkauf von sonstigen Wirtschaftsgütern und Aktien innerhalb einer festgelegten Frist unterlagen der Einkommensteuer, die insoweit die Wertzuwachssteuer ersetzte. Das Reichseinkommensteuergesetz von 193414 definierte sieben Einkunftsarten, die bis zur aktuellen Einkommensteuergesetzgebung Bestand haben. Grundsätzlich sind sämtliche Einkünfte nicht steuerbar, die nicht unter eine der sieben Einkunftsarten fallen. Der Dualismus der Einkünfte, der bereits im Reichseinkommensteuergesetz von 1925 auftrat, wurde auch durch das Gesetz aus 1934 aufgegriffen. Wertzuwächse wurden unterschiedlich besteuert. Innerhalb des Betriebsvermögens unterlagen die Wertsteigerungen grundsätzlich den Besteuerungsvorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG). Veräußerungsvorgänge im Privatvermögen wurden nur besteuert, wenn der Verkauf innerhalb der Spekulationsfrist durchgeführt wurde.15 Im Rahmen der Weiterentwicklung zum derzeitig geltenden Recht erfolgte keine Abweichung vom Dualismus der Einkünfte. Lediglich die Fristen hinsichtlich der Steuerpflicht der privaten Veräußerungsvorgänge änderten sich innerhalb der unterschiedlichen Fassungen des Einkommensteuergesetzes. Bis zum heutigen Tage wird keine spezielle Wertzuwachssteuer erhoben.16 Die Wertsteigerungen im Betriebsvermögen unterliegen der allgemeinen Besteuerung der gewerblichen Gewinne gemäß § 16 EStG und § 8 Körperschaftsteuergesetz (KStG). Wertzuwächse auf privater Ebene sind grundsätzlich steuerfrei. Jedoch unterliegen diese auch der Besteuerung, wenn sie innerhalb einer bestimmten Haltefrist beziehungsweise (bzw.) auf Grundlage gesetzlich festgelegter Beteiligungsquoten veräußert werden. Im deutschen Einkommensteuerrecht unterliegen diese Veräußerungsvorgänge gemäß (gem.) § 17 EStG oder § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG der Besteuerung.
3. Besteuerung von Wertzuwächsen in der Steuertheorie: Verschiedene Methoden
3.1. Begriffsdefinitionen
3.1.1. Einkommen
In den meisten Ländern wird auf das Einkommen als Grundlage zur Bemessung der Steuerschuld abgestellt. Es wird davon ausgegangen, dass das Einkommen den genauesten und wichtigsten Parameter hinsichtlich der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Steuersubjekte darstellt. Die im Rahmen der Besteuerung zu betrachtende wirtschaftliche Lage der Steuersubjekte wird durch das Einkommen verdeutlicht. Bei gleichem Einkommen ist davon auszugehen, dass sich die Steuersubjekte in der gleichen wirtschaftlichen Lage befinden. Es kann somit der gleiche Nutzen aus den zur Verfügung stehenden Mitteln gezogen werden.17 Die in dieser Arbeit zu behandelnden Wertzuwächse sind als Teil des steuerlichen Einkommens zu berücksichtigen.18 Problematisch wird die Erfassung in dem Zeitpunkt, in dem das Einkommen der Inflation unterliegt. Der Steuertarif besteuert nicht das Realeinkommen, sondern das Nominaleinkommen, so dass bei einer Inflation eine korrekte Erfassung des Einkommens nicht gewährleistet ist. Es gilt zwei Probleme zu überwinden. Zum einen liegt eine so genannte kalte Progression vor. Bei Inflation steigt die reale Steuerbelastung, da die Steuersubjekte nach Steuern über ein geringeres Realeinkommen verfügen, die Leistungsfähigkeit jedoch unverändert bleibt.19 Zum anderen erfolgt die Besteuerung in Bezug auf den Nominalzins, so dass die Steuer direkt in die reale Vermögenssubstanz eingreift.20 Im deutschen Einkommensteuerrecht gibt es keine einheitliche Definition des Einkommensbegriffes.21 Im Rahmen der Besteuerung des Einkommens wird von unterschiedlichen Einkommensgrößen ausgegangen, so dass eine faktische Ungleichbehandlung von erwirtschaftetem Einkommen entsteht. Einen weitergehenden Einblick in die verschiedenen Einkommensdefinitionen bieten die verschiedenen Ansätze der Einkommenstheorien, die im weiteren Verlauf dieses Kapitels erläutert werden.
3.1.2. Wertzuwachs und Veräußerungsgewinn
In einem Großteil der Literatur werden die Begrifflichkeiten Wertzuwachs und Veräußerungsgewinn synonym verwendet. In der finanzwissenschaftlichen Tradition wurde die Wertzuwachssteuer hauptsächlich auf den Zuwachs des Bodenwertes bezogen.22 Der hier verwendete Begriff des objektbezogenen Wertzuwachses umfasst sowohl Wertsteigerungen des Grund und Bodens als auch Wertsteigerungen anderer Wirtschaftsgüter, wie Wertpapiere, Aktien oder andere Gebrauchsgüter. In der internationalen Besteuerung von Wertzuwächsen wird von Capital Gains gesprochen.23 Der Zuwachs innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts ist eine dynamische Änderung des Wertes des betrachteten Wirtschaftsgutes.24 Dies entspricht der „Summe der positiven substantiellen und wertmäßigen Änderung“25 der Wirtschaftsgüter. Durch den Wertzuwachs eines Wirtschaftsgutes wird die erhöhte Wertschätzung des Umfeldes für ein Wirtschaftsgut dargestellt, welches jedoch weiterhin eine unveränderte Substanz besitzt.26 In volkswirtschaftlicher Hinsicht ergeben sich Wertänderungen, die sowohl Wertzuwächse als auch Wertminderungen umfassen, auf Grund sich wandelnder Knappheitsgrade und der daraus folgenden Preisänderungen der knappen Güter.27 Nach Dietmar Wellisch stellt der Wertzuwachs eine Wertsteigerung der Aktiva dar, die bei einer Veräußerung ohne weiteres messbar ist.28 Liegt dem Zuwachs kein Veräußerungsvorgang zu Grunde, stellt sich das Problem der Messung, wenn es sich nicht um am Markt gehandelte Wirtschaftsgüter, wie zum Beispiel (z.B.) Aktien oder Wertpapiere, handelt. Hinsichtlich der Besteuerung von Wertänderungen ist zwischen realisierten und latenten Änderungen zu unterscheiden. Wertsteigerungen und Wertminderungen innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts, ohne getätigte Veräußerung, stellen latente Wertänderungen dar. Erst im Zeitpunkt der Veräußerung der Wirtschaftsgüter wird die Wertsteigerung bzw. Wertminderung realisiert,29 so dass sie der Besteuerung unterworfen werden kann. Veräußerungsgewinne und Veräußerungsverluste entstehen auf Grund unterschiedlicher Veräußerungsvorgänge, die nicht im Rahmen der ordentlichen Geschäftstätigkeit des Unternehmers bzw. der alltäglichen Tätigkeit der nichtselbstständigen Person entstehen. Eine Änderung der Beschaffenheit oder eine Modifikation des Gehalts des Wirtschaftsgutes selbst, zählt beim Veräußerungsvorgang nicht zur steuerlichen Bemessungsgrundlage.30 Im Rahmen dieser Begriffsdefinitionen wird ausschließlich auf den Begriff der Veräußerungsgewinne eingegangen, der auch im weiteren Verlauf der Ausführungen als Synonym für realisierte Wertzuwächse verwendet wird. Veräußerungsgewinne sind in der Regel das Ergebnis einer periodenübergreifenden Tätigkeit,31 so dass sich stille Reserven im Wirtschaftsgut bilden können. Im Zeitpunkt der Realisierung unterliegen die stillen Reserven dann der Besteuerung.32 Der Veräußerungsgewinn bzw. Veräußerungsverlust berechnet sich nach Glass (2004) in der Regel wie folgt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Allgemeine Berechnung von Veräußerungsgewinn und -verlust Quelle: Glass (2004), S.3.
Der Veräußerungspreis umfasst alle Vermögenserwerbe, die, im Zusammenhang mit (i.Z.m.) dem Erwerb, durch den Erwerber an den Veräußerer getätigt werden. Hierzu zählen unter anderem (u.a.) auch durch den Erwerber übernommene Schuldtilgungen. Von dem vorgenannten Verkaufspreis bzw. Veräußerungserlös sind die Veräu- ßerungskosten abzugsfähig. Als Veräußerungskosten sind alle Aufwendungen, die der Veräußerer in unmittelbarem Zusammenhang mit der Veräußerung des Gutes tätigen muss, zu berücksichtigen. Neben diesen Kosten ist gegebenenfalls (ggfs.) ein Vergleichswert vom Veräußerungspreis abzuziehen, um den Veräußerungsgewinn zu berechnen. Der Vergleichswert kann unterschiedliche Formen annehmen. Zum einen kann der Vergleichswert die Anschaffungskosten des Gutes oder zum anderen den Saldo aller Buchwerte der Wirtschaftsgüter darstellen.33 Den Regelfall eines Veräußerungsvorganges stellt der Verkauf dar. Hier kann der im Kaufvertrag vereinbarte Wert der Gegenleistung problemlos zur Berechnung des Veräußerungsgewinns herangezogen werden. Der Tausch ist ein zweifacher Veräußerungsvorgang, der durch den Empfang des getauschten Wirtschaftsgutes realisiert wird. Darüber hinaus kann es zu einer unfreiwilligen Realisierung von Wertzuwächsen kommen, wenn der Staat dem Eigentümer das Wirtschaftsgut enteignet und als Gegenleistung einen bestimmten Geldbetrag zahlt.34
3.1.3. Leistungsfähigkeitsprinzip und Äquivalenzprinzip
Das Leistungsfähigkeitsprinzip oder „ability-to-pay priciple“35 ist i.Z.m. einer gerechten Besteuerung als wichtigster Indikator einer gleichmäßigen steuerlichen Belastung zu nennen. In Deutschland stellt die Leistungsfähigkeit das „tragende Prinzip der Einkommensteuer“36 dar. Die individuelle Leistungsfähigkeit ist in Deutschland ausschlaggebend für die Höhe der steuerlichen Belastung und stellt somit die allumfassende steuerliche Bemessungsgrundlage dar. Die Grundsätze der horizontalen und vertikalen steuerlichen Gerechtigkeit werden durch das Leistungsfähigkeitsprinzip gesichert. Unter Beachtung der horizontalen Gerechtigkeit werden die Steuersubjekte identisch behandelt, wenn sie sich in der gleichen wirtschaftlichen Situation befinden. Das heißt (d.h.), es hat eine Überprüfung des einzelnen Nutzens der Personen zu erfolgen, um eine eindeutige Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Dieses ist jedoch nicht möglich, da der Nutzen der Steuersubjekte weder messbar noch beobachtbar ist. Der Grundsatz der vertikalen Gerechtigkeit ermöglicht es, dass Steuersubjekte, die sich in unterschiedlichen wirtschaftlichen Situationen befinden, ungleich behandelt werden.37 Der Steuertarif impliziert eine gerechte Besteuerung. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit von Steuersubjekten gibt es unterschiedliche Anknüpfungspunkte. Neben dem bereits genannten Kriterium des Einkommens, ist eine Besteuerung sowohl auf Grundlage des Konsums als auch des Vermögens denkbar.38 Eine Besteuerung des Vermögens wurde z.B. in Deutschland bis 1996 im Rahmen der Vermö- gensteuer durchgeführt, bei der das Privatvermögen und Betriebsvermögen der Steuersubjekte einer gesonderten Steuer unterlag. Die Besteuerung des Konsums, als Grundlage für die Messung der Leistungsfähigkeit, betrachtet die Verwendung des Einkommens. Im Gegensatz dazu steht die Besteuerung des zufließenden Einkommens als Bemessungsgrundlage der Steuer. Joachim Lang entwickelte die Unterscheidung in das objektive und subjektive Nettoprinzip.39 Das objektive Nettoprinzip ermöglicht den Abzug der Erwerbsausgaben von den Erwerbseinnahmen, wohingegen das subjektive Nettoprinzip darüber hinaus den unvermeidbaren Privatkonsum berücksichtigt und somit die besonderen Lebensumstände der einzelnen Steuersubjekte betrachtet,40 um hierdurch die tatsächliche Leistungsfähigkeit auszudrücken.41
Das Äquivalenzprinzip ist, neben dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfä- higkeit, als eine weitere wichtige Norm in der volkswirtschaftlichen Finanztheorie zu beachten. Dieser Grundsatz, der auch unter den Begriffen „benefit pricing“ und „Nutzenprinzip“ bekannt ist, soll eine gerechte Besteuerung sichern.42 Im Gegensatz zum Leistungsfähigkeitsprinzip bemisst sich die zu zahlende Steuer nicht nach dem Einkommen der Steuersubjekte, sondern nach dem Nutzen, den diese aus den, von ihnen in Anspruch genommenen, staatlichen Programmen ziehen. Unter diese Programme fallen u.a. die Pflege, Erhaltung und der Ausbau des öffentlichen Straßennetzes und frei zugänglicher Parkanlagen.43 Im Grundsatz sollen die persönlichen Zahlungsverpflichtungen der einzelnen Steuerzahler den empfangenen Leistungen des Staates entsprechen.44 Das Entgelt für die Nutzensteigerung wird in der Praxis im Rahmen einer Gebühr erhoben.45 Hierdurch wird es dem Staat ermöglicht, meteorische Güter zu subventionieren und zweckgebundene Steuern und Beiträge im öffentlichen Sektor zu verwenden.46
3.1.4. Lock-in Effekt
Durch die Auferlegung von Steuern ist das Auftreten unerwünschter Nebeneffekte möglich, die eine volkswirtschaftlich nachteilige Situation herbeiführen. Einer der wichtigsten Effekte ist der Lock-in Effekt. Dieser tritt zumeist bei einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuerpflicht von realisierten Wertsteigerungen und einer Steuerfreiheit von unrealisierten Wertzuwächsen auf.47 Er führt dazu, dass ein, in volkswirtschaftlicher Hinsicht positiver, Veräußerungsvorgang nicht vorgenommen wird, da das Steuersubjekt diesen für ihn persönlich als negativ ansieht.48 Die Steuersubjekte versuchen, Gewinne soweit wie möglich auf spätere Besteuerungsperioden zu verschieben.49 Durch den Aufschub der Steuerzahlung auf einen möglicherweise durch Veräußerung erzielbaren Gewinn verfolgen die veräußerungswilligen Eigentümer das Ziel, ihre Steuerlast zu minimieren.50 Im Gegensatz dazu werden Verluste sofort realisiert, da diese eine Verringerung der Steuerlast implizieren. Dieses Vorgehen vermindert die steuerlichen Einnahmen des Staates erheblich. Die effiziente Funktionsweise des Kapitalmarktes wird verzerrt, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Investitionen dort getätigt werden, wo der erzielbare Ertrag am höchsten ist.51 Ziel einer optimalen Besteuerungsmethode besteht darin, den Anreiz, entstandene stille Reserven im Wirtschaftsgut zu verschließen, zu eliminieren.
3.2. Methoden der Besteuerung in der steuerrechtlichen Literatur
Wie in dem vorhergehenden Abschnitt erläutert, erfolgt die Besteuerung der Steuersubjekte im Rahmen des Leistungsfähigkeitsprinzips. Jedoch ist hier eine Unterscheidung bzgl. der steuerlichen Bemessungsgrundlage möglich. Der Besteuerung kann sowohl das erwirtschaftete Einkommen, die Ausgaben für den Konsum als auch das Vermögen der Steuersubjekte unterliegen. Hinsichtlich der messbaren Leistungsfähigkeit hat sich als Bemessungsgrundlage das erwirtschaftete Einkommen bewährt. Wie das Einkommen jedoch zu berechnen ist und welche Aspekte es umfasst, ist in der Literatur umstritten. Die folgenden Ausführungen geben einen Überblick über die verschiedenen Theorien zur Besteuerung des Einkommens.
[...]
1 Vgl. Dechant (2006), S. 26.
2 Vgl. Fuisting (1902), S. 109. Eine genaue Erläuterung der Quellentheorie erfolgt in Abschnitt 3.2.1. dieser Arbeit.
3 Vgl. Fasselt (1949), S. 25 ff..
4 Vgl. Peters (1971), S. 5.
5 Peters (1971), S. 12.
6 Vgl. Vögele (1987), S. 163.
7 Siehe Vögele (1987), S. 173.
8 Vgl. Vögele (1987), S. 175.
9 Siehe Reinhardt (2005), S. 31 ff.; Dechant (2006), S. 29 ff.. Hinsichtlich weiterer Ausführungen zur Reinvermögenszugangstheorie verweise ich auf Abschnitt 3.2.2.
10 Dechant (2006), S. 29.
11 Siehe Reinhardt (2005), S. 32.
12 Vgl. Dechant (2006), S. 35.
13 Vgl. Reinhardt (2005), S. 33.
14 Weitere Ausführungen zum Reichseinkommensteuergesetz 1934, siehe Dechant (2006), S. 40.
15 Siehe Reinhardt (2005), S. 36; Dechant (2006), S. 40 ff..
16 Vgl. Nowotny (1999), S. 391.
17 Vgl. Wellisch (2000), S. 42.
18 Vgl. Ebnet (1978), S. 23.
19 Vgl. Wellisch (2000), S. 66, weitere Ausführungen zur kalten Progression in Bezug auf die Steuerquote siehe Nowotny (1999), S. 262.
20 Vgl. Wellisch (2000), S. 67.
21 Vgl. Dechant (2006), S. 150 f..
22 Vgl. Ebnet (1978), S. 20 f..
23 Vgl. Ebnet (1978), S. 21.
24 Vgl. Lahl / Westerheide (2003), S. 2.
25 Vögele (1987), S. 2.
26 Vgl. Fasselt (1949), S. 1.
27 Vgl. Vögele (1987), S. 3.
28 Vgl. Wellisch (2000), S. 68.
29 Vgl. Vögele (1987), S. 4.
30 Vgl. Schweser (2002), S. 7.
31 Vgl. Schweser (2002), S. 19 f..
32 Vgl. Schweser (2002), S. 7.
33 Vgl. Glass (2004), S. 3.
34 Vgl. Vögele (1987), S. 53 ff..
35 Nowotny (1999), S. 249.
36 Wellisch (2000), S.45.
37 Vgl. Wellisch (2000), S. 41 ff..
38 Vgl. Glass ( 2004), S. 10.
39 Vgl. Lang (1987), S. 22.
40 Vgl. Glass (2004), S. 10; Lang (1987), S. 22.
41 Vgl. Samuelson (1998), S. 363 f..
42 Siehe Wellisch (2000), S. 38 f..
43 Vgl. Samuelson (1998), S. 363 f..
44 Vgl. Wellisch (2000), S. 39.
45 Vgl. Samuelson (1998), S. 363 f.; Nowotny (1999), S. 248.
46 Siehe hierzu Nowotny (1999), S. 248.
47 Vgl. Vögele (1987), S. 14 f..
48 Vgl. Rupff (2000), S. 135.
49 Vgl. Rosen (1995), S. 367; Wellisch (2000), S. 68..
50 Vgl. Nowotny (1999), S. 391.
51 Vgl. Wellisch (2000), S. 68.