Kita-Sozialraumarbeit als Element von Empowerment. Am Beispiel der Stadt Bad Kreuznach


Hausarbeit (Hauptseminar), 2022

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung (verfasst durch H.G.)

2. Sozialraumorientierung (verfasst durch P.W.)
2.1 Lebensweltorientierung – eine Hinführung zum Sozialraum
2.2 Sozialraumorientierung
2.3 Empowerment

3. Konzeptrahmen (Verfasst durch H.G.)
3.1 Ziele zur Verwendung des Sozialraumbudget in Bad Kreuznach
3.2 Individuelle Kita-Sozialarbeit in Bad Kreuznach
3.3 Zielgruppe des Angebots
3.4 Sozialraumdefinition Pariser Viertel als Bezugspunkt

4. Methodenwahl (Verfasst durch J.B.)
4.1 Die Nadelmethode
4.2 Praktische Umsetzung
4.3 Weiterführende Methoden

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Anhang

1. Einleitung (verfasst durch H.G.)

Soziale Arbeit folgt den Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, achtet und berücksichtigt Menschenrechte und die gemeinsame Verantwortung der Vielfalt (vgl. dbsh 2022). Darüber hinaus „befähigt und ermutigt [sie] Menschen so, dass sie die Herausforderungen des Lebens bewältigen und das Wohlergehen verbessern“ (ebd.).

Methodische folgt Soziale Arbeit dahingehend zunehmend Ansätze des Empowerments, der Lebenswelt- und der Sozialraumorientierung. Sie bieten bspw. „Gelegenheit, [für] Räume und Beziehungen, um Bewältigungsmuster in Lern- und Bildungsprozesse eines gelingenden Alltags zu arrangieren“ (Thiersch 2015: 200f). Ein Handlungsstrang ist dabei Partizipation, da auf Grundlage der Beteiligung, Bedarfe von Adressat*innen erst sichtbar werden und für Soziale Arbeit ersichtlich, welcher Ressourcen diese sich dabei bedienen. So soll eine Konzeptskizze als Element des Empowerments für Familien im Kontext der Kita-Sozialraumarbeit entworfen werden. Zielführend ist die Stärkung des Selbsthilfepotentials, und der Autonomie im Sozialraum zur „(Wieder-) Herstellung von Selbstbestimmung über die Umstände des eigenen Alltags“ (Herriger 2015:74). Darüber hinaus steht das Leitbild des sozialen Ausgleichs und der Chancengleichheit im Vordergrund (vgl. Reifenhäuser 2021:23). Kita-Sozialraumarbeit folgt dazu methodisch der Sozialraumorientierung, um Ansatzpunkte ihrer Arbeit zu ergründen und Angebote abzustimmen. Sie ist im Zuge der Novellierung des Kindertagesstätten-Gesetzes ein neues Element im Bereich der Kindertagesstätten (Kita) und soll als Bindeglied zwischen der Lebenswelt Kita, den Bedarfen und Ressourcen der Kinder und Familien und denen im Sozialraumbezug agieren (vgl. ebd:6). Zur Stärkung von Selbstbestimmungsprozessen sollen Unterstützungsangebote und Vernetzungsangebote sichtbar für Adressat*innen werden. Auch hierzu lassen sich verschiedene methodische Ansätze finden. Im Zuge der vorliegenden Konzeptskizze soll die Nadelmethode fokussiert und die Vorteile dieser sowohl für die Adressat*innen als auch der Kita-Sozialarbeiter*innen herausgestellt werden.

Zunächst werden dazu theoretische Bezüge der Lebenswelt- und Sozialraumorientierung dargestellt und der Kontext zum Empowerment-Ansatz konstatiert. Im weiteren Schritt folgt eine ausführliche Beschreibung des Projektrahmens. Dabei wird die Kita-Sozialraumarbeit in ihrer Funktion vorgestellt und Bezug auf die Umsetzung der Stadt Bad Kreuznach genommen. Die Zielgruppe des Angebots und der Sozialraum Pariser Viertel als Bezugspunkt, werden für den Leser/ die Leserin hervorgehoben. Kernpunkt der praktischen Umsetzung bildet die Nadelmethode und ihre Absichten. In welcher Weise die Adressat*innen profitieren können, wird im letzten Kapitel dargestellt. Möglichkeit(en) weiterführender Methoden sollen ein Ausblick auf folgende Projekte oder Angebote geben.

2. Sozialraumorientierung (verfasst durch P.W.)

Im Folgenden werden verschiedene Definitionen der Sozialraumorientierung gegenüberge-stellt. Um ein differenziertes Bild der Theorie zu skizzieren, wird im Vorfeld der lebensweltori-entierte Ansatz nach Hans Thiersch, als hinführende Methode erläutert. Im Anschluss wird der Empowermentansatz dargestellt.

2.1 Lebensweltorientierung – eine Hinführung zum Sozialraum

Das Konzept der Lebensweltorientierung hat grundlegenden Einfluss auf die Sozialraumorien-tierung. So schreiben Grunwald und Thiersch, dass „das Konzept Lebensweltorientierung in der Dimension des erfahrenen Raumes und das Prinzip der Regionalisierung in der Spannung von erfahrenem Lebensraum und Verwaltungsraum werden in Konzepten der Sozialraumorientierung konkretisiert und weiterführend akzentuiert“ (Grunwald, Thiersch 2015: 941).

Das Konzept der Lebensweltorientierung konstatiert, dass sich Menschen in ihrer eigenen subjektiven Lebenswelt vorfinden, die von Vorerfahrungen, Interpretationen und Handlungs-mustern geprägt sind. Dabei interagieren sie in der eigenen Dimension, die sich in Raum, Zeit, sozialem Miteinander, Bindungen und der eigenen kulturellen und traditionellen Identität widerspiegelt. Die Bewältigungsaufgaben, die sich hieraus ergeben, werden in Lebensfeldern präsent. Dabei stellen Lebenswelt und Bewältigungshandeln eine ambivalente Perspektive dar. Hier entstehen Spannungsfelder aus Macht versus Unterdrückung oder Hoffnung versus Leid, die in Angesicht des Alltags der Adressat*innen bewältigt werden müssen. So schafft Lebensweltorientierung „Gelegenheit, Räume und Beziehungen, um Bewältigungsmuster in Lern- und Bildungsprozesse in der Perspektive eines gelingenden Alltags zu arrangieren“ (Thiersch 2015: 200f).

Dabei orientiert sich die Theorie an fünf Handlungs- und Strukturmaximen. Diese Prinzipien machen den Ansatz konkret und etabliert sie in verschiedenen Arbeitsfeldern und in der Aus-gestaltung sozialräumlicher Infrastruktur, die eine soziale und tragfähige Komponente auf-weist (vgl. Thiersch 2015: 201). So beschreiben die Maxime die „präventive Orientierung der Jugendhilfe“, die „Dezentralisierung und Regionalisierung der Leistungsangebote“, die „All-tagsorientierung in den institutionellen Settings und Methoden“, die „Orientierung an der Integration der Klienten als Handlungsmaxime“ und die „Gewährleistung von Partizipation/Teilhabe der Klienten am Hilfeprozess“ (vgl. Galuske 2013: 148).

Die Theorie der Lebensweltorientierung basiert in weiten Teilen auf der Theorie der Alltagsorientierung. Hier nimmt Soziale Arbeit den Alltag der Klientel in den Fokus, als Ort wo Probleme entstehen und wo die Adressat*innen bereits Strategien entwickelt haben, um defizitäre Lebensumstände zu bewältigen. So bezieht sich auch Lebensweltorientierung auf das Überwinden von Problemlagen, die sich aus gesellschaftlichen Situationen ergeben und die im Alltag der Menschen stattfinden. Soziale Arbeit hat hier den Auftrag einen kritischen Bezug auf den Alltag der Adressat*innen zu nehmen, indem sie Täuschungen aufdeckt und Scheitern ver-hindert. Dabei lautet das oberste Gebot, dass der Klient kompetent ist seinen Alltag aktiv selbst zu gestalten. Interventionen zielen auf das Unterstützen bei der Konstruktion eines positiven Alltags ab (vgl. Galuske 2013: 146f).

Besondere Bedeutung gewinnt die Lebensweltorientierung für die Sozialraumorientierung durch die Wahrnehmung und Einordnung des Raumes. Lebensweltorientierung nimmt den Raum nicht als starren Container wahr. „Sozialraum, wie er hier verstanden wird, meint die räumlichen Bezüge und ihre sozialen Ausprägungen, die die Lebenswelt erst entstehen lassen und verändern“ (Weidmann 2019: 13).

2.2 Sozialraumorientierung

In den vergangenen Jahren wendet sich Soziale Arbeit zunehmend dem Begriff des Sozialen Raums zu. Dabei kann sich Sozialraumorientierung in seiner Konjunktur auf eine lange Tradition besinnen. Bereits zwischen 1960 und 1970 etablierte sich die Überzeugung, dass soziale Probleme nicht allein durch die Orientierung am Einzelfall zu lösen sind. Vielmehr müssen belastete Lebensverhältnisse im gesellschaftlichen und sozialen Kontext gesehen werden. Diese Ansichtsweise schlug sich nicht allein in der Gemeinwesensarbeit nieder. Auch Ansätze wie Stadtteilarbeit und Quartiersmanagement basieren auf dieser Haltung (vgl. Schoneville 2015: 310f).

In der Historie der Sozialraumorientierung kristallisierten sich zwei Begriffe des Sozialraums. Vom absoluten Raum grenzt sich der relationale Raum ab, der aktuell Bedeutung für Sozial-wissenschaften und Soziale Arbeit innehat. So lässt sich der absolute Raum „als eine mess-bare, abgegrenzte Einheit“ definieren (Weidmann 2019: 8). Er bildet die Grundlage der kommunalen Planung. Durch ihn lassen sich Grenzen in der Stadtplanung oder bei Zuständigkeiten stecken. Der relationale Raum dagegen beschreibt den Raum als Produkt gesellschaftlichen Wandels. Durch den zunehmenden Einfluss der Menschen hat sich der Raum verändert und wurde durch ihn aktiv gestaltet. Hierzu entwickelt Lefèbvre eine Raumkonzeption, die drei Bestandteile aufweist. Diese unterscheiden sich in der räumlichen Praxis, die sich durch die Produktion und Reproduktion der Wahrnehmung auszeichnet. Zudem lässt sich die Ausgestaltung des Raumes durch kognitive Prozesse, wie sie etwa Architekt*innen leisten, unter dem Begriff der Repräsentation des Raumes fassen. Der Raum der Repräsentationen be-schreibt die räumliche Komponente der vielfältigen Symbolik (vgl. Weidmann 2019: 9). So begreifen auch Kessl und Reutlinger den Raum nicht allein aus territorialer Sicht. Sie räumen ein, dass diese Sichtweise zwar ihre Berechtigung hat, aber verstehen Räume auch immer wieder als Spiegel gesellschaftlicher und sozialer Zusammenhänge. Sie konstatieren, dass aus einer relationalen Perspektive alle Räume soziale Räume darstellen, da Räumlichkeit ausschließlich in sozialen und gesellschaftlichen Konstellationen erlebt wird (vgl. Kessl, Reutlinger 2022: 10f).

So kontrovers wie der soziale Raum beschrieben und bewertet wird, wird auch die Definition der Sozialraumorientierung und der damit verbundenen Sozialen Arbeit diskutiert. Galuske bezieht sich in seiner Definition auf Hinte und Kreft. Er schreibt, dass sie in ihrem Definitions-versuch Bezug auf den absoluten Raum nehmen, wie es in Diskussionen aus Sicht er Kinder- und Jugendhilfe oft der Fall ist. Hiernach nimmt Sozialraumorientierung nicht das Individuum mit seinen Handlungen, Gewohnheiten und Kommunikationsfähigkeiten in den Fokus, sondern die Lebensbedingungen der Bevölkerung aus einem bestimmten Wohnraum, mit der Absicht diese durch Aktivierung und Beteiligung der darin lebenden Menschen zu verbessern. Die Jugendarbeit nimmt dagegen einen relationalen Standpunkt ein und will Bezug auf die subjektive Lebenswelt nehmen (vgl. Galuske 2013: 301).

Das Fachkonzept der Sozialraumorientierung beinhaltet in seinem Handlungsansatz die Unterstützung der Menschen durch flexible und integrierte Methoden. Von einem sozialpädagogischen Stand aus, ist das sozialräumliche Umfeld Gegenstand der Handlungsschritte. So dienen „nahräumliche Beziehungsstrukturen, angrenzende Hilfsangebote – in professioneller wie bürgerlicher Form – und sozioökonomische wie kulturelle Rahmenbedingungen“ als Grundlage für sozialpädagogisches Handeln (Kessl, Reutlinger 2015: 1617). Dabei betrachtet Sozialraumorientierung nicht allein den Einzelfall und wie die zuvor genannten Ressourcen integriert werden können. Der Ansatz etabliert eine Zielsetzung, die auf die Aktivierung der aufgezählten nahräumlichen Ressourcen wirkt (vgl. ebd.). Soziale Arbeit hat somit im Kontext der Sozialraumorientierung ein Doppelfunktion inne. Zum einen hat Soziale Arbeit den Auftrag Menschen in ihrem sozialen Raum zu fördern und zu unterstützen und diesen somit mitzugestalten. Zum anderen dient der soziale Raum auch in der Einzelfallhilfe, indem Ressourcen der nahen Umgebung genutzt werden und eine systematische Struktur der Hilfen aufgebaut wird. Eine besondere Herausforderung liegt hier im Folgen der lebensweltlichen Bedürfnisse der Adressat*innen. Dies bedeutet, dass von bestehenden Strukturen und Abläufen abgerückt werden muss, die Einrichtungen, Organisationen und Ämter verlangen. Hier schließt auch Hinte seine Kritik an, indem er argumentiert, dass Soziale Arbeit durch die Fokussierung auf bestimmte Wohnräume und seine Bewohner*innen zur Stigmatisierung beiträgt (vgl. Weid-mann 2019: 33).

Aber auch die Perspektive und Beschreibungen von Hinte bleiben nicht kritiklos. Zwar nimmt er kritischen Bezug auf die Verstärkung von Stigmata, spricht aber selbst von `sozial benachteiligt` bzw. `rückständig` oder `mit besonderem Entwicklungsbedarf´. Zudem verlangt er im Atemzug von Hilfe zur Selbsthilfe die Mitwirkpflicht der Bürger*innen im Rahmen des Quartiersmanagements. Dies setzt er nicht zum Ziel, sondern als Voraussetzung für den Erfolg. Geht man von dem Konzept Sozialraumorientierung aus, sollte die Bevölkerung von außen aktiviert werden, um Defizite auszugleichen. Dennoch geht May davon aus, dass auch Hinte zustimmen würde, dass desolate Lebensverhältnisse nur positiv beeinflusst werden können, wenn man an positive Ressourcen anknüpft. Dies zeigt sich zumindest in der Umverteilung der materiellen Ressourcen in der Stadtraumplanung (vgl. May 2015: 1630f).

Der Methode der Sozialraumorientierung liegt die Sozialraumanalyse zu Grunde. Sie dient der Ermittlung von Bedarfen innerhalb des sozialen Raums. Dazu werden verschiedene Indikatoren beleuchtet. Diese treffen Aussagen etwa über die Arbeitslosigkeit oder den Migrationshintergrund innerhalb eines Stadtteils. Zudem dient ein Überblick über bestehende Ressourcen, wie etwa Vereine und vorhandene Angebote der Sozialen Arbeit als Grundlage der Methode (vgl. Weidmann 2019: 21).

2.3 Empowerment

In dem Versuch Empowerment zu definieren, schreibt Herriger, dass Empowerment „auf die (Wieder-) Herstellung von Selbstbestimmung über die Umstände des eigenen Alltags [abzielt]. Gefordert ist damit eine grundlegende Ausrichtung Sozialer Arbeit an den Ressourcen ihrer AdressatInnen. Betont werden damit Aspekte der Unterstützung und der Förderung von Selbstbestimmung durch berufliche HelferInnen“ (vgl. Herriger 2015: 74).

Seckinger konstatiert, dass menschliches Leid und Problemlagen in unserer Gesellschaft aus dem Ungleichgewicht in der Machtverteilung resultiert. Gegenstand Sozialer Arbeit muss also die Umverteilung eben dieser Machtverhältnisse sein. Empowerment nimmt hier einen besonderen Bezug auf den Zusammenhang zwischen der individuellen Zielgruppe, ihrem sozialen Umfeld und der Gesellschaft. Soziale Arbeit kann aus der Perspektive des Empowerment- Ansatzes nur dann positive Ergebnisse erzielen, wenn sie auf diese drei Bereiche und ihre Wechselwirkung Einfluss nimmt. Dieser Dreiklang zwischen Gesellschaft, Individuum und sozialer Gruppe wird durch die Definition von Rappaport deutlich. Demnach ist Empowerment ein Prozess, durch den die Adressat*innen, Institutionen und Organisationen bemächtigt werden, ihre eigenen Bedarfe zu bearbeiten. „Eine Konsequente Orientierung an den Ressourcen der Adressaten gehört ebenso dazu wie Netzwerkarbeit, die Thematisierung von Widersprüchen und Ambivalenzen, die Verknüpfung des Individuums mit der gesellschaftlichen Ebene sowie die Förderung der Beteiligung“ (Seckinger 2015: 359).

Betrachtet man Sozialraumorientierung unter Einbezug von Empowerment kommt eben die-se Beteiligung zum Tragen. Ziel dieses Partizipationsprozesses ist die Feststellung von Bedürfnissen, die im Vorfeld keine Befriedigung erfahren haben. Dabei werden unerfüllte Bedürfnisse festgestellt, die Erreichung angestrebt und im Anschluss weiter Bedürfnisse entwickelt. Die Ermächtigung im Kontext des Empowerments startet also mit der Förderung der Bedürfnis- und Interessenentwicklung der Adressat*innen. Zudem werden Vorerfahrungen und Wünsche in den Prozess der Planung einbezogen. So soll das Verfahren der Hilfe und der Prozess der Hilfeplanung maßgeblich durch die Betroffenen beeinflusst werden, um Partizipation zu ermöglichen (vgl. Weidmann 2019: 57).

3. Konzeptrahmen (Verfasst durch H.G.)

Im Folgenden werden verschiedene Rahmenbedingungen hinsichtlich der Konzeptskizze in den Blick genommen. Zunächst folgt hierzu eine Beschreibung von Kita-Sozialarbeit (KiSa), die sich auf konzeptionell erarbeitete Grundlagen des IBEB (Institut für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit in Rheinland-Pfalz) beziehen. Zum einen bilden diese Grundlagen das Diskussionspapier zur Kita-Sozialarbeit in Rheinland-Pfalz, zum anderen die Konzeption zur Mittelverwendung des Sozialraumbudgets in Zusammenarbeit mit der Stadt Bad Kreuznach. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Definitionsmöglichkeiten sozialraumorientierter Sozialen Arbeit (siehe 2.2), soll an dieser Stelle erwähnt werden, dass sich die konzeptionelle Grundlage der KiSa in Bad Kreuznach, auf die Definition Fallspezifischer, -Unspezifischer und -Übergreifender Arbeit nach Hinte bezieht. Im Weiteren werden die Zielgruppe, der Sozialraum „Pariser Viertel“ und die Zielsetzung konkretisiert.

3.1 Ziele zur Verwendung des Sozialraumbudget in Bad Kreuznach

Im Zuge der Novellierung des Kita-Gesetzes 2019, eröffnen sich erstmals neue Möglichkeiten für sozialraumorientierte Soziale Arbeit. U.a. sollen in Form von KiSa sozialraumbedingte Bedarfe und Ressourcen für Familien in den Blick genommen werden (vgl. Begründung KiTaZG, 2019: 2). Um Herausforderungen struktureller Benachteiligung zu überwinden, regelt zukünftig §25 Abs.5 KitaG das Sozialraumbudget, welches seit dem 1.7.2021 KiSa in Rheinland-Pfalz möglich werden lässt. Die Stadt Bad Kreuznach benennt das Sozialraumbudget als wesentlichen Baustein, um gesellschaftliche Wandlungsprozesse zu begleiten und die damit verbundenen Herausforderungen bewältigen zu können (vgl. Stadtverwaltung Bad Kreuznach 2021:24). Ein aktueller Blick (2021) konstatiert die Belastungsfaktoren der Stadt. So liegt die Stadt bzgl. der Inanspruchnahme von Sozialleistungen oder bei der Quote der jungen Arbeitslosen weit über den Durchschnitt (vgl. ebd.). Die Stadt hat sich zum Ziel gesetzt, sowohl individuelle Bedarfe von Kindern und deren Familien zu fördern als auch die Infrastrukturen der Sozialräume. Es sollen kinder- und familienfreundliche Quartiere gestaltet werden und das Selbsthilfepotential gestärkt werden (vgl. ebd.).

An dieser Stelle ist zu vermerken, dass das Sozialraumbudget aus der Tradition heraus nicht ausschließlich für die Finanzierung von Einzelfallhilfen einzusetzen ist. Neben den Spareffekten aus ökonomischer Sicht, sollen mittels der Budgetierung, Potentiale im Sozialraum aufgedeckt und zugänglich gemacht werden, sodass die Effekte sozialraumorientierter Arbeit für eine Steigerung der Wirksamkeit der angebotenen Leistungen sorgen (vgl. Galuske 2020:311). So gestaltet sich auch KiSa unterschiedlich in Bezug auf Schwerpunkte und Aufgabenbeschreibungen zwischen Stadt, Kreis und Land (vgl. Reifenhäuser 2021:12).

Bad Kreuznach hat zusammen mit dem IBEB, das Sozialraumbudget nach §25 Abs. 5 KitaG in vier Schwerpunkte aufgeteilt. Zum einen ist es die individuelle KiSa, die im Hinblick auf diese Konzeptskizze in den Mittelpunkt gerückt wird und die durch ihren Anteil an Fallübergreifender Arbeit, die zu Kommunikations- und Nachbarschaftszentren überleitet. Hierzu sollen Familienzentren in Person, im Sinne der Weiterentwicklung von Kita, in Bad Kreuznach entstehen, die zugänglich für alle Familien der Sozialräume sind, somit benachteiligte und nicht-benachteiligte Familien zusammenkommen lassen und damit den Aufbau von multiprofessionellen Präventionsketten unterstützen (vgl. Stadtverwaltung Bad Kreuznach 2021: 26). Durch einen hohen Anteil an Familien mit Migrationshintergrund, setzt die Stadt Bad Kreuznach verstärkt auf Integrationsprozesse und fördert durch das Sozialraumbudget den Einsatz interkultureller Fachkräfte und die Einstellung zusätzlich benötigtes Personal (vgl. ebd.:27). KiSa und die Familienzentren werden in Zukunft für sozialraumorientierte Arbeit in Bad Kreuznach stehen.

3.2 Individuelle Kita-Sozialarbeit in Bad Kreuznach

KiSa folgt dem Leitbild des sozialen Ausgleichs und stellt die gleichberechtigte Chance auf Bildung und Entwicklung von Kindern in den Fokus (vgl. ebd.:23). Allgemein soll durch den Einsatz von KiSa die Analyse und Transparenz von Bedarfen und Ressourcen für die jeweiligen Sozialräume eine Orientierung für Handlungsansätze der KiSa entstehen (vgl. Reifenhäuser 2021:6f.). Durch niedrigschwellige Angebote in der Kita z.B. durch Beratung, Krisenintervention und der Vermittlung von Unterstützungs- und Hilfsangeboten, entsteht für KiSa eine Lotsenfunktion (vgl. Stadtverwaltung Bad Kreuznach 2021:25), durch die sie methodisch vor allem an die Sozialraumorientierung nach Hinte Anlehnung findet. „Die Orientierung an fallspezifischer, fallübergreifender und fallunspezifischer Arbeit bietet den Rahmen für ein professionelles Umsetzungs- und Rahmenkonzept und ermöglicht zudem ein hohes Maß an Flexibilität, welches der Individualität der Region gerecht wird“ (Reifenhäuser 2021:12). Die Stadt Bad Kreuznach hat dazu in Zusammenarbeit mit dem IBEB, die Stadt in acht Sozialräume geteilt. Durch die einzelnen Sozialräume entsteht in Bad Kreuznach individuelle KiSa, die den Schwerpunkt für Sozialarbeiter*innen auf den Einzelfall, bzw. der Fallspezifischen Arbeit legt.

Per Definition bezieht sich diese auf eine intensive Vertrauensarbeit mit Eltern und deren Begleitung. KiSa in ihrer vermittelnden Rolle, nimmt Bedarfe auf und analysiert, ob diese dem Einzelfall zuzuordnen sind oder anlassbezogen, deckende Themen der Elternschaft darstellen (vgl. Reifenhäuser 2021:8). Dann zeichnet sich KiSa durch den Aufbau von Kooperationsstrukturen aus und leitet in ihrer Lotsenfunktion die Fallspezifische Arbeit in die Fallübergreifende Arbeit über. Sie kann darüber hinaus Eltern ins Familienzentrum begleiten oder Teilnehmer*innen an übergreifenden Angeboten und Projekten sein. Diese auch durch eigene Expertisen unterstützen. Dieser Teil bildet für die KiSa eine Säule der Vernetzungsarbeit mit dem Familienzentrum. Bleibt es beim Einzelfall, gilt es Bedarfe und Ressourcen herauszustellen, sowohl im Sozialraum als auch in der niedrigschwelligen Beratung der Familien. Auch im Umgang mit Behörden und Ämtern kann KiSa unterstützen und in akuten Krisen intervenieren (vgl. ebd.:9).

Über den Einzelfall hinaus bezieht sich die Arbeit mit dem Team der Kita auf die Sensibilisierung für die Bedarfe und Ressourcen der Familien und im Sozialraum, der kollegialen Beratung und stärkt auch hier die Mitarbeiter*innen in ihrem Selbsthilfepotential.

Neben Verwaltungstätigkeiten wie die der Dokumentation, pflegen Kita-Sozialarbeiter*innen regelmäßigen Austausch in ihrem Zuständigkeitsgebiet, übergreifend, regional und überregional, um die konzeptionelle (Weiter-)Entwicklung voranzubringen (vgl. IBEB 2021).

3.3 Zielgruppe des Angebots

Aus der Novellierung des KitaG gehen gesetzliche Regelungen für Kinder und ihre Familien hervor, die als Adressat*innen benannt werden. Vor dem Hintergrund der gleichen Bildungs- und Entwicklungschancen für Kinder (siehe 3.1), soll sich KiSa „zu einem zentralen Bindeglied zwischen einzelnen Kitas und dem Kita-Sozialraum bzw. dem Lebensraum von Kindern, Eltern und Familien entwickeln“ (Reifenhäuser 2021:6). „Alle Kinder bis einschließlich sechs Jahren und deren Familien können in den jeweiligen Sozialräumen vom Sozialraumbudget profitieren“ (Stadtverwaltung Bad Kreuznach 2021:24).

Folgt man Reifenhäusers beschriebenen Sozialraumorientierung i.A. nach Hinte, wird deutlich, dass sich neben der Fallspezifischen Arbeit, vor allem die Fallübergreifende und -unspezifische Arbeit auf Bedarfe und Ressourcen des sozialen Raums nicht ausschließlich im Sinne von Nachbarschaft, Cliquen und Netzwerke im Wohnquartier beziehen, sondern auch „der Aufbau von Kontakten zu Institutionen außerhalb des sozialen Bereichs, zu Vereinen, Bürgergruppen usw.“ (Hinte 2000; in: Galuske, 2011: 303f.) miteinbeziehen. Dies veranlasst Reifenhäuser dazu, von KiSa als „Kita-SozialRAUMarbeit“ zu sprechen und konstatiert, dass KiSa nicht ausschließlich für Kinder, Eltern und Familien in sozial benachteiligten Lebenslagen gedacht ist, sondern allen Kindern, Eltern und Familien im Sozialraum zugutekommen soll“ (2021:8). Auch wenn hierzu Familienzentren in Planung sind, trägt KiSa einen Teil dieser Arbeit dazu bei, indem sie durch ihre vermittelnde Lotsenfunktion, ihre Adressat*innen dort hinführt, wo gezielte Angebote bereits vorhanden sind und durch Fallübergreifende Arbeit Phänomene, die bei verschiedenen Fällen vorkommen, zusammenführt (vgl. IBEB 2021). Wird der Argumentation Ningels (2020) gefolgt, so findet Reifenhäusers Aspekt Unterstützung. Ningel beschreibt, dass Benachteiligung nicht allein aus einer strukturell vorhandenen Benachteiligung, wie Armut oder Flucht, existiert. Sie wird durch einen Mangel an Respekt und Wertschätzung anderen Menschen gegenüber geschürt (vgl. Schneider et.al 2021:62). Daraus erschließt sich der Ansatzpunkt der Stadt Bad Kreuznach, sowohl durch individuelle KiSa als auch durch fallübergreifender und -unspezifischer Arbeit, den Zugang niedrigschwelliger Angebote für alle Familien zu schaffen, um dem Leitbild des sozialen Ausgleichs gerecht zu werden. Um diesen Zugang zu erreichen, setzen Kita-Sozialarbeiter*innen an der intensiven Elternarbeit an, die hinsichtlich des Angebots relevant ist.

Letztlich adressiert die Konzeptskizze Eltern einer Kita im Sozialraum Pariser Viertel. KiSa verfolgt mit ausgewählter Methode (siehe Punkt 4) die Bedarfsanalyse, inwieweit diese ihren Sozialraum kennen und nutzen und wo sie Unterstützung brauchen, um sich selbstbestimmt im Sozialraum zu bewegen und zu entfalten.

3.4 Sozialraumdefinition Pariser Viertel als Bezugspunkt

Das Angebot bezieht sich auf Bedarfe von Familien einer Kita im Pariser Viertel, welche mit der prozentualen Höchstverteilung am stärksten durch KiSa besetzt wurde (Stadtverwaltung Bad Kreuznach 2021:28). Das liegt vordergründig an der mangelnden Infrastruktur des Viertels und der damit verbunden Bedarfe der Familien. Ein Großteil der Bebauung stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, was zum Teil zu großen Mängeln und zu einem vergleichsweise niedrigen Mietpreis führt. So finden sich Familien mit geringen Einkommen, von Arbeitslosigkeit oder Migration betroffen, im Pariser Viertel ein. Der Ausländeranteil liegt bspw. bei 43%, im Vergleich zu 17% innerhalb der gesamten Stadt (vgl. Stadtverwaltung Bad Kreuznach 2022), was sich auch in einer vitalen Infrastruktur von Migrantenorganisationen und -institutionen spiegelt. Das Pariser Viertel ist ein lebendiges Viertel, mit vielen kleinen Geschäften, die von Migranten im Quartier geführt werden. Zudem leben hier mit 19,9%, der höchste Anteil an Kindern und Jugendlichen (548) unter 18 Jahren (vgl. ebd.). Durch ein Punktesystem zur Kita-Platzvergabe, kann die Kita, die Bezugspunkt des Angebots, als eine „Restbestand-Kita“ betitelt werden, da die freie Wahl der Kita, berufstätige Eltern bevorzugt (vgl. Stadt Bad Kreuznach 2018:4f.). Folglich finden sich bereits strukturell benachteiligte Familien zwangsläufig in Sozialräumen wie dem Pariser Viertel ein. Das Pariser Viertel liegt zentral zur Innenstadt gelegen. Es besteht die Nähe zu Schulen, dem Bahnhof und einem Krankenhaus. Grünflächen sind wenig zu finden, dafür ist das Pariser Viertel sehr aktiv von Seiten des Quartierszentrum, dem Stadtteilverein und dem Programm „Jugend stärken im Quartier“. Die Stadtjugendförderung, durch das Jugend- und Kooperationszentrum „Die Mühle“ ist fußläufig zu erreichen, ebenso wie die Alternative Jugendkultur (vgl. Stadtverwaltung Bad Kreuznach 2022). Insgesamt können durch die zentrale Lage bspw. auch (Kinder-)Ärzte und das Jobcenter gut fußläufig erreicht werden. Dazu hat KiSa den Auftrag, diese Ressourcen im Sozialraum sichtbar und zugänglich für ihre Adressat*innen zu gestalten.

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Kita-Sozialraumarbeit als Element von Empowerment. Am Beispiel der Stadt Bad Kreuznach
Hochschule
Hochschule Koblenz (ehem. FH Koblenz)  (Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
o14 Sozialraum Empowerment Netzwerkarbeit
Note
2,0
Autor
Jahr
2022
Seiten
21
Katalognummer
V1302315
ISBN (Buch)
9783346775832
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kita-Sozialarbeit, Empowerment, Netzwerkarbeit, Sozialraum, Soziale Arbeit, Projekte
Arbeit zitieren
Jan Berrens (Autor:in), 2022, Kita-Sozialraumarbeit als Element von Empowerment. Am Beispiel der Stadt Bad Kreuznach, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1302315

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Im eBook lesen
Titel: Kita-Sozialraumarbeit als Element von Empowerment. Am Beispiel der Stadt Bad Kreuznach



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden