Welche Funktion(en) erfüllen Texte? Wie könnte man verschiedene Textsorten beschreiben?


Seminararbeit, 2009

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Sprachwissenschaftliche Grundlagen der Textlinguistik
2.1 Einleitung
2.2 Das Organon-Modell (Bühler)
2.3 Erweiterung des Organon-Modells (Jakobson)
2.4 Die Sprechakttheorie (Austin/Searle)
2.5 Zusammenfassung

3 Grundfunktionen von Texten
3.1 Einleitung
3.2 Grundsätzliche Aspekte
3.3 Textfunktionen nach Brinker
3.4 Zusammenfassung

4 Textsorten und ihre Unterscheidung
4.1 Einleitung
4.2 Allgemeines
4.3 Kriterien zur Unterscheidung
4.4 Zusammenfassung

5 Kulturspezifik von Textsorten
5.1 Einleitung
5.2 Kulturelle Konstellationen
5.3 Kulturspezifik am Beispiel wissenschaftlicher Artikel
5.4 Zusammenfassung

6 Zusammenfassung der Ergebnisse

7 Literaturverzeichnis

8 Abbildungsverzeichnis

9 Anhang

1 Einleitung

Ein Proseminar, das sich mit Textsortenspezifik und Informativität am Beispiel interkultureller Ratgeberliteratur befasst, muss verständlicherweise zuerst einmal klären, welche Funktionen Texte erfüllen und wie man zwischen verschiedenen Textsorten differenzieren kann. Ferner sollten interkulturelle Unterschiede bestimmter Textsorten berücksichtigt werden, da diese Voraussetzung für ein vollständiges Verständnis eines Textes sind. Die vorliegende Seminararbeit geht deshalb zunächst auf die Grundlagen der Textlinguistik ein, die insbesondere die Theorien Bühlers, Austins und Searles bilden. Danach wird die Textfunktion näher untersucht, wobei hauptsächlich der Klassifikationsansatz Brinkers im Mittelpunkt steht. Als Letztes werden die Textsorten, ihre Unterscheidungsmerkmale sowie ihre kulturspezifischen Unterschiede dargestellt. Im Hinblick auf die Kulturspezifik wird besonders die Theorie der kulturellen Konstellationen nach Floros betrachtet und in der Folge eine korpusbasierte Studie von Busch-Lauer zum Thema vorgestellt. Auch die anderen Theorien werden durch möglichst anschauliche Beispiele ergänzt, die das Verständnis erleichtern sollen. Auf diese Weise soll die vorliegende Seminararbeit dem Leser einen leicht verständlichen Überblick über die Textlinguistik verschaffen.

2 Sprachwissenschaftliche Grundlagen der Textlinguistik

2.1 Einleitung

Zur Analyse der Funktion eines Textes ist es zunächst notwendig, die Funktion von Sprache und Kommunikation im Allgemeinen zu verstehen. Hierzu sind besonders das Organon-Modell Bühlers, dessen Erweiterung durch Jakobson sowie die Sprechakttheorie Austins und Searles von Bedeutung, da viele Klassifizierungsansätze im Bereich der Textfunktion auf diesen Theorien basieren. Das Organon-Modell legt den Schwerpunkt auf die verschiedenen Dimensionen des sprachlichen Zeichens, während im Mittelpunkt der Sprechakttheorie die durch Sprache vollzogenen Handlungen stehen. Beide Theorien werden daher im Folgenden vorgestellt.

2.2 Das Organon-Modell (Bühler)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Karl Bühlers Organon-Modell, das er 1934 in seinem Werk Sprachtheorie veröffentlichte, basiert hauptsächlich auf den Denkansätzen Humboldts, Husserls, de Saussures und Platons. Es definiert Kommunikation als wechselseitigen sozialen Prozess, der unter Beteiligung mindestens zweier Kommunikationspartner (Sender und Empfänger) stattfindet.[1] Ferner muss Sprache laut Bühler als Werkzeug (Organon) begriffen werden, mit dessen Hilfe das menschliche Gemeinschaftsleben gesteuert wird.[2]

Wie Abb. 1 verdeutlicht, unterscheidet Bühler in seinem Modell drei Seiten (Relationen) des sprachlichen Zeichens, nämlich die des Ausdrucks, die der Darstellung und die des Appells. Von der Ausdrucksfunktion spricht man, wenn sich das Zeichen auf den Sender selbst bezieht und er damit seinen Zustand bzw. seine Gefühle verdeutlichen will. Nutzt der Sender das Zeichen, um Gegenstände zu benennen oder Sachverhalte darzustellen, so bezeichnet man dies als Darstellungsfunktion des Zeichens. Die Appellfunktion ist der Versuch, mit dem sprachlichen Zeichen eine bestimmte Reaktion beim Empfänger zu erzeugen.[3]

Diese auf den ersten Blick relativ abstrakte Theorie lässt sich am besten mithilfe eines selbst gewählten, alltäglichen Beispiels verstehen. Man stelle sich dazu vor, dass ein Mann am heimischen Esstisch zu seiner Ehefrau sagt: „Das Essen ist kalt“. Anhand dieser Aussage lässt sich nun ganz konkret darstellen, inwiefern die Relationen Ausdruck, Darstellung und Appell in einem Zeichen enthalten sein können. So will der Mann erstens ausdrücken, dass er mit der Temperatur des Essens oder gar mit der Kochkunst seiner Frau allgemein unzufrieden ist. Zweitens bewirkt er mit seiner Aussage über die Temperatur des Essens eine Darstellung von dessen Eigenschaften. Drittens wird auf diese Weise indirekt an die Frau appelliert, das Essen noch einmal zu erwärmen oder es beim nächsten Mal heißer zu servieren. Aus diesem Beispiel wird ferner ersichtlich, dass die drei Dimensionen des Zeichens durchaus unterschiedlich gewichtet sein können, je nachdem welche Intention der Sender vorrangig damit verfolgt.[4]

2.3 Erweiterung des Organon-Modells (Jakobson)

Das im vorherigen Abschnitt erwähnte Modell Bühlers wurde 1960 von Roman Jakobson um drei weitere Funktionen des sprachlichen Zeichens ergänzt, wodurch sich folgende sechs Relationen ergeben: 1.) Mitteilung: der Sender teilt dem Empfänger etwas mit; 2.) Kontext: es wird auf etwas außersprachliches Bezug genommen; 3.) Appell: beim Empfänger soll eine bestimmte Reaktion erreicht werden; 4.) Kontakt: mithilfe des Zeichens soll Kommunikation begonnen, aufrechterhalten oder beendet werden; 5.) Code: hier wird über das Zeichen auf die Sprache selbst Bezug genommen (metasprachlich); 6.) Form: die Form der Mitteilung steht im Mittelpunkt (poetische Funktion).[5]

Wie unschwer zu erkennen ist, nimmt Jakobson hier die Relationen Ausdruck, Darstellung und Appell aus Bühlers Organon-Modell als Mitteilung, Kontext und Appell wieder auf, jedoch hält er offenkundig eine Erweiterung um die Kontaktfunktion, die metasprachliche Funktion sowie die poetische Funktion des Zeichens für notwendig. Hierdurch löst sich Jakobson von der reinen Betrachtung der drei Bezugspunkte Sender, Empfänger und Gegenstände/Sachverhalte und weist unter anderem darauf hin, dass auch das Zeichen an sich ohne besonderen Bezug oder mit Bezug auf sich selbst eine Funktion erfüllen kann.[6]

2.4 Die Sprechakttheorie (Austin/Searle)

Im Zentrum der Sprechakttheorie, die in den sechziger Jahren von John L. Austin veröffentlicht und später von John R. Searle überarbeitet wurde, steht die Frage, inwiefern durch sprachliche Äußerungen Handlungen vollzogen werden und welche Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen.[7] Es handelt sich demnach um einen pragmatischen Ansatz, was bereits am Titel von Austins Veröffentlichung How to do things with words[8] deutlich wird.

Austin unterscheidet in seiner Untersuchung der Sprachhandlungen zunächst zwischen konstativen und performativen Sätzen. Konstative Sätze sind nach seiner Definition solche, die eine wahre oder falsche Aussage beinhalten, wogegen performative Sätze zur Ausführung einer Handlung dienen.[9] Nach dieser Definition ist eine Aussage wie „das Thermometer zeigt 22° C“ konstativ, eine Aussage wie „ich trete hiermit als bayerischer Ministerpräsident zurück“ performativ. Zusätzlich zu dieser Unterteilung legt Austin Bedingungen fest, die für den Erfolg performativer Sätze notwendig sind. So müssen unter anderem die Personen und Begleitumstände korrekt sein sowie das Verfahren fehlerfrei, vollständig und aufrichtig ausgeführt werden.[10] Daraus folgt beispielsweise, dass nur ein Richter ein wirksames Urteil aussprechen kann und nicht etwa der Hausmeister eines Gerichtes. Diese frühe Theorie Austins beinhaltet allerdings auch gewisse Probleme, denn Sätze können durchaus gleichermaßen konstativ und performativ sein.[11] Ein gutes Beispiel hierfür ist der oben erwähnte Satz mit dem Rücktritt des bayerischen Ministerpräsidenten. Einerseits stellt er eine wahre Aussage dar, die über das Ausscheiden aus dem Amt informiert, andererseits wird damit die Amtsniederlegung vollzogen.

Aus diesem ersten Ansatz entwickelte Austin schließlich seine eigentliche Theorie der Sprechakte. Darin definiert er den lokutionären, den illokutionären und den perlokutionären Akt als Bestandteile einer Sprachhandlung. Der lokutionäre Akt, also die eigentliche Aussage, wird noch zusätzlich in den phonetischen Akt (Benutzung der Sprechwerkzeuge), den phatischen Akt (Wortverwendung im Rahmen bestimmter Grammatik) und den rhetischen Akt (Aussage über einen Sachverhalt) unterteilt.[12] Der zweite Teilakt der sprachlichen Handlung, der illokutionäre Akt, ist das zentrale Element der Theorie. Er charakterisiert die Intention des Sprechers hinter dieser Aussage, beispielsweise jemandem etwas zu versprechen oder ihn zu informieren.[13] Der perlokutionäre Akt als dritter Teilakt bezeichnet wiederum die beabsichtigte Reaktion, die mittels der Sprachhandlung beim Empfänger hervorgerufen werden soll.[14] Um die drei Teile einer sprachlichen Handlung zu veranschaulichen, soll folgendes Beispiel dienen: „Ich verurteile Sie hiermit zu einer Geldstrafe von 1500 Euro“ (Urteilsspruch vor Gericht). Der lokutionäre Akt wäre hier die Information, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe in der genannten Höhe verurteilt wird. Als illokutionärer Akt lässt sich die Intention des Richters identifizieren, den Angeklagten zu verurteilen. Damit wird wiederum beabsichtigt, dass der Angeklagte als Reaktion die Strafe bezahlt, was der Perlokution der Aussage entspricht. Den Abschluss von Austins Theorie bildet eine Auflistung und Klassifizierung unterschiedlicher performativer Verben[15], zu denen zum Beispiel versprechen, befehlen und entschuldigen gehören.[16]

[...]


[1] Vgl. Krallmann (2001: 48)

[2] Vgl. Krallmann (2001: 52)

[3] Vgl. Stolze (2008: 40)

[4] Vgl. Nöth (2000: 203)

[5] Vgl. Stolze (2008: 40)

[6] Dies ist bei der poetischen Funktion bzw. der metasprachlichen Funktion der Fall.

[7] Vgl. Krallmann (2001: 71-72)

[8] Bußmann (2008: 674)

[9] Vgl. Linke (2004: 207)

[10] Vgl. Krallmann (2001: 75)

[11] Vgl. Linke (2004: 208-209)

[12] Vgl. Krallmann (2001: 79-80)

[13] Vgl. Linke (2004: 210)

[14] Vgl. Linke (2004: 210-211)

[15] Verben, durch die mit Sprache gehandelt werden kann

[16] Vgl. Krallmann (2001: 84-86)

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Welche Funktion(en) erfüllen Texte? Wie könnte man verschiedene Textsorten beschreiben?
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Allgemeine Sprach- und Kulturwissenschaft)
Veranstaltung
Textsortenspezifik und Informativität am Beispiel interkultureller Ratgeberliteratur
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
20
Katalognummer
V140332
ISBN (eBook)
9783640487332
ISBN (Buch)
9783640487479
Dateigröße
488 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Textlinguistik, Sprechakt, Organon, Kulturspezifik, Textfunktion, Textsorte
Arbeit zitieren
Patrick Wedekind (Autor:in), 2009, Welche Funktion(en) erfüllen Texte? Wie könnte man verschiedene Textsorten beschreiben?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140332

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