Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Grundsätzliche theoretische Positionen
1.1 Stellenwert des Phänomens Rechenschwäche
1.2 Abgrenzung der Begriffe
1.3 Allgemeine Beschreibung und Symptomatik
1.4 Zu möglichen Ursachen
1.5 Auseinandersetzung mit verschiedenen Ansätzen
1.5.1 Psychodiagnostischer Ansatz
1.5.2 Sonderpädagogischer Ansatz
1.5.3 Denkpsychologischer Ansatz
1.5.4 Neuropsychologischer Ansatz
1.5.5 Kognitionspsychologischer Ansatz
1.5.6 Mathematikdidaktischer Ansatz
2. Fördermöglichkeiten bei Rechenschwäche
3. Das Arithmetikprofil
4. Fallstudie Lena
4.1 Anamnese
4.1.1 Die Person Lena
4.1.2 Die familiäre Situation
4.1.3 Die schulische Situation
4.2 Das Mathematikprofil von Lena
4.3 Zusammenfassung der Testergebnisse
4.4 Förderverlauf und Hilfsmittel
5. Resümee
Anlagenverzeichnis
Anlage 1: Schüler an allgemein bildenden Förderschulen in Sachsen im Schuljahr 2009/10 nach Förderschwerpunkten
Anlage 2: Pressemitteilung
Anlage 3: Zehnerstreifen quer dargestellt
Anlage 4: Blitzlichtkarten
Anlage 5: Lenas Blatt für die
Anlage 6: Lenas Malaufgaben für die
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: „Rechenschwäche“: Faktoren, die zu einer Entstehung beitragen können
Abbildung 2: Einfache Gesten veranschaulichen das GRÖSSERWERDEN des Zahlenraums. (Foto: Evelyn Gbureck)
Abbildung 3: Dieser eingedrehte Zahlenstrahl gibt dem Kind ein inneres Gerüst für den Zahlenraum bis 20. (Foto: Evelyn Gbureck)
Abbildung 4: Die Einer kehren im Zehnerraum wieder. (Foto: Evelyn Gbureck)
Abbildung 5: Das Kind rechnet am Würfelrechengerät. (Foto: Evelyn Gbureck)
Abbildung 6: Enaktiv bündelt das Kind den Zehner und legt stellengerecht die 13. (Foto: Evelyn Gbureck)
Abbildung 7: Logico Piccolo (Foto: Evelyn Gbureck)
Abbildung 8: Das Kind findet die kleine Aufgabe in den GROSSEN Aufgaben wieder. (Foto: Evelyn Gbureck)
Abbildung 9: Rechnen mit Zehnerübergang
Abbildung 10: Mathematix – Kinder lernen jede Menge (Foto: Evelyn Gbureck)
Abbildung 11: Das Kind erkennt eine Rechenaufgabe in seinem Bild. (Foto: Evelyn Gbureck)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einleitung
Im Frühjahr 2009 hospitierte ich im Rahmen des Seminars „Schule in Finnland“ an zwei Grundschulen in Helsinki. Rainer Domisch, Unterrichtsrat in der obersten Schulbehörde Finnlands, erklärte mir, dass in Finnland kein mit dem deutschen vergleichbarer kommerzieller Nachhilfemarkt existiere. Das Phänomen Rechenschwäche sei dort zwar bekannt, werde jedoch anders als in Deutschland als innerschulisches Problem behandelt. Er vertrat die Ansicht, dass man in deutschen Schulen bei dem Versuch, in jeder Klasse so viel Homogenität wie möglich zu schaffen, Kinder mit Lernschwierigkeiten ausgrenze.
Dieser Annahme nachgehend, setzte ich mich in Lehrerfortbildungen und in Gesprächen mit Mitarbeitern des Regionalschulamtes, mit Grundschullehrerinnen[1], Dyskalkulie-Therapeuten und betroffenen Eltern mit der in Deutschland gängigen Praxis für den Umgang mit rechenschwachen Schülern auseinander. Dabei ging es um die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Feststellung einer Rechenschwäche, die Möglichkeiten der außer- und innerschulischen Diagnostik, die nötigen Voraussetzungen für die finanzielle Förderung einer Dyskalkulie-Therapie und die innerschulischen Möglichkeiten der Prävention einer Rechenschwäche.
Im Rahmen meiner Literaturrecherche stellte ich fest, dass es keine statistischen Angaben über die Häufigkeit des Phänomens Rechenschwäche an deutschen Schulen gibt. Um die Relevanz dieses Themas für die Schulpraxis zu belegen, befragte ich alle Dresdner Grundschulen nach der Anzahl ihrer auf Dyskalkulie getesteten Schüler. Diese Umfrage fließt in den ersten Gliederungspunkt, der sich mit grundsätzlichen theoretischen Positionen befasst, ein. Dort werden außerdem die Symptomatik und mögliche Ursachen erläutert und die verschiedenen Ansätze der Auseinandersetzung mit der Rechenschwäche erklärt. Dazu zählen der psychodiagnostische, sonderpädagogische, denkpsychologische, neuropsychologische, kognitionspsychologische und mathematikdidaktische Ansatz.
Im Folgenden werden Möglichkeiten der Förderung bei einer Rechenschwäche aufgezeigt. Das im vierten Gliederungspunkt vorgestellte „Arithmetikprofil“ nimmt in dieser Arbeit einen besonderen Stellenwert ein, da es jeder Grundschullehrerin ohne großen Aufwand eine umfassende Lernstandsanalyse und darauf aufbauende Fördermöglichkeiten aufzeigen soll. Vor dem Hintergrund der in regelmäßigen Abständen von Grundschullehrerinnen an die Dozentin für Mathematikdidaktik der TU Dresden, herangetragenen Bitte, ihnen mit Hilfe des Arithmetikprofils bei der Förderung rechenschwacher Schüler zu helfen, wurde dieser Abschnitt der wissenschaftlichen Arbeit als detaillierte Handreichung konzipiert.
Daran schließt sich eine Fallstudie aus meiner Förderarbeit mit rechenschwachen Schülern an, welche die Anwendung des Arithmetikprofils in der Schulpraxis veranschaulicht. Diese umfasst neben einer Anamnese und dem Mathematikprofil der Schülerin Lena[2] die Darstellung des Förderverlaufs und einen Ausblick auf die weitere Förderarbeit. Ein Resümee, das die wesentlichen Punkte dieser Arbeit zusammenfasst, bildet deren Abschluss.
1. Grundsätzliche theoretische Positionen
1.1 Stellenwert des Phänomens Rechenschwäche
Zielinski stellt in seiner Einführung zum Thema Lernschwierigkeiten fest, dass gelegentliche schulische Misserfolge zum Schulalltag gehören und weder vermeidbar noch ungewöhnlich sind.[3] Auch von länger andauernden Lernschwierigkeiten sind „nicht nur zu vernachlässigende Minderheiten, sondern jährlich Tausende von Schülern mit ihren Familien betroffen“.[4]
Der Gesetzgeber stellt Schülern, die in allen Unterrichtsfächern Lernschwierigkeiten zeigen, unterschiedliche Schulformen bereit, um sie entsprechend ihrem Leistungsvermögen zu fördern. Eine Umschulung in die Förderschule bedeutet für Schüler und Eltern auf der einen Seite einen enormen Statusverlust. Andererseits führen die geringeren schulischen Anforderungen zu einer Entlastung.[5] Im Schuljahr 2009/10 besuchten 11.027 Schüler eine sächsische Förderschule mit dem Förderschwerpunkt „Lernen“ (vgl. Anlage 1).
Zeigen Schüler nur im Bereich des Lesens und Schreibens auffällige Schwierigkeiten, wird ihnen besondere schulische Aufmerksamkeit zuteil, denn alle Bundesländer besitzen Verwaltungsvorschriften und Erlasse, die Schüler mit Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) in irgendeiner Weise berücksichtigen. Diese Ländererlasse regeln die Modalitäten des Feststellungsverfahrens, die schulische Förderung der betroffenen Schüler und die Zusammenarbeit von Schule und Eltern.
Exemplarisch seien hier Auszüge aus der Verwaltungsvorschrift zur Förderung von Kindern mit LRS des Freistaats Sachsen zitiert: „Die Erziehungsberechtigten von Schülern mit diagnostizierter LRS können beantragen, die Benotung für Leistungen im Lesen und/oder in der Rechtschreibung auszusetzen. […] Schüler, die nicht im Rahmen des Unterrichtes ihrer Grundschule im Lesen und im Rechtschreiben entsprechend gefördert werden können, werden mit Einverständnis der Erziehungsberechtigten in den dafür eingerichteten LRS-Klassen unterrichtet. […] Perspektivisch ist an jeder Schule dafür Sorge zu tragen, dass mindestens ein Lehrer in Fragen der LRS fortgebildet wird.“[6]
Für rechenschwache Schüler gab das Sächsische Staatsministerium für Kultus zu Beginn des Schuljahres 2007/08 „Empfehlungen zur Förderung von Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Rechnens“ heraus. Dass diese Empfehlungen keine rechtliche Verbindlichkeit besitzen, bedeutet für die betroffenen Kinder, dass ihnen formal keine besondere schulische Förderung zusteht, die auf isolierte Lernschwierigkeiten im Bereich Mathematik bezogen ist.
Im außerschulischen Bereich bieten „Dyskalkulie-Therapeuten“ ihre therapeutische Intervention an. Da es bislang weder den Ausbildungsberuf zum Legasthenie- oder Dyskalkulie-Therapeuten noch einen Schutz für ein solches Berufsbild gibt, lassen sich keine Aussagen zu den Qualifikationen dieser privaten Anbieter machen. Eigene Recherchen ergaben, dass es allein in Dresden 15 außerschulische Einrichtungen gibt, die eine Dyskalkulie-Therapie anbieten.
Da diese Therapien mit hohen Kosten verbunden sind,[7] beantragen viele Eltern die Eingliederungshilfe, d. h. die Übernahme der Therapiekosten nach § 35a SGB VIII des Kinder- und Jugendhilfegesetzes,[8] beim Jugendamt. Das Jugendamt zahlt die anfallenden Therapiekosten, weil die Folge einer in der Schule nicht richtig behandelten Dyskalkulie eine seelische Behinderung sein kann (z. B. ausgeprägte Depression, Phobien bis zur Schulverweigerung). Eine Psychotherapie zur Behandlung der Depression, der Phobien o. a. schlägt nicht an, so lange das Kind weiterhin unter den auslösenden Faktoren in der Schule leidet. Entsprechend wird versucht, die Dyskalkulie zu therapieren, so dass in der Folge die seelische Behinderung verschwindet.
Das heißt, man wartet so lange, bis das Kind eine zusätzliche, sekundäre Behinderung aufgrund der ungenügenden schulischen Maßnahmen aufweist, um über den Umweg der Eingliederungshilfe nach § 35a die Aufwendungen vom Staat bezahlt zu kommen. „Es ist wohl nicht ganz abwegig zu vermuten, dass auf diesem gesetzlichen Hintergrund die Bereitschaft mancher, von der ‚Therapie‘ lebender Einrichtungen steigt, den Kindern eine seelische Behinderung oder eine Bedrohung davon zu attestieren.“[9]
Der Anspruch auf Eingliederungshilfe setzt die Feststellung einer bestehenden oder drohenden seelischen Behinderung der Schüler voraus. Diese liegt vor, wenn:
„1. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
2. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.“[10]
Im Rahmen des Prüfverfahrens kommt es neben der Vorstellung des Kindes beim Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie zu einer sozialpädagogischen Begutachtung. Der Schüler[11] wird neben einem Intelligenztest einem Dyskalkulie-Test unterzogen. Die sozialpädagogische Begutachtung ist zumeist an eine schulische Hospitation geknüpft, die die Interaktion zwischen Lehrerin, Erzieherin, Schüler und Mitschülern, das Selbstbild des Schülers, sein kognitives Erscheinungsbild, das Pausenverhalten und Konfliktverläufe dokumentieren soll. Die Prozedur des Feststellungsverfahrens kann bis zu zwei Jahre dauern. Bis dahin sind die entstehenden Kosten von den Eltern zu tragen. Sollte die Übernahme der Therapiekosten bewilligt werden, wird nach sechs Monaten über eine Fortführung der Maßnahme neu entschieden.
Am Beispiel der Stadt Dresden kann aufgezeigt werden, dass die Anzahl derjenigen Kinder, die einer außerschulischen Förderung im Bereich der Mathematik bedürfen, beachtlich ist: „Letztlich müsste die Erkenntnis, dass ein nicht unerheblicher Prozentsatz von Grundschülern individueller Förderung bedarf, finanzielle Anstrengungen zur Folge haben, etwa den Ausbau der Lehrerfortbildung, die Spezialisierung von Grundschullehrerinnen im Sinne von Beratungslehrerinnen oder Mathematiktherapeutinnen, notwendige Deputatsreduzierung im Ausgleich für Förderstunden u. ä.; daher das Desinteresse, zumindest die Zurückhaltung der Schuladministration bei dem Problem.“[12]
Nach Angaben des Statistischen Landesamtes Kamenz lernten im Schuljahr 2008/09 insgesamt 14.520 Schüler an 77 Grundschulen in Dresden, wovon 3.682 die dritte Klasse besuchten. Von diesen Schülern lernen 183 in Lese-Rechtschreib-Klassen. Das entspricht 5 % der Dresdner Drittklässler (Anlage 2). Da die Dyskalkulie keine anerkannte Teilleistungsstörung ist und in Sachsen die Sozialdatenerhebung durch den KJÄD aus Datenschutzgründen nicht möglich ist, fehlen vergleichbare statistische Angaben.
Unter Berufung auf den Schulreferenten der SBAD, Herrn H. Brandstäter, befragte ich die 77 Dresdner Grundschulen nach ihrer aktuellen Schüleranzahl und dem Anteil an Schülern mit diagnostizierter Dyskalkulie. Letztlich beteiligten sich 61 Dresdner Grundschulen an dieser Befragung. An den Schulen wurden insgesamt 134 Schüler auf Dyskalkulie getestet, wovon keiner die erste Klasse besuchte. Das heißt, im Schnitt lernen pro befragter Grundschule in der 2. bis 4. Klasse je zwei Kinder mit diagnostizierter Dyskalkulie.
Beispielhaft für viele gleich lautende Aussagen sei an dieser Stelle ein Schulleiter zitiert: „Die Grauzone ist wesentlich höher.“ Das Phänomen Dyskalkulie ist an allen Schulen bekannt. An der 82. Grundschule werden Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Rechnen über externe Mitarbeiter gefördert. In der 92. Grundschule werden betroffene Kinder sowohl vom Paetec-Institut als auch von einer Lehrerin mit Zusatzausbildung für Dyskalkulie-Therapie betreut. An einigen Schulen, beispielsweise an der 132. Grundschule, läuft parallel das Förderschul-Feststellungsverfahren.
Viele Schulen geben an, dass sich die Eltern neben dem Förderunterricht, der an der Schule angeboten wird, außerschulische Nachhilfeangebote suchten. Angesichts der „Dunkelziffer“ aufgrund des Fehlens eines mit dem LRS-Diktat vergleichbaren Feststellungsverfahrens für die Dyskalkulie lässt sich vermuten, dass die Kommunen bei veränderter Gesetzeslage, d. h. bei einer Anerkennung der Dyskalkulie als Teilleistungsstörung, zukünftig eine zunehmend höhere finanzielle Belastung zu tragen hätten.
Die letzten statistischen Erhebungen des Freistaats Sachsen zur Eingliederungshilfe nach §35a SGB VIII des Kinder- und Jugendhilfegesetzes von 2006 beziffern den Zuwachs der Ausgaben im Jahr 2006 gegenüber 2005 mit 14,1 % von 15.870 Euro auf 18.101 Euro. Warum öffentliche Mittel über den Umweg der Eingliederungshilfe in den „sekundären Reparaturbetrieb“[13] investiert werden, statt sie für die Lehreraus- und -weiterbildung und die innerschulische Förderung von Schülern zu verwenden, liegt neben den eben dargestellten finanziellen Gründen auch in der Etablierung der Nachhilfeorganisationen begründet.
In den 70er Jahren zwang die hohe Lehrerarbeitslosigkeit viele qualifizierte Lehrkräfte, sich auf dem Nachhilfe- und Lerntherapiemarkt zu orientieren. Damit erreichte der Nachhilfeunterricht qualitativ eine neue Dimension. Diese Entwicklung fiel mit der sprunghaft ansteigenden Zahl der Übertritte auf die weiterführenden Schulen zusammen. Diese „Bildungsexpansion“ bewirkte eine Durchlässigkeit v. a. für Kinder aus der Mittelschicht und teilweise für Kinder aus der Unterschicht. Deren Eltern waren aufgrund ihrer eigenen Bildungsvoraussetzungen oft nicht mehr in der Lage, ihren Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen, oder ihre Berufstätigkeit ließ wenig Zeit für die häusliche Hilfe. Entsprechend floriert der deutsche Nachhilfemarkt bis heute.
Liegen die schulischen Probleme im Bereich des Rechnens, sind Lehrer häufig hilflos, da noch immer viele Lehrer Mathematik unterrichten, ohne eine entsprechende Ausbildung erhalten zu haben. Das Angebot an Lehrerfortbildungen zum Thema Rechenstörungen ist qualitativ sehr unterschiedlich, da es schwierig ist, fachkundige Referenten für dieses Thema zu gewinnen. Immer häufiger bekommen kommerzielle Einrichtungen die Möglichkeit, staatlich verantwortete regionale Lehrerfortbildungen durchzuführen.
Im September 2009 besuchte ich vier Fortbildungen zum Thema Dyskalkulie in Sachsen, von denen sich drei als Werbeveranstaltungen für kommerzielle „Dyskalkulie-Therapeuten“ herausstellten. Also verweisen viele Lehrerinnen die Eltern rechenschwacher Kinder an außerschulische Nachhilfeinstitute und „Dyskalkulie-Zentren“, welche entsprechend gedeihen.
Meyer merkt dazu an: „In den achtziger Jahren nahm das Interesse für die Dyskalkulie in der Fachwelt und in der Öffentlichkeit zu. Ich stelle mir vor, dass das ‚Nest‘ schon vor langer Zeit durch die Legasthenie gebaut worden ist. Das ‚Ei‘, die Dyskalkulie, wurde in dieselben Strukturen, Organisationen und Diskurse gelegt, welche sich schon seit Jahrzehnten mit der Lese-Rechtschreib-Schwäche befassen: wissenschaftliche Institute, Schulen, Elternverbände, Beratungs- und Therapiestellen.“[14]
1.2 Abgrenzung der Begriffe
Der seit den 70er Jahren stetig wachsende „Lerntherapiemarkt“ zieht eine Vielzahl von Untersuchungen und Publikationen mit immer neuen begrifflichen Beschreibungen des Phänomens Rechenschwäche nach sich. Lorenz und Radatz kamen bereits vor 16 Jahren auf eine „unvollständige“ Liste von 39 Umschreibungen für das Phänomen, wie beispielsweise „lexikalische Dyskalkulie“, „sekundäre Parakalkulie“, „Zahlendyssymbolismus“ etc.[15] Meyer formuliert dazu: „Ich bin überzeugt, dass dies [die Vielzahl von Begriffen, Anm. des Verf.] wie bei der Legasthenie ein ‚mythisches‘ Geschehen ist: der Mythos der Dyskalkulie.“[16]
Bei „Dyskalkulie“, „Arithmasthenie“, „Akalkulie“, „Rechenstörung“ und „Rechenschwäche“ handelt es sich nicht um wissenschaftlich geklärte Begriffe. Während man in den Medien, insbesondere in Veröffentlichungen kommerziell arbeitender „Dyskalkulie-Institute“, sowie im medizinischen und psychologischen Bereich die Begriffe „Dyskalkulie“[17], „Arithmasthenie“[18], „Gerstmann-Syndrom“[19] oder „Akalkulie“[20] verwendet, die den Eindruck vermitteln, dass es sich hierbei um eine neurologische oder organische Erkrankung handele, die der außerschulischen Therapie bedürfe, wird im mathematikdidaktischen und schulischen Bereich zumeist von „Rechenstörung“, „Rechenschwäche“ oder „besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Rechnens (allgemeiner: der Mathematik)“ gesprochen.
Vielfach wird Rechenschwäche als „Teilleistungsschwäche“ angeführt. Dieser Begriff aus der Neuropsychologie und Kinder-Neuropsychiatrie bezeichnet die „Leistungsminderung einzelner Faktoren oder Glieder [z. B. die Unfähigkeit des Schulkindes, sich mehrere Zahlen zu merken, Anm. des Verf.] innerhalb eines funktionellen Systems [z. B. der Mathematik, Anm. des Verf.], das zur Bewältigung einer bestimmten Anpassungsaufgabe [z. B. Kopfrechnen, Anm. des Verf.] notwendig ist.“[21] Sind „basale Teilleistungen“ wie in diesem Beispiel die Leistung der auditiven Kurzspeicherung gestört, kann sich dies auf den Erwerb mathematischer Grundbegriffe auswirken.
Da es sich bei der Fähigkeit des Rechnens jedoch um keine „basale Teilleistung“ in der Wahrnehmung, im Verstehen, in der Sprache oder in der Motorik handelt, sondern um eine komplexe, auf einer Vielzahl von basalen Teilleistungen beruhende geistige Tätigkeit, darf von einer „Rechenschwäche“ nicht als „basaler Teilleistungsschwäche“ gesprochen werden. Es gibt keine Untersuchungen, welche einen ursächlichen und direkten Zusammenhang zwischen fehlenden basalen Fähigkeiten und mathematischem Lernen nachweisen. Neuropsychologische Defizite können das Lernen erschweren, dürfen aber weder als generelles Merkmal noch als Ursachen von Rechenschwäche betrachtet werden.
Häufig wird die Definition nach der ICD 10 (International Classification of Diseases) der WHO herangezogen, die die „Rechenstörung“ unter dem Code F81.2 als „Entwicklungsstörung“ bezeichnet und folgendermaßen definiert:
„Diese Störung beinhaltet eine umschriebene Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine eindeutig unangemessene Beschulung erklärbar ist. Das Defizit betrifft die Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division, weniger die höheren mathematischen Fertigkeiten, die für Algebra, Trigonometrie, Geometrie und Differential- sowie Integralrechnung benötigt werden.“
In den „diagnostischen Leitlinien“ heißt es: „Die Rechenleistung des Kindes muss eindeutig unterhalb des Niveaus liegen, welches aufgrund des Alters, der allgemeinen Intelligenz und der Schulklasse zu erwarten ist. Dies wird am besten auf Grundlage eines standardisierten Einzeltests für Rechenfähigkeit beurteilt. Die Lese- und Rechtschreibfähigkeiten des Kindes müssen im Normbereich liegen, nach Möglichkeit beurteilt auf der Grundlage einzeln angewendeter, angemessener standardisierter Testverfahren. Die Rechenschwierigkeiten dürfen nicht wesentlich auf unangemessene Unterrichtung oder direkt auf Defizite im Sehen, Hören oder auf neurologische Störungen zurückzuführen sein. Ebenso dürfen sie nicht als Folge irgendeiner neurologischen, psychiatrischen oder anderen Erkrankung erworben worden sein.“
Die Definition der WHO zieht einen Vergleich zwischen den Rechenleistungen eines Kindes und der Gesamtheit seiner geistigen Fähigkeiten. Neben der Diskrepanz zwischen der Teilleistung im Rechnen und der aufgrund des IQ zu erwartenden Leistung hebt die ICD 10 die Entwicklungsbezogenheit und das Fehlen familiärer, unterrichtlicher und psychosozialer Belastungen sowie psychischer und neurologischer Erkrankungen hervor.
Anders als im DSM VI[22] wird in der Diskrepanz-Definition der WHO gefordert, dass die Kinder keine Störungen im Lesen oder Rechtschreiben zeigen. Dass sich die Betroffenen häufig bereits im „Teufelskreis Lernstörungen“ befinden und ihre erlernte Misserfolgsorientierung auf andere Fächer übertragen haben, wird dabei ebenso außer Acht gelassen wie der Umstand, dass die meisten herkömmlichen Testverfahren zur IQ-Bestimmung rechnerisches Denken einschließen.
Die Betrachtungsweise solcher Diskrepanz-Definitionen gilt in der neueren sonderpädagogischen und mathematikdidaktischen Forschung als überholt. So liest man bei Grissemann: „Die Förderungsbedürftigkeit sollte nicht abhängig gemacht werden von einer relativ hohen ‚Testintelligenz‘. Alle Schüler mit mathematischen Lernproblemen, auch ohne eine solche Diskrepanz, auch Schüler, die (momentan) intellektuell weniger entwickelt sind, haben Förderungschancen und sollten von den förderpädagogischen Fortschritten profitieren können.“[23]
Gaidoschik bietet eine Definition für den Begriff Rechenschwäche an, der ohne das Diskrepanz-Kriterium auskommt und die zahlreichen Interaktionen berücksichtigt, in denen sich mathematisches Lernen vollzieht: „Rechenschwäche ist demnach auf der Ebene des kindlichen Denkens ein klar beschreibbarer Zusammenhang von Fehlvorstellungen, fehlerhaften Denkweisen und letztlich nicht zielführenden Lösungsmustern zu den ‚einfachsten‘ mathematischen Grundlagen.“[24]
Da sich das Problem der Definition nicht abschließend klären lässt, wird es zurückgestellt und macht der Frage nach Symptomen, Ursachen und Möglichkeiten zu Erkennung und Behebung der Rechenschwäche Platz.
1.3 Allgemeine Beschreibung und Symptomatik
„Rechenschwache Kinder lernen genauso viel wie ihre Klassenkameraden, aber das Falsche. Rechenschwache Schüler nutzen den Ordnungsgrad des dargebotenen Materials nicht aus, besser: Sie erkennen ihn nicht immer oder geben ihm von sich aus keine Struktur. Damit entgeht ihnen die Möglichkeit, jenseits mechanisch-assoziativen Memorierens sich logischer Einprägehilfen zu bedienen und für die Aufgabenstellung Unwesentliches fortzulassen.“[25]
Rechenschwache Kinder können Schwierigkeiten beim sicheren Erkennen von Klassen- oder Gruppenzusammengehörigkeiten haben. Allerdings sind Klassifizierungen immer an sprachliche Vermittlung geknüpft. Unabhängig von seinen mathematischen Fähigkeiten wird es einem Kind mit sprachlichen Defiziten und geringem Wortschatz schwerfallen, Oberbegriffe richtig zu verwenden. Darüber hinaus spielt der persönliche Bezug des Kindes zu den Dingen eine Rolle. So können beispielsweise bei „Eis, Schnee, Opa und Kühlschrank“ das Eis, der Opa und der Kühlschrank einer Gruppe zugeordnet werden, weil der Großvater des Kindes Eisverkäufer ist und in seinem Café ein großer Kühlschrank steht. Den Oberbegriff „Kälte“ lässt das Kind dabei außer Acht.
Präsentiert man einem betroffenen Kind zwei Reihen mit parallel angeordneten Steckwürfeln und wird der Abstand zwischen den Würfeln einer Reihe vor den Augen des Kindes vergrößert, ist ein Kind mit varianter Mengenauffassung der Überzeugung, die auseinandergezogene Reihe enthalte mehr Würfel. Obwohl jedem Würfel der ersten Reihe genau ein Würfel der zweiten Reihe zugeordnet werden kann und jeder Würfel der zweiten Reihe genau einmal als zugeordnetes Element vorkommt, ist das Kind nicht in der Lage, die Gleichmächtigkeit beider Mengen zu erfassen. Die Begriffe „mehr“, „weniger“ und „gleich viel“ sind einigen rechenschwachen Kindern nicht klar.
Einige rechenschwache Kinder haben Probleme beim Zahlenverständnis, da ihnen die Eins-zu-eins-Zuordnung als Grundlage für die Anzahlbestimmung noch nicht klar ist. Stimmt das korrekte Aufsagen der Zahlwortreihe nicht mit der Zählhandlung überein, spricht das Kind beispielsweise „acht – zehn“, tippt dabei zwei Würfel an und ermittelt damit eine um eins zu geringe Würfelanzahl, so hat es nicht begriffen, dass jedem gezählten Element genau ein Zahlwort zuzuordnen ist.
Rechenschwache Kinder können Schwierigkeiten beim Erfassen der Kardinal- und Ordnungszahlen haben. Zählt ein betroffenes Kind eine Reihe von Würfeln ab und tippt auf den achten Würfel, so denkt es bei „acht“ nur an diesen einen zuletzt angetippten Steckwürfel. „Acht“ bedeutet für das Kind in diesem Beispiel einen bestimmten Platz in der Reihe. Dass mit dem Zahlwort „acht“ die Gesamtheit aller bis dahin gezählten Gegenstände ausgesprochen wird, ist ihm nicht bewusst. Entsprechend entrüstet reagieren diese Kinder, wenn man ihnen ein anderes als das von ihnen verinnerlichte Fingerbild für die „Acht“ zeigt. Zwar zeigen sie auf die Aufforderung: „Zeig mir acht!“ acht Finger in die Höhe, meinen aber den Mittelfinger der linken oder rechten Hand. Mit dieser Zahlauffassung kann sich das Kind nicht dauerhaft merken, dass eine Hand stets fünf Finger hat, sondern zählt diese unermüdlich von eins an hoch.
Eine Zahl zu ermitteln bedeutet, seine Finger nacheinander auszustrecken und parallel dazu die Zahlwortreihe aufzusagen. Entsprechend wird ein rechenschwaches Kind auf die Bitte „Zeig mir mit deinen Fingern acht!“ acht Finger einzeln hochzählen. Wird es anschließend aufgefordert, „neun“ zu zeigen, zählt es nicht bei „acht“ weiter, sondern beginnt aufs Neue, von der „Eins“ an zu zählen. „In diesen Vorgehensweisen zeigt sich, dass das Kind zwischen den Zahlen keinerlei Bezug sieht: Jede Zahl steht als Rangplatz für sich da, zu jeder Zahl muss sich das Kind einzeln hochzählen.“[26]
Da die Zahlwortreihe nicht vor dem Hintergrund „etwas ist mehr oder weniger“ verstanden, sondern auswendig gelernt wurde, kann das Kind nicht angeben, was „um eins mehr als acht“ ist. Diese Fragestellung ist für es gleichbedeutend mit „Was kommt nach acht?“. Und so, wie die meisten Erwachsenen auf die Frage, welcher Buchstabe nach dem O im Alphabet steht, in Gedanken beim M oder N beginnen und dann den „Nachfolger“ ermitteln, geht dieses Kind gedanklich die Zahlwortreihe von eins bis neun hoch. Entsprechend kommt es zu dem Schluss, dass „neun“ mehr als „acht“ ist, weil „neun“ in der Zahlwortreihe weiter hinten steht.
Indem sich seine Zahlauffassung nur auf die Reihenfolge der Zahlen konzentriert, kann die Addition nur durch Hinauf- und die Subtraktion nur durch Hinunterhüpfen in der Zahlwortreihe gelöst werden. Lernt es im Erstunterricht den Zahlenstrahl als „Hüpf-Anordnung“ kennen, wird es in seiner Vorstellung noch bestärkt. Die Aufgabe „2 + 3“ löst ein Kind mit „Rangplatzverständnis der Zahlen“,[27] indem es zählt: „eins, zwei“ und dabei zwei Finger ausstreckt, „eins, zwei, drei“ und drei weitere Finger ausstreckt, um die nun hochgehaltenen fünf Finger noch einmal von vorn zu zählen: „eins, zwei, drei, vier, fünf.“ Es hüpft los vom zweiten Platz, drei Plätze weiter und kommt beim fünften Finger an, ohne einen Gedanken an „mehr“ oder „weniger“.
Das Kind hat gelernt, das neben der Schrittfolge „1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10“, die es bei Additionsaufgaben anwenden muss, noch eine zweite Schrittfolge existiert:“10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1“. Das Rückwärtszählen ist ihm weniger vertraut und so wird bei Subtraktionsaufgaben mitunter hochgezählt, woraufhin Lehrer und Eltern auf Ergebnisse wie „6 – 4 = 10“ mit der verständnislosen Frage „Siehst du denn nicht, dass das weniger werden muss?“ reagieren. Für Kinder mit diesem Rangplatzverständnis besteht kein Zusammenhang zwischen „6 – 4 = 2“ und „2 + 4 = 6“. Die erste Aufgabe bedeutet für sie hoch-, die andere Aufgabe herunterzählen.
In der Literatur findet man häufig die Aussage, rechenschwache Kinder litten unter mangelnder Gedächtnis- und Konzentrationsfähigkeit. Bedenkt man, dass die Zahlenraumerweiterung bis 100 für Kinder mit Rangplatzverständnis bedeutet, dass 90 neue Zählnamen gemerkt werden müssen und dass darüber hinaus Aufgaben wie „38 + 26“ eine gewaltige Konzentrationsleistung darstellen, müssen sie doch mitunter ohne Zählhilfen in mühevollen Einzelschritten ausgezählt werden, „wäre es sicher falsch (auch wenn man es hin und wieder hört) zu sagen, ein Schüler habe eine niedrige Mathematikkonzentration, seine mathematische Aufmerksamkeit sei gering, und diese erkläre seine schlechte Rechenleistung.“[28]
Defizite im Vorstellungsvermögen, Schwierigkeiten beim Lösen von Sachaufgaben und Probleme beim Verstehen und Unterscheiden der mathematischen Zeichen zählen ebenfalls zu den Anzeichen für Rechenschwäche. Das Verständnis im Rechenunterricht und die Dekodierung von Textaufgaben können durch Leseschwäche und sprachliche Schwierigkeiten beim Verstehen der Wortbedeutung und der syntaktischen Zusammenhänge beeinträchtigt werden. „Textaufgaben stellen insofern eine besondere Schwierigkeit dar, als im Gegensatz zu schlichten Rechenaufgaben die Entscheidung über die auszuführende Operation verlangt wird. Dies führt rechenschwache Schüler häufig dazu, die in der Aufgabe enthaltenen Ziffern zu kombinieren.
[...]
[1] Zur Verbesserung der Lesbarkeit wird in dieser Arbeit ausschließlich die weibliche Form der Lehrperson verwendet. Diese impliziert aber immer auch die männliche Form.
[2] Alle Namen und Orte dieser Fallstudie, die eine Wiedererkennung ermöglichen würden, wurden anonymisiert. Die Eltern haben sich mit der Veröffentlichung der Fotos einverstanden erklärt.
[3] Vgl. Zielinski, W.: Lernschwierigkeiten. Stuttgart 1998, S. 9.
[4] Ebd., S. 11.
[5] Ebd.
[6] Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus zur Förderung von Schülern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche (VwV LRS-Förderung), Fassung vom 06.06.2008.
[7] Beispielhaft sei der Stundensatz eines Therapiezentrums von 55,45 € genannt (Az.: 5 K 1733/05, Verwaltungsgericht Leipzig).
[8] § 35a SGB VIII in der Fassung vom 26.06.1990, BGBI. I S. 1163.
[9] Schipper, W.: Das Dyskalkulie-Syndrom. In: Die Grundschulzeitschrift 158/2002, S. 50.
[10] § 35a SGB VIII in der Fassung vom 26.06.1990, BGBI. I S. 1163.
[11] Zur Verbesserung der Lesbarkeit wird in dieser Arbeit ausschließlich die männliche Form „der Schüler“ verwendet. Diese impliziert aber immer auch die weibliche Form.
[12] Lorenz, J. H./Radatz, H.: Handbuch des Förderns im Mathematikunterricht. Hannover 1993, S. 16.
[13] Schipper, W.: Das Dyskalkulie-Syndrom. In: Die Grundschulzeitschrift 158/2002, S. 51.
[14] Meyer, S.: Was sagst du zur Rechenschwäche, Sokrates? Luzern 1993, S. 6.
[15] Lorenz, J. H./Radatz, H.: Handbuch des Förderns im Mathematikunterricht. Hannover 1993. S.17
[16] Meyer, St.: Was sagst du zur Rechenschwäche, Sokrates? Luzern 1993, S. 8.
[17] Die aus dem Griechischen kommende Vorsilbe „dys“ bedeutet soviel wie schwer oder schwierig und verweist auf eine Störung der normalen Funktion. In Zusammensetzung mit „kalkulie“, was sich auf „calculus“ aus dem Lateinischen bezieht und soviel wie Steinchen, Spielsteinchen oder Rechensteinchen bedeutet, meint der Terminus „Dyskalkulie“, dass das Kind im Umgang mit Rechensteinchen, im übertragenen Sinn mit Rechenoperationen, Schwierigkeiten hat.
[18] Zusammengesetzt aus den griechischen Wörtern „arithmós“, was soviel wie Zahl oder Menge bedeutet, und „asthénema“, was mit Körperschwäche und Armut übersetzt wird, versteht man unter „Arithmasthenie“ die Zählschwäche.
[19] Ein Symptomkomplex, welcher nach einem Hirninfarkt oder Schlaganfall auftritt. Betroffene sind umfassend geistig behindert und fallen nicht in erster Linie durch ihre mathematischen Defizite auf.
[20] Akalkulie nennt man die erworbene Unfähigkeit zum Umgang mit Zahlen, welche durch Hirninfarkte, ‑blutungen, -tumore, -verletzungen und -entzündungen sowie andere das Gewebe beeinträchtigende Ursachen entstehen kann; vgl. Karnath, H-O./Thier, P.: Akalkulie – Störungen der Rechenfähigkeit. In: Neuropsychologie. Springer-Verlag 2003, S. 430ff.
[21] Graichen, J.: Zum Begriff der Teilleistungsstörungen. In: Lempp, R. (Hrsg.): Teilleistungsstörungen im Kindesalter. Bern/Stuttgart 1979, S. 96.
[22] Im „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“ (DSM IV) der American Psychiatric Association werden für die Störung der mathematischen Fertigkeiten unter der Kodierung 315.1 die folgenden Kriterien genannt: „Zentrales Merkmal der Rechenschwäche [mathematics disorder] sind mathematische Fähigkeiten (wie sie in standardisierten Tests zum Rechnen und zu mathematischem Verständnis erfasst werden), die erheblich hinter den für dieses Lebensalter, die Intelligenz und das Unterrichtsniveau erwarteten zurückbleiben (Kriterium A). Die Störung wirkt sich deutlich nachteilig auf die akademische Leistung und auf Alltagsaktivitäten aus, die mathematische Fertigkeit erfordern (Kriterium B). Sofern eine Störung elementarer Wahrnehmungsfunktionen vorliegt, so übersteigen die Schwierigkeiten in den mathematischen Fertigkeiten das für diese Störung übliche Ausmaß (Kriterium C).“
[23] Grissemann, H./Weber, A.: Grundlagen und Praxis der Dyskalkulietherapie. Göttingen 2000, S. 8.
[24] Gaidoschik, M.: Rechenschwäche – Dyskalkulie. Eine unterrichtspraktische Einführung für LehrerInnen und Eltern. 4. aktualisierte Auflage, Wien 2008, S. 13.
[25] Lorenz, J. H./Radatz, H.: Handbuch des Förderns im Mathematikunterricht. Hannover 1993, S. 190.
[26] Gaidoschik, M.: Rechenschwäche – Dyskalkulie. Eine unterrichtspraktische Einführung für LehrerInnen und Eltern. 4. aktualisierte Auflage, Wien 2008, S. 31.
[27] Gaidoschik, M.: Rechenschwäche – Dyskalkulie. Eine unterrichtspraktische Einführung für LehrerInnen und Eltern. 4. aktualisierte Auflage, Wien 2008, S. 33.
[28] Lorenz, J. H./Radatz, H.: Handbuch des Förderns im Mathematikunterricht. Hannover 1993, S. 73.