Das Medium E-Book und die Zukunft der Literatur


Mémoire de Maîtrise, 2011

83 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG

2. ÜBERBLICK ÜBER DAS NEUE MEDIUM E-BOOK
2.1 DEFINITORISCHE ABGRENZUNG
2.2 TECHNISCHE ASPEKTE
2.2.1 E-Book Lesegeräte
2.2.1.1 E-Book-Reader als dezidierte Lesegeräte
2.2.1.2 Multifunktionale Lesegeräte - Tablet-PCs
2.2.1.3 Klein aber fein: Smartphones
2.2.1.4 Sonstige Lesegeräte
2.2.2 Formatvielfalt bei E-Books
2.2.3 Digitale Rights Management (DRM)
2.3 GESCHICHTE DES E-BOOKS: VON DEN ANFÄNGEN BIS HEUTE

3. MARKTANALYSE IM IN- UND AUSLAND
3.1 AMERIKA UND DIE E-BOOK-REVOLUTION
3.1.1 Prognosen für den amerikanischen Buchmarkt im Jahr 2015
3.2 GANZ AM ANFANG: DEUTSCHLAND AUF DEM WEG ZUR DIGITALISIERUNG
3.2.1 Marktbarrieren in Deutschland
3.2.2 Der deutsche E-Book-Markt 2015
3.3 CHANCE ODER RISIKO? DAS MARKTPOTENZIAL VON E-BOOKS

4. DAS ENHANCED E-BOOK - ENTSTEHUNG EINES NEUEN GENRES?
4.1 DEFINITION
4.2 DIE ENTWICKLUNG VON ENHANCED E-BOOKS
4.2.1 Apple als Ausgangspunkt
4.2.2 Enhanced E-Books in Deutschland
4.3 REALISIERTE ENHANCED E-BOOKS IM ÜBERBLICK
4.3.1 „Sturz der Titanen“
4.3.2 „Sherlock Holmes Experience“
4.3.3 „Strohfeuer“
4.3.4 „Grimm’s Rumpelstiltskin“ und „Grimms Rapunzel“
4.3.5 „Dracula: The Official Stoker Family Edition”
4.3.6 Zusammenfassung und Analyse
4.4 ZUKUNFTSVISIONEN
4.4.1 Hemmnisse
4.4.2 Potenziale
4.5 DIE BUCHBRANCHE IM WANDEL DER ZEITEN
4.5.1 Vom reinen Lesestoff zum erweiterten Content - Die Entstehung eines Enhanced E Books
4.5.2 Entwicklung neuer Kompetenzen
4.5.3 Print und Digital - Konkurrenz oder Koexistenz?

5 AUSWIRKUNGEN AUF DIE LITERATUR
5.1 ENTSTEHUNG NEUER LITERATUR- UND KUNSTGENRES
5.2 DIGITALE LITERATUR
5.2.1 Hypertext
5.2.1.1 Definition
5.2.1.2 Die Rolle des Textes: Verhältnis von Hypertext und Narration
5.2.1.3 Die Rolle des Lesers und Autors
5.3 DIGITALE LITERATUR RELOADED?
5.3.1 „Glanz“ von Karl Osberg
5.4 LITERATUR ODER KUNST?

6. FAZIT

7. LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

8. ANHANG
8.1 EXPERTENINTERVIEWS
8.1.1 Interview mit Georg Buß, Projektmanager für das Digitalbuch beim Rowohlt Verlag, vom 16.12.2010
8.1.2 Interview mit Marcus Thie, Verkaufsleiter für E-Books beim Aufbau Verlag, vom 28.12.2010
8.1.3 Interview mit Karl Osberg vom 16.12.2010

1. Einleitung

Die Möglichkeit, Bücher zu digitalisieren und online zu vertreiben, ist die erste radikale Zäsur in der sechshundert Jahre alten Geschichte des Mediums Buch. Die Art des Drucks und die Art, wie Bücher gelesen wurden, haben sich seit Gutenbergs Erfindung der Druckpresse um 1450 nicht wesentlich verändert.1

Angesichts dieser einschneidenden Veränderungen und der Einführung des neuen Mediums E-Book wird immer wieder die Frage nach dem Fortbestand des physischen Buches gestellt und kontrovers diskutiert. In der Regel richtet sich der Fokus dabei auf die Rolle des Buches/E-Books als Trägermedium der Literatur. Die sich aus der Digitalisierung ergebenden Möglichkeiten und Perspektiven für die Literatur selbst werden dagegen weitaus seltener in den Blick genommen. Dies kann nur verwundern, wenn man bedenkt, dass moderne E-Book-Lesegeräte nichts anderes als tragbare Computer sind. Diese haben wiederum den Status eines „Metamediums, das zahlreiche andere Medien integrieren und neu zusammenführen kann“2, inne und ermöglichen somit vielfältige Variationen im Umgang mit Text. Diese neuen Möglichkeiten wurden bei der Beschäftigung mit E-Books bislang kaum thematisiert. Um diese Lücke zu schließen, untersucht die vorliegende Arbeit das Medium E-Book hinsichtlich seines innovativen Potenzials für die ästhetische Gestaltung literarischer Texte. Im Blickpunkt steht dabei das noch sehr junge Phänomen des Enhanced E-Books, das sich durch die Einbindung der Gestaltungsmöglichkeiten, die die heutige Generation der E-Book-Lesegeräte offeriert, auszeichnet. Auf dieser Basis wird die Arbeit dann Thesen für die Zukunft der Literatur aufstellen und ästhetische Potenziale aufzeigen.

Damit dies gelingen kann, schafft eine Einführung in das neue Medium E-Book, bei der die Definition, die technischen Voraussetzungen und die geschichtliche Entwicklung geklärt werden, die Grundlagen für die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema. Daraufhin folgt ein Überblick über die Marktsituation in den USA, die als Vorreiter im E-Book-Geschäft gelten und für die Entwicklung in Deutschland, die noch am Anfang steht, mögliche Tendenzen aufzeigen kann. Dabei werden Marktbarrieren und -potenziale aufgezeigt, auf deren Basis Prognosen für die Marktentwicklung in den nächsten Jahren aufgestellt werden. Als besonders großes Potenzial sowohl für den E-Book-Markt als auch für die Literatur hat die Arbeit das Enhanced E-Book ausgemacht. In einem ersten Schritt wird der Versuch einer definitorischen Abgrenzung unternommen, bei der die spezifischen Eigenheiten des Enhanced E-Books aufgezeigt werden. Daran anknüpfend soll die Entwicklung dieser neuen Erscheinung bis zum jetzigen Zeitpunkt dargestellt werden. Für eine Vertiefung sorgt eine Auswahl von bislang realisierten Enhanced E-Books, die beschrieben und anschließend analysiert werden. Daraufhin werden die Konsequenzen, die sich aus diesem neuen E-Book- Format für die Buchbranche ergeben, thematisiert. Um dies zu bewerkstelligen, wurden im Rahmen dieser Arbeit Experteninterviews mit Vertretern des Rowohlt Verlags und des Aufbau Verlags sowie mit dem Schriftsteller Karl Osberg geführt, da sowohl beide Verlage als auch Osberg schon Erfahrungen bei der Produktion von Enhanced E-Books gesammelt haben. Im letzten Kapitel soll schließlich die Frage nach dem Einfluss des (Enhanced) E-Books auf die Literatur der Zukunft beantwortet werden. In diesem Kontext wird die Arbeit Bezug auf die sogenannte digitale Literatur nehmen, um Rückschlüsse über mögliche Entwicklungen von spezifischen (Enhanced) E-Book-Texten zu erhalten. Am Ende wird die durch die Kombination verschiedener Medien erschwerte Grenzziehung zwischen Literatur und Kunst thematisiert.

2. Überblick über das neue Medium E-Book

Seit mehreren Jahrzehnten wird nun schon diskutiert, wie die Zukunft des Buches aussehen wird. E-Books haben in den letzten Jahren dank neuer und attraktiver Lesegeräte verstärkt an Aufmerksamkeit in der Presse und in der Buchbranche gewonnen. Das Angebot sowie der Umsatz von digitalisierter Literatur sind, vor allem in den USA, stark gewachsen, und immer mehr Verlage und andere (Software-)Unternehmen entschließen sich, ihre Bücher zu digitalisieren und mit dem neuen Medium zu experimentieren.

Zu Beginn der Beschäftigung mit dem digitalen Literaturträger ist es in einem ersten Schritt wichtig, zu klären, was unter einem E-Book verstanden wird und welche technischen Voraussetzungen dafür nötig sind. Anschließend wird in Kürze die Geschichte und die Entwicklung von E-Books und Lesegeräten bis zum heutigen Zeitpunkt dargestellt.

2.1 Definitorische Abgrenzung

Der Begriff „Elektronisches Buch“, „Electronic Book“ oder „E-Book“ ist bis heute nicht einheitlich definiert.3 Es existieren unterschiedliche Definitionen, die vielfältig sind und sich wie das Medium selbst in ständiger Entwicklung befinden. Das Börsenblatt stellte 2001 fest: „E-Books sind mehr als Lesegeräte: Im Prinzip lassen sich darunter alle Bücher fassen, die in digitaler Form vorliegen und elektronisch genutzt werden könnten.“4 Irreführenderweise wird der Begriff aber bei Verlagen, in den Medien und in wissenschaftlichen Arbeiten derzeit sowohl für digitale Buchinhalte als auch für Hardware- (Lesegeräte) und Softwarekomponenten (Lesesoftware) verwendet. Die inhaltsbezogene Interpretation überwiegt vor allem in letzter Zeit aber deutlich.5 Daher und um den neuesten Entwicklungen im Bereich digitalisierter Literatur Rechnung zu tragen, wird diese Arbeit das Medium E-Book auf Grundlage folgender Definition analysieren:

An electronic book is one or several files of monographic character available to the public online or in their physical form (on CD, diskette or the like physical carriers). In addition to text it may include images and sound, links to related online pages and software to change and supplement it.6

Diese Definition begrenzt das E-Book auf seinen Inhalt, der in digitaler Form vorliegt, und gewährleistet, dass es den monographischen Charakter eines Buches beibehält. Zusätzlich „schließt die Definition multimediale Elemente, wie zum Beispiel Töne, Bilder, Software oder Hyperlinks, die einen wesentlichen Mehrwert zu einem elektronischen Buch darstellen können, ein.“7 Ferner ist hervorzuheben, dass diese Definition E-Books nicht nur als digitale Form eines Buches, das zuvor in Print-Form vorgelegen hat, begreift. Denn sowohl gedruckte Bücher, die zusätzlich in digitaler Form veröffentlicht werden, als auch Bücher, die ausschließlich als elektronisches Buch angeboten werden, sind in diese Definition eingeschlossen.8 Dies ist deswegen wichtig, weil es durchaus möglich ist, dass Verlage Bücher zukünftig ausschließlich als elektronisches Buch anbieten. Außerdem sind auf lange Sicht Bücher denkbar, die speziell für E-Book- Lesegeräte geschrieben und entwickelt worden sind und die als Print-Ausgabe gar nicht funktionieren würden. Daher wäre eine Definition, die das E-Book als reine digitale Umsetzung von herkömmlichen Büchern beschreibt, zu eng gefasst.

2.2 Technische Aspekte

Im Gegensatz zum gedruckten Buch, das ohne zusätzlichen Geräte oder Software auskommt, benötigen E-Books zur Darstellung elektronische Lesegeräte. Diese interpretieren mit Hilfe einer Software die verschiedenen Formate der digitalen Bücher.

2.2.1 E-Book Lesegeräte

Das E-Book, also der elektronisch vorliegende Inhalt, wird mit Hilfe von E-Book- Lesegeräten dargestellt. Hierbei ist zwischen dezidierten Lesegeräten (im Folgenden E-Book-Reader genannt), die explizit für das Lesen von E-Books entwickelt wurden und (oftmals) keine anderen Funktionen aufweisen, und alternativen multifunktionalen Lesegeräten, wie zum Beispiel PCs, Laptops Smartphones und seit kurzem auch Tablets-PCs zu unterscheiden. Der Bezug von E-Books erfolgt überwiegend über den Download bei spezifischen Onlinehändlern, Verlagen oder Internetportalen mit rechtefreiem Content. Hierbei kann man zwischen Lesegeräten mit und ohne Internetanschluss unterscheiden. Erstere haben oft eine direkte Verbindung zu Buchshops, in denen der Nutzer die E-Books direkt auf sein Lesegerät herunterladen kann. Verfügt das Lesegerät über keinen Internetzugang, erfolgt der Download zunächst auf einen Computer und dann mittels einer USB-Übertragung auf das jeweilige Gerät.

Die folgende Übersicht beschränkt sich auf die Darstellung jener Lesegeräte, die am häufigsten genutzt werden bzw. die, die auf lange Sicht über ein großes Potenzial verfügen.

2.2.1.1 E-Book-Reader als dezidierte Lesegeräte

E-Book-Reader wurden speziell für das Lesen von digitalen Büchern entwickelt und sind im Gegensatz zu allen anderen Geräten nicht mit einem herkömmlichen LCD-Display ausgestattet, sondern mit speziellen E-Ink-Displays. Diese arbeiten in der Regel mit sogenannter elektronischer Tinte (E-Ink) bzw. elektronischem Papier (E-Paper). Diese Anzeigetechnik ermöglicht ein gestochen scharfes und ruhiges Schriftbild. Damit soll ein möglichst buchähnliches Leseerlebnis erzeugt werden.9 Mit dieser Technologie sind E-Book-Reader zudem die einzigen Lesegeräte, die auch bei Sonnenlicht ohne Einschränkung für das Lesen von digitalen Büchern zu nutzen sind. Hinzu kommt, dass die E-Ink-Displays kein Hintergrundlicht benötigen und somit ein Flackern, wie beispielsweise bei Computerdisplays, vermieden wird. Bisher sind nur Modelle mit schwarz-weißer Anzeige im Handel erhältlich, das chinesische Unternehmen Hanvon hat jedoch angekündigt, im März 2011 den ersten E-Book-Reader mit Farbdisplay herauszubringen.

2.2.1.2 Multifunktionale Lesegeräte - Tablet-PCs

Der Tablet-PC hat sich vor allem in letzter Zeit zu einer beachtenswerten Alternative zum E-Book-Reader entwickelt. Tablets sind tragbare Computer, die mit einem Touchscreen ausgestattet sind und ohne Maus und Tastatur auskommen. Sie zeichnen sich durch ihre Multifunktionalität aus, denn sie ermöglichen das (mobile) Surfen im Internet, die Darstellung von Bildern, das Abspielen von Video- und Audiodateien, das Spielen von (Online-)Spielen sowie das Abonnement von Zeitungen und Zeitschriften.10 Die Darstellung von E-Books erfolgt hierbei nicht mit Hilfe der E-Ink-Technologie, sondern durch ein LED- beleuchtetes LCD-Display. Somit ermöglicht der Tablet-PC eine farbige Darstellungsform und das Lesen im Dunkeln ohne zusätzliche Lichtquelle. Im Gegensatz zu E-Book-Readern sind die LCD-Displays der Tablets jedoch für das Lesen bei direkter Sonneneinstrahlung nicht geeignet. Zudem verfügen die derzeit erhältlichen Tablet-Modelle im Vergleich zu dezidierten Lesegeräten über eine geringere Akkuleistung und über ein höheres Gewicht.11

2.2.1.3 Klein aber fein: Smartphones

Smartphones sind Mobiltelefone mit erweitertem Funktionsumfang. Zu den typischen Eigenschaften eines Smartphones zählen im Vergleich zu normalen Mobiltelefonen große und hochauflösende Bildschirme bzw. Touchscreens. Zudem verfügen sie über ein Betriebssystem, das ihnen die Installation von Programmen und Anwendungen von Drittherstellern erlaubt. Das Smartphone ist multifunktional und vielfältig in seiner Anwendung: Nutzer können es neben dem Telefonieren u.a. für den Internetzugang, als Medienabspielgerät, Datenspeicher, Foto- und Videokamera oder als Taschencomputer verwenden. Daher kann das Smartphone auch als Lesegerät von E-Books fungieren. Zahlreiche Unternehmen bieten bereits E-Books und Anwendungen zum Lesen dieser Bücher für Smartphones an. Die besonderen Vorteile für das Lesen von E-Books sind die Handlichkeit und die üblicherweise vorhandene Internetverbindung dieser Geräte.

Nachteilig wirken sich das kleine Display und die vergleichsweise kurzen Akkulaufzeiten auf das Leseerlebnis aus.12

2.2.1.4 Sonstige Lesegeräte

E-Books lassen sich natürlich auch auf PCs, Laptops oder Netbooks lesen. Auch dafür ist eine Lesesoftware nötig. Da diese Geräte der Haptik des Lesens mit einem herkömmlichen Buch allerdings so wenig entsprechen, stellen sie vor allem im belletristischen Segment keine ernstzunehmende Alternative zu den anderen Lesegeräten dar.

2.2.2 Formatvielfalt bei E-Books

Digitale Bücher werden derzeit in unterschiedlichen Formaten angeboten. Diese werden dann mit Hilfe sogenannter Software-Reader, die frei verfügbar sind oder vom Hersteller bereitgestellt werden, auf den Lesegeräten interpretiert und angezeigt. Es gibt bisher kein anerkanntes Standardformat für E-Books. Die drei Formate Mobipocket, ePUB und PDF sind zurzeit am weitesten verbreitet, wobei das Format PDF aufgrund seiner statischen Anzeige für belletristische Bücher nur bedingt geeignet ist und vor allem in Fach- und Wissenschaftsverlagen Anwendung findet. Das XML-basierte EPub-Format hingegen ist für die Darstellung von belletristischen Texten ideal, da der Text der Größe des Displays dynamisch angepasst wird. Zudem ist eine Vergrößerung der Schrift möglich, was zu einer verbesserten Lesbarkeit am Bildschirm führt. Die Vielfalt der Formate führt zu Kompatibilitätsproblemen bei den E-Book-Readern, da nicht jedes Gerät alle Formate interpretieren kann. Während einige Anbieter auf das offene ePUB- Format setzen, bieten andere ihre E-Books in proprietären, d.h. urheberrechtlich geschützten Formaten an. So nutzt beispielsweise der Onlinehändler Amazon sein eigenes proprietäres Format AWZ, das auf Mobipocket beruht und für das Lesegerät Kindle entwickelt wurde. Einige andere Endgerätehersteller, wie zum Beispiel Sony, unterstützen dieses Format wiederum nicht.13 Mit dem Kauf eines Lesegeräts entscheidet sich der Kunde daher automatisch auch für ein bestimmtes Format bzw. für mehrere bestimmte Formate, je nachdem wie viele Formate der jeweilige Reader interpretieren kann.

Für Smartphones und Tablet-PCs kommt ein weiteres Format hinzu: die sogenannten Applikationen (kurz: Apps). Es handelt sich dabei um eine Anwendung bzw. um eine Software, die speziell für bestimmte Geräte entwickelt wird. Applikationen spielen insbesondere bei Smartphones oder Tablets eine große Rolle und es gibt sowohl für Apple-Reader (iPhone, iPod touch und iPad) als auch für andere Betriebssysteme von Smartphones, z.B. Android, E-Book- Applikationen. Die Multifunktionalität dieser Geräte erlaubt es, dass E-Books im App-Format über den Text hinaus mit zusätzlichen Funktionen und Inhalten angereichert werden können.

2.2.3 Digitale Rights Management (DRM)

Um die unerlaubte Vervielfältigung von E-Books zu verhindern, werden diese häufig durch so genannte Digital Rights Management-Systeme mit individuellen Lizenzen und Schutzvorrichtungen versehen. Diese Systeme nennt man „hartes DRM“, denn sie beschränken die Handhabung von E-Books auf einen genau definierten Nutzungsvorgang, wie etwa das einmalige Downloaden der E-Books oder das Kopieren in genau vorgegebener Anzahl.14 Damit soll verhindert werden, dass E-Books illegal vervielfältigt und verbreitet werden. Eine weniger rigide Möglichkeit ist das „weiche DRM“, bei dem das erworbene E-Book mit Wasserzeichen, die den Namen und die Registrierungsnummer des Käufers beinhalten, gekennzeichnet werden. Ob digitale Bücher eine DRM- Schutzvorrichtung erhalten oder nicht, entscheidet jeweils der Verlag bzw. der Autor.

2.3 Geschichte des E-Books: Von den Anfängen bis heute

Die heutige Generation der Lesegeräte ist das Produkt einer langen und wechselhaften Geschichte, in der E-Books „immer wieder mit großen Erwartungen angekündigt und zugleich skeptisch betrachtet“15 und vom Lesepublikum abgelehnt wurden. Im Folgenden werden kurz die wichtigsten Stationen in der Entwicklung dargestellt.

Das erste Modell für ein elektronisches Buch entstand bereits im Jahr 1945.16 Vannevar Bush wollte mit dem Memex ein Gerät entwickeln, das Bücher, Fotografien und andere Dokumente auf einem Bildschirm darstellen sollte. In den folgenden Jahrzehnten wurden zahlreiche neue Lesegeräte entwickelt und bereits in den achtziger Jahren kamen die ersten kommerziellen Geräte mit Lesefunktion auf den Markt. Da es sich dabei aber vielmehr um tragbare Computer, auf denen man zwar zusätzlich lesen konnte, die aber nicht speziell für diesen Zweck entwickelt wurden, handelte, konnten sie sich als Lesegeräte für E-Books nicht durchsetzen. Denn die kleinen Displays führten zu einer mangelhaften Qualität hinsichtlich der Lesbarkeit, während die Anschaffungskosten hingegen sehr hoch waren. Hinzu kam das kaum vorhandene Angebot an verfügbaren digitalen Inhalten.

Die Entwicklung der heutigen dezidierten E-Book-Reader setzte im Jahr 1998 mit dem Rocket eBook der Firma NuvoMedia ein. Die Designer legten nun erstmals ihren Fokus auf die Gestaltung des Lesegeräts, das einem physischen Buch möglichst nahe kommen sollte.17 Obwohl der technologische Fortschritt im Vergleich zu seinen Vorgängern beachtlich war und auch das E-Book-Angebot wuchs, konnte sich dieses Gerät nicht durchsetzen. Ebenso erging es den Nachfolgemodellen verschiedener Gerätehersteller, die größtenteils wirtschaftliche Misserfolge einfuhren. Daraufhin zogen sich einige Hersteller und Verlage erst einmal aus dem E-Book-Segment zurück. Die Gründe für das Scheitern der Lesegeräte waren neben dem immer noch nicht ausreichenden Angebot an digitalen Büchern und der geringen Attraktivität der Endgeräte (hinsichtlich Gewicht, Größe und Preis) auch die zum Teil sehr strikten DRM- Systeme, die dem Leser nicht nur die Weitergabe von E-Books, sondern auch den Ausdruck oder das Laden des Textes auf ein anderes Gerät untersagte. So erwarb der Käufer lediglich ein Leserecht, aber kein umfassendes Nutzungs- oder Eigentumsrecht.18 Im Vergleich zu einem gedruckten Buch musste der Verbraucher also überwiegend Nachteile bei der Handhabung von E-Books in Kauf nehmen.

2007 sorgte Amazon mit seinem Kindle für eine Wiederbelebung des Marktes, die bis heute anhält.19 Die in der Folgezeit entwickelten Geräte überzeugen mit größeren Displays und der lesefreundlichen E-Ink-Technologie, hoher Speicherkapazität, geringerem Gewicht und niedrigeren Kosten sowie mit Zusatzfunktionen wie dem WLAN- oder UMTS-Zugang und der integrierten Shopfunktion. Hinzu kommt, dass das Angebot an E-Books beträchtlich gewachsen ist. Verlage, Endgerätehersteller und Internetbuchhändler hoffen nun, dass die dritte Generation der E-Book-Reader sowie alternative Lesegeräte wie Tablet-PCs und Smartphones dem E-Book endlich zum Durchbruch verhelfen und ein neues Lesezeitalter einläuten.20

3. Marktanalyse im In- und Ausland

Um die Potenziale des Mediums E-Book zu erforschen, ist eine Marktanalyse notwendig, die die aktuelle Marktsituation darstellt, Gründe für (Miss-)Erfolge ausfindig macht und Tendenzen aufzeigt. Denn nur so ist es möglich, die Chancen des E-Books für den Buchmarkt und langfristig für die Literatur realistisch zu bewerten. Im Fokus dieser Analyse wird zunächst die rasante Marktentwicklung in den USA untersucht, da der US-Markt als Vorreiter im E-Book-Segment gilt. Dadurch lassen sich in einem zweiten Schritt auch Trends für die Digitalisierung in Deutschland ableiten und Marktbarrieren aufdecken. Abschließend werden die Chancen und Risiken des E-Books gegenübergestellt.

Zur Einschätzung der Marktsituation und der Chancen von E-Books und E-Book Readern beziehen sich die folgenden Ausführungen zu einem großen Teil auf die von PricewaterhouseCoopers (PwC) im September 2010 durchgeführte Studie „E-Books in Deutschland. Der Beginn einer neuen Gutenberg-Ära?“21. Diese Studie stützt sich auf mehr als 40 Experteninterviews mit Vertretern aus Unternehmen der gesamten Wertschöpfungskette, darunter Belletristik- und Fachbuchverlage, stationäre und Online-Buchhändler, Zwischenhändler, Gerätehersteller und Bibliotheken. Die Prognosen von PwC basieren neben der Expertenbefragung zudem auf umfangreichen Marktrecherchen sowie den Ergebnissen einer Konsumentenbefragung mit 1.000 Personen im Alter von 18-65 Jahren aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen.

3.1 Amerika und die E-Book-Revolution

Seit 2008 lässt sich in den USA eine wesentliche Marktbelebung im Segment E- Books beobachten, die vor allem auf die Einführung des Lesegeräts Kindle im Jahr 2007 zurückzuführen ist. Mittlerweile spricht die Branche vom explodierenden E-Book-Markt, der mit dreistelligen Wachstumsraten einen regelrechten Hype in Amerika ausgelöst hat. Dies ist deutlich an den Umsatzzahlen der vergangenen Jahre messbar, die der Amerikanische Verlegerverband, die Association of American Publishers (AAP), regelmäßig seit 2002 erhebt: 2008 betrug der Anteil von E-Books am gesamten amerikanischen Buchmarkt noch geringe 1,19 %. Ein Jahr später erhöhte sich der Umsatz schon auf 3,31 % und im August 2010 ermittelte die AAP eine Steigerung auf 9,03 %.22

Die Gründe für diese rasante Entwicklung sind neben der Markteinführung des attraktiven Lesegerätes Kindle und seinen Nachfolgemodellen auch das große Angebot an E-Books und deren Preisgestaltung in den USA. Bereits bei Markteinführung des Kindle verfügte beispielsweise der Amazon Store über 90.000 E-Books, darunter 102 der 112 Bücher umfassenden Bestsellerliste der New York Times. Aktuell bietet der Shop mehr als 620.000 kostenpflichtige und rund 1,8 Millionen gemeinfreie und damit kostenlose E-Books an. Auch beim weltweit größten Buchhändler Barnes & Noble können Konsumenten aus einem Angebot von mehr als 1,2 Millionen E-Books wählen.23 Neben dem umfangreichen Angebot ist die Preisstrategie ein weiterer wichtiger Faktor bei der Etablierung von E-Books auf dem Buchmarkt. Auch hier lohnt ein Blick auf den Marktführer Amazon, der den Markt 2007 mit seiner Preispolitik in Gang gebracht hat. Um sich als Verkaufsplattform für mobile Endgeräte durchzusetzen und Anreize für den Kauf von E-Books zu schaffen, lockte der Onlinehändler Kunden mit einem Einheitspreis von 9,99 US-Dollar für sämtliche E-Books an. Damit waren die digitalen Bücher nicht nur deutlich günstiger als die entsprechenden Hardcover-Ausgaben, sondern lagen auch unter dem durchschnittlichen Einkaufspreis von 12 bis 13 US-Dollar. Somit erzielte Amazon zwar zunächst keine Gewinne, förderte durch diese Investitionen aber die Akzeptanz von digitalen Büchern und elektronischen Lesegeräten beim Kunden. Inzwischen bietet Amazon seine E-Books zum Großteil zu Preisen zwischen 9,99 und 14,99 US-Dollar an.24

Ein weiterer Faktor, der bei der erfolgreichen Markteinführung des E-Books in den USA eine Rolle gespielt hat, ist die Verfügbarkeit von Print-Büchern im stationären Buchhandel. Im Vergleich zu Deutschland, wo Bücher in der Regel innerhalb von 24 Stunden verfügbar sind, ist das stationäre Buchhandelsnetz in Amerika unterentwickelt und auf Grund der Entfernungen dauern Buch- Bestellungen oft mehrere Tage. Von daher ist das Angebot von sofort verfügbaren digitalen Gütern für das amerikanische Lesepublikum besonders attraktiv.

3.1.1 Prognosen für den amerikanischen Buchmarkt im Jahr 2015

Die Prognosen für das Wachstum des amerikanischen E-Book-Marktes in den nächsten Jahren gehen mehrheitlich von einer signifikanten Steigerung aus. Das Marktforschungsinstitut Forrester Research veröffentlichte im November 2010 eine Studie zur Marktentwicklung in den USA. Diese besagt, dass sich der Umsatz von E-Books im Jahr 2015 nahezu um das Dreifache gesteigert haben wird. Demnach steigt der E-Book-Umsatz von 966 Millionen US-Dollar im Jahr 2010 auf knapp 3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2015.25 Auch Markus Dohle, Chief Executive Officer der weltweit größten Publikumsverlagsgruppe Random House, schätzt die Marktentwicklung positiv ein. Für das Jahr 2015 hält er einen E-Book-Marktanteil von 25 % für realistisch. Zudem sieht er in der von ihm erwarteten Koexistenz von Print- und Digitalbüchern ein erhebliches Wachstumspotenzial für den Gesamtbuchmarkt:

Print plus Digital ist mehr als 100%. Ob die Wachstumskomponente für den Gesamtmarkt nachhaltig 5 oder 15% sein wird, weiß heute niemand. Aber dass wir mit dem digitalen Format Wachstum generieren, ist eine tolle Botschaft.26

3.2 Ganz am Anfang: Deutschland auf dem Weg zur Digitalisierung

„E-Books sind in Deutschland in Wahrheit ein bislang nicht existenter Markt“27 urteilt Carl Halff, Chef der Weltbild Verlagsgruppe. Der E-Book-Umsatz beträgt in Deutschland aktuell weniger als ein Prozent. Auch das deutschsprachige Titel- Angebot ist wesentlich kleiner als in den USA. Obwohl Verkaufsplattformen wie buecher.de inzwischen mehr als 100.000 deutschsprachige E-Books anbieten, ist ein Großteil für die Nutzung auf einem Lesegerät nur bedingt geeignet, da sie im statischen Format PDF angeboten werden. Vor allem für belletristische Literatur ist das PDF Format aber nicht ideal, da eine dynamische Anpassung an das Lesedisplay nicht immer möglich ist. Aus diesem Grund kann es nötig werden, dass der Nutzer auf seinem Lesegerät nach rechts scrollen muss, wenn eine Textzeile breiter als der Bildschirm des Anzeigegerätes ist. So entfällt ein wesentlicher Aspekt in der Nachahmung der gewohnten Haptik mit herkömmlichen Büchern. E-Books im ePUB-Format, das für die Darstellung von literarischen Texten hervorragend geeignet ist, sind im Gegensatz dazu weitaus weniger verbreitet. Laut PwC gab es im Juli 2010 gerade einmal 8.000 E-Books in diesem Format.28 Halff spricht von etwa 40.000 verfügbaren digitalen Büchern.29 Obwohl die Zahlen schwanken, zeigen sie doch die Notwendigkeit, das Angebot an E-Books deutlich zu vergrößern. Denn laut Halff seien E-Book-Reader für den Nutzer erst ab einer Zahl von 300.000 bis 400.000 Titeln interessant.30

3.2.1 Marktbarrieren in Deutschland

Neben dieser Problematik sorgen aber auch noch andere Marktbarrieren für die schwachen Verkaufszahlen im E-Book-Segment. Nach Einschätzung der Experten sind vor allem die Preise für elektronische Lesegeräte und E-Books, die mangelnde Kompatibilität der Reader mit den verschiedenen Formaten und Nutzungsbegrenzungen durch das DRM gravierende Marktbremsen.31 Trotz der mittlerweile attraktiven Endgeräte würde die Mehrheit der Konsumenten keinen Preis von mehr als 100 Euro für ein dezidiertes Lesegerät akzeptieren, so die befragten Experten. Idealerweise seien auf diesem Reader dann noch ein paar Bestseller vorinstalliert. Laut Herstellern könnte dies aber noch dauern, denn der hauptsächliche Kostenfaktor ist das E-Ink-Display des taiwanischen Unternehmens Prime View, für das es bisher noch keine Alternative gibt.32 Auch bei digitalen Inhalten hapert es noch an den Preisvorstellungen von Verlagen und Verbrauchern. Laut der Endkonsumentenbefragung von PwC sind deutsche Konsumenten nicht bereit, für virtuelle Güter den gleichen Preis zu bezahlen wie für physische Buchausgaben, vor allem wenn es sich um ein und denselben Inhalt handelt und zudem noch die hohen Anschaffungskosten des Lesegeräts anfallen. Die maximale Zahlungsbereitschaft der Mehrheit liegt bei etwa 60 % der Taschenbuchausgabe.33 Zudem sind Konsumenten besorgt, dass sie durch die Formatvielfalt von E-Books Nutzungseinschränkungen, wie etwa die Übertragung auf andere Lesegeräte, hinnehmen müssen. Die Experten gehen davon aus, dass sich der Markt zukünftig auf ein Format einigen muss, damit das digitale Buch zum Erfolg wird.

Auch das viel diskutierte Thema DRM wirkt bei potenziellen Käufern noch abschreckend.34 Bisher setzen deutsche Verlage überwiegend auf sogenannte „harte“ DRM-Systeme (in der Regel wird dafür die Software Adobe Digital Editions verwendet), bei dem der Leser das erworbene E-Book zunächst mit einer zusätzlichen Software auf seinem Lesegerät freischalten muss. Oftmals gehen mit dem „harten“ DRM sehr restriktive Nutzungsbeschränken, wie das Verbot der Weitergabe des E-Books, einher. Die Alternative dazu ist das „weiche“ oder auch „psychologische“ DRM. Mit Hilfe von Wasserzeichen werden hierbei Name und Registrierungsnummer des Käufers sowohl sichtbar als auch unsichtbar im E- Book hinterlegt, während alle weiteren Nutzungsbeschränkungen entfallen. Die sichtbaren Wasserzeichen sollen dem Leser einerseits verdeutlichen, dass es sich bei dem E-Book um eine persönliche Kopie handelt, für die ausschließlich er registriert ist - der „psychologische“ Effekt. Andererseits helfen die unsichtbaren Wasserzeichen, den Verursacher bei einem Fund einer Raubkopie ausfindig zu machen. „Weiche“ DRM-Systeme würden daher laut Expertenmeinung die meisten Probleme in diesem Bereich lösen. Denn so würde der Kauf von E-Books vereinfacht, da die komplizierten Registrierungsverfahren wegfallen und der Käufer seine gekauften E-Books problemlos auch auf anderen Lesegeräten abrufen könnte.

Zusammenfassend kann man also feststellen, dass mehrere Faktoren entscheidend sind, um das E-Book auf dem deutschen Markt zu etablieren. Zunächst ist eine erhebliche Erweiterung des E-Book-Angebots notwendig, um Anreize für digitale Bücher und Lesegeräte zu schaffen. Dann müssen die Kosten für Lesegeräte und digitale Inhalte sinken. Zudem sollten im Idealfall alle Formate auf allen Lesegeräten (eine Ausnahme bilden hier Formate, die für multifunktionale Geräte entwickelt wurden und auf E-Book-Readern gar nicht dargestellt werden können), ohne Einschränkung abrufbar sein. Alternativ dazu könnten Verlage ihre E-Books auch gleich in mehreren Formaten (natürlich zu einem Preis) zur Verfügung stellen. Schließlich könnte man die Attraktivität von E-Book-Readern dann noch steigern, wenn die rigiden Kopierschutzmaßnahmen zugunsten „weicher“ DRM- Systeme aufgegeben und die E-Books durchgehend in Online-Shops mit Hinweisen gekennzeichnet werden, mit welchen DRM-Schutzmaßnahmen das jeweilige Buch ausgestattet ist. Denn bislang ist dies auf vielen Verkaufsplattformen größtenteils nicht einsehbar.

3.2.2 Der deutsche E-Book-Markt 2015

Wenn die Marktbarrieren beseitigt werden, wird sich der E-Book-Markt in Deutschland positiv entwickeln. Denn auch wenn der derzeitige Marktanteil verschwindend gering ist, gehen Experten davon aus, dass sich digitale Bücher in Zukunft zu einem relevanten Erlöstreiber entwickeln werden. Der Blick auf die Umsatz-Statistiken in den USA zeigt, dass eine rasante Entwicklung in nur wenigen Jahren möglich ist. Die Studie von PwC prognostiziert, dass sich E- Books zwar langsamer als im internationalen Vergleich, aber trotzdem kontinuierlich durchsetzen werden. Im Jahr 2015 werden sie etwa 6,3 % des Belletristikumsatzes ausmachen. 2,4 Millionen Konsumenten verfügen laut Schätzungen dann über einen E-Book Reader, für das sie durchschnittlich acht digitale Bücher pro Jahr erwerben. Auch Tablets werden für den Buchmarkt relevant sein, rund 12 Millionen Menschen werden im Jahr 2015 voraussichtlich ein Tablet besitzen. Aufgrund der für das Lesen nur bedingt geeigneten Bildschirmtechnologie des Tablets schätzen Experten die Nutzung dieses Geräts etwas geringer ein, im Schnitt werden Nutzer zwei E-Books jährlich auf dem Tablet konsumieren.35

3.3 Chance oder Risiko? Das Marktpotenzial von E-Books

Bei den befragten von PwC Experten besteht allgemein Einigkeit darüber, dass der Durchbruch von digitalen Büchern und elektronischen Lesegeräten bevorsteht und dass die Digitalisierung die Buchbranche nachhaltig verändern wird. Dies bestätigen auch die Umsatzzahlen in den USA. Doch es herrschen unterschiedliche Vorstellungen darüber, welches Marktvolumen wie schnell erreicht werden kann und wie die Umstrukturierung des Marktes konkret aussehen wird. Auch die Themenbereiche Standardformat und Preisvorstellungen von E- Books und Lesegeräten bieten noch Diskussionsbedarf.36

Für den Durchbruch von E-Books in Deutschland ist nach Auffassung der Experten neben dem Angebot und dem Preis von Inhalten vor allem die Akzeptanz von Lesegeräten beim Publikum entscheidend. Zwei Faktoren bedingen sich dabei gegenseitig: Zum einen ermöglicht die technologische Entwicklung der Lesegeräte mit der E-Ink-Technologie eine buchähnliche Haptik und sorgt so für ein gewohntes Leseerlebnis. Zum anderen hat sich das Konsumentenverhalten durch die Durchdringung des Internets in allen Lebensbereichen und durch das Angebot an attraktiven mobilen Geräten (MP3- Player, Spielkonsolen, Smartphones u.a.) verändert. Daher konstatieren die Experten bei den Konsumenten eine größere Offenheit gegenüber mobilen Endgeräten und folglich auch gegenüber E-Book-Readern.

Das Gros der befragten Experten bewertet die Digitalisierung der Buchbranche als Chance. E-Books sollen in Zukunft neue Zielgruppen (junge Konsumenten, bestimmte Berufsgruppen, Menschen mit Einschränkungen wie zum Beispiel Sehbehinderte, usw.) erschließen und durch personalisierte Angebote und Impulskäufe neue Umsatzquellen generieren. So prognostiziert Lutz Dursthoff, Cheflektor von Kiepenheuer & Witsch, dem E-Book-Markt ein relativ schnelles und starkes Wachstum. Zudem vertraue er amerikanischen Studien, die besagen, dass E-Books zu Mehrfachkäufen des gleichen Buches motivieren, da der Konsument unterwegs auf den E-Book-Reader und zu Hause auf das gedruckte Buch zurückgreifen würde.37 Kritiker geben allerdings zu bedenken, dass eine neue Technologie es nicht automatisch schaffe, Nichtleser in begeisterte Vielleser zu verwandeln. Sie glauben vielmehr daran, dass Vielleser in Zukunft statt Hardcover- und Taschenbuchausgaben E-Books konsumieren und dass sich die Umsätze so zwar verschieben, aber nicht ergänzen würden.38

Kritisch sehen einige Verlagsvertreter auch den erheblichen Kostenfaktor, der durch die Produktion und den Vertrieb von E-Books in den nächsten Jahren entstehen wird. Denn die Digitalisierung erfordert zunächst erhebliche Investitionen, denen erstmal kein Zusatzertrag gegenübersteht.39 So bilanziert Verlagschef Carel Halff vom Weltbild Verlag, dass der 2009 eingerichtete E- Book-Onlineshop bisher keine Gewinne erzielen konnte. Dazu äußert er: „Für die kommenden drei Geschäftsjahre habe ich nur Kosten eingeplant. Die Umsätze sind marginal, die Kosten leider nicht“40. Dies liegt unter anderem daran, dass zu den Fixkosten der Produktion und des Vertriebs der volle Mehrwertsteuersatz von 19 % kommt (gedruckte Bücher unterliegen dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7%). Bedenkt man zudem noch, dass der Druck, das Papier und der Vertrieb von Print-Ausgaben nur rund 10 bis 15 Prozent der Produktionskosten ausmachen, sind E-Books in der Herstellung für Verlage kaum günstiger. Dies schlägt sich dann auch im Preis für E-Books nieder, der bei einigen Verlagen so hoch angesetzt ist, wie die günstigste gedruckte Ausgabe (also in der Regel das Taschenbuchformat) und bei anderen Verlagen um bis zu 20 % günstiger ist als gedruckte Versionen. Demgegenüber stehen aber die Preisvorstellungen der Konsumenten, die einen deutlichen Preisabschlag bei E-Books erwarten. Demzufolge müssen deutsche Verlage ihre Preispolitik überdenken, um Anreize für potenzielle Käufer zu schaffen. Die technischen Möglichkeiten der elektronischen Lesegeräte schaffen aber auch die Voraussetzungen für eine Alternative: Verlage können „E-Books mit Zusatzinhalten anreichern, die einen erkennbaren Mehrwert bieten und für die Konsumenten bereit sind, einen entsprechend höheren Preis zu zahlen.“41 Die sogenannten Enhanced E-Books sind ein neues Phänomen auf dem Markt, das neben der Etablierung des digitalen Buches auch weitreichende Konsequenzen für die Literatur bedeuten könnte.

4. Das Enhanced E-Book - Entstehung eines neuen Genres?

Enhanced oder auch Enriched E-Books, also „erweiterte“ bzw. „angereicherte“ E- Books, sind eine neue Entwicklung im Bereich des digitalen Buches, die eng mit der Markteinführung multifunktionaler Lesegeräte, wie Tablets oder Smartphones, zusammenhängt. Erstmals geht es bei einem E-Book nicht mehr um eine reine Kopie, eine 1:1 Umsetzung der entsprechenden Print-Ausgabe. Der Fokus liegt vielmehr auf der Frage, welche Möglichkeiten die neuen multimedialen Geräte offerieren und wie diese nutzbringend für die Umsetzung digitaler Bücher verwendet werden können.

In einem ersten Schritt ist daher die definitorische Eingrenzung des Enhanced-E-Books erforderlich. Anschließend wird die noch junge Geschichte dieser Medienform in Kürze dargestellt. Dabei wird die Arbeit zunächst die Anfänge und die Entstehung der ersten Enhanced E-Books beschreiben und dabei auf die Anbieter von Endgeräten und digitalen Inhalten, die die Entwicklung in Gang gebracht haben, eingehen. Danach wird die aktuelle Situation in Deutschland dargestellt. Daran schließt die Beschreibung von ausgewählten Enhanced E- Books an, die stellvertretend zeigen sollen, welche Zusatzinhalte bei der Erweiterung von E-Books bisher realisiert worden sind. Die Arbeit wird sich dabei vor allem auf belletristische Enhanced E-Books beziehen, um in einem weiteren Schritt die Möglichkeiten für literarische Texte, die sich durch die Digitalisierung ergeben, auszuloten. In diesem Kontext werden zunächst mögliche Hemmnisse für dieses E-Book-Format aufzeigt und anschließend die Zukunftsvisionen bezüglich der Gestaltung von Enhanced E-Books skizziert. Daraufhin soll die Frage geklärt werden, inwieweit sich die Buchbranche hinsichtlich der neuen Anforderungen im digitalen Zeitalter umstrukturieren und neu definieren muss.

4.1 Definition

Da Enhanced E-Books erst am Anfang ihrer Entwicklung sind, hat sich bisher noch keine standardisierte Definition etabliert. Die Vorstellungen, was ein Enhanced E-Book ausmacht und welchen Nutzen es für den Leser bedeutet, sind sehr unterschiedlich:

Some people seem to think an ebook is sufficiently enhanced if it contains additional snippets of video or audio that might have previously been created for marketing purposes. Others see enhancement as being about a better reading experience, with links that explain and deepen engagement with the text. And there are those who say the whole idea of an “enhanced ebook” is an oxymoron: What we’re calling “enhancement” is just taking advantage of the medium and should become the standard presentation of an ebook, no additional adjective required.42

Es sind sich zwar alle Parteien darüber einig, dass Enhanced E-Books digitale Bücher mit einem erweiterten Inhaltsspektrum sind.

[...]


1 Meyer / Treutler: Online Distribution digitaler Bücher, S. 241.

2 Heibach: Literatur im Internet, S. 6.

3 Vgl. Kruse: Online bestellen - offline lesen, S. 12.

4 Bröker: In der Reserve, S. 11.

5 Vgl. Janello: Wertschöpfung im digitalisierten Buchmarkt, S. 56.

6 Zivkovic: The electronic book, S. 115.

7 Rapp: E-Books 2008, S. 5.

8 Vgl. ebd.

9 Vgl. Müller / Spiegel / Ullrich: E-Books in Deutschland, S. 14.

10 Vgl. ebd., S. 17.

11 Vgl. ebd.

12 Vgl. ebd., S. 18.

13 Vgl. Schneider: E-Book-Markt 2009, S. 10.

14 Vgl. Zypries: Urheberrecht und Innovation: Basket Two and Beyond, S. 255.

15 Rapp: E-Books 2008, S. 7.

16 Vgl. Henke: Electronic Books and ePublishing, S. 11.

17 Vgl. Rapp: E-Books 2008, S. 11.

18 Vgl. Riem / Orwat / Wingert: Online-Buchhandel in Deutschland, S. 135 -137.

19 Vgl. Müller / Spiegel / Ullrich: E-Books in Deutschland, S. 15.

20 Vgl. ebd., S. 5.

21 Müller / Spiegel / Ullrich: E-Books in Deutschland.

22 Vgl. Association of American Publishers: AAP Reports Publisher Book Sales for August.

23 Vgl. Müller / Spiegel / Ullrich: E-Books in Deutschland, S. 20.

24 Vgl. ebd.

25 Vgl. McQuivey: eBook Buying Is About To Spiral Upward.

26 Dohle im Gespräch mit Wilking: „25% plus ist realistisch“.

27 Halff im Gespräch mit Steinkirchner: „Das ist doch eine Traumwelt“.

28 Vgl. Müller / Spiegel / Ullrich: E-Books in Deutschland, S. 20.

29 Vgl. Halff im Gespräch mit Steinkirchner: „Das ist doch eine Traumwelt“.

30 Vgl. ebd.

31 Vgl. Müller / Spiegel / Ullrich: E-Books in Deutschland, S. 35.

32 Vgl. ebd., S. 36.

33 Vgl. ebd., S. 55.

34 Vgl. ebd., S. 36.

35 Vgl. ebd., S. 59.

36 Vgl. ebd., S. 32.

37 Vgl. ebd., S. 33.

38 Vgl. ebd.

39 Vgl. ebd.

40 Halff im Gespräch mit Pluta: Digitale Bücher sind noch ein Verlustgeschäft.

41 Müller / Spiegel / Ullrich: E-Books in Deutschland, S. 61.

42 Meyers: Enhanced Ebooks, S. 10.

Fin de l'extrait de 83 pages

Résumé des informations

Titre
Das Medium E-Book und die Zukunft der Literatur
Université
University of Cologne  (Institut für Deutsche Sprache und Literatur)
Cours
Deutsche Philologie
Note
1,0
Auteur
Année
2011
Pages
83
N° de catalogue
V173163
ISBN (ebook)
9783640933754
ISBN (Livre)
9783640933976
Taille d'un fichier
846 KB
Langue
allemand
Mots clés
E-Book, Enhanced E-Book, Digitalisierung, Digitalisierung von Büchern, Digitale Literatur, Zukunft der Literatur, Enriched E-Book, E-Book-Lesegeräte, E-Book-Markt, Tablet-PCs, iPad, Literatur im Zeitalter der Digitalisierung, Kindle, iTunes, iTunes Store, AppStore, digitale Bücher
Citation du texte
Sarah Bestle (Auteur), 2011, Das Medium E-Book und die Zukunft der Literatur, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/173163

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