Nonverbale Kommunikation - Klassifikation und Funktion von Gesten


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition von verbaler und nonverbaler Kommunikation
2.1. Definition von Gestik

3. Kulturelle Abhängigkeit der gestischen Kommunikation
3.1. Gestik im Alltag: Der Handgruß
3.2. Gestik in der politischen Kommunikation

4. Gestik als Forschungsgegenstand
4.1. Erste Forschungsansätze der alltäglichen Gestenverwendung

5. Funktionen von Gestik

6. Funktionale Klassifikation von Gesten
6.1. Bühlers Organonmodell
6.2. Klassifikation nach Paul Ekmann & W.V. Friesen
6.2.1. Illustratoren
6.2.2. Adaptoren
6.2.3. Embleme
6.2.4. Regulatoren
6.2.5. Affektausdruck
6.3. Klassifikation nach Klaus R. Scherer
6.3.1. Parasemantische Funktion
6.3.2. Parasyntaktische Funktion
6.3.3. Parapragmatische Funktion
6.3.4. Dialogische Funktion

7. Schluss

8. Literaturnachweis

1. Einleitung

Paul Watzlawick formulierte 1969, dass der Mensch "nicht nicht kommunizieren"[1] kann, denn jedes menschliche, so auch nonverbale Verhalten habe einen kommunikativen Charakter und transportiere Informationen zu seinem Gegenüber. Selbst wenn sich Menschen begegnen und nicht verbal miteinander sprechen, kommunizieren sie durch ihre Körpersprache miteinander. Worin besteht aber das hohe Potenzial der Körperbewegungen, verbale Äußerungen zu ersetzen, zu verstärken oder gar in Widerspruch zu bringen?

Folgende Ausarbeitung setzt die gestische Kommunikation in den Mittelpunkt, da sie als Teilbereich des menschlichen Kommunikationsverhaltens besonders große, interkulturelle Unterschiede im Gebrauch aufzeigt. Jede Nation hat ihre eigene Körpersprache und verwirrt damit vor allem Touristen, die gezwungen sind, die Bedeutung der Gesten zu lernen und zu beachten, wenn man nicht missverstanden werden oder selbst missverstehen möchte. (Besonders die italienische Kultur ist bekannt für seine ausgeprägte, ausdrucksstarke Gestikulation.) Inwieweit drückt gestisches Verhalten aber auch Stimmungen, Gefühle und Persönlichkeitsmerkmale aus? Welche Rolle spielt heutzutage ein Handschlag als Mittel der Kommunikation und wieso sind Gesten in der politischen Kommunikation von großer Bedeutung?

Neben der forschungsgeschichtlichen Entwicklung werden einige Ergebnisse und Modelle aufgezeigt, die Gestentypen und Gestenfunktionen klassifizieren. Es soll damit unter anderem geklärt werden, in welchem Zusammenhang nonverbale Kommunikation mit der Sprache steht und wie dieser kategorisiert werden kann. Meine begrenzte Auswahl gibt kein vollständig abgestecktes Feld an Forschungsergebnissen wieder, sondern soll einen übersichtlichen Einblick geben, um eingangs aufgestellte Fragen zu klären.

2. Definition von verbaler und nonverbaler Kommunikation

Eine einheitliche Definition von verbaler und nonverbale Kommunikation und deren Abgrenzung zur Körpersprache ist schwierig. Nach Schulz von Thun ist "der engere Kommunikationsbegriff (...) ziemlich uneinheitlich und verändert sich rasch, so wie der ganze Bereich der Kommunikation sich sehr rasch verändert."[2] Generell wird Kommunikation als "elementare Notwendigkeit menschlicher Existenz und wichtigstes soziales Bindemittel"[3] angesehen. In einer Kommunikationssituation werden Informationen zwischen zwei oder mehreren Personen ausgetauscht. Diese Informationen oder Signale sind nicht nur gesprochene Sprache, sondern auch nonverbale Signale wie Gesten, Mimik, Blick, Proxemik und Körperhaltung[4] , die bewusst oder unbewusst verwendet werden. Es gibt in einer face-to-face-Situation zwischen Menschen keine rein verbalen Sprechakte, denn Sprache ist fest mit der Körpersprache verknüpft. Beide, die menschliche Kommunikation und die Körpersprache, haben das Ziel, dass die Menschen sich mitteilen. Die benutzten, nonverbalen Signale beeinflussen die Wirkung von kommunikativen Mitteilungen und haben für den Sender und den Empfänger eine gemeinsame Bedeutung.

Scherer, der von der Wirkungskraft körperlichen Zeichen ausgeht, fasst Kommunikation unter sozialpsychologischen und systemorientierten Aspekten als "interaktionales Geschehen auf, das geprägt ist durch die Ko-orientierung der Kommunikationspartner, durch die wechselseitige Kontingenz des Verhaltens, die Zielgerichtetheit oder Intentionalität des Verhaltens, die Übermittlung von Informationen und durch verschiedene Übertragungskanäle"[5]

2.1. Definition von Gestik

Die Gestik als nonverbales Zeichen der Kommunikation ist ein Element des Sozialverhaltens, in dem Informationen zwischen Kommunikationspartnern über nicht-sprachliche Kommunikationskanäle ausgetauscht werden. Der Gestikbegriff bezieht sich auf die Bewegungen der Hände, Finger und Arme, "that is understood to be meaningful"[6] . Sie werden also meistens sprechbegleitend in kommunikativer Absicht oder unwillkürlich, zum Beispiel zur Rhythmisierung des Sprechaktes[7] , ausgeführt.

David McNeill untersuchte die konzeptuellen Grundlagen von spontan und willkürlich ausgeführten Gesten beim Sprechen. Gesten seien laut McNeill in die Luft gemalte Bilder, in denen der Sprecher seine Gedanken und Gefühle, bewusst oder unbewusst, zum Ausdruck bringt: "With these kind of gestures people unwittingly display their inner thoughts and ways of understanding the world."[8] Gesten seien demnach ein integraler Bestandteil von Sprache und bilden zusammen ein wechselseitiges, psychisches System."[9]

Wallbott (1982) fasst nonverbale Verhaltensaspekte (neben Gestik auch Mimik, Blickkontakt, Körperbewegung und -haltung) aus produktionstheoretischer Sicht unter "motorischen Kanälen" zusammen und grenzt sie damit von physiochemischen und ökologischen Kanälen ab.[10]

3. Kulturelle Abhängigkeit der gestischen Kommunikation

In der Linguistik-Forschung wird gestische Kommunikation zwischen digital (diskret) und analog unterschieden, es ist dabei zu beachten: "Nicht das kommunikative Ereignis ist analogisch oder digital; wir nehmen es als analogisch oder diskret wahr."[11] Die digitale Struktur wird konventionell oder auf Tradition beruhend erworben und beinhaltet vokale Äußerungen. "Diskrete, sprachliche Kommunikation ist der bei weitem effektivste, differenzierteste und klarste Modus menschlicher Kommunikation. In den meisten Fällen sind Gesten nur sprechbegleitend und sie sind weitgehend ikonisch."[12]

In ihrer kommunikativen Rolle wird Gestik auch als analoges Kontinuum angesehen, denn sie schafft es, einen geäußerten Satz optisch darzustellen.[13] Wenn bei minimierter verbaler Kommunikation der gestischen Kommunikation mehr Wert zugerechnet wird, kann es allerdings zu Missverständnissen führen. Einige gestische (und auch mimische) Signale sind zwar genetisch vererbbar und universell gültige nonverbale Ausdrucksweisen, andere werden aber erlernt und können für Personen in anderen Kulturkreisen unterschiedliche Bedeutung haben. Sie werden demnach anders entschlüsselt. Es herrschen große kulturelle Unterschiede in der Art und Weise, der Auftretenshäufigkeit und auch Intensität der verwendeten nonverbalen Zeichen vor: "(...) oberflächlich gleiche gestische Bewegung kann in verschiedenen Kulturen Unterschiedliches bedeuten"[14] , deshalb müssen Gesten "in ihren Verwendungszusammenhängen und differenziert beschrieben werden."[15]

Als Beispiel für kulturspezifische Gesten sei hier die Ausführung von Zählgesten erwähnt. Zahlen werden sprachbegleitend oder isoliert durchgeführt. Sie sind konventionell erworben und ikonisch, das heißt, sie ähneln dem, was sie darstellen.[16] Welche Finger für welche Zahl benutzt werden und in welcher Reihenfolge das Zählen mit den Fingern durchgeführt wird, unterliegt von Kultur zu Kultur großen Variationen. So unterscheidet sich die Art und Weise stark zwischen dem amerikanischen, chinesischen und japanischen Zählsystem. Es gibt aber auch interkulturelle Unterschiede in der Gestikverwendung. Hierbei sind vor allem sprachbegleitende, illustrierende und verdeutlichende Handbewegungen betroffen.

3.1. Gestik im Alltag: Der Handgruß

Durch bestimmte Bewegungen der Körperteile können hierarchische Beziehungen ausgedrückt werden. Bereits im Alltag führen wir sie fast täglich und meist routiniert durch wie die Gestik des Handgrußes. Der Handschlag ist kulturübergreifend (Ausnahme: Indien[17] ) eine wichtige und häufig anzutreffende Geste. Er dient in den meisten Kulturen, um Kontakt zwischen zwei Menschen herzustellen. Der Händedruck kann dazu fungieren, Dominanz aufzubauen oder zu vermitteln, denn durch eine gewisse Ausführungsweise, Intensität und Dynamik wird die Rolle der zwei Kommunizierenden festgelegt. Die Art des Handschlags kann zudem die seelische und körperliche Verfassung des Grüßenden offenbaren.

Die Tragweite eines Handschlags unterscheidet sich heutzutage in unserer Kultur zwischen dem Privat- und Geschäftsbereich. Während ein Handgruß zwischen Privatmenschen zum typischen Umgang miteinander gehört und als Gruß oder Verabschiedung, als Versöhnung, Beglückwünschung oder auch zur Bestärkung privater Abmachungen fungiert, unterliegt ein Handgruß zwischen zwei Geschäftspartnern (oder den Anstand wahrend auch zwischen zwei sich unbekannten Menschen, insbesondere bei höherem Altersunterschied) bestimmten Regeln. Zwar werden nicht mehr, wie früher, damit allein Verträge ausgemacht, jedoch unterliegt der Gebrauch des Handschlags den sozialen und gesellschaftlichen Statusverhältnissen der beiden Agierenden. Dem Ranghöheren steht es frei, dem Rangniederen die Hand zu reichen und ihm "seinen persönlichen Raum"[18] zugänglich zu machen.

In der westlichen Welt kann der Händedruck sowohl zwischen Privat- als auch Geschäftsleuten "dem Gegenüber als eine Informationsquelle über seelische und emotionale Gemütszustände dienen, andererseits die soziale Beziehung zu der anderen Person verdeutlichen."[19] Als Erweiterung des distanzierten Handschlages (typisch für Deutschland) wird die Umarmung (Italien), der Wangenkuss (Frankreich), der Handkuss (Österreich), aber

auch das Winken angesehen[20] , wobei zwischen diesen Grußformen bedeutende Abstriche im Ausmaß einer hierarchischen Rollenverteilung zu vermerken sind.

Der Handgruß unterliegt im Rahmen nonverbaler Kommunikation zeitlichen sowie kulturellen Veränderungen. Wie bereits aufgezeigt, reicht ein Handschlag auf Vertrauensbasis heutzutage nicht mehr aus, um einen geschäftlichen Vertrag abzuschließen. So unterscheidet sich sogar zwischen Ost- und Westdeutschland der Habitus des Handgrußes. Während die ehemaligen DDR-Bürger es gewöhnt sind, jeder anwesenden Person zur Begrüßung und Verabschiedung die Hand zu schütteln, reicht den Westdeutschen ein verbalisierter Gruß mit Blickkontakt aus. "Dieses Verhalten kann bei Ostdeutschen das Gefühl von Missachtung, Respektlosigkeit oder Unhöflichkeit hervorrufen. Andersherum können (...) Ostdeutsche von Westdeutschen als sehr aufdringlich empfunden werden."[21] Aufgrund der Auflösung der DDR und der darauf folgenden territorialen Vermischung Ost- und Westdeutscher, ist anzunehmen, dass sich mit der Zeit beide Habitus der Handschlaggeste einander anpassen werden.

3.2. Gestik in der politischen Kommunikation

Politiker kennen die Wirkung von Gesten sehr genau. Sie nutzen diese als nonverbale Botschafter, um ihre Macht auszudrücken oder im Falle eines Wahlstreits eine positive Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Dafür werden sie von Profiberatern auf ihre Körpersprache und Stimme hin gecoacht. Als Beispiel lässt sich die Handgeste des "Spitzdaches" (der Ethnologe Ray L. Birdwhistell prägte diesen Begriff[22] ) aufzeigen, die sehr häufig von der aktuellen Bundeskanzlerin Angela Merkel verwendet wird. Ein "Spitzdach" stelle Selbstvertrauen und Zuversicht dar[23] und kann auch (neben vielfältigen anderen Interpretationen) als der Bug eines Schiffes gedeutet werden. Die Geste könnte demnach ausdrücken, dass das Schiff (Frau Merkel) die Passagiere (das Volk) sicher durch hohe Wellenkämme (politische Umbrüche) steuert.

[...]


[1] Watzlawick u.a.: Menschliche Kommunikation, S. 53

[2] Schulz von Thun, in Kästner: Geste des Handschlags, S. 41

[3] Schubert/Klein: Das Politiklexikon, in: www1.bpb.de

[4] Vgl. Heringer: Interkulturelle Kommunikation, S. 81

[5] Scherer, in Müller: Redebegleitende Gesten, S. 68

[6] Bäuml/Bäuml, in Heringer, S. 54

[7] Vgl. Heringer, S. 89

[8] Mc Neill, in: Müller, S. 77

[9] Vgl. McNeill, in: ebd., S. 79

[10] Wallbott, in Kühn: Körper - Sprache, S. 50f.

[11] Heringer, S. 88

[12] ebd., S. 86

[13] Vgl. ebd., S. 87

[14] Heringer, S. 88

[15] ebd., S. 88

[16] ebd., S. 84

[17] Vgl. Kästner, S. 17

[18] Kästner, S. 16

[19] ebd., S. 17

[20] ebd., S. 29

[21] ebd., S. 28 f.

[22] Vgl. Henley: Körperstrategien, S. 189

[23] Henley, S. 189

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Nonverbale Kommunikation - Klassifikation und Funktion von Gesten
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für Romanische Sprachen und Literaturen)
Veranstaltung
Nonverbale Kommunikation – Italienische Gesten
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
20
Katalognummer
V202515
ISBN (eBook)
9783656286950
ISBN (Buch)
9783656287636
Dateigröße
556 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gestik, Gesten, David McNeill, Paul Ekman, nonverbale Kommunikation, W.V. Friesen, Handbewegung, Handschlag, Paul Watzlawick, Janet H. Beavan, Bühlers Organonmodell, Organonmodell, Karl Bühler, Klaus R. Scherer, Schulz von Thun, Kommunikation, Geste, Harald G. Wallbott, Körpersprache, Handgruß, Eibl-Eibesfeldt, Efron
Arbeit zitieren
Solveig Höchst (Autor:in), 2009, Nonverbale Kommunikation - Klassifikation und Funktion von Gesten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202515

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