Erkennung, Analyse und Simulation von endokardialem Katheterkontakt bei atrialen Elektrogrammen

Möglichkeiten verbesserter Katheterablationstechnik mit den Methoden der Biosignalverarbeitung


Diplomarbeit, 2010

142 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Motivation
1.2 Schwerpunkte der Arbeit und Gliederung

2 Medizinische Grundlagen
2.1 Anatomie und Elektrophysiologie des Herzens
2.1.1 Anatomie
2.1.2 Elektrophysiologische Grundlagen
2.2 Das Elektrokardiogramm
2.2.1 Oberflächen-EKG
2.2.2 Atriales Elektrogramm
2.3 Vorhofflimmern
2.3.1 Entstehung von Vorhofflimmern
2.3.2 Remodeling
2.3.3 Therapieansätze
2.4 Katheterablation
2.4.1 3-D-Mapping-Systeme
2.4.2 Bedeutung von Endokardkontakt bei der Katheterablation

3 Methodische Grundlagen
3.1 Methoden der Zeit-Frequenz-Analyse
3.1.1 Zeitdiskrete Signale
3.1.2 Fourier-Transformation
3.1.3 Diskrete Fourier-Transformation
3.1.4 Aliasing
3.1.5 Leckeffekt
3.1.6 Zeropadding
3.1.7 Wavelet-Transformation
3.2 Entropie
3.3 Kenngrößen der Statistik
3.3.1 Erwartungswert
3.3.2 Zentrale Momente höherer Ordnung
3.3.3 Normalverteilung
3.3.4 Boxplot
3.4 Nicht-Linearer Energieoperator
3.5 Entscheidungsbäume
3.5.1 Konstruktion eines Entscheidungsbaums
3.5.2 Auswahlkriterien
3.5.3 Abbruchkriterien
3.5.4 Pruning und Kreuzvalidierung
3.6 Boosting
3.6.1 AdaBoost
3.6.2 AdaBoost und Overfitting
3.7 Hauptkomponentenanalyse
3.8 Elektrophysiologische Modellierung
3.8.1 Zellmodellierung
3.8.2 Bidomain-Modell

4 Algorithmus zur Erkennung von endokardialem Wandkontakt
4.1 Signalsegmentierung und Vorverarbeitung
4.1.1 Baseline Wander
4.1.2 Hochfrequentes Rauschen
4.1.3 Signalsegmentierung
4.2 Erstellung einer Testdatenbank
4.3 Suche und Berechnung von Deskriptoren
4.4 Klassifikation mittels eines Entscheidungsbaums
4.5 Entscheidungswalderstellung mittels adaptiven Boostings

5 Deskriptoren
5.1 Betrachtung des Leistungsdichtespektrums
5.1.1 Berechnung zentraler Momente
5.1.2 Anwendung weiterer diskreter Transformationen
5.2 Betrachtung der Signalmorphologie
5.2.1 Differenzierung
5.2.2 Varianz und Exzess des Amplitudenhistogramms
5.2.3 PCA-basierte Entscheidungsfunktion
5.3 Phasenraum
5.4 Wavelet-Ansatz
5.4.1 Null- und Extremstellen-Detektion
5.4.2 Energieschätzung
5.5 Analyse der Energieverteilung
5.6 Weitere Deskriptoren

6 Simulation von intrakardialen Kathetersignalen
6.1 Simulationsumgebung
6.2 Signalaufnahme
6.3 Simulationsergebnisse
6.3.1 Ergebnis-Validierung

7 Klassifikationsergebnisse und Diskussion
7.1 Ergebnisse der Deskriptoren
7.1.1 Betrachtung der Frequenzverteilung
7.1.2 Betrachtung der Signalmorphologie
7.1.3 Phasenraum
7.1.4 Wavelet-Ansatz
7.1.5 Energie-Betrachtung
7.1.6 Zusammenfassung
7.2 Analyse der linearen Abhängigkeit der Deskriptoren
7.3 Ergebnisse des Entscheidungsbaums
7.4 Ergebnisse des Entscheidungswaldes
7.5 Klassifikation der simulierten Signale
7.5.1 Beurteilung der Deskriptoren-Güte

8 Zusammenfassung und Ausblick
8.1 Zusammenfassung
8.2 Ausblick

A Anhang 1
A.1 AdaBoost-Beispiel

B Anhang 2
B.1 Simulation von atrialen Elektrogrammen
B.1.1 Punktelektroden-Katheter
B.1.2 Modellierte Katheter
B.2 Deskriptoren-Boxplots
B.3 Entscheidungsbäume

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

2.1 Anatomie des Herzens
2.2 Anatomie des linken Vorhofs
2.3 Gap Junctions
2.4 Aktionspotential einer Herzzelle
2.5 Erregungsleitungssystem
2.6 Einthoven-Ableitungen
2.7 EKG-Ableitung
2.8 Intrakardiale Messkatheter
2.9 Vergleich von Vorhofflimmersignalen
2.10 Konzepte der Reentry-Mechanismen bei Vorhofflimmern
2.11 Entstehungskonzept von chronischem Vorhofflimmern
2.12 Ablationskatheter
2.13 Schematische Darstellung eines Ablationskatheters
2.14 3D-Mapping-Systeme
2.15 Vorhofgeometrie
2.16 Druckeinfluss auf die Läsionstiefe
2.17 Anpressdrücke bei Ablationen

3.1 Aliaising
3.2 Leckeffeckt
3.3 Wavelet-Funktionen
3.4 Zeitfrequenzebenenaufteilung der WT
3.5 Multiratenfilterbank
3.6 Normalverteilung
3.7 Boxplot
3.8 Entscheidungsbaum
3.9 Korrektratenverlauf
3.10 Klassifikation einer Beispielmenge
3.11 Overfitting bei Boosting
3.12 Wahl der Hauptkomponenten
3.13 Scores und Loadings
3.14 Hodgkin-Huxley Model
3.15 Courtemanche Zellmodell
3.16 Schematische Beschreibung des Bidomain Modells

4.1 Einfluss von nachträglicher Filterung
4.2 Signalsegmentierung
4.3 Deskriptorbeispiel
4.4 Wahrscheinlichkeitsfunktion
4.5 Zusammenfassung des Algorithmus

5.1 Signal- und Spektrenvergleich
5.2 Zentrale Momente der Hüllkurve
5.3 Vergleich zwischen Walsh- und Fourier-Funktionen
5.4 Amplitudenhistogramm
5.5 PCA der Signalbeispiele
5.6 Phasenraum
5.7 Beispiel zur Phasenverteilung
5.8 Algorithmus von Kim
5.9 Wavelet-Ansatz

6.1 Darstellung der Simulationsumgebung
6.2 Messpositionen
6.3 Einfluss des Endokardabstands
6.4 Simulierte Kathetersignale
6.5 Einfluss der Katheterorientierung
6.6 Vergleich Messung und Simulation
6.7 Filtereffekt
6.8 Filterung simulierter Signale

7.1 Boxplot 1 und 2
7.2 Boxplots 29-32
7.3 Boxplot 9 und 19
7.4 Boxplot 16 und 20
7.5 Biplots
7.6 Optimaler Entscheidungsbaum
7.7 Boosting-Effekt
7.8 Deskriptorenvergleich 1
7.9 Deskriptorenvergleich 2
7.10 Deskriptorenvergleich 3

A.1 Erster Boostingschritt
A.2 Zweiter Boostingschritt
A.3 Dritter Boostingschritt
A.4 Finaler Klassifikator
A.5 Voting

B.1 Messposition 1
B.2 Messposition 2
B.3 Messposition 3
B.4 Messposition 4
B.5 Messposition 5
B.6 Messposition 1
B.7 Messposition 2
B.8 Messposition 3
B.9 Messposition 5
B.10 Boxplot 1
B.11 Boxplot 2
B.12 Boxplot 3
B.13 Boxplot 4
B.14 Boxplot 5
B.15 Boxplot 6
B.16 Boxplot 7
B.17 Boxplot 8
B.18 Boxplot 9
B.19 Boxplot 10
B.20 Boxplot 11
B.21 Boxplot 12
B.22 Boxplot 13
B.23 Boxplot 14
B.24 Boxplot 15
B.25 Boxplot 16
B.26 Boxplot 17
B.27 Boxplot 18
B.28 Boxplot 19
B.29 Boxplot 20
B.30 Boxplot 21
B.31 Boxplot 22
B.32 Boxplot 23
B.33 Boxplot 24
B.34 Boxplot 25
B.35 Boxplot 26
B.36 Boxplot 27
B.37 Boxplot 28
B.38 Boxplot 29
B.39 Boxplot 30
B.40 Boxplot 31
B.41 Boxplot 32
B.42 Boxplot 33
B.43 Boxplot 34
B.44 Boxplot 35
B.45 Boxplot 36
B.46 Boxplot 37
B.47 Entscheidungsbaum 1
B.48 Entscheidungsbaum 2
B.49 Entscheidungsbaum 3
B.50 Entscheidungsbaum 4

Tabellenverzeichnis

2.1 Ionenverteilung in einer menschlichen Muskelzelle

3.1 Ionenströme des Courtemanche-Modells

4.1 Signaldatenbank

5.1 Deskriptoren

6.1 Verschiedene Messpositionen

7.1 Ergebnisse der Deskriptoren

1 Einleitung

1.1 Motivation

Trotz des großen medizinischen Fortschritts der letzten Jahre, sind kardiale Arrhythmien ein weit verbreitetes Krankheitsbild und Herz-Kreislauferkrankungen stellen nach wie vor die Todesursache Nummer eins der Industriegesellschaft dar. Über 1% der Gesamtbevölkerung und mehr als 10% der Menschen über 70 Jahre sind an Vorhofflimmern erkrankt, der am häufigsten vorkommenden Arrhythmie. Aufgrund des demographischen Wandels der Gesellschaft ist zu erwarten, dass sich die Anzahl der Erkrankten in den nächsten 30 Jahren mehr als verdoppelt [1].

Obwohl Vorhofflimmern nicht direkt tödlich ist, haben Menschen, die an dieser Krankheit leiden, mit einer großen Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit und damit auch ihrer Lebensqualität zu kämpfen. Zudem kann Vorhofflimmern zu Folgesymptomen wie Palpitationen, Ohnmacht, Brustschmerzen oder Herzversagen führen. Auch erfahren an Vorhofflimmern erkrankte Menschen eine signifikant erhöhte Gefahr, einen Schlaganfall zu erleiden [2].

Zur Therapie des Vorhofflimmerns gibt es verschiedene Ansätze. Während antiarrhythmische Me- dikamente in der Lage sind, die atriale Tachykardie zu beenden, können antikoagulative Medika- mente die Blutgerinnung hemmen und damit das Schlaganfallrisiko senken. Jedoch bieten diese Medikamente keinen garantierten Schutz vor Flimmerrückfällen und Patienten haben hierbei oft mit starken Nebenwirkungen zu kämpfen. Bei akutem Vorhofflimmern wird häufig versucht, mit kontrollierten elektrischen Schocks die normale Vorhoferregung wieder zu erlangen. Jedoch schützt die Kardioversion auch nicht immer vor Wiederauftreten der Arrhythmie. Eine kurative Methode bietet dahingehend die Katheterablation, bei der mit minimal invasivem Aufwand das Vorhofsub- strat so modifiziert wird, dass das Vorhofflimmern von selbst und dauerhaft verschwindet. Bei der Katheterablation werden zum einen die Pulmonalvenen elektrisch isoliert, da hier externe Schritt- macher vermutetet werden, und zum anderen wird nach Zentren besonderer Signalmorphologie gesucht, die Hinweis auf flimmerbegünstigende Gebiete geben können. Das Vorgehen ist in ho- hem Maße von der Erfahrung des behandelnden Arztes abhängig und nur wenige Abschnitte der komplexen Vorgehensweise werden nach einem abgestimmten Konsens durchgeführt. Um das Vor- gehen bei der Katheterablation zu optimieren arbeiten Ärzte und Ingenieure zusammen und es wird am Institut für Biomedizinische Technik versucht, in enger Kooperation mit dem Städtischen Klinikum Karlsruhe, Methoden zu entwickeln, die den Arzt so gut wie möglich bei der Behandlung unterstützen.

Um die Ablationspunkte zuverlässig zu setzen und dabei angrenzendes Gewebe möglichst unver- sehrt zu hinterlassen, ist eine korrekte Durchführung der Behandlung besonders wichtig. Da sich die absorbierte Leistung im Gewebe bei unzuverlässigem Kontakt des Katheters schnell sehr stark verringert, muss der Endokardkontakt unbedingt gewährleistet sein. Gängige Methoden sind hier- zu entweder unzuverlässig oder sehr komplex. Daher wird das korrekte Anliegen des Katheters meist über das subjektive taktile Gefühl des Arztes bestimmt, was bei großer Erfahrung des Me- diziners zwar häufig korrekt, aber niemals garantiert zuverlässig sein kann. Wünschenswert wäre daher, die Informationen über den Wandkontakt direkt aus den Messsignalen selbst abzulesen, was neben Zeiteinsparungen, vor allen Dingen die Erfolgsrate der Katherablation an sich noch weiter verbessern könnte.

1.2 Schwerpunkte der Arbeit und Gliederung

Ziel dieser Arbeit ist es nun, den endokardialen Kontakt alleinig aus gemessenen Signalmerkmalen zu ermitteln und zuverlässig zu bestimmen. Zur Validierung sollen zusätzlich intrakardiale Signale mit Hilfe von Computermodellen simuliert und deren Veränderung bei wachsendem Endokardab- stand untersucht werden. Als Endergebnis soll ein Klassifikator zur Verfügung stehen, der in der Lage ist, bei beliebigen im Vorhof gemessenen Signalen, sichere Aussagen über den Endokardkon- takt des Messkatheters zu treffen.

Zu Beginn werden zunächst die medizinischen Grundlagen vorgestellt, welche für das Verständnis dieser Arbeit notwendig sind. Neben anatomischen und elektrophysiologischen Grundlagen des Herzens, wird hier besonders ein Fokus auf die Katheterablation gelegt.

Kapitel 3 befasst sich mit den in dieser Arbeit verwendenden Methoden, deren mathematische Grundlagen in diesem Abschnitt genauer beschrieben werden.

Das vierte Kapitel soll einen Überblick über den entwickelten Algorithmus geben, wobei dessen Grundlagen und Funktionalität genau erklärt wird.

Das darauffolgende Kapitel befasst sich mit den verschiedenen Signalmerkmalen und beschreibt die dazu entwickelten Deskriptoren.

In Kapitel 6 wird das Vorgehen bei der Simulation der atrialen Elektrogramme beschrieben und es werden die entsprechenden Ergebnisse präsentiert.

Im siebten Kapitel werden schließlich die Gesamtergebnisse ausführlich vorgestellt und diskutiert, bevor die Arbeit mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick abgeschlossen wird.

Medizinische Grundlagen

Für das Verständnis der medizinischen Grundlagen dieser Arbeit werden in diesem Kapitel zu- nächst die Anatomie, Physiologie und Elektrophysiologie des Herzens erläutert. Anschließend wer- den Vorhofflimmern und Vorhofflattern einhergehend mit der möglichen Therapie der Katheterab- lation beschrieben, wobei zudem Eigenschaften intrakardial gemessener Elektrogramme vorgestellt werden. Abschießend wird auf die Problematik und Notwendigkeit des Endokardkontaktes bei der Ableitung von intrakardialen Elektrogrammen und der Katheterablation eingegangen.

2.1 Anatomie und Elektrophysiologie des Herzens

2.1.1 Anatomie

Das menschliche Herz ist ein muskuläres Hohlorgan, welches einen kontinuierlichen Blutfluss im kardiovaskulären System sicherstellt. Somit ist es sowohl für eine stabile Versorgung des Körpers mit Blut und Nährstoffen, als auch für den Abtransport von Abfallstoffen verantwortlich. Das Herz (Fig. 2.1) befindet sich zwischen dem rechten und linken Lungenlappen in der Brust- höhle und ist vom Herzbeutel, dem Perikard, umgeben. Zwei Drittel des Herzens befinden sich im linken Teil des Thorax, wobei die Herzachse gewöhnlich von rechts oben nach links unten zeigt, mit dem Apex am unteren Ende. Das Herz hat ungefähr die Größe einer Faust und sein Gewicht variiert zwischen 250 und 350 Gramm [3]. Die Herzwand, das Septum, teilt das Herz in zwei Hälften. Die rechte Hälfte versorgt den Lungenkreislauf, während die linke Hälfte den Rest des Körpers versorgt. Jede Hälfte an sich ist wiederum in zwei Teile untergliedert: Die Ventrikel, welche die eigentliche Pumpfunktion übernehmen, und die Vorhöfe, welche die Füllung der Ventri- kel unterstützen. Zusätzlich existieren 4 Herzklappen, welche die einzelnen Bereiche des Herzens voneinander trennen, dem Blut seine Flussrichtung vorgeben und einen Rückfluss verhindern. Die Trikuspidalklappe teilt den rechten Vorhof und den rechten Ventrikel und erlaubt somit dem Vor- hof, das aus der Vena cava superior und Vena cava inferior gesammelte Blut in das Ventrikel zu pumpen. Die Pulmonalklappe trennt den rechten Ventrikel vom Lungenkreislauf und öffnet sich bei der Kontraktion des Herzens. Ähnliches gilt für die Bikuspidalklappe, welche den linken Vor- hof vom linken Ventrikel trennt und die Aortenklappe, welche sich zwischen linkem Ventrikel und Aorta befindet.

Die Vorhöfe pumpen zeitlich immer vor den Ventrikeln. Der Anteil der Vorhöfe an der Ventrikelfül- lung beträgt zwischen 15 und 25%, wobei dieser Beitrag bei großen Herzraten deutlich erhöht ist

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.1. Schematische Darstellung der Anatomie des menschlichen Herzens. Editiert aus [4].

[5]. Die beiden Vorhöfe kontrahieren, genau wie die Ventrikel, immer zur selben Zeit und gewöhn- licherweise passiert die selbe Menge Blut beide Herzhälften. Der Blutdruck im Lungenkreislauf ist gegenüber dem Körperkreislauf erniedrigt, was auf die größere Dehnbarkeit und Kapazität der pulmonaren Blutgefäße zurückzuführen ist. Zudem entwickelt das rechte Ventrikel eine geringere Pumpkraft.

Der Muskel des linken Ventrikels ist ungefähr dreimal so dick wie der des rechten Ventrikels. Dies ist darin begründet, dass das linke Ventrikel mehr Kraft mobilisieren muss, um den gesamten Körper mit Sauerstoff zu versorgen. Ähnliches gilt für die Vorhöfe, welche eine verhältnismäßig geringe Kraft für die Ventrikelfüllung aufwenden müssen und somit dünnere Wände haben. Neben dem Muskelgewebe (Myokard) besteht das Herz aus weiteren Schichten. Die innerste Schicht, das Endokard, ist überlagert vom Myokard, dem eigentlichen Herzmuskel. Die äußerste Schicht ist das Epikard. Umschlossen wird das Herz vom Perikard, einem bindegewebigen Sack, der durch eine schmale Gleitschicht, die durch die Kontraktion bedingten Reibungskräfte des Herzens am umliegenden Gewebe minimiert.

2.1.1.1 Vorhofanatomie

Die beiden Vorhöfe besitzen Blindsäcke, auch Herzohren genannt, deren Aufgabe noch nicht um- fassend geklärt ist. Wahrscheinlich ist ihr Zweck, Blut zu speichern und somit die Kapazität der Vorhöfe zu erhöhen. Zusätzlich sind die Herzohren Bildungsort des Hormons ANP (atriales natri- uretisches Peptid), welches an der Regelung des Wasserhaushalts beteiligt ist und eine Diurese in der Niere bewirkt. ANP wird bei stärkerer Vordehnung der Vorhöfe vermehrt freigesetzt.

2.1. Anatomie und Elektrophysiologie des Herzens 5

Das rechte Herzohr hat eine nahezu dreieckige Form und liegt neben der aufsteigenden Aorta. Das linke Herzohr liegt neben dem Stamm der Lungenarterie. Bei Vorhofflimmern sind die Herzohren, bedingt durch den verminderten Blutfluss, möglicher Ort einer Thrombenbildung, welche zu lebensbedrohlichen Lungenembolien oder Schlaganfällen führen kann [6].

Der glattwandige Innenraum des rechten Vorhofs, im Bereich des Einmündungsbereichs der beiden Hohlvenen, wird als Sinus venarum cavarum bezeichnet. Abgegrenzt wird dieser Bereich gegenüber dem mit Muskelbälkchen überzogenem restlichem Vorhof von der Crista Terminalis (CT), einem stark ausgeprägtem Muskelstrang. Die CT entspringt am anterior gelegenem Septum und läuft an der Mündung der Vena cava superior vorbei zur Vena cava inferior und endet in der Nähe der Mündung des Koronarvenensinus am Boden des rechten Vorhofs. Der Koronarvenensinus sammelt das venöse Blut des Herzmuskels und führt es wieder dem Kreislauf zu. In ihm werden häufig intrakardiale Elektrogramme abgeleitet und es ist möglich, darin eine Schrittmachersonde direkt vor dem linken Ventrikel zu platzieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.2. Anatomie des linken Vorhofs. (a) Außenansicht mit zuführenden Venen und linkem Herzohr (linksatrialer Appendix, LAA) (b) Aufschnitt mit Mündungen der Pulmonalvenen und Ausstülpung des LAA. Aus [6].

Der linke Vorhof ist in seiner Struktur weniger komplex als der rechte Vorhof, ist aber bei der Behandlung von Vorhofflimmern von besonderem Interesse. Die Innenfläche ist bis auf den Bereich des linken Herzohrs glattwandig. In den linken Vorhof münden die vier Pulmonalvenen: die linke untere (inferior, LIPV), die linke obere (superior, LSPV), die rechte untere (RIPV) und die rechte obere Pulmonalvene (RSPV) [7]. Eine photographische Darstellung des linken Vorhofs ist in Abb.

2.2 zu sehen.

2.1.2 Elektrophysiologische Grundlagen

Um die rhythmische Kontraktion des Herzens zu gewährleisten, müssen Mechanismen vorhan- den sein, die die zeitliche und räumliche Regelung der Erregung der vielen Millionen Herzzellen realisieren. Nur die besonderen elektrophysiologischen Begebenheiten des Herzens können die Er- regungsfortleitung, die für eine funktionierende Pumpfunktion notwendig ist, gewährleisten.

2.1.2.1 Transmembranspannung

Myokardiale Zellen besitzen die Eigenschaft der elektrischen Erregbarkeit. Durch eine bestimmte extra- und intrazelluläre Verteilung der Kalium-, Natrium-, Kalzium- und Chlorionen stellt sich im Gleichgewichtszustand ein sogenanntes Ruhepotential von ca. 90 mV ein (siehe Tab. 2.1).

Tabelle 2.1. Ionenverteilung in einer menschlichen Muskelzelle. Daten aus [8].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Ruhepotential für ein beliebiges Ion X, auch als Nernst-Spannung E x bezeichnet, berechnet sich mit Hilfe der Nernst-Gleichung. Hierbei sind [ X ] o und [ X ] i die extra- bzw. intrazelluläre Ionenkonzentration, F die Faraday-Konstante, T die Temperatur, R die allgemeine Gaskonstante und z x die Ladungszahl des Ions:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Kombination verschiedener Ionen mündet in der Transmembranspannung V m, welche mittels der Goldmann-Hodgkin-Katz-Gleichung berechnet werden kann:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hierbei ist P die Permeabilität der einzelnen Ionenkanäle. Die Transmembranspannung einer Zelle verändert sich sehr schnell, aber nur der Gleichgewichtszustand wird als Ruhepotential bezeichnet. Um eine noch genauere Beschreibung der Herzzelle zu ermöglichen, kann Gleichung 2.2 leicht um Ca[2]+ oder Pump- und Exchangerströme erweitert werden.

2.1.2.2 Ionenkanäle, Pumpen und Exchanger

Ionenkanäle

Ionenkanäle sind porenbildende Transmembranproteine der Zellmembran. Sie sind selektiv per- meabel für bestimmte Ionensorten. Sie ermöglichen so den Austausch von Ionen zwischen Intra- und Extrazellulärraum. Ionenkanäle haben eine zylindrische Form und einen Durchmesser von un- gefähr einem Nanometer [9]. Um den Ionenfluss zu steuern, können die Kanäle in einem offenen, geschlossenen oder inaktiven Zustand sein, wobei nur der offene Zustand den Ionen erlaubt, die Zellmembran zu passieren.

Der Wechsel zwischen den einzelnen Zuständen wird als ’Gating’ bezeichnet. Dieses Gating wird entweder von Liganden wie Acetylcholin (ACh) oder Adenosintriphosphat (ATP) oder durch Änderungen der Transmembranspannung gesteuert. Ein Ionenkanal hat in Regel vier Gates, welche alle geöffnet sein müssen um für seine spezifischen Ionen durchlässig zu sein.

Ionenpumpen und Exchanger

Die physikalische Ursache für die Ionenbewegung durch die Zellmembran hindurch ist deren unglei- che Verteilung im Intra- und Extrazellulärraum und der daraus folgenden Bildung eines elektro- chemischen Gradienten (siehe auch Tab. 2.1). Da durch solche passiven Transportmechanismen schnell ein Gleichgewichtszustand erreicht wird, sind aktive Transporter nötig, um die Ionen ent- gegen des elektrochemischen Gradienten zu transportieren und somit die ursprüngliche Ionenver- teilung wiederherzustellen. Ein Beispiel ist hier die Na+-K+-Pumpe, welche unter Verbrauch von ATP drei Na+-Ionen aus der Zelle hinaus und zwei K+-Ionen in sie hinein pumpt.

ÄhnlichwiePumpen ermöglichen auch Exchanger den Transport entgegen des elektrochemischen Gradienten. Im Gegensatz dazu verbrauchen sie aber kein ATP, sondern machen sich die Bewegung anderer Moleküle zu nutzen. Hierbei nutzen sie den elektrochemischen Gradient ihrer ’Carrier’-Moleküle oder genauer ausgedrückt füllen sie die Potentialdifferenz, welche diese Moleküle hinterlassen oder verursachen. Folgen die Ionen ihren Carriern wird der Exchanger als Symport bezeichnet, erfolgt der Austausch entgegen derer Flussrichtung wird er als Antiport bezeichnet. Ein Beispiel ist hier der Na+-Ca[2]+-Exchanger. Während hier drei Na+-Ionen durch die Zellmembran in die Zelle einströmen, wird ein Ca[2]+-Ion aus der Zelle hinaus gepumpt.

Gap Junctions

Eine Besonderheit kardialer Zellen sind sogenannte Gap-Junctions. Gap-Junctions sind kanalbil- dende Proteinkomplexe und stellen eine direkte Verbindung der zytoplasmatischen Kompartimente benachbarter Zellen dar. Diese direkten Zell-Zell-Kanäle ermöglichen so den unmittelbaren Trans- port von Ionen und Metaboliten zwischen benachbarten Zellen und bilden den Grundbaustein der schnellen Erregungsfortleitung im Myokard. Sie bestehen aus zwei Halbkanälen, Konnexonen, die in den direkt gegenüberliegenden Zellbereichen liegen. Jedes Konnexon besteht wiederum aus sechs Connexinen (siehe Abb. 2.3). Im Gegensatz zu Ionenkanälen sind Gap Junctions nicht selektiv für bestimmte Ionensorten, sondern ermöglichen verschiedensten Ionen und Metaboliten den schnellen Transport von Zelle zu Zelle.

Eine genauere mathematische Beschreibung der Herzzelle, aller Transportvorgänge und des Gatings der Ionenkanäle findet sich zum Beispiel in [10].

2.1.2.3 Aktionspotential

Wie bereits oben erwähnt, besitzen Herzmuskelzellen die Eigenschaft der Erregbarkeit. Erregbare Zellen reagieren auf einen äußeren Reiz mit einer Änderung ihrer Membraneigenschaften. Wenn

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.3. Schematische Beschreibung der Gap Junctions. (a) Jedes Konnexon besteht aus sechs Connexinen. Zwei Konnexone sind jeweils verbunden und bilden die Gap Junction. (b) Molekulare Organisation einer Gap Junction mit “E”, dem extrazellulären Gap, “M”, den Bereichen der Zellmembran und “C”, den zytoplasmatischen Kompartimenten. Aus [11]. die Transmembranspannung einen Schwellwert überschreitet wird ein Aktionspotential (AP) aus- gelöst. Die Form und Dauer des AP ist abhängig vom Zelltyp und von der Frequenz der Stimuli. In Abb. 2.4 ist der Ablauf eines APs einer Herzmuskelzelle illustriert. Nach Erreichen des Schwellwer- tes öffnen zunächst schnelle spannungsgesteuerte Natriumkanäle, was eine rasche Depolarisation der Zelle zur Folge hat. Noch vor Erreichen dieses sogenannten Overshots (Phase 1), beginnen sich die Natriumkanäle wieder zu schließen und eine von sich öffnenden Kaliumkanälen getragene Repolarisation beginnt. Zeitgleich öffnende Kalziumkanäle verhindern ein Abfallen der Transmem- branspannug um Werte geringer als 0 mV und führen zu einer Plateauphase konstanter Spannung (Phase 2). Gegen Ende der Plateauphase strömen vermehrt K+-Ionen in die Zelle ein und führen zur vollständigen Repolarisation (Phase 3). Nach dem Durchlaufen des APs befindet sich die Zel- le wieder in ihrer Ruhemembranspannung (Phase 4). Dies zeichnet die grundlegende Entstehung eines APs nach. In der Realität sind deutlich mehr und spezifischere Ionenkanäle, Pumpen und Exchanger beteiligt. Die genauen Ströme während eines APs im Vorhof sind ebenfalls in Abb. 2.4 dargestellt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt kardialer Zellen sind die vorhandenen Refraktärphasen. Das bedeu- tet, dass kurz nach Beginn eines APs kein weiteres AP mehr ausgelöst werden kann. Begründet ist dies in der Inaktivierung des schnellen Natriumkanals, der bei ca. 100 mV seine maximale Aktivierbarkeit besitzt und ab ca. 50 mV nicht mehr aktivierbar ist [8]. Somit kann ein neues AP frühestens dann ausgelöst werden, wenn die Transmembranspannung in der Repolarisationsphase unter diesen Schwellwert fällt. Die Refraktärphase hat dahingehend seine Wichtigkeit, dass sie der

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.4. (a) Aktionspotential einer Herzzelle (oben) und sich ändernde Ionenkanalleitwerte (unten). (b) Verschiedene Ionenströme während eines atrialen Aktionspotentials. Editiert aus [12][13].

Erregung die Richtung vorgibt und rückwirkende oder kreisende Erregungen dadurch vermieden werden und es nur zu einer Einzelzuckung kommt.

2.1.2.4 Erregungsleitsystem des Herzens

Neben den Arbeitsmyokardzellen, welche für die mechanische Kontraktion verantwortlich sind, gibt es eine weitere Gruppe von Zellen, welche das Erregungsleitsystem des Herzens bilden und für eine schnelle Ausbreitung der Erregung sorgen. Die Erregungsfortleitung im Herzen ist unabdingbar für seine optimale Funktion. Zum Beispiel kontrahieren die Vorhöfe ungefähr 120 ms vor den

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.5. Erregungsleitungssystem des Herzens mit dem taktgebenden Sinusknoten und den weiteren sich entwickelnden APs der verschieden Herzregionen. Das resultierende Oberflächen-EKG ist unten dargestellt. Editiert aus [14].

Ventrikeln und sichern so deren optimale Füllung. Ein Überblick über den Verlauf der Erregung ist in Abb. 2.5 dargestellt.

Der Ausgangspunkt der Erregungsausbreitung ist der Sinusknoten. Er liegt im rechten Vorhof im Bereich der Mündung der oberen Hohlvene. Im Gegensatz zu Zellen des Arbeitsmyokards hat der Sinusknoten kein Ruhepotential. Auch gibt es hier keine schnelle Depolarisation sondern einen langsamen Anstieg der Transmembranspannung. Der Sinusknoten ist der dominierende Schrittma- cher des Herzen und hat eine Frequenz zwischen 60 und 100 Schlägen pro Minute. Diese kann aber auch unter Wirkung des sympathisch aktivierten Transmitters Noradreanlin deutlich höher sein. Ein depolarisierender Sinusknoten unterdrückt andere Schrittmacher, die im Falle seines Ausfalles zum Einsatz kommen würden.

Nach der Depolarisation des Sinusknotens kontrahieren die Vorhöfe und die Erregung wandert weiter zum AV-Knoten. Der AV-Knoten stellt das sekundäre Erregungszentrum dar. Seine Depo- larisationsfrequnez ist mit ca. 40 Schlägen pro Minute deutlich kleiner als die des Sinusknotens. Im AV-Knoten pausiert die Erregung für ca. 120 ms, der AV-Zeit, um den Ventrikeln die Möglich- keit zur vollständigen Füllung zu geben. Die Refraktärzeit des AV-Knotens verhindert zudem ein Übergreifen von Vorhoftachykardien auf das Ventrikel, wie es zum Beispiel bei Vorhofflimmern der Fall wäre. Nach Passage des AV-Knotens wandert die Erregung entlang des Septums schnell weiter über das HIS-Bündel, die Kammerschenkel und das Purkinjenetzwerk, bevor sich die Erregung über das gesamte Myokard ausbreitet.

2.2 Das Elektrokardiogramm

Das Potential an den Zelloberflächen ist, wie oben beschrieben, während des Herzzyklus Schwankungen ausgesetzt. Daher ist beispielsweise das Potential unerregter Zellen negativ gegenüber dem erregter Zellen. Da der menschliche Körper ein leitendes Medium ist und sich das elektrische Feld des Herzens durch den Körper ausbreitet, kann diese Potentialdifferenz nun in unmittelbarer Nähe des Herzens, also intrakardial, und an der Körperoberfläche gemessen werden. Diese Messung bezeichnet man als Elektrokardiogramm (EKG).

2.2.1 Oberflächen-EKG

Obwohl auch intrakradial EKGs abgeleitet werden, geht man umgangssprachlich bei einem EKG von der Potentialdifferenzenmessung auf der Körperoberfläche aus. Die Abschätzung dieses Sum- menpotentials kann über die Überlagerung vieler einzelner Stromdipole gewonnen werden. Jedoch ist dies offensichtlich ein sehr kurzer stromführender Pfad. Zur Vereinfachung und besseren Ver- anschaulichung wird das Verhalten auf der Körperoberfläche auf einen einzigen Stromdipol, dem sogenannten Herzvektor, reduziert. Die zeitliche Projektion des Herzvektors ergibt, abhängig von der gewählten Ableitung, das EKG. Am häufigsten finden sich in der Klinik Systeme mit 12 Ablei- tungen. Diese Systeme bestehen aus drei bipolaren Extremitätenableitungen nach Einthoven, drei unipolaren Extremitätenableitungen nach Goldberger und sechs unipolaren Brustwandableitungen nach Wilson.

Folgend werden exemplarisch die Einthoven-Ableitungen in knappen Worten besprochen. Für eine ausführlichere Behandlung des Themas sei beispielsweise auf [5] verwiesen. Die Beschreibung des ersten klinisch relevanten EKG-Messsystems wurde 1901 von Willem Eintho- ven vorgestellt. Die entsprechenden Ableitungen errechnen sich durch die Potentialdifferenz zwi- schen rechtem Arm ΦR, linkem Arm ΦL und linkem Fuß ΦF (siehe Fig. 2.6). Eine Erdung am rechten Fuß kann zusätzlich die Gleichtaktunterdrückung verbessern. Die Ableitungen sind wie folgt definiert:

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Eine schematische Darstellung des Verlaufs einer typischen EKG-Kurve ist in Abb. 2.7 dargestellt. Ausgehend vom Sinusknoten greift die Erregung auf die Vorhöfe über, dessen Erregung mit der P-Welle registriert wird. Die Verzögerung der Erregung im AV-Knoten ist durch die isoelektrische Linie zwischen P- und Q-Zacke sichtbar. Der Beginn der Ventrikelkontraktion kennzeichnet die Q-Welle. Die Erregung verläuft zunächst entlang des linken Kammerschenkels. Die Erregung des rechten Kammerschenkels folgt verzögert. Dadurch zeigt der Feldvektor nach rechts in Richtung des nicht erregten Gebiets was die Q-Zacke negativ erscheinen lässt. Danach erreicht die Erregung

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Abb. 2.6. Ableitungen nach Einthoven. Hierbei ist p das Dipolmoment des Herzvektors und α der Winkel zwischen Dipolachse und Radiusvektor. Editiert aus [14].

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Abb. 2.7. Aufgenommenes Elektrokardiogramm während einer elektrophysiologischen Untersuchung.

die Herzspitze was den Beginn der R-Zacke widerspiegelt. Anschließend wandert die Erregung von der Herzspitze am linken und rechten Ventrikel nach oben zur Basis, was der R-Zacke entspricht. Der Feldvektor zeigt hier später in manchen Ableitungen von der Herzspitze weg und erzeugt die negative S-Zacke. Die Kombination der erwähnten drei Zacken, der QRS-Komplex, repräsentiert die Kammererregung. Die T-Welle repräsentiert schließlich die Kammerrepolarisation. Würde die Repolarisation in gleicher Richtung verlaufen wie die Erregung, wäre die T-Welle negativ. Da sie jedoch nahe der Basis, also dem Endpunkt der Erregung startet, zeigt sich eine positive T-Welle. Die Repolarisation der Vorhöfe wird vom QRS-Komplex überlagert [5].

2.2.2 Atriales Elektrogramm

Wegen des Übertragungsweges vom Myokard zur Körperoberfläche, gehen im Oberflächen-EKG oft Informationen verloren. Es besteht nun die Möglichkeit, die Potentialdifferenzen auch intrakardial zu messen. Hierzu wird ein Katheter, z.B. über die untere Hohlevene direkt ins Herz geschoben und es kann direkt an der gewünschten Stelle am Endokard das intrakardiale Elektrogramm abgeleitet werden. Wird innerhalb des Vorhofs gemessen, heißen diese Ableitungen atriale Elektrogramme. Um den Erregungsablauf exakt nachvollziehen zu können, werden in der Regel mehrere Elektroden gleichzeitig benutzt. Die Position des Katheters wird hierbei radiologisch überprüft. In Abb. 2.8 sind beispielhaft zwei Katheter abgebildet.

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Abb. 2.8. Katheter zur Ableitung von intrakardialen Elektrogrammen. (a) Bipolarer zirkulärer Katheter mit 10 Elektroden. (b) Bipolarer Maschenkatheter mit 36 Elektroden. Aus [15].

2.3 Vorhofflimmern

Vorhofflimmern ist die am meisten verbreitete Herzrhythmusstörung. Zudem zeigt die Anzahl der Menschen, die an Vorhofflimmern erkrankt sind, eine klar steigende Tendenz [16]. Vorhofflimmern ist eine chaotische und hochfrequente Erregung des Vorhofs. Die Frequenz liegt bei ca. 350-600 Schlägen pro Minute. In diesen Frequenzbereichen ist es dem Vorhof nicht mehr möglich hämodynamisch wirksame Kontraktionen durchzuführen. Im Oberflächen-EKG ist die P-Welle komplett unterdrückt. Von Vorhofflimmern zu unterscheiden ist Vorhofflattern. Vorhoff- lattern ist ebenfalls eine Tachykardie des Vorhofs, jedoch mit regelmäßigeren Kontraktionen im Frequenzbereich von ca. 220-350 Schlägen pro Minute. Die Aktivierungsfrequenz liegt hier bei 3-6 Hz. Die einzelnen Ausschläge sind im intrakardialen atrialen Elektrogramm gut voneinander zu unterscheiden und durch eine isoelektrische Linie getrennt. Die Aktivierungsfrequenz bei Vorhoff- limmern liegt bei 4-10 Hz. Eine Unterscheidung der einzelnen Erregungen ist im atrialen Elektro- gramm nicht immer möglich. Oft treten sogenannte komplex fraktionierte Elektrogramme (CFAE) während des Flimmerns auf. CFAEs sind charakterisiert durch chaotisch auftretende Ausschläge, starke Grundlinienschwankungen und verlängerte elektrische Aktivität (siehe Abb 2.9).

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Abb. 2.9. Vergleich von Vorhofflimmersignalen. (a) Geregelte Flimmersignale. Die einzelnen Aktivie- rungen sind deutlich zu unterscheiden. (b) CFAE-Signal. Die Erregung ist chaotisch und die elektrische Aktivität ist deutlich verlängert. Eine Unterscheidung der einzelnen Aktivierungen ist hier nur schwer möglich.

Vorhofflimmern ist nicht direkt lebensgefährlich, da der Vorhof nur ca. 25% zur Füllung der Ventri- kel beiträgt, jedoch sinkt dadurch die körperliche Belast- und Leistungsfähigkeit. Der AV-Knoten verhindert ein direktes Übergreifen des Flimmerns auf den Ventrikel, trotzdem wird das Ventrikel schnell und unregelmäßig erregt was für die Betroffenen sehr unangenehm ist. Die Hauptrisiken durch Vorhofflimmern sind sekundärer Natur. Aufgrund des verminderten Blutflusses kommt es vor allem im Herzohr zu einer erhöhten Koagulation und Thrombenbildung. Diese Thromben können mitgerissen werden und in die Lunge oder das Gehirn gelangen, was möglicherweise le- bensbedrohliche Lungenembolien oder Schlaganfälle zur Folge hat. Daher ist eine Behandlung von Vorhofflimmern unabdingbar.

2.3.1 Entstehung von Vorhofflimmern

Bei Vorhofflimmern unterscheidet man zwischen paroxysmalem und persistierendem Vorhofflim- mern. Einfach ausgedrückt, ist das Flimmern paroxysmal, falls dieses von selbst terminiert und persistierend, wenn es sich selbst erhält. Nach genauer Definition der American Heart Associa- tion ist Vorflimmern paroxysmal und wiederauftretend, wenn es nach Terminierung mindestens zweimal erneut auftritt, aber niemals länger als sieben Tage andauert. Dem entgegen gesetzt wird Vorhofflimmern als persistierend bezeichnet, wenn es länger als sieben Tage andauert. Wenn zu- dem mindestens drei Kardioversionen nicht erfolgreich waren, ist das Vorhofflimmern permanent [17].

Häufig tritt Vorhofflimmern ohne erkennbare Ursache auf, was bei etwas einem Drittel der Patien- ten der Fall ist. Bei den meisten Patienten kann jedoch eine kardiale Grunderkrankung beobachtet werden. So leiden ca. 30 % der Patienten an einer koronaren Herzkrankheit, etwa 20-30% an ei- ner arteriellen Hypertonie, ca. 20% an einem Herzklappenfehler und ca. 15% an Erkrankungen des Myokards. Als extrakardiale Grundkrankheit kann eine Überfunktion der Schilddrüse genannt werden, welche die Gefahr, an Vorhofflimmern zu erkranken, auf das sechsfache erhöht [1]. Elektrophysiologisch wird paroxysmales Vorhofflimmern häufig durch ektope Trigger in den Pulmo- nalvenen ausgelöst. Dort ist der Anstieg der Auto-Depolarisation oft höher als im Sinuskonoten selbst. Diese anormalen Zellen können nun leicht die Eigenerregungsfrequenz des Sinusknotens übertreffen und somit das regelmäßige elektrische Erregungsmuster im Vorhof stören. Bei persistierendem Vorhofflimmern sind Mechanismen vorhanden, die eine Eigenerregung des Vorhofmyokards begünstigen. Nattel et al. [18] beschreiben drei Konzepte dieser Art. Alle drei beschreiben eine Eigenerregung, auch als Reentry-Mechanismus bezeichnet. Beim Closed-Circle- Reentry geht man davon aus, dass die Erregung um einen nicht erregbaren Kern herum läuft. Dies könnte neben nekrotischen bzw. nicht elektrisch leitfähigen Gebieten auch das Ostium einer Pulmo- nalvene sein. Allerdings erklärt der Closed-Circle Reentry nicht in vollem Umfang die Dynamik des Vorhofflimmerns (Abb. 2.10 (a)). Eine Verfeinerung stellt das Konzept des Leading-Circle Reentry dar. Hierbei durchläuft die Erregung ein kreisförmiges Gebiet und erregt sich immer wieder selbst. Dabei muss die Wellenlänge der Erregung kurz genug sein, dass sie nicht auf noch refraktäres Gebiet trifft. Diese kreisende Bewegung erregt nun fortlaufend die inneren Bereiche dieses Kreises (Abb. 2.10 (b)). Ein letzter Erklärungsansatz ist das Konzept des Spiral-Wave-Reentry, wobei hier der voll erregbare Kern als rotierendes Zentrum für mehrere Erregungsfronten dienen soll (Abb.

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Abb. 2.10. Konzepte der Reentry-Mechanismen bei persistierendem Vorhofflimmern. (a) Closed-Circle- Reentry. (b) Leading-Circle Reentry. (c) Spiral-Wave Reentry. Aus [18].

2.3.2 Remodeling

Um persistierendes Vorhofflimmern zu ermöglichen, müssen, wie oben erwähnt, Reentry-Mecha- nismen möglich sein. Das heißt, dass die Erregungsfront immer wieder auf nicht refraktäres Gewebe trifft und nicht von selbst terminiert. Dies wird durch eine Verkürzung der Wellenlänge der Erre- gung begünstigt. Die Wellenlänge ist hierbei das Produkt aus Refraktärzeit und Ausbreitungsge- schwindigkeit der Erregungsfront. Wijfels et al. haben nun 1995 ihre Theorie von ”Vorhofflimmern unterhält Vorhofflimmern” veröffentlicht, welche besagt, dass das Auftreten von Vorhofflimmern die Wahrscheinlichkeit drastisch erhöht, an persistierendem bzw. chronischem Vorhofflimmern zu erkranken. Begründet wird dies mit einem Remodeling, also einer Umstrukturierung des Herzmus- kelgewebes, welche die Ausbreitungsgeschwindigkeit und die Refraktärzeit, und damit auch die Wellenlänge der Erregung verkürzt und somit Reentry-Mechanismen begünstigt [19].

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Abb. 2.11. Entstehungskonzept von chronischem Vorhofflimmern (VHF). Aus [1].

Die Verkürzung der Aktionspotentialsdauer, und damit der Refraktärzeit, basiert hauptsächlich auf einer Verringerung der Leitfähigkeit des L-Typ-Kalziumkanals, was eine schnellere Repolarisation durch K+-Ströme begünstigt. Aufgrund der hochfrequenten Erregung erhöht sich die Ca[2]+-Konzentration in der Zelle, da die Pumpen und Exchanger nicht mehr in der Lage sind die ursprüngliche intrazelluläre Konzentration vor der nächsten Erregung wieder herzustellen. Um dieser toxischen Ca[2]+-Konzentration entgegenzuwirken, reagiert die Zelle mit einer Verringerung der Ca[2]+-Kanal-Leitfähigkeit, um den Ca[2]+-Einstrom zu minimieren.

Durch den niedrigen Ca[2]+-Einstrom wird auch die Kontraktionskraft signifikant gesenkt, was zu einer Dilatation des Vorhofs führt. Hierdurch folgen weitere strukturelle Umbauprozesse. Diese münden in Hypertrophie, einer Größenausdehnung durch Zellausdehnung und Fibrose durch Ab- sterben von Zellen, was alles kombiniert Leitungsstörungen im Vorhof induziert. Zusätzlich wird in der Literatur von einer Reduzierung der Leitfähigkeit der Gap Junctions ge- sprochen. Hier wird dem Vorhofflimmern eine Beeinflussung der Genexpression der Connexine zugesprochen. Dieser Effekt führt zu einer Verringerung der Ausbreitungsgeschwindigkeit der Er- regung, was wiederum die Wellenlänge der Erregungsfront weiter verkürzt [20].

2.3.3 Therapieansätze

Ziel einer Therapie des Vorhofflimmerns ist es, wieder eine homogene Kontraktion des Vorhofs zu erreichen und ein erneutes Auftreten von VHF zu verhindern.

Zur Wiederherstellung des Sinusrhythmus gibt es die Möglichkeit der Kardioversion oder die der medikamentösen Herangehensweise. Die Kardioversion hat die beste Erfolgsrate. Aber auch Medi- kamente wie Amiodaron oder Dronedaron haben Erfolgsraten von über 90%, werden aber vor allem bei älteren Menschen angewendet, bei denen die elektrische Kardioversion nicht immer durchführ- bar ist [21]. Am erfolgversprechendsten ist die Kombination beider Methoden. Jedoch liegt die Rückfallquote nach einem Jahr bei fast 50%, und die Medikamente haben teilweise starke Ne- benwirkungen. Es muss also das Ziel sein, das Vorhofflimmern dauerhaft auszublenden, auch weil Studien gezeigt haben, dass dadurch das obig erwähnte Remodeling eventuell revidiert werden kann. Eine Möglichkeit hierzu ist die Katheterablation, welche im nächsten Abschnitt beschrieben wird.

2.4 Katheterablation

Die Katheterablation ist ein kuratives Verfahren und wird neben der Therapie von Vorhofflimmern und Vorhofflattern auch bei Arrhythmien wie dem Wolf-Parkinson-White Syndrom oder ventrikulären Tachykardien eingesetzt. Das Ziel der Ablation ist die gezielte Zerstörung bzw. Vernarbung von Zellen, um somit die unkontrollierte Erregungsausbreitung zu beenden. Der Zugang zum Herzen wird in der Regel von der Femuralvene ausgehend realisiert. Von dort wird der Katheter über die untere Hohlvene in den rechten Vorhof geschoben. Bei der Ablation im linken Vorhof wird zusätzlich das Septum durchstochen.

Nachdem der Katheter im Vorhof positioniert ist, wird im nächsten Schritt eine digitale Vorhof- geometrie erstellt. Dies wird durch sogenannte 3-D-Mapping-Systeme realisiert, welche näher in Abschnitt 2.4.1 beschrieben sind. Danach beginnt die eigentliche Behandlung. Da ektope Trigger in den Pulmonalvenen als Auslöser des Vorhofflimmerns vermutet werden, ist der erste Schritt der Ablation die Isolation der Pulmonalvenen. Hierbei werden zirkulär zu deren Ostium Ablations- punkte gesetzt. Anschließend werden weitere Ablationspunkte an Stellen gesetzt an denen CFAEs gemessen werden können, da in Studien gezeigt wurde, dass dieses Vorgehen vielversprechende Ergebnisse erzielt [22].

Die Ablation erfolgt meistens durch hochfrequente Ströme (Radiofrequenz-Katheterablation), je- doch wird auch immer häufiger die Kryo-Ablation benutzt, welche das Gewebe mit Kälte zerstört. Die Vorteile der Kryo-Ablation werden darin gesehen, dass umliegendes Gewebe weniger stark be- einflusst wird, als zum Beispiel bei der Radiofrequenz-Katheterablation, bei der eine Erwärmung naher Gewebsschichten und damit weitere Denaturalisierungsprozesse nur schwer zu vermeiden sind. Ein weiter Vorteil der Kryo-Ablation ist die um über 60% verringerte Inzidenz von Thromben im Vergleich zur Radiofrequenz-Ablation und eine geringere Neigung zur Bildung von Stenosen in umliegenden Gefäßen. Zusätzlich bildet sich ab ca. 20 ◦ C ein Eisball an der Kathetherspitze, was zu einem optimalen Kontakt zwischen Endokard und Katheter führt und zusätzlich keine weitere Bewegung des Katheters zulässt (siehe Abb 2.12). Neuere Entwicklungen integrieren die Kryo- Ablation in einen Ballon-Katheter, um so, nach Ballon-Entfaltung, die gesamte Pulmonalvene auf einmal zu isolieren. Vorteil der Radiofrequenz-Katheterablation ist die langjährige Marktetablie- rung und Erfahrung, welche bei der Kryo-Ablation noch nicht vorhanden ist. Aus diesem Grund ist die Radiofrequenz-Ablation in der Klinik immer noch am weitesten verbreitet [23]. Moderne Ablationskatheter sind in der Regel zirkulär aufgebaut. Das heißt, die eigentliche Elek- trode besteht aus einem Metallring, der in seiner Mitte hohl ist. Die Dicke dieses Rings beträgt ungefähr einen Millimeter, während der Innenraum nur einen geringen Durchmesser zwischen 0,2 und 0,5 Millimeter besitzt. Der Abstand der zweiten Elektrode des bipolaren Katheters beträgt in der Regel zwischen fünf und sechs Millimetern. Neuere Katheter haben im inneren Hohlraum häu- fig Temperatursensoren integriert, um die Erwärmung des Gewebes besser zu kontrollieren. Als Sensoren werden zumeist Thermistoren verwendet. Eine schematische Darstellung eines aktuell verwendeten Katheters ist in Abb. 2.13 dargestellt [24].

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Abb. 2.12. (a) Verschiedene Ablationskatheter. Aus [15]. (b) Eiskristallbildung an einem Kryokatheter. Aus [23].

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Abb. 2.13. Schematische Darstellung eines modernen Ablationskatheters mit integriertem Thermistor zur Temperaturüberwachung im Zielgebiet. Editiert aus [24].

2.4.1 3-D-Mapping-Systeme

Zur Zeit existieren zwei Systeme, die die Position des Katheters im dreidimensionalen Raum ohne Röntgenunterstützung bestimmen können. Beide Systeme sind in Abb. 2.14 dargestellt.

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Abb. 2.14. Verschiedene 3-D-Mapping-Systeme. (a) CARTO-System. Aus [15]. (b) Ensite-NavX®- System. Aus [25].

Das CARTO-System von BiosenseWebster benutzt eine Magnetfeld-basierte Methode. Hierbei wer- den drei Magnet-Wechselfelder außerhalb des Körpers erzeugt. Der beim CARTO-System benutzte Katheter kann nun durch einen integrierten Magnetfeldsensor das ankommende Wechselfeld be- stimmen. Aufgrund der Magnetfeldamplitude kann die Distanz zu jedem der drei Emitter bestimmt und damit die Position des Katheters im Raum berechnet werden. Beim Ensite-NavX®-System, entwickelt von St. Jude Medical, erzeugen drei Hautelektrodenpaare ein 5,68 kHz-Signal welches in den Körper gespeist wird. Durch die Annahme, dass der Körperwiderstand annähernd homogen ist, kann nun durch die Signalamplituden die Position im elektrischen Gradientenfeld berechnet werden.

Die Systeme haben verschiedenes Einsatzpotential. Zum einen kann die aktuelle Position des Katheters innerhalb des Vorhofs bestimmt werden, wobei zuvor durch Führen des Katheters am Endokard entlang die personalisierte Vorhofgeometrie erstellt werden kann. Auch kann die vorhandene Softwareumgebung genutzt werden um beispielsweise die Fraktioniertheit der Elektrogramme an bestimmten Stellen im Vorhof graphisch darzustellen.

2.4.2 Bedeutung von Endokardkontakt bei der Katheterablation

Dem Kontakt des Ablationskatheters zum Endokard wird in der Literatur einstimmig eine hohe Wichtigkeit zugeschrieben. Die Qualität des Endokardkontakts ist der entscheidende Faktor einer erfolgreichen Ablation, unabhängig davon, ob es sich um Ablationsstellen im Ventrikel, im Vor- hof oder auch um Stellen mit CFAEs handelt [26][27]. Erst wenn sicher gestellt ist, dass die zu ablatierende Stelle im Herzen millimetergenau lokalisiert wurde, sollte der Arzt die Katheterab- lation durchführen. Die Bedeutung eines genauen Kontakts hat mehrere Gründe. Bei geringstem

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Abb. 2.15. Dreidimensionale Vorhofgeometrie des linken Atriums mit Darstellung der Positionen eines Lasso- und eines Koronarsinus Katheters.

Abstand vergrößert sich der Übergangswiderstand des Hochfrequenzstroms von der Elektrode auf das Endokard bereits deutlich. Neben dem eigentlichen Kontakt sollte aber auch zusätzlich auf einen konstanten und reproduzierbaren Anpressdruck geachtet werden, da ein höherer Druck bei gleicher Leistung größere Läsionen entstehen lässt als bei leichtem Kontakt. Zur Zeit gibt es zwei Betriebsverfahren bei der Radiofrequenzablation. Beim leistungsgesteuer- ten Ablationsmodus wird eine voreingestellte Leistung konstant gehalten ohne die entstehende Temperatur zu messen, während beim temperaturgesteuerten Modus die Temperatur konstant gehalten wird, um dann bei Bedarf die Leistung dementsprechend nachzusteuern. Ist nun der Ab- lationskatheter ohne Endokardkontakt, wird durch den zwischen Katheter und Endokard fliesenden Blutstrom Wärme abgeführt, wodurch sich im Zielgewebe eine geringere Temperatur einstellt als gewünscht. Beim temperaturgesteuerten Modus folgt damit eine eventuell unzureichende Ablation, da die im Myokard gewünschte Temperatur durch den vorhandenen Abstand nicht erreicht wird. Beim leistungsgesteuerten Modus wird die durch Konvektion verlorene Leistung zwar nachgestellt und die korrekte Ablation damit relativ sichergestellt, jedoch können somit leicht Temperatu- ren über 100 ◦ C entstehen, was wiederum die Gefahr von thromboembolischen Komplikationen drastisch erhöht. Im leistungsgesteuerten Modus kann es auch bei zu starkem Druck zu Kom- plikationen kommen, da hierbei das Gewebe bei gleicher Leistung stärker erwärmt wird als bei normalen Kontakt. Folge ist eine stärkere Zerstörung von benachbartem Gewebe. Aus den genannten Gründen wird heute fast ausschließlich die temperaturgesteuerte Variante ein- gesetzt, bei der die korrekte Ablation zwar nicht ganz sicher garantiert wird, aber Komplikationen minimiert werden. Zu beachten ist aber dennoch, dass die tatsächliche Temperatur im Gewebe, vor allem bei unzureichendem Gewebekontakt, nur unzureichend erfasst werden kann. Wie be- reits erwähnt, erfolgt durch den Blutfluss ein Wärmeverlust, was zu niedrige Temperaturangaben zur Folge hat. Auch ein schräg liegender Katheter führt zu niedrigeren Temperaturangaben. Aus diesem Grund ist eine Kontrolle des Endokardkontakts unabdingbar [28]. Eine weiterer Punkt, welcher die Wichtigkeit des Endokardkontakts belegt, ist die Signalanalyse bei der Suche nach CFAE-Signalen. CFAEs können, wie oben erwähnt, Hinweise auf Flimmerzen- tren geben und sind bei der Ablation von besonderem Interesse. Ein unzureichender Kontakt des Katheters liefert dem untersuchenden Mediziner falsche Informationen über das gemessene Signal und begünstigt unter Umständen falsche Rückschlüsse bezüglich der Ablationsentscheidung [22].

Es gibt verschiedene Herangehensweisen um den Kontakt sicherzustellen. Die frühere Annahme, dass eine bestimmte Temperatur bei einer vorgegeben Leistung Ausdruck eines gesicherten Kon- takts ist, hat sich als falsch erwiesen. Auch ein erhöhtes Induzieren von Extrasystolen kann nicht als zuverlässiges Kontaktzeichen gewertet werden. Ebenfalls keine sicheren Erkenntnisse liefert eine genaue Beobachtung der Röntgenaufnahmen. Durchgesetzt haben sich weitestgehend Messungen der endokardialen Impedanz, wobei hier Impedanzen zwischen 150 und 250 Ω als Grenzwert fun- gieren [29]. Allerdings sind diese Werte für jeden Patient verschieden und können somit nur als Anhaltspunkt dienen. Jonathan Kalman et al. [30] widmeten sich ausführlich dieser Frage und schlugen mehrere Möglichkeiten vor. Zum einen wurde eine Kombination aus Fluoreszenz und Ul- traschall verwendet. Hierbei sicherte die Fluoreszenz die Stabilität der Postion des Katheters und verhinderte ein laterales Verrutschen, da bei Bewegungen auf dem Endokard fluoreszierendes Licht emittiert werden sollte. Zur Bestimmung des eigentlichen Kontakts wurde ein rotierender Ultra- schallemitter in die Katheterspitze integriert und mit Hilfe eines 10 MHz Echos wurde schließlich der Endokardkontakt bestimmt. Mit der Einführung des ”Heizeffizienz-Index” stellten Kalman et al. eine zweite Möglichkeit der Kontaktbestimmung vor. Hierbei wurde das Gewebe mit einer vor- bestimmten Leistung erhitzt, ohne es dabei notwendigerweise schon zu zerstören, um anschließend die Temperaturerhöhung im Zielbereich zu messen. Bei gutem Kontakt, war dann die Temperatur deutlich höher als bei schlechtem Kontakt. Das heißt der Heizeffizienz-Index war größer [30]. Auch andere Quellen erwähnen die Möglichkeit der Beobachtung der Temperaturverlaufskurve, warnen aber gleichzeitig davor, dies als eindeutig zuverlässiges Kontaktzeichen zu werten [31]. Zuletzt werden auch häufig die obig erwähnten 3-D-Mapping-Systeme als Kontakthinweis genutzt, was aber vor allem durch die nicht exakte Annahme einer konstanten Körperimpedanz problematisch erscheint. Trotz der relativ genauen Angaben der Systeme, sind Verschiebungen um einige Milli- meter nicht zu vermeiden. Auch kann hierbei niemals sicher davon ausgegangen werden, dass die Patienten sich während des Eingriffs nicht bewegen, was weitere Positionsabweichungen zur Folge hätte.

Ikeda et al. weisen zusätzlich darauf hin, dass neben dem eigentlichen Kontakt auch der An- pressdruck des Katheters beachtet werden sollte und daher die Betrachtung der Impedanz nur bedingt die Qualität der Ablation sichern kann. Bei gleichbleibender Leistung nimmt die Läsions- tiefe auch bei wachsendem Anpressdruck merklich zu und sollte daher zusätzlich erfasst werden (siehe Abb. 2.16) [32].

Dieses Ergebnis wurde von Karl-Heinz Kuck und Kollegen [33] aufgegriffen und es wurden darauf basierend weitere Untersuchungen durchgeführt. Es wurden mehrere Ablationen von verschiedenen erfahrenen Ärzten vorgenommen und diejenigen ausgewertet, bei welchen die durchführenden Me- diziner das Ergebnis als gut bewerteten. Hierzu wurde der neuartige taktile Katheter T actiCath TM

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.16. Einfluss des Anpressdrucks auf die Tiefe der Läsion. Editiert aus [32].

der Firma Biotronik verwendet, der in der Lage ist, den Anpressdruck zu messen. Zum einen fand man heraus, dass der Anpressdruck von der Position des Zielgewebes abhängt, was auch der Er- reichbarkeit der Strukturen geschuldet ist. Zum anderen ist der subjektive Eindruck eines guten Anpressdrucks sehr variabel und es ist zudem praktisch unmöglich alle Ablationspunkte mit einem konstanten Anpressdruck zu setzen. Während 12% der Ablationen mit einem Anpressdruck von unter 5 g durchgeführt wurden, was hinsichtlich des Katheterkontakts schon als kritisch angesehen wird, wurden bei 41% der Patienten mindestens zehn mal außergewöhnlich hohe Anpressdrücke von über 100 g erreicht [33]. Die Mehrheit der Ärzte sah einen Anpressdruck von ca. 20-25g als subjektiv gut an, wobei auch hier Drücke von über 70 g als ideal wahrgenommen wurden und bei fast 20% der Beobachtungen der Druck unter 10 g lag. In Einzelfällen lag der Anpressdruck auch unterhalb des kritischen Werts von 5 g. Die Auswertung von zehn beispielhaften Ablationen ist in Abb. 2.17 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.17. Durchschnittliche Anpressdrücke und dazugehörige Standardabweichungen bei 12 beispielhaften Ablationen. Darunter sind zusätzlich die maximal und minimal auftretenden Anpressdrücke in Gramm dargestellt. Editiert aus [33].

Dies alles macht deutlich, dass der gesicherte Kontakt des Katheters zum Endokard zwar un- bedingt notwendig, aber die bisherigen Methoden zu dieser Überprüfung entweder unzuverlässig oder sehr aufwändig sind. Daher wäre es wünschenswert, den Kontakt direkt aus dem gemessenen Signal abzulesen. In der Literatur gibt es dazu zwar einige Hinweise, aber leider keine genauen Beschreibungen.

Emslie-Smith et al. zeigten hierzu, dass bei intrakardialen Elektrogrammen im Ventrikel das Vor- handensein eines Verletzungs- oder Kontaktstroms schon länger bekannt ist, was sich in einer S-T-Streckenhebung darstellt. Daraus folgend maßen sie etwaige Verletzungsströme im Atrium bei vorhandenem Kontakt und konnten in der Tat bei 66% der Probanden eine so bezeichnete S-T-Streckenhebung des Atriums-EKGs feststellen, also eine Hebung der Strecke zwischen Vorhof- Depolarisation (P-Welle) und atrialer Repolarisation. Dies bringt allerdings die Schwierigkeit mit sich, dass die Repolarisation des Vorhofs, auch in atrialen Elektrogrammen, praktisch nicht zu erkennen ist [34].

Einen ersten Hinweis auf eine Veränderung der Signalform geben J. von Rango et al. Sie beschreiben ein stumpferes Signal bei schlechtem Wandkontakt mit dem Verweis auf ein Fehlen hochfrequenter Signalanteile, verglichen zum Signal mit optimalem Kontakt zum Endokard [35]. Der Anhaltspunkt auf Kontrolle des Spektrums der Signale wird in dieser Arbeit aufgegriffen, verbunden mit dem Ziel weitere Merkmale zu extrahieren und zu evaluieren.

Methodische Grundlagen

In diesem Kapitel werden die mathematischen Grundlagen eingeführt, welche für die Verarbeitung, Analyse und Klassifizierung von Signalen wichtig sind. Außerdem werden Grundzüge und Darstel- lungsformen der Wahrscheinlichkeitstheorie behandelt. Abschließend werden das Courtemanche- und das Bidomain-Modell eingeführt, welche für die Simulation intrakardialer Signale von Bedeu- tung sind.

3.1 Methoden der Zeit-Frequenz-Analyse

3.1.1 Zeitdiskrete Signale

Ein Signal ist die zeitliche Veränderung einer messbaren Größe, die für den Beobachter verwertbare Informationen bereit stellt [36]. Auch wenn die beobachtete Größe verschiedenster Natur sein kann, ist sie in der Informationstechnik oft die Spannung. Auch in dieser Arbeit werden Spannungsunterschiede zwischen Elektroden gemessen und verwertet. Diese Signale sind immer analoger Natur, wobei diese zur Bearbeitung von Rechnern in eine digitale Form umgewandelt werden, was mittels einer zeitdiskreten Abtastung geschieht. Aus einem zeitkontinuierlichem Signal [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] wird nun durch äquidistante Abtastung das zeitdiskrete Signal [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] erzeugt. Hierbei ist t A die Abtastzeit, also die Zeit, die zwischen zwei Abtastungen vergeht. Ih- re Inverse, [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] wird Abtastfrequenz genannt. Für eine korrekte Rekonstruktion des Signal t A aus dem Frequenzbereich, muss das Abtasttheorem eingehalten werden. Formuliert von Harry Nyquist und Claude Shannon besagt es, dass zur vollständigen Rekonstruktion eines bandbegrenzten Signals die Abtastfrequenz mindestens zweimal so groß sein muss wie die größte im Signal vorkommende Frequenz. Bei Verletzung des Abtasttheorems kommt es zu spektralen Überlappungen. Dieses sogenannte Aliasing wird später noch genauer ausgeführt.

Neben der zeitdiskreten Abtastung, kann der Rechner auch die Amplitudenwerte nur digital erfas- sen. Den stetigen Amplitudenwerten können nur diskrete Werte zugeordnet werden und es entsteht ein Quantisierungsfehler. Daher ist hier analog zum Abtasttheorem das Quantisierungstheorem einzuhalten. Für eine fehlerfreie Amplitudenrekonstruktion muss die Amplitudenauflösung klein genug sein, damit die Amplitude des kontinuierlichen Signals mehrere Quantisierungsstufen durch- laufen kann. Eine genaue Beschreibung des Quantisierungstheorems findet sich beispielsweise in [37].

Intrakardiale Elektrogramme werden typischerweise mit einer Frequenz zwischen 1000 und 1200 Hz abgetastet, 1000 Hz im vorliegenden Fall. Für die Amplitudenerfassung werden 12-bit Register verwendet mit einer maximalen Amplitude von 5 mV. Somit ist der Abstand zwischen zwei Werten 1 ms und die Amplitudenauflösung 2[12] m V, was quasi-kontinuierlichen Signalen entspricht, wobei jedoch immer die digitalen Eigenschaften beachtet werden müssen.

3.1.2 Fourier-Transformation

Die Fourier-Reihe, benannt nach Jean-Baptiste Fourier, ist die Darstellung einer beliebigen peri- odischen Funktion y (t) mit Hilfe einer infiniten Summe von Sinus- und Cosinus-Funktionen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Fourier-Koeffizienten a n und b n können wie folgt berechnet werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wird nun eine nicht-periodische Funktion als periodische Funktion mit unendlicher Periodendauer betrachtet und werden unendlich viele Fourier-Koeffizienten verwendet, gelangt man zur Fourier-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

dargestellt werden kann.

Die Fourier-Transformation zeigt, dass beliebige nicht-periodische Funktionen aus harmonischen Schwingungen aufgebaut werden können, wobei sie im Gegensatz zur Fourier-Reihe nicht nur Schwingungen diskreter, sondern aller Frequenzen enthält. Jede Schwingungsfrequenz wird entsprechend ihrer Amplitude gewichtet und kann so in einer Frequenzebene dargestellt werden. Somit stellt die Fourier-Transformation die Transformation vom Zeit- in den Frequenzbereich dar. Um die Rücktransformation vom Frequenz- in den Zeitbereich zu ermöglichen, wird analog zu Gleichung 3.5, die inverse Fourier-Transformation definiert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Um nun die Fouier-Transformation mit numerischen Systemen berechnen zu können, wird erneut eine Diskretisierung benötigt und es wird die diskrete Fourier-Transformation definiert.

3.1.3 Diskrete Fourier-Transformation

Da Rechnersysteme nur digitale Werte annehmen können wird zur Definition der diskreten FourierTransformation (DFT) anstatt der durchlaufenden Zeit t die Abtastzeit t A verwendet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hierbei ist N die Anzahl der Werte im Signal, der Index k läuft von 0 bis N-1 [36]. Analog zur DFT wird die inverse diskrete Fourier-Transformation (IDFT) definiert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die DFT wird von den heutig verfügbaren Programmen in der Regel mit dem Algorithmus der schnellen Fourier-Transformation (FFT, engl.: fast fourier transform) berechnet. Hierbei werden Redundanzen bei der Berechnung ausgenutzt, um Rechenzeit zu sparen. Der Rechenaufwand beläuft sich auf etwa N · ln (N), was vor allem für große N erheblich kleiner ist als der Rechenaufwand N [2], der bei einer gewöhnlichen DFT anfällt.

Für eine ausführlichere Darstellung und Herleitung der Fourier-Transformation sei auf [36] ver- wiesen.

3.1.4 Aliasing

Wie oben erwähnt muss bei der Handhabung von digitalen Signalen stets das Abtasttheorem beachtet werden. Im Spektralbereich wiederholt sich das Frequenzspektrum in Abständen von f A, was erklärt, weshalb die Abtastfrequenz mindestens das doppelte der größten im Signal vor- kommenden Frequenz betragen muss. Ist dies nicht der Fall, so kommt es im Frequenzbereich zu spektralen Überlappungen, welche als Aliasing bezeichnet werden (siehe Abb. 3.1). Bei Auftre- ten von Aliasing kann das Signal nicht mehr eindeutig in den Zeitbereich zurück transformiert werden. Der Spektralbereich von 0 bis zur halben Abtastfrequenz wird als Nyquistband bezeich- net. Da in der Realität praktisch keine bandbegrenzten Signale vorkommen, wird die Einhaltung des Abtasttheorems mit einem Anti-Aliaising-Filter sichergestellt, einem möglichst steilflankigen Tiefpassfilter mit einer Grenzfrequenz von f A 2 ,welcheralleSpektralanteileaußerhalbdesNyquist- bandes entfernt. [3].[1].[5] Leckeffekt Ist ein Signal nicht unendlich lang in Zeitrichtung ausgedehnt, sondern auf ein Intervall [a,b] beschränkt, was bei realen Signalen stets der Fall ist, ist häufig ein sogenannter Leckeffekt zu beobachten. Mathematisch gesehen entspricht dieser zeitliche Ausschnitt des unendlich langen Signals einer Multiplikation mit einem Rechteckfenster w der Länge [a,b]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3.1. Aliasing-Effekt bei einem bandbegrenztem Signal.

Betrachtet man nun das Signal im Spektalbereich, geht die Multiplikation von Signal und Rechteckfenster in eine Faltung derer Fouriertransformierten über:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Da die Fouriertransformierte eines Rechteckfenster eine si (f)-Funktion ergibt, lässt sich folglich bei ursprünglich klaren Frequenzanteilen ein deutliches ”Verschmieren” des Spektrums beobachten (Abb. 3.2).

3.1.6 Zeropadding

Für viele Anwendungen in der Signalverarbeitung ist es wünschenswert, die Anzahl der Abtastwer- te zu erhöhen. Da es nur selten möglich ist zusätzliche Abtastwerte nachträglich zu messen, kann man das Signal bis zur gewünschten Länge mit Nullen auffüllen, was als Zeropadding bezeichnet wird.

Bei der Bildung einer DFT erstreckt sich das resultierende Spektrum immer über das Nyquistband. Die Auflösung des Spektrums entspricht hier der Gesamtanzahl der aufgenommenen Messwerte. Durch Anfügen von Nullen kann nun das Nyquistband mit mehr Stützstellen dargestellt werden. Durch die dadurch resultierende höhere Gesamtzahl an Messwerten erhöht sich die Frequenzauf- lösung Δ f und somit auch der Frequenzfehler des Spektrums. Daher ist Zeropadding immer dann vorteilhaft, wenn man beispielsweise die Lage lokaler Maxima des Spektrums genauer bestimmen möchte. Das Anfügen von Nullen verursacht keine Verfälschung des Signals. Die Einhüllenden des ursprünglichen Signals und des durch Zeropadding erweiterten sind identisch, da das Hinzufügen von Nullen keinen Informationsgewinn darstellt. Auch die Spektren beider Signale sind identisch und werden lediglich aufgrund der unterschiedlichen Anzahl an diskreten Werten an verschiedenen Stellen abgetastet [36].

3.1.7 Wavelet-Transformation

Die Wavelet-Transformation (WT) gehört zu einer Familie linearer Zeit-Frequenz Transformatio- nen. Zu dieser Gruppe wird beispielsweise auch die sogenannte Short-Time-Fourier-Transformation (STFT) gezählt, wobei die WT häufig auch als Verbesserung dieser gesehen wird. Während die

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3.2. Auswirkungen des Leckeffekts bei einer harmonischen Schwingung mit unterschiedlich großen Rechteckfenstern.

Fourier-Transformation ausschließlich das Frequenz-Spektrum darstellt und hierbei die Zeitinformationen verwirft, erlaubt die WT auch eine Betrachtung der verschiedenen Frequenzbereiche in verschiedenen Zeitabschnitten. Allerdings gilt auch bei der WT die Heisenbergsche Unschärferelation. Das heißt, dass ein Ereignis nicht beliebig genau in Zeit und Frequenz aufgelöst werden kann. Der Vorteil gegenüber der STFT liegt an der Skalierung der Fensterfunktion, mit der das Signal verglichen wird. Bei der STFT wird dieses Fenster verschoben und moduliert, wodurch die Auflösung stets konstant bleibt. Bei der Skalierung ergibt sich wie bei der Modulation zwar ebenfalls eine Frequenzverschiebung, allerdings wird hier durch die Frequenzerhöhung das Zeitfenster verkleinert. Dadurch wird bei niedrigen Frequenzen die Frequenzauflösung größer und die Zeitauflösung schlechter und im Gegensatz dazu ergibt sich bei höheren Frequenzen eine bessere zeitliche Auflösung auf Kosten einer schlechteren Auflösung der Frequenz.

Das Wavelet an sich ist die Kernfunktion, mit der das Zeitsignal verglichen wird. Im Gegensatz zur Fourier-Transformation ist dies jedoch nicht eine harmonische Schwingung, sondern es stehen Funktionen verschiedenster Form zur Verfügung (siehe Abb. 3.3).

[...]

Ende der Leseprobe aus 142 Seiten

Details

Titel
Erkennung, Analyse und Simulation von endokardialem Katheterkontakt bei atrialen Elektrogrammen
Untertitel
Möglichkeiten verbesserter Katheterablationstechnik mit den Methoden der Biosignalverarbeitung
Hochschule
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)  (Institut für Biomedizinische Technik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
142
Katalognummer
V205360
ISBN (eBook)
9783656333722
ISBN (Buch)
9783656334279
Dateigröße
3139 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Auf der Arbeit basieren zwei Veröffentlichungen auf Fachkonferenzen sowie ein in der Klinik eingesetzter Algorithmus zur Behandlungsunterstützung des Arztes.
Schlagworte
Biosignalverarbeitung, Digitale Signalverarbeitung, elektrophysiologische Modelierung, Vorhofflimmern, Katheterablation
Arbeit zitieren
Stefan Ponto (Autor:in), 2010, Erkennung, Analyse und Simulation von endokardialem Katheterkontakt bei atrialen Elektrogrammen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205360

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