Unterrichtsentwurf "Flucht aus der DDR" für Geschichte, 10. Klasse, Gymnasium


Unterrichtsentwurf, 2008

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

planungsskizze für den 2. Unterrichtsbesuch im Fach Geschichte

Fach:Geschichte

Klasse:10

Datum:11. Juni 2008

Zeit:9.40-10.25

I. Einordnung der Stunde in die Unterrichtsreihe

1.1 Thema der Unterrichtsreihe

- Deutschland nach 1945 –„Deutschland, einig Vaterland“?

1.2 Themen der vorangegangenen Stunden:

- Was wird aus Deutschland I ? – Von der „Stunde Null“ zur potsdamer Konferenz.
- Was wird aus Deutschland II ? Die Entwicklung in der SBZ und in den Westzonen.
- Friedliche „Eine Welt“? – Die Welt im Schatten des Ost-West-Konflikts.
- Der westdeutsche Staat – ein Erfolgsmodell?
- Der ostdeutsche Staat – Was heißt hier „Demokratie“?
- Ruf nach Freiheit und Demokratie oder imperialistische provokation? – Was geschah wirklich am 17. Juni 1953?
- Gesellschaftliche Gruppen in der DDR – Ein Leben in Selbstbestimmung? (Doppelstunde anhand der Methode Gallery Tour)

1.3 Themen der nachfolgenden Stunden:

- Mauerbau und seine Folgen: Schutzmaßnahme oder Verbrechen?
- Reformen für die Bevölkerung? – Erich Honecker setzt neue Akzente.
- Die „Wende“ – Sind wir ein Volk?

II.Zur Unterrichtstunde

2.1 Thema der Unterrichtsstunde

- Warum sind die Menschen aus der DDR geflüchtet? – Aufzeigen und Entwickeln von Argumenten im Rahmen eines offenen historischen Rollenspiels.

2.2 Schwerpunktziel der Unterrichtsstunde

- Die SuS sollen zur Fluchtproblematik die persönlichen Motive einzelner fiktiver Bürger der DDR ebenso wie deren potentielle Schwierigkeiten nachvollziehen, indem sie bei der Erarbeitung und Durchführung eines Rollenspiels vor dem Hintergrund bereits erarbeiteter Argumente weitere mögliche Motive finden und miteinander verknüpfen.

2.3Konkretisierung der Ziele

- Die SuS sollen lernen sich in eine bestimmte Rolle und Spielsituation einzufühlen und aus dieser Rolle und Situation heraus angemessen zu diskutieren.
- Die SuS sollen lernen Vorerfahrungen und Vorwissen in einer neuen problemlage anzuwenden.
- Die SuS sollen einen vertiefenden, kritischen Einblick in gesellschaftliche Aspekte der DDR gewinnen.
- Die SuS sollen anhand des Beobachtungsbogens lernen die Darstellung von Schülerleistungen kritisch zu beobachten.

III. Hausaufgabe zur Unterrichtsstunde

- Keine, da SuS noch nicht wissen sollen, dass in dieser Stunde ein Rollenspiel und die Thematik der Flucht in den Westen im Vordergrund steht (inhaltlicher Grund). Darüber hinaus bedeutet diese Stunde für die SuS eine Extrastunde Geschichte, da sie normalerweise nur Montags und Freitags Geschichte haben und eine Hausaufgabe in ihren Augen nicht fair wäre (pragmatischer Grund).

IV. Geplanter Verlauf

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

V. Geplantes Tafelbild

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

VI. Anhang:

1. Material:

1.1 Folie

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Zeiten und Menschen, Bd. 4. Hrsg. von Lendzian, Hans-Jürgen und Mattes, Wolfgang. Braunschweig 2002, S. 227.

1.2 Gruppenarbeitsmaterialien

1.2.1 Arbeitsblatt zur Gruppenarbeit

Arbeitsblatt

Sollen wir „rübermachen“?

1. Historische Grundinformation

Im Frühjahr 1961 verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der DDR rapide, die Versorgungsprobleme nahmen zu – und die Zahl der Flüchtlinge wuchs von Tag zu Tag. Viele DDR-Bürger befürchteten, dass der Fluchtweg über Westberlin bald verschlossen werden könnte. Vor diesem Hintergrund musste man, wenn man die DDR verlassen wollte, schnell handeln. Doch nicht in allen Familien stimmten die einzelnen Familienmitglieder über die Einschätzung der DDR überein.

2. Rollenbeschreibung(exemplarisch)

Name: Mutter Uhlich

Alter: 45

Beruf: Hausfrau. Aktive protestantin, die nicht bereit ist ihren Glauben aufzugeben.

3. Arbeitsauftrag(exemplarisch)

- Überlege Dir zunächst allein Argumente, warum Du zufrieden/unzufrieden mit der DDR bist und warum Du flüchten willst oder nicht. Die in der letzten Stunde erarbeiteten Aspekte (siehe Arbeitsblatt) können Dir dabei helfen. (ca. 4 Minuten)
- Bespreche dann gemeinsam mit den Mitgliedern Deiner Arbeitsgruppe Argumente zu folgenden Aspekten: (ca. 4 Minuten)

- Welche Gefahren könnten bestehen?
- Was könnte passieren wenn die Familie flüchtet?
- Was, wenn es nicht klappt?

→Mache Dir dabei stichpunktartig Notizen auf Deiner Rollenkarte.

→Vielleicht hilft es Dir im Vorfeld zu überlegen, wie Du Deine Rolle spielen willst

(mutig, traurig, entschlossen …)

Die Rollen:

1. Vater

Name: Vater Uhlich

Alter: 49

Beruf: Bauer in einer LpG (landwirtschaftlichen produktionsgenossenschaft), nachdem er 1954 gezwungener Maßen seinen privatbetrieb aufgeben musste.

2. Mutter

Name: Mutter Uhlich

Alter: 45

Beruf: Hausfrau. Aktive protestantin, die nicht bereit ist ihren Glauben aufzugeben.

3. Tochter

Name: Tochter Uhlich

Alter: 20

Beruf: Krankenschwesterschülerin, die aktiv in der FDJ tätig ist.

4. Sohn

Name: Sohn Uhlich

Alter: 22

Beruf: hat sich bei der NVA als Berufsoffizier verpflichtet.

1.2.2 Beobachtungsbogen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

VII. Hausaufgabe zur nächsten Stunde

Gründe für den Mauerbau aus DDR-perspektive

SED-propagandachef Norden am 13.8.1961 im Ostberliner Rundfunk:

„Meine lieben Hörerinnen und Hörer! Das Maß war voll. Und deshalb sind seit heute, durch den Beschluss des Ministerrates der DDR, im Einverständnis und Einvernehmen mit den Regierungen der Warschauer Vertragsstaaten, Maßnahmen getroffen worden, um die Deutsche Demokratische Republik, den ersten Arbeiter- und Bauernstaat der Deutschen, zu schützen und zu verteidigen.

Von heute und hier an ist es nicht mehr möglich, von Westberlin aus uns mindestens eine Milliarde Mark zu stehlen, von heute und hier an ist es nicht mehr möglich, von Westberlin aus durch eine unerhörte feindliche Hetze, durch Abwerbung, durch Spionagetätigkeit und Menschenhandel abscheulichster Art die Deutsche Demokratische Republik zu schädigen und zu unterminieren. Von heute und hier an hat es sich augegrenzgängert!“

Quelle: Binder, Gerhart. Geschichte im Zeitalter der Weltkriege: 1945 bis heute. Stuttgart 1977, S. 1339.

Arbeitsauftrag: Wie wird aus DDR-perspektive der Bau der Mauer gerechtfertigt?

2. Literaturangaben

- Binder, Gerhart. Geschichte im Zeitalter der Weltkriege: 1945 bis heute. Stuttgart 1977.
- Lendzian, Hans-Jürgen und Mattes, Wolfgang (Hrsg.). Zeiten und Menschen, Bd. 4. Braunschweig 2002, S. 227.
- Meier, Klaus-Ulrich. Rollenspiel. In: Handbuch Methoden im Geschichtsunterricht. Hg. Von Mayer, Ulrich/ pandel, Hans-Jürgen und Schneider, Gerhard. Schwalbach/Ts.2. überarbeitete Auflage2007, S. 325-341.
- Sauer, Michael. Geschichte unterrichten: Eine Einführung in die Didaktik und Methodik. Seelze6., aktualisierte und erweiterte Auflage 2007, S. 153-163.
- Weber, Jürgen. Deutschland und die Welt nach 1945. Bamberg 2002.
- Damals in der DDR. Mitteldeutscher Rundfunk: http://www.mdr.de/damals-in-der-ddr/ihre-geschichte/ 1554159. html. Stand: 07.06.2008.
- Geschichte lernen – Geschichtsunterricht heute: DDR. Heft 111, 19. Jahrgang. Velber 2006.
- Sozialistische Landesverteidigung. Stoffsammlung für die Klassen 9 und 10. Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin 1981.

3. Materialien der vorangegangenen Stunden

→ Diese Materialien dienen in der Besuchsstunde als Grundlage für die Rollen und Argumentationen, die die SuS sich selbst erstellen.

3.1 FDJ

Verfassertext: FDJ in der DDR

Der spätere Staatsratsvorsitzende Erich Honecker formte die FDJ (Freie Deutsch Jugend) seit 1949 zu einem kommunistischen Jugendverband, zur „Kaderschmiede“ und „Kampfreserve der partei“. Schon frühzeitig wurden die Kinder auf diese Organisation vorbereitet: Vom 1. bis 4. Schuljahr gehörten sie zu den „Jungen pionieren“, vom 4. bis 7. Schuljahr zu den Thälmannpionieren (benannt nach dem früheren KpD-Führer Ernst Thälmann). Zur eigentlichen FDJ zählten Jugendliche zwischen dem 14. und 25. Lebensjahr. Danach konnten sie Mitglieder der SED werden. Vor dem Eintritt in die FDJ nahmen die meisten Jugendlichen an der Jugendweihe teil, die als Ersatz für die christliche Konfirmation oder Firmung gedacht war.

Die FDJ gestaltete die Freizeit der Jugendlichen, organisierte Ferienlager und Jugendtreffen. Dabei spielte auch immer die politische Beeinflussung eine Rolle. Am 1. Mai, dem „Internationalen Kampf- und Feiertag der Werktätigen“, nahmen FDJ-Abteilungen an der Maiparade teil und marschierten an der Ehrentribüne der parteiführung vorüber. Solche Feiern sollten die Massen mobilisieren und das Wir-Gefühl stärken.

Die Mitgliedschaft in der FDJ war zwar nicht verpflichtend, aber wer den Eintritt verweigerte, musste mit schulischen oder beruflichen Nachteilen rechnen.

Quelle: Geschichte lernen – Geschichtsunterricht heute: DDR. Heft 111, 19. Jahrgang. Velber 2006, S. 34.

Quelle: Aus dem Leben eines Jungpioniers

von Ute Deisinger

Ach, was war ich stolz, als ich endlich das blaue Halstuch der Jungen pioniere tragen durfte! Schon als Vorschulkind beneidete ich die Mädchen und Jungen, wenn sie in ihrer pionierkleidung zur Schule gingen. So wollte ich auch mal die Schule besuchen. Und dann war es soweit! Ich wurde eingeschult und dann war auch ich endlich ein Jungpionier.

An meinen ersten großen Auftrag erinnere ich mich noch ganz genau. Es war die Vorbereitung des Deutschlandtreffens, welches 1954 in Berlin stattfinden sollte. Die kleine DDR mit ihren Habseligkeiten lud die Jugend aus dem Westen Deutschlands ein. Um alle Teilnehmer dieses großen Treffens zu versorgen, war viel, sehr viel Geld erforderlich. Also wurden die FDJ- und pioniergruppen aufgerufen, mit Sammelbüchsen auszuschwärmen, um recht viel Geld einzutreiben. Doch nicht nur Geld wurde gebraucht, auch Naturalien, die die meisten Bauern gerne gaben.

Eines Tages zog ich mit der Sammelbüchse und einem Korb ausgestattet in die umliegenden Dörfer. Schnell taten mir die Füße weh und der Weg war weit. Aber mich hatte ja keiner gezwungen; ich hatte mich freiwillig gemeldet. Bald hatte ich das erste Dorf erreicht. Ich sagte mein Verslein auf, warum und weshalb ich gekommen war - und schon klapperten die ersten Münzen in die Büchse. Kein Haus ließ ich aus, keinen Bauernhof. Überall gab man, was man entbehren konnte. Wurst, Eier, Schmalz und eben Geld. Auch mancher Schein war dabei. Ein älterer Mann schenkte mir einen 50-pfennig-Schein und sagte, daß ich mir dafür eine Brause oder ein Eis kaufen sollte. Es war schrecklich warm an meinem ersten Sammeltag.

Wie lange ich unterwegs war, weiß ich heute nicht mehr. Aber ich hatte schwer zu tragen. Stolz lieferte ich am nächsten Tag alles bei der pionierleiterin ab. Das Geld wurde gezählt. Auf einer Liste wurde eingetragen, was man abgeliefert hatte. Bislang hatte ich am meisten gesammelt! Weil es mir solchen Spaß machte, ging ich auch noch in andere Dörfer und brachte so manche Delikatesse mit.

Quelle: Damals in der DDR. Mitteldeutscher Rundfunk: http://www.mdr.de/damals-in-der-ddr/ihre-geschichte/ 1554159. html.

- Was erfährst Du aus dem Verfassertext über die Rolle der FDJ in der Gesellschaft der DDR?
- Welche persönlichen Erfahrungen hat Ute Deisinger gemacht?

3.2 Kirche

Verfassertext: Kirche in der DDR

Der Bund evangelischer Kirchen in der DDR hatte 1989 5,1 Mio. Mitglieder (entsprach ca. 30 prozent der Gesamtbevölkerung und bedeutete eine enorme Verringerung seit 1950, als noch 80,4 prozent evangelische Christen zu verzeichnen waren). Die katholische Kirche verfügte nur in wenigen Gebiete n über einen traditionellen Anhang, der 6,1 prozent der Gesamtbevölkerung ausmachte

Gekennzeichnet war die Entwicklung seit Mitte der 80er Jahre durch eine stetig abnehmende Zahl an Taufen, kirchlichen Eheschließungen, Konfirmationen und Bestattungen, während die Gottesdienste nach Schätzungen von 1981 und 1986 von ca. 1,8 Mio. Gläubigen besucht wurden. Nachteilig für die Kirche wirkte sich aus, dass lediglich die Hälfte der Mitglieder die ohnehin knappe Kirchensteuer entrichtete. Da sie nicht der Staat erhob, war sie faktisch eine freiwillige Spende, die bestenfalls höflich angemahnt wurde, um nicht weitere Austritte zu provozieren.

In der Kirchenpolitik der SED sollten die Christen entsprechend den sowjetischen Erfahrungen keinesfalls offen verfolgt, sondern in den antifaschistisch-demokratischen Neuaufbau einbezogen werden, weshalb auch der kirchliche Landbesitz bestehen blieb. Außerdem verfügten die protestanten über konfessionelle Schulen, eine eigene Nachrichtenagentur, fünf Wochenblätter und zwei Verlage. Zu den kuriosen Besonderheiten zählte auch die Tatsache, dass neben den parteitagsbroschüren des Dietz-Verlages auch die Heilige Schrift in den Buchläden immer vorrätig war.

Quelle: Damals in der DDR. Mitteldeutscher Rundfunk: http://www.mdr.de/damals-in-der-ddr/lexikon/1778173.html.

Quelle: Dem Glauben und der Kirche abschwören

von Renate Wolf

Im Jahre 1952 beendete ich meine Grundschulzeit. Da mein Vater zur Arbeiterklasse gehörte und ich sehr gute Noten vorweisen konnte, bot man mir an, die Oberschule zu besuchen. Diese Möglichkeit nahm ich gern wahr, weil ich die Absicht hatte zu studieren. Im Herbst 1952 wurde ich in die Goethe-Oberschule aufgenommen. Nun muss ich anfügen, dass ich nach meiner Konfirmation in St. pauli-Kreuz der Jungen Gemeinde angehörte.

In diesem Jugendkreis fühlte ich mich wohl, denn man konnte dort über alles reden; die persönliche Freiheit wurde geachtet (im Gegensatz zu Veranstaltungen der Jungen pioniere und der FDJ, wo nur die Linie der SED zählte). Mein Weltbild – besonders hinsichtlich Ethik, Moral, Sinn des Lebens und mein Selbstverständnis fand ich in der christlichen Lehre, nicht im Kampf auf allen Gebieten/ Klassenkampf. Mir war auch bekannt, dass der Stalinismus brutal vorging, was viele an Leib und Leben zu spüren bekamen (z.B. Stalins Lager).

Da IM's1 überall "am Werk" waren, wusste auch die Leitung der Oberschule schnell, dass ich die Junge Gemeinde besuchte und dort aktiv war. Von da an hatte ich täglich mit Schikanen zu rechnen. Besonders im Fach Gegenwartskunde versuchte der Direktor der Schule, mich immer wieder zu demütigen. In der 10. Klasse sprach mich der Direktor eines Tages in der pause im Klassenzimmer an und sagte sinngemäß, er hätte die Absicht, eine Schulvollversammlung (Teilnahme aller Schüler und Lehrer) einzuberufen und ich solle dort meinem Glauben und der Kirche "abschwören" und mich öffentlich zum Marxismus/Leninismus/Stalinismus bekennen.

Wenn ich das tun würde, garantiere er mir ein Studium meiner Wahl (sogar in Moskau). Darauf antwortete ich wörtlich: "Ich brauche keine Bedenkzeit; ich werde nicht abschwören." Damit war der Fall sozusagen klar. Ich durfte noch die Mittlere Reifeprüfung ablegen und musste dann die Oberschule verlassen. Der Direktor meinte aber, er würde auf dem Zeugnis vermerken, dass ich die Oberschule auf eigenen Wunsch hin verlassen habe. So geschah es auch.

Ich erlernte dann erst einmal einen Beruf (Drogist) und holte mein Abitur an der Abendoberschule nach. Mein Wunsch, gleich anschließend ein Fernstudium an der Handelshochschule Leipzig (HHS) beginnen zu können, ging allerdings nicht in Erfüllung. Trotz "sehr gut" auf dem Abi-Zeugnis schickte mir die HHS eine Ablehnung, denn ich war nach wie vor keine Genossin.

So nahm ich ein Fernstudium an der Fachschule für Binnenhandel auf und schloss dieses nach vier Jahren erfolgreich ab. Ich bemühte mich aber weiter darum, einen akademischen Abschluss zu erlangen. Erst im Alter von 36 Jahren war es mir vergönnt, ein Fernstudium an der HHS zu beginnen (ohne parteibuch) und dieses nach vier Jahren und dem anschließenden Diplomverfahren mit "sehr gut" abzuschließen.

Mein Direktor stellte allerdings klar, dass ich keine leitende Funktion übernehmen könne – ich war als wissenschaftliche Mitarbeiterin für prozessorganisation in der Zentralen Leitung der Warenhausvereinigung "Konsument" tätigweil mir die "ideologische Reife" fehle und ich deshalb kein sozialistisches Kollektiv erziehen könne.

Quelle: Damals in der DDR. Mitteldeutscher Rundfunk: http://www.mdr.de/damals-in-der-ddr/ihre-geschichte/2038732.html.

- Was erfährst Du aus dem Verfassertext über die Rolle der Kirche in der Gesellschaft der DDR?
- Welche persönlichen Erfahrungen hat Renate Wolf gemacht?

3.3 NVA

Definition NVA

Die Nationale Volksarmee, Abk. NVA, der DDR ist das Instrument der Arbeiterklasse und ihres sozialistischen Staates zum Schutz der revolutionären Errungenschaften des Volkes. Sie bildet den Kern der sozialistischen Landesverteidigung. An der Seite der Sowjetarmee und der anderen sozialistischen Bruderarmeen leistet die NVA einen ständig wachsenden Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung der Staatsgrenzen, des Territoriums, des Luftraumes und des Küstenvorfeldes der DDR sowie der verbündeten sozialistischen Staaten zum Schutz vor imperialistischen Aggressionen. Jeder Soldat soll seine Wehrdienstzeit dazu benutzen, das Waffenhandwerk gründlich zu erlernen, um den gestellten Ansprüchen gerecht werden zu können.

Quelle: Gesetz über die Landesverteidigung der DDR, 13.10.1978.

1. Quelle:Sozialistische Landesverteidigung

Auszug aus einem Schulbuch der DDR von 1981

Ihre Grundlage ist die Erziehung der Bürger

- zum patriotismus, zur Liebe zum sozialistischen Vaterland sowie zum Hass gegenüber den imperialistischen Feinden des Volkes
- zum sozialistischen Internationalismus und zur Waffenbrüderschaft
- zur Opferbereitschaft für die Errungenschaften des Sozialismus […]

Die vormilitärische Ausbildung hat als Teil der sozialistischen Wehrerziehung zum Ziel, die durch Elternhaus, FDJ, Schule und Betrieb anerzogene Bereitschaft zum militärischen Schutz der Arbeiter-und-Bauern-Macht bei der Jugend zu vertiefen und in militärpolitische, militärische, militärtechnische Kenntnisse und Fertigkeiten sowie in physische und psychische Fähigkeiten umzusetzen und damit die Verwirklichung des Klassenauftrages der NVA wirksam zu unterstützen.

Quelle: Sozialistische Landesverteidigung. Stoffsammlung für die Klassen 9 und 10. Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin 1981, S. 18f.

2. Quelle: Eingezogen

Kurt Fleming

Wie erhofft, wurde ich im November 1960 zum Wehrdienst bei der Nationalen Volksarmee der DDR eingezogen. Mein Gestellungs-Ort war Bernau, eine Kleinstadt mit S-Bahn-Anschluss nach Berlin. Dies war von Vorteil für Ausgang und Heimreise. Am Tag meiner Einberufung fuhr ich wie Tausende junger Männer mit dem Zug zum Gestellungs-Ort. Am Bernauer Bahnhof standen Militärposten und warteten auf die neuen Soldaten, um uns mit LKWs in die Kasernen zu chauffieren. Zum Auftakt des Kasernenlebens kontrollierten die Soldaten der Wache unser Gepäck. Mein blauer Trainingsanzug rief Belustigung hervor. Wir wurden ja komplett eingekleidet.

Wir Neuankömmlinge wurden zu den Bekleidungshallen geführt und brachten wenig später zwei Zeltplanen voll von Wäsche und Gerät auf unsere Zimmer. Ein Unteroffizier erklärte, wie wir uns fortan zu kleiden hätten. Dies übten wir, indem wir den Kampf-Anzug gegen die Ausgangs-Uniform tauschten, diese gegen die Sportbekleidung und die wieder gegen den Kampf-Anzug. Nachdem diese Aktionen beendet waren sahen wir alle uniformiert aus und passten jetzt wohl in das Bild der NVA. Ähnlichkeiten, wie zu Beginn unserer Abfahrt, waren nicht mehr feststellbar.

Was für Herausforderungen erwarteten uns? Zunächst wurde uns unterwürfiger Gehorsam angedrillt. Das ist wichtig, da wir nur so die sozialistischen Errungenschaften unseres Landes gegen Angriffe von möglichen Gegnern von außen verteidigen können. […]

Trotz des strengen Kasernenlebens habe ich vor allem die Kameradschaft und Freundschaft unter uns Soldaten genossen. Das nette Beisammensitzen bei Bier nach Dienstschluss, die Hilfe untereinander bei Aufgaben, die zu erledigen waren.

Alles lief in geordneten Bahnen. Man hatte einen klaren Tagesablauf und seine bestimmten Aufgaben, die man erledigen musste. Langeweile kam da nie auf.

Quelle: Damals in der DDR. Mitteldeutscher Rundfunk: http://www.mdr.de/damals-in-der-ddr/ihre-geschichte/208103.html

- Was erfährst Du über die Rolle der NVA in der Gesellschaft der DDR (Definition und 1. Quelle)?
- Welche persönlichen Erfahrungen hat Kurt Fleming gemacht?

3.4 Bauern

Verfassertext: planmäßiger Aufbau des Sozialismus

Im Juli 1952 verordnete Walter Ulbricht mit Erlaubnis Stalins den „planmäßigen Aufbau des Sozialismus“. Das hieß im Wesentlichen:

- Weitere Zentralisierung der Staatsmacht, Ausbau von partei und Sicherheitsorganen, verstärkte Indoktrination durch Ideologie und Medien;
- Ausbau der Volkseigenen Betriebe, die bereits rund 80% zur industriellen produktion beisteuerten; damit einher ging die Enteignung und politische Verfolgung der bürgerlichen Mittelschichten; durch eine extrem hohe Besteuerung und bürokratische Schikanen wurde ihre berufliche Existenz vielfach vernichtet;
- Erzwungene Kollektivierung der Landwirtschaft; durch extrem hohe Ablieferungsverpflichtungen wurden selbständige Bauern in landwirtschaftliche produktionsgenossenschaften (LpG) gepresst
- Rascher Aufbau von „nationalen Streitkräften“, finanziert durch Steuererhöhungen und Einsparungen im sozialen Bereich.

Quelle: Deutschland und die Welt nach 1945. Hrsg. von Weber, Jürgen. Bamberg 2002, S. 125.

Quelle: Vom Ich zum Wir: Der erzwungene Eintritt in die LpG

von Irmgard Mahlow

Autos mit Lautsprechern fuhren durch den Ort und nannten die Bauernhöfe beim Namen, die sich für die Kollektivierung der Landwirtschaft entschieden hatten und nannten auch die, die dem Fortschritt der Industrialisierung im Wege standen. Hier wurde mein Vater auch genannt. Er geriet in Misskredit, wo doch unsere Familie im Ort angesehen war. Jeden Tag kamen Männer, die so genannten Werber, die immer wieder die Vorzüge der Kollektivierung priesen. Die Werber verfolgten die Eltern überall hin, sogar in den Stall und redeten. Fristen wurden gesetzt und neue Werber geschickt, die ihren parteiauftrag hatten.

Meine Mutter diskutierte mit den Werbern am Fenster. Sie machte deutlich, dass jeder pfennig für den Kauf von Vieh, Land und neuen Maschinen gespart wurde und das man das nicht verschenken kann, oder der Allgemeinheit zur Verfügung stellen kann. Sie sah ja ein, dass die Industrie weiter fortgeschritten war und Großraummaschinen herstellte, die nun auch zum Einsatz kommen sollten. Man versprach ihr eine Arbeitserleichterung für den Alltag durch das kollektive Bewirtschaften der Felder. Jedoch mussten dazu Grenzsteine entfernt werden, damit die Großmaschinen auch zum Einsatz kommen konnten. Das Umdenken "vom Ich zum Wir" wurde seitens des Staates mit aller Gewalt gefordert.

Von privateigentum konnte man da nicht mehr reden; es sollte allen zu gleichen Teilen gehören. Das begriffen die Bauern nicht. Großer Grundbesitz trug wesentlich zum Ansehen im Dorf bei, auch wie viel Vieh jemand im Stall hatte, zählte.

In der Schule hatte die pionier- und FDJ-Organisation den Auftrag erhalten, die sozialistischen Werber zu unterstützen. parolen mussten auswendig gelernt werden. Dann zogen wir in Gruppen vor die Häuser, wo die Bauern sich immer noch weigerten, einer Genossenschaftsform beizutreten und ließen unsere Sprüche los.

Ganz schlimm war für mich, als ich selbst vor unserem Haus solche parolen rufen musste. Die Nachbarschaft nahm meine Teilnahme an diesen Aktionen mit Kopfschütteln auf. Ich befand mich in einem großen Zwiespalt. Wusste ich doch um die Tränen, die Mutter weinte, weil sie keinen Ausweg mehr sah. Sie konnte mir aber die Auftritte nicht verbieten, denn es war während der Schulzeit. Ich konnte mich nicht weigern, und überhaupt, damals wäre es unmöglich gewesen, sich gegen eine Anordnung der Schule zur Wehr zu setzen.

Als Mitglied der Freien Deutschen Jugend (FDJ) hatte ich keine andere Wahl, als dieses neue System zu begrüßen und keiner hätte mich damals vom Gegenteil überzeugen können. In der Schule wurde ich überzeugt, dass auch ich nicht mehr soviel zu Hause helfen muss, wenn sich die Eltern für die LpG entscheiden würden. Ich sah darin tatsächlich einen Erfolg. Warum sich die Eltern immer noch weigerten, verstand ich nicht.

Wochenlang ging das Tauziehen, bis schließlich mein Vater als einer der letzten den Hof aufgab. Er unterschrieb seinen Beitritt zur Landwirtschaftlichen produktionsgenossenschaft Typ III. Die Eltern waren müde und mürbe geworden, sie sahen keinen Ausweg mehr. Einen normalen Tag zu Hause gab es schon lange nicht mehr.

Quelle: Damals in der DDR : Mitteldeutscher Rundfunk - http://www.mdr.de/damals-in-der-ddr/ihre-geschichte/1910914.html

- Was erfährst Du aus dem Verfassertext über die Rolle der Bauern in der DDR?
- Welche persönlichen Erfahrungen hat Irmgard Mahlow gemacht?

[...]


1 Ein Inoffizieller Mitarbeiter (kurz IM, oft auch als Informeller Mitarbeiter oder Geheimer Informant bezeichnet) war in der DDR eine person, die verdeckt Informationen an das Ministerium für Staatssicherheit (MfS oder „Stasi“) lieferte, ohne formal für diese Behörde zu arbeiten.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Unterrichtsentwurf "Flucht aus der DDR" für Geschichte, 10. Klasse, Gymnasium
Hochschule
Studienseminar Münster
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
13
Katalognummer
V209326
ISBN (eBook)
9783656739845
ISBN (Buch)
9783656740407
Dateigröße
698 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Es handelt sich hierbei um einen Unterrichtsbesuch in Geschichte in der 10. Klasse (G9) zum Thema Deutschland nach 1945 - DDR.
Schlagworte
unterrichtsentwurf, flucht, geschichte
Arbeit zitieren
D. M. (Autor:in), 2008, Unterrichtsentwurf "Flucht aus der DDR" für Geschichte, 10. Klasse, Gymnasium, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209326

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