Romanklassifikation mittels statistischer Methoden: Der Fall Campusroman


Forschungsarbeit, 2013

22 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Material

3. Methode
3.1 Merkmalszuordnung
3.2 Merkmalsausprägung
3.3 Statistische Gattungsklassifikation

4. Ergebnisse
4.1 Statistische Gattungsklassifikation
4.2 Merkmalsausprägung
4.3 Fehlerbetrachtung

5. Diskussion und Schlussfolgerung
5.1 Material
5.2 Methode
5.3 Ergebnisse

6. Anhang
6.1 Statistik
6.2 Romanreferenzen

7. Literatur

1. Einleitung

Der sogenannte Campusroman (im weiteren CR und gegensätzlich dazu der Nicht-Campusroman als NCR bezeichnet) rekrutiert sich aus sehr verschiedenen Roman­gattungen: Biografie, Gesellschafts-, Liebes-, Schellen-, Kriminal-, Bildungs-, Doku­mentations-, Entwicklungs-, Science-Fiction-Roman, wobei immer ein mehr oder weniger relevanter Bezug zum universitären Bereich vorhanden ist. Die Gattungs­definition bzw. Gattungsklassifikation des CR erweist sich als schwierig, daher set­zen sich nur wenige Autoren mit dem Problem auseinander.

Eine Möglichkeit für die quantitative Genreklassifikation wäre die Analyse von Text­strukturen mittel NLP (Häufigkeit von Worten, Phrasen, Sätzen, Textlängen und -grenzen, aber auch Syntaktik und Annotation). Man hat auf diese Weise grobe Text­typen (Interview, wissenschaftlicher Artikel, Nachrichten, Literatur, Rezepte usw.) trennen können Stamatatos et al. Genreklassifikation innerhalb eines Typs mit NLP ist bisher nicht beschrieben. Landhäußer bemerkt dazu: „[...] die strukturelle Analyse der NLP-Programme nicht ausreichend ist, um die Semantik eines Textes zu erschließen [...]“.

In der Arbeit von Galster findet sich ein Überblick zur Gattungsbestimmung sowohl aus der wissenschaftlichen als auch aus der Sicht prominenter Campusromanauto­ren. Die umfangreichsten Studien zum Gattungsproblem stammen von Weiß und Goch (S. 20).

Weiß versucht eine allgemeine Definition des CR:

Da der Universitätsroman sich jeweils explizit auf die Institution Universität in der gesellschaftlichen Wirklichkeit bezieht, ist sein wichtigstes konstitutives Merkmal, dass wesentliche Züge dieser Institution, sei es in realistischer Mimesis, sei es in stilisierender, modellhafter Darstellung einschließlich karikaturistischer Übertrei­bung oder satirischer Verzerrung in den fiktionalen Gesamtentwurf der Hand­lungswelt des Romans eingebracht werden.

In ihrer Arbeit kommt Himmelsbach diesem Anliegen nahe, indem sie inhaltliche Aspekte und die Untersuchung spezieller universitätsbezogener Themen und Motive in die Gattungsbetrachtung einbezieht.

Auch Dubber et al. benutzen, allerdings sehr eingeschränkt, inhaltliche Merkmale zur Gattungsbestimmung.

Goch geht in seiner Analyse der CR von der Gattungstheorie aus. Er kommt zu der Ansicht, dass eine Gattungsbestimmung des CR nur bedingt möglich ist. Im Kapitel 5.2 der vorliegenden Studie wird auf die Goch’sche Behandlung des Gattungspro­blems eingegangen.

Will man den CR als eigenständige Gattung etablieren, müssen in ihm gattungsspe­zifische Merkmale dominieren. Weiß nennt sie „wesentliche Züge“, Goch spricht von einem „Merkmalsensemble“ (S. 24).

Es wäre vielleicht möglich, mittels eines einzigen Kriteriums einen Roman als CR zu klassifizieren, indem man fragt, ob der Roman ohne Campus „funktionieren“ würde, wie es Kramer mit der Wahl des Universitätsmilieus als ausschlaggebend tut. Das Herangehen mittels eines Kriteriums wäre eine triviale Lösung des Gattungspro­blems, Differenzierung und Abgrenzung wären ausgeschlossen.

Die vorliegende Studie ist ein Versuch, mit merkmalsstatistischen Mitteln das Pro­blem der Gattungsklassifikation zu behandeln, wobei eine Klassifikation der ausge­wählten Romane auf Basis einer beurteilenden Analyse des Textes vorgenommen wurde, dabei ist der Inhalt bezüglich des Vorhandenseins der für einen CR typischer Merkmale bewertet worden.

Aus zwei Gründen ist für das Verfahren der CR gewählt worden.

(1) Seine Gattungsklassifikation ist bisher nicht eindeutig.
(2) Der Großteil der in der Literaturwissenschaft analysierten CR behandelt anglo­amerikanische Werke, da der Hochschulroman in den USA und Großbritannien seit der Mitte des 19. Jahrhunderts etabliert ist. Es finden sich außerhalb des angloame­rikanischen Raumes in neuerer Zeit eine Vielzahl Romane, denen wenig wissen­schaftliche Aufmerksamkeit, abgesehen von Košenina gewidmet wurde. Es unter­scheiden sich angloamerikanische Universitätswelten von den europäischen. Eine Gattungsklassifikation muss jedoch unabhängig vom Herkunftsland des Romans funktionieren. Deshalb sollen internationale Romane einbezogen werden. Dabei wird kein Anspruch auf Vollständigkeit der in den letzten Jahrzehnten erschienenen Roma­ne gelegt, da die Fragestellung der vorliegenden Arbeit eine Klassifikationsproble­matik ist.

2. Material

Das Ausgangsmaterial waren Romane, die als CR im Titel (oder Untertitel), in Klap­pentexten, Rezensionen, Kritiken, wissenschaftlichen Abhandlungen usw. bezeichnet werden. Dabei sollten sich die Romane bezüglich Herkunftsland, Typ der Fakultät und der Bildungseinrichtung unterscheiden. Allerdings dominieren Romane, die die

angloamerikanischen Universitätswelten und ihre Geisteswissenschaften behandeln, da diese den Großteil aller erschienenen CR bilden.

Tab. 1a gibt die Verteilung der Herkunftsländer der Autoren an, wobei die Romane nicht unbedingt auch in diesen Herkunftsländern spielen. In Tab. 1b, die die Hand­lungsorte angibt, sind nicht alle aufgeführt (Theologie, Kriminologie, Kommunikati­onswissenschaft und Politikwissenschaft sind jeweils nur ein Mal vertreten), und es gibt auch 11 Romane, die an keinem spezifischen Ort (Fakultät) spielen. Das Über­gewicht der Geisteswissenschaften ist typisch für den CR.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1b Handlungsorte der Romane

Auf die Einbeziehung von Texten, die die universitären Verhältnisse vor der Mitte des 20. Jahrhunderts beschreiben, ist hier bewusst verzichtet worden, weil sich die damaligen Verhältnisse von den heutigen unterscheiden. Allerdings sollte eine Gat­tungsklassifizierung historisch unabhängig sein. Um die Tauglichkeit des hier vorge­schlagenen Verfahrens an „alten“ Romanen zu testen, sind nur zwei aus diesen Zei­ten hinzugezogen, ein deutscher von Happel aus dem 17. Jahrhundert und ein engli­scher von Sayers aus den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts.

Campus-Kurzgeschichten wurden nicht berücksichtigt, da diese in der Belletristik kaum anzutreffen sind. Die Erzählungen der Anthologie „Amoklauf im Audimax“ erwecken den Eindruck, dass sie auf der Welle der Campusliteratur, die mit dem Er­

scheinen von Schwanitz’s Campus ausgelöst wurde, schwimmen. Sie sind somit auch reine Campusliteratur. Ähnliches gilt für „Campusmord“.[1]

Die vorliegende Arbeit benutzt eine statistische Analyse. Da statistische Fehler mit der Anzahl der untersuchten Objekte abnehmen, wurden etwa 100 Romane heran­gezogen.

3. Methode

3.1 Merkmalszuordnung

Jeder Roman wurde nach 7 Merkmalen bewertet, wobei die Merkmale in ihrer Aus­prägung Werte zwischen 0 und 5 (Merkmalsgewichte) erhielten. Die Merkmalsge­winnung benutzte das induktive und deduktive Vorgehen, das von Goch[2] angegeben wird.

Die Merkmale sind durch folgende Stichworte charakterisiert

1. Campusstruktur (Struktur)
Hierarchischer Personalaufbau, Berufungsverfahren, Kommissionen, Verwaltung
2. Campusleben (Leben)
Handlungsort Campus bzw. Institut, Studentenleben, Studentenunruhen, in den USA auch Rassenprobleme, Studienverläufe, Verhältnisse und Beziehungen der Universitätsangehörigen untereinander, Karriere von Dozenten und Hochschulleh­rern
3. Forschung und Wissenschaft (FW)
Gegenstand der Forschung, Forschungsarbeit und -probleme, Beziehungen zur Wirtschaft
4. Lehre
Lehrveranstaltungen (Seminare, Vorlesungen, Praktika), Verhältnis zwischen Pro­fessoren und Studenten bezüglich Lehre
5. Kongresse, Tagungen (KT)
6. Politik
Bildungspolitik, Hochschulpolitik, Beziehungen zwischen Hochschulvertretern und Politikern
7. Frauen

Unterrepräsentation, Feminismus, Karriere, Frauenbeauftragte

3.2 Merkmalsausprägung

Bei der Festlegung der Merkmalsausprägung spielten zwei Gesichtspunkte eine Rolle: Intensität und Volumen. Die Intensität beinhaltet, wie wichtig das campusspe­zifische Merkmal für den Stoff ist. Volumen bedeutet, wie ausführlich das Merkmal im Text behandelt wird.

3.3 Statistische Gattungsklassifikation

Für eine statistische Gattungsklassifikation bieten sich eine ganze Reihe von Verfah­ren an. Dazu zählen die hier verwendeten Distanzbestimmungen, die Clusteranalyse und die Hauptkomponentenanalyse. Im Anhang (Kapitel 7) werden diese Verfahren kurz charakterisiert.

Die Grundlage für die Verfahren bildet eine Datenmatrix, die die Merkmalswerte aller analysierten Romane beinhaltet. Im vorliegen Falle enthält die Datenmatrix 763 Ele­mente (109 Zeilen und 7 Spalten).

Jeder Roman bildete einen Merkmalsvektor, dessen Komponenten von den sieben Merkmalen gebildet wurden. Die Vektoren zeigen auf Punkte im p-dimensionalen Merkmalsraum (p = 7). Liegen die Punkte in solch einem Raum dicht beieinander, so bilden sie ein sogenanntes Cluster, d. h. es besteht zwischen ihnen große Ähnlich­keit und sie können eine Gattung bilden, siehe auch Goch (S. 24). Es gibt also grös­sere inter- und kleinere intracluster Abstände.

Für die Abstände oder Distanzen gibt es wiederum verschiedene Maße, deren bekannteste die Euklid-, die Manhattan- und die Mahalanobis-Distanz sind. Die Mahalanobis-Distanz kann als Verallgemeinerung der Euklidischen Distanz aufge­fasst werden. Sie eliminiert die Korrelationen zwischen den Merkmalen.

Da den Distanzmaßen unterschiedliche Algorithmen zugrunde liegen, müssen die gewonnenen Ergebnisse der Klassifizierung nicht unbedingt übereinstimmen und damit Klassifizierungsfehler sichtbar werden.

Die Werte (Abszissen) und die Häufigkeiten (Ordinaten) der Distanzen können in einer Verteilung dargestellt werden. Da in der vorliegenden Arbeit zwei Gruppen (CR und NCR) getrennt werden sollen, ist es sinnvoll anzunehmen, dass sich zwei Ver­teilungen überlagern. Die Überlagerung könnte auch Angaben über Falschklassifika­tionen erlauben.

Das hier angewandte Verfahren zur Beschreibung der zwei Verteilungen ist die Anpassung eines Binominalverteilungsmodells.

[...]


[1] Hämmerling, Wolfram (Hrgb). Amoklauf im Audimax, Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbek/Hamburg 1998; Simpfendörfer, Tove (Hrg.). Campusmord, Gmeiner-Verlag, Meßkirch 2008

[2] „Grundsätzlich stellt sich die Alternative zwischen induktivem Vorgehen, das alle mit einem bestimmten Gattungsnamen belegten Texte untersucht, und einem deduktiven Verfahren, bei dem das Erkenntnissubjekt aus einer auf seinem Vorverständnis beruhenden Prämisse auf logischem Wege die Merkmale der Gattung ableitet.“ (Goch, S. 28)

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Romanklassifikation mittels statistischer Methoden: Der Fall Campusroman
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Autor
Jahr
2013
Seiten
22
Katalognummer
V215628
ISBN (eBook)
9783656440666
ISBN (Buch)
9783656441403
Dateigröße
1081 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
romanklassifikation, methoden, fall, campusroman
Arbeit zitieren
Fritz Klingholz (Autor:in), 2013, Romanklassifikation mittels statistischer Methoden: Der Fall Campusroman, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/215628

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Romanklassifikation mittels statistischer Methoden: Der Fall Campusroman



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden