Männer und Männlichkeit in der sozialen Arbeit - Zum Rollenverständnis von Sozialarbeitern


Dossier / Travail, 2002

18 Pages, Note: gut


Extrait


Inhalt

1. Einleitung

2. Geschlechtsspezifische Sozialisation, Identität und Beruf
2.1. Grundannahmen zur Identitätsbildung
2.1.1. Identität
2.2. Geschlechtsspezifische Sozialisation und geschlechtsspezifische Identität
2.2.1. Identitätsbildung in der Spätmoderne
2.2.2. Geschlechtsspezifische Sozialisation in der Familie
2.3. Beruf als Identitätsfaktor bei Männern und Frauen

3. Männliche Identität und Sozialarbeit
3.1. Geringes Interesse der Männer an sozialer Arbeit
3.2. Sind Sozialarbeiter "weibliche" Männer?
3.3. Man(n) ist anders als die andere Männer
3.4. Warum man(n) diesen Beruf wählte

4. Schlussbemerkungen

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Von den 26.837 im Wintersemester 1998/99 an deutschen Hochschulen eingeschrieben StudentInnen im Studienfach Sozialwesen waren lediglich 28% Männer. Dieses Studienfach liegt von den zwanzig am besten besetzten Studienfächern insgesamt auf Platz 17. Bei den weiblichen Studierenden liegt es sogar auf Platz 11, wobei es bei den männlichen Studierenden gar nicht unter die ersten zwanzig Plätze fällt.[1] In vielen Lehrveranstaltungen, an denen ich teilnehme, erscheint mir die Ungleichverteilung noch stärker.

Das Kluft zwischen weiblichen und männlichen SozialarbeiterInnen / SozialpädagogInnen (im folgenden als SA/SP bezeichnet) wird nach dem Abschluss des Studiums noch größer, betrachtet man die Zahlen der Erwerbstätigen, die dann tatsächlich in diesem Beruf arbeiten. Im Jahr 1998 war der Anteil der Männer bundesweit, die in diesem Beruf arbeiteten, bei 22%. Dieser Anteil stieg im Jahr 1999 um ein mageres Prozent. Betrachtet man nur die neuen Bundesländer, dann ergibt ein ähnliches Bild.[2]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Table 1 Anteil der erwerbstätigen Männer und Frauen in der SA/SP

Bei vielen Männern hat die Entscheidung Sozialarbeit/Sozialpädagogik zu studieren, sehr viel mit der Suche nach der eigenen Identität zu tun. Sie studieren dieses Fach gerade auch, weil sie in den sich hier bietenden Tätigkeitsbereichen sich eine berufliche Identität vorstellen können, die mit den anderen Aspekten ihrer Identität übereinstimmt. Viele haben vor dem Studium die Erfahrung gemacht, dass eine berufliche Tätigkeit, die der Vorstellung von der eigenen Person und einem sinnvollen Leben widerspricht, zu einem nicht erfüllten und unzufriedenen Leben führt. Bei der Betrachtung der aktuellen Statistik und der täglichen Beobachtung in den Vorlesungen und Seminaren, stellt sich die Frage, wie es kommen kann, dass vergleichsweise so wenige Männer sich für diesen Bereich entscheiden, bzw. so wenige Männer sich mit den Tätigkeiten im Bereich der SA/SP identifizieren können. Vielfach erlebt man(n) auch in der täglichen beruflichen Praxis, dass andere Männer mit leicht ironischem Gesichtsausdruck einem vermitteln, dass sie SA/SP nicht für "richtige" Männer halten, weil sie ja freiwillig darauf verzichteten, Macht auszuüben und Karriere machen zu wollen.

Als männlicher Student der SA/SP sollte man(n) sich mit dem Thema Männlichkeit und Berufswahl beschäftigen, um selber besser zu verstehen, wie es um die eigene (männliche) Identität steht und was es damit auf sich hat, dass man(n) sich mit dem herkömmlichen Schema von männlicher Identität nicht identifizieren kann oder will.

Bei der Beschäftigung mit dem Thema und bei der Erstellung dieser Studienarbeit fällt auf, dass, anders als zu den Ansätzen aus der Frauenbewegung, Männer offensichtlich kaum je ernsthaft auf die Idee gekommen sind, ihre herkömmlichen Sozialisations- und Identifikationsmuster in Frage zu stellen. So findet sich keine spezifische Literatur von Seiten der kaum vorhandenen "Männerforschung". Geschlechterforschung scheint Frauenforschung zu sein. Beschreibungen männlicher Sozialisation erscheinen als Wiedergabe von Stereotypien, die mit der spezifischen Männlichkeit von männlichen SA/SP bzw. Studenten dieses Fachs nichts zu tun haben. Man(n) stellt sehr schnell fest, dass es schwer ist zu recherchieren und stellt sich die Frage, ob männliche SA/SP prinzipiell untypisch sozialisiert sind. Sollte dies der Fall sein, dann sind in der begrenzten, Zeit die zur Verfügung steht, und in dem begrenzten Umfang dieser Studienarbeit kaum gültige Aussagen darüber zu treffen, welcher Zusammenhang zwischen der eigenen männlichen Identität und der Entscheidung, SA/SP werden zu wollen, besteht. Dies könnte allenfalls im Rahmen einer größeren Arbeit mit breit angelegter empirischer Studie und qualitativem Schwerpunkt geschehen. Diese Studienarbeit gibt einen Überblick über den Zusammenhang von geschlechtsspezifischer Sozialisation, Identität und Beruf in Hinblick auf die Sozialarbeit und versucht die Frage zu beantworten, warum die meisten Männer SA/SP als Beruf für sich ablehnen und welche Besonderheiten bei Identitäten von Männern, die sich für Sozialpädagogik entschieden haben, vorliegen.

2. Geschlechtsspezifische Sozialisation, Identität und Beruf

2.1. Grundannahmen zur Identitätsbildung

2.1.1. Identität

"Identität als Antwort auf die Frage: >Wer bin ich?< stellt ein Konzept dar, das aus der Sicht des Individuums seinen permanenten Prozess der Vermittlung innerer und äußerer Ansprüche repräsentiert."[3]

"...Es gibt keine, zumindest keine allgemein akzeptierte (bündige Definition). Eher das Gegenteil scheint der Fall zu sein. De Levita (1971, 9) konstatiert in seiner 1965 erschienenen Monographie zum Identitätsbegriff die Gefahr der Begriffsverwirrung. Auch ein gutes Jahrzehnt später beklagt Henrich (1979, 134) in seinem begriffsgeschichtlichen Überblick den >...hohen Grad an Dunkelheit und Problemverwirrung ... ganz besonders in den Sozialwissenschaften<. ...Im Rahmen eines weit über die Sozialwissenschaften hinausgreifenden interdisziplinären Symposiums kommt Marquard (1979, 347) zu dem Schluss: >Das Thema Identität hat Identitätsschwierigkeiten: die gegenwärtige inflationäre Entwicklung seiner Diskussion bringt nicht nur Ergebnisse, sondern auch Verwirrungen. In wachsendem Maße gilt gerade bei der Identität: alles fließt. ...< In den Sozialwissenschaften findet sich das Wort Identität in unterschiedlichen Zusammenhängen. Da ist, erstens, die Rede von sozialer, öffentlicher, "situierter" Identität, die dem Individuum in einem sozialen System zugeschrieben wird... Objekt der Identifizierung ist eine Person, Subjekt sind andere Personen. Identität wird hier als ein von außen zugeschriebener Merkmalskomplex betrachtet. In einem zweiten großen Bedeutungskontext wird Identität zur Kennzeichnung von sozialen Systemen verwendet. Objekt der Identifizierung sind nicht nur einzelne Personen, sondern Gruppen...Subjekt sind Personen, die das jeweilige soziale System durch Beschreibung kenntlich machen, entweder als Angehöriger oder als Außenstehende dieses Systems. Identität wird hier als selbstreflexiver Prozess eines Individuums verstanden. Eine Person stellt Identität über sich her, indem sie ihr Wissen, ihre Erfahrung über sich selbst verarbeitet. Wie immer die Begriffe in der Literatur auftauchen mögen , ...es handelt sich dabei stets um Phänomene, in denen eine Person sich selbst, ihr >Selbst< bzw. Aspekte davon aus der Innenperspektive identifiziert. Die Verarbeitung von äußerer, innerer, aktueller und gespeicherter Erfahrung ist eine Bewusstseinsleistung. Insofern trifft Harre's Begriff >sense of personal identity< (1983, 31) den Sachverhalt recht gut, zumal er auch die philosophischen Wurzeln anklingen lässt. Kant spricht ebenfalls von >Identitätssinn< (vgl. Henrich 1979, 138 f.)..."[4]

Identität wird als Begriff in der Psychologie und der Pädagogik gebraucht, welcher die Phänomene bezeichnet, die alltagssprachlich mit "Selbstgefühl" oder "Selbstbewusstsein" (von Individuen und Gruppen) umschrieben werden. Das Wort kommt aus dem lateinischen und hat zwei Bedeutungen:

- in Abhängigkeit von identisch, vollkommene Gleichheit oder Übereinstimmung, Wesensgleichheit;
- das Existieren von jemanden als ein bestimmtes, individuelles, unverwechselbares Wesen sowie im psychologischen Sinn, die als "Selbst" erlebte innere Einheit der Person.

[...]


[1] Statistisches Jahrbuch 2000, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2000, S. 383

[2] Statistisches Jahrbuch 2000, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2000, S. 114

[3] Der Mensch als soziales Wesen, hrsg. v. Heiner Keupp, Piper Verlag München, 1995

[4] Identität: hrsg. Hans-Peter Frey u. Karl Haußer, Enke Verlag Stuttgart, 1987

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Männer und Männlichkeit in der sozialen Arbeit - Zum Rollenverständnis von Sozialarbeitern
Université
University of Applied Sciences Mittweida  (Fachbereich Soziale Arbeit)
Note
gut
Auteur
Année
2002
Pages
18
N° de catalogue
V2195
ISBN (ebook)
9783638113403
ISBN (Livre)
9783638777018
Taille d'un fichier
523 KB
Langue
allemand
Mots clés
Männer, Männlichkeit, Arbeit, Rollenverständnis, Sozialarbeitern
Citation du texte
Matthias Matzanke (Auteur), 2002, Männer und Männlichkeit in der sozialen Arbeit - Zum Rollenverständnis von Sozialarbeitern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2195

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