Leseprobe
Inhalt
Vorbemerkung
1. Einleitung
1.2. Das Königreich Bahrain und seine Bevölkerung im Wandel des arabischen Frühlings
2. Verlauf der Proteste in Bahrain: Maßnahmen der Regierung und die Rolle des Golfkooperationsrates
3. Bahrain als Interessensbereich von Saudi-Arabien und Iran
4. Beweggründe, Stimmen und Ereignisse
5. Bahrain - Einzelbeispiel oder Gefahr für die etablierten Golfmonarchien?
6. Zusammenfassung
Anhang
Literatur
Vorbemerkung
Zur Darstellung der Personen- und Ortsnamen verwendete ich in dieser Arbeit die Transkription der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (DMG) des arabischen und persischen Alphabetes, sofern die Namen und Bezeichnungen im Deutschen nicht geläufig sind.
Im Falle gängiger Namen und Orte verzichtete ich auf eine Transkription bzw. gab diese nur bei erster Nennung einmalig an.
1. Einleitung
Die Grundlage für das Verfassen dieser Hausarbeit bildet das im Wintersemester 2012 / 2013 von Herrn Dr. Abdolah Hoveyes gehaltene Proseminar „Inländische, einheimische und ausländische Akteure des arabischen Frühlings“.
Zu Beginn dieser Arbeit wird auf die demografischen, politischen und religiösen Gegebenheiten des Königreichs Bahrain eingegangen.
Im weiteren Verlauf werden die Ereignisse in Bahrain seit dem Beginn des arabischen Frühlings im Jahr 2011 beleuchtet. Diese werden unter anderem anhand von Augenzeugenberichten untermauert.
Ferner soll diese Arbeit einen Überblick verschaffen, welche Rolle der Golfkooperationsrat (GCC) einnimmt und inwiefern sich dieser in die gegenwärtigen, innenpolitischen Gegebenheiten Bahrains einbringt.
Weiterhin wird darauf eingegangen, welche Rolle die Entwicklung Bahrains für die Golfregion im Allgemeinen und als Interessensbereich Saudi-Arabiens und Irans im Besonderen spielt.
1.2. Das Königreich Bahrain und seine Bevölkerung im Wandel des arabischen Frühlings
Das Königreich Bahrain (DMG: Mamlakat al-Baḥrayn; arabisch: ﻦﻳﺮﺤﺒﻟﺍ ﺔﻜﻠﳑ, kurz: ﻦﻳﺮﺤﺒﻟﺍ) verfügt über eine Einwohnerzahl von etwa 1,2 Millionen Menschen, von denen jedoch nahezu die Hälfte aus ausländischen Zuwanderern bzw. Gastarbeitern besteht. Bahrain gilt als konstitutionelle Monarchie, allerdings sind die Machtbefugnisse des Königs kaum durch die Verfassung begrenzt.
Šaīḫ Ḥamad bin ʿĪsā Āl Ḫalīfa (geb. am 28. Januar 1950) regiert das Land seit 1999; zuerst als Emir von Bahrain, rief er sich im Jahre 2002 zum König aus.
Das Königshaus Bahrains ist sunnitisch, die Bevölkerung - die vielen Gastarbeiter außer Acht gelassen - aber mehrheitlich schiitischen Glaubens (65-70%), was einen deutlichen Unterschied zu den übrigen benachbarten Golfstaaten ausmacht.
Diese Tatsache macht Bahrain auch für die verschiedensten ausländischen Akteure sehr bedeutend, worauf im Verlauf dieser Arbeit noch genauer eingegangen wird.
Die immer weiter um sich greifenden Proteste, die seit Beginn des arabischen Frühlings im Jahr 2010 immer mehr Staaten erfassten, erreichten Bahrain im Februar des Jahres 2011. Die Gründe der Proteste, die sich gegen das Königshaus richteten und noch immer richten, liegen vor allem auf der empfundenen Benachteiligung und Diskriminierung der mehrheitlich schiitischen Bürger unter anderem hinsichtlich politischer, finanzieller und sozialer Gegebenheiten. So sind die schiitischen Bürger Bahrains zum Beispiel in staatlichen Berufen, bei der Polizei oder in der Armee so gut wie gar nicht vertreten. Als Begründung hierfür wird ihnen eine zu große Sympathie zu den Staaten Iran und Irak vorgeworfen und somit quasi eine mangelnde Loyalität zum Mutterland Bahrain unterstellt.
Michael Schmidmayr bezeichnet die Einstellung der schiitischen Bürger als einen massiven Vertrauensmangel in die politische Elite bzw. das Herrscherhaus und als eine „ politische Entfremdung der Bevölkerung von den Regierenden. “ 1
Frank Nordhausen und Thomas Schmidt bezeichnen die Forderungen der Bevölkerung wie folgt: „ Sie wollen nicht Schiiten sein oder Sunniten, sondern Bahrainer. “ 2 Weitere Anhänger der Demonstrationen sind neben der schiitischen Bevölkerung aber auch andere benachteiligte Gruppen, vor allem bestehend aus ehemals eingewanderten Bürgern benachbarter Golfstaaten, denen ebenfalls viele Privilegien versagt bleiben bzw. die sich desgleichen einer Diskriminierung ausgesetzt sehen, sowie Bid ū n, also staatenlose Araber.
Gerade dieser Gruppe der Bevölkerung bleiben in Bahrain (, allerdings auch in anderen Golfstaaten wie zum Beispiel den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo sie immerhin fast ein Viertel der Bevölkerung stellt) nahezu sämtliche Grundrechte und Privilegien vorenthalten. So besitzen sie beispielsweise keine Ausweispapiere, was ihnen unter anderem die Teilnahme an Wahlen, am aktiven Arbeitsmarkt oder eine Teilhabe am Sozial- und Gesundheitssystem unmöglich macht.3
Eine Forderung der Demonstranten ist auch eine Reform der Wahlen. So wird verlangt, künftig die Regierung und den Ministerpräsidenten direkt wählen zu können.4 Dass sich der regierungsnahe, sunnitische Teil der Bevölkerung nicht an Antiregierungsdemonstrationen beteiligt oder - im Gegenteil -Proregierungsdemonstrationen organisiert, was ebenfalls zu Zusammenstößen führt, liegt auf der Hand, sehen sie im Falle von Zugeständnissen an die schiitischen Protestierenden doch ihre eigenen Privilegien gefährdet.5
Während der Fokus der westlichen Medien zu Beginn des arabischen Frühlings hauptsächlich auf den Umbrüchen in Tunesien, Ägypten, Algerien und Libyen lag, erhielten im Vergleich hierzu die Proteste in Golfstaaten wie Bahrain oder Kuwait oft in vielen Medien nur eine geringe Beachtung.
Mittlerweile dauern die Proteste seit über zwei Jahren an, führten bislang aber zu keiner Lösung, die für eine der beiden inländischen Parteien - auf der einen Seite die Großteils schiitischen Demonstranten, auf der anderen Seite das sunnitische Königshaus - als Erfolg zu werten sein kann. Auch die ausländischen Akteure, wie zum Beispiel Iran auf der einen und Saudi-Arabien auf der anderen Seite, konnten ihre jeweiligen ideologischen und politischen Vorstellungen seither nicht vielversprechend umgesetzt sehen.
2. Verlauf der Proteste in Bahrain: Maßnahmen der Regierung und die Rolle des Golfkooperationsrates
Die ersten Proteste begannen am 14. Februar 2011 zunächst mit nur einigen hundert Demonstranten auf dem zentralen „Perlenplatz“ der Hauptstadt Manama. Dieser Platz und der sich darauf befindende „Perlen-Turm“ wurden zum Symbol der künftigen Demonstrationen, woraufhin nach kurzer Zeit der Platz gesperrt und der Turm niedergerissen wurde.6
Genau einen Monat nach Beginn der Demonstrationen, ersuchte das Königshaus Bahrains das benachbarte Saudi-Arabien um Hilfe, welches am 14. März 2011 zum ersten Mal Truppen über die König-Fahd-Brücke entsandte, die die beiden Länder miteinander verbindet.
Gerechtfertigt wurde dies über den Kooperationsrat der Arabischen Staaten des Golfes (DMG: Maǧlis at-taʿāwun li-duwal al-ḫalīǧ al-ʿarabiyya). Aufgabe dieses Staatenbundes, dem neben Bahrain und Saudi-Arabien auch Qatar, Kuwait, der Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate angehören, ist es unter anderem, die Außen- und Sicherheitspolitik der Mitgliedsstaaten zu gewährleisten. Dies schließt im Notfall auch militärische Hilfen ein, etwa vergleichbar mit dem militärischen Bündnis der NATO.
Gegründet wurde dieser Staatenbund nach der Islamischen Revolution im Iran im Jahr 1979, da sich ab diesem Zeitpunkt die arabischen, mehrheitlich sunnitisch bevölkerten Golfstaaten bzw. das sunnitisch regierte Bahrain durch den schiitischen Nachbarstaat bedroht sahen. Genau dieser Pakt ließ es aber nun zu, ausländisches Militär unter der Begründung der Stabilisierung der inneren Sicherheit gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen. In diesem Punkt unterscheidet sich der Golfkooperationsrat (GCC) gravierend von den Einsatzmöglichkeiten der NATO, die sich de facto nicht in innerpolitische Belange einbringen darf. Anders verhält es sich hingegen mit den Befugnissen des GCC.
Das Hilfeersuch an den GCC war für die Regierung Bahrains offenbar die einzige Möglichkeit, sich gegen die schiitische Mehrheit und die Proteste im Land durchsetzen zu können bzw. sicher zu stellen, dass die Situation beherrschbar bleibt. Hinzu kommt sicherlich der Punkt, dass Saudi-Arabien über größere militärische Ressourcen verfügt, als Bahrain selbst.
Laut Medienberichten rückten am 14. März 2011 etwa 1000 Soldaten ein, um „ Einrichtungen der Regierung zu schützen, hieß es in saudischen Regierungskreisen. “ 7
Und weiter: „ Die Augenzeugen berichteten von 150 gepanzerten Truppentransportern und
50 weiteren Fahrzeugen, darunter Ambulanzen, Tankwagen mit Trinkwasser, Busse und Geländewagen. “ 8 In diesem Bericht heißt es aber auch, „ die Truppen seien nur leichtbewaffnet, Panzer und Raketenwerfer seien nicht zu sehen “ . 9
Es wird auch darauf hingewiesen, dass die Soldaten Teil einer Eingreiftruppe des oben genannten Golfkooperationsrates seien.10
Einen Tag nach dem Einmarsch der saudischen Truppen rief die Regierung Bahrains einen dreimonatigen Ausnahmezustand aus. Das Königshaus erklärte, „ die Streitkräfte seien ermächtigt worden, alle notwendigen Maß nahmen zu ergreifen, um die Proteste zu beenden “ . 11
Diese Erklärung zeigt deutlich, dass die Regierung nicht gewillt war, sich auch nur im Geringsten auf Zustände ähnlich wie in Ägypten oder Tunesien einzulassen, da sie offenbar fürchtete, die Lage könne sich für sie ebenso ungünstig verlagern.
Laut Medienberichten reagierte die iranische Staatsführung empört über das Eingreifen saudischer Soldaten. Man bezeichnete dies als „ inakzeptabel “ . 12
Diese Reaktion war absehbar, bildet Bahrain mit seiner mehrheitlich schiitischen Bevölkerung für Iran die Möglichkeit, politischen, religiösen und ideologischen Einfluss auf zumindest diesen kleinen Teil der Golfstaaten auszuüben.
In diesen Tagen rieten zahlreiche Regierungen ihren Bürgern dazu, Bahrain zu verlassen bzw. nicht mehr zu bereisen, da die Lage scheinbar unübersichtlich auf sie wirkte und die weitere Entwicklung unabsehbar schien.
Die Regierung Bahrains versuchte - alarmiert aus Beobachtungen der regimenachteiligen Entwicklungen in Ägypten und Tunesien - über dies, die Kommunikationswege möglicher Regierungsgegner zu unterwandern. Man lernte daraus, dass die Kommunikation über Mobilfunknetze und das Internet es möglich machte, in relativ kurzer Zeit eine große Zahl an Demonstranten spontan zu mobilisieren und zu koordinieren. Laut Süddeutscher Zeitung setzt die Regierung eine von Nokia Siemens Networks in Deutschland entwickelte Software ein, um die Internet- und Mobilfunkkommunikation zu überwachen und Bewegungen aufzuzeichnen. Bloomberg bestätigte, dass diese Firma bis 2009 der alleinige Lieferant dieser Art Software nach Bahrain war.13
[...]
1 Vgl. Schmidmayr, Michael: Politische Opposition in Bahrain - Stabilität und Wandel in einem autoritären Regime. Tübingen 2011: S.52.
2 Nordhausen, Frank & Schmidt, Thomas: Die arabische Revolution - Demokratischer Aufbruch von Tunesien bis zum Golf. Berlin 2011: S.200.
3 Vgl. http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/0/46acef9462be939cc12575b400315294?OpenDocument&Click= (Letzter Abruf: 20.08.2013)
4 Vgl. Ebd. S.50ff.Und Vgl. Lejeune, Martin: Schüsse auf dem Perlenplatz. AG Friedensforschung. http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Bahrain/proteste2.html (Letzter Abruf: 18.05.2013)
5 Vgl. AFP - Manama gripped by pro- and anti-regime protests. 02. März 2011.http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5jVnZgGfwSnqrvUHHiUq5kSREUAKQ (Letzter Abruf: 18.05.2013)
6 Vgl. Süddeutsche Zeitung: Tödliche Schüsse am Jahrestag der Aufstände in Bahrain. 14. Februar 2013.http://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/politicker-toedliche-schuesse-am-jahrestag-der-aufstaende-in-bahrain-1.1600033 (Letzter Abruf: 20.05.2013)
7 Süddeutsche Zeitung: Saudische Soldaten marschieren in Bahrain ein. 14. März 2011.http://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/aufruhr-in-arabien-saudische-soldaten-marschieren-in-bahrain-ein-1.1071934 (Letzter Abruf: 20.05.2013)
8 Ebd.
9 Ebd.
10 Vgl. Ebd.
11 Süddeutsche Zeitung: Bahrain ruft Ausnahmezustand aus. 15. März 2013.http://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/politik-kompakt-renten-steigen-um-ein-prozent-1.1072162 (Fehlerhafter Titel in der Adresse, allerdings korrekter Artikel. Letzter Abruf: 20.05.2013)
12 Vgl. Ebd.
13 Vgl. Süddeutsche Zeitung: Big Brother - made in Germany. 24. August 2011.http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ueberwachungstechnik-in-bahrain-big-brother-made-in-germany-1.1134721