Franz Grillparzer (15.01. 1791 – 21.01. 1872) verfasste „im Rückblick auf das Vorbild der
Klassik“1 die dramaturgischen Werke „Sappho“ (1819), „König Ottokars Glück und Ende“
(1825), „Ein treuer Diener seines Herrn“ (1830), „Der Traum ein Leben (1834), „Libussa“
(1872), „Ein Bruderzwist in Habsburg“ (1872), „Weh dem, der lügt“ (1840) und „Des Meeres
und der Liebe Wellen“ (1840)2.
In seinem bürgerlichen Beruf war Grillparzer der „Beamtenkaste [zugehörig,]auf die sich die
Verwaltung der Monarchie verlassen können musste“3. Aus den Erfahrungen seiner
Beamtentätigkeit heraus wusste Grillparzer „zwischen den unterschiedlichen Graden der
Dienstfertigkeit von Dienern zu unterscheiden“4. Mittels dieses Wissens konnte er seinem
Protagonisten Bancbanus in dem Drama „Ein treuer Diener seines Herrn“ auch mit den
„Attributen eines herrschaftlichen Dieners“5 ausstaffieren. Trotz Grillparzers Vorkenntnisse
als Staatsdiener konnte er es kaum verhindern, dass die habsburgerische Zensur nach der
Uraufführung am 28. Februar 1828 das Stück im Nachhinein der Öffentlichkeit vorenthalten
wollte. So lässt sich in den Berichten von Charles Sealfield folgende Auffassung des Kaisers
über die Aufgaben der Staatsdiener finden: „ein Beamter, der dem Zeitgeiste mehr
Aufmerksamkeit schenke, als dem ausgesprochenen Willen seines Monarchen, [taugt] nicht
zum Hofrat [...] ,seine Majestät [wünsche] nicht Kritiker, sondern treue Diener“6. [...]
1 Das neue Duden-Lexikon in 10 Bänden, hrsg. v. d. Lexikonred. d. Bibliograph. Inst. [Red. Bearb.: Ingrid Adam
...], Mannheim/Wien/Zürich, Dudenverlag, 1984, Bd.4, S. 1538
2 ebd., u., Das Kindler Lexikon, ???
3 Knafl, Arnulf, „Stabilitätssystem“. Franz Grillparze rs Bancban-Figur als Aufgabe des nationalen Mythos, in:
Grillparzer einst und heute, hrsg. v. Kerekes, Gábor, Szombathely, Berzsenyi Dániel, 1993, S.22
4 ebd., S. 22 f.
5 ebd., S. 23
6 Sealsfield, Österreich, wie es ist, oder Skizzen von Fürstenhöfen des Kontinents, S.81
Inhaltsverzeichnis
1. Entstehungsgeschichte
2. Aufbau und Inhalt
3. Personencharakteristik
4. Diener-Herrscher-Verhältnis
5. Frage der Schuld
6. Dramaturgische Funktion der Gestalten
7. Literaturverzeichnis
Untersuchung der Personenkonstellation Franz Grillparzers Trauerspiel „Ein treuer Diener seines Herrn“
Franz Grillparzer (15.01. 1791 – 21.01. 1872) verfasste „im Rückblick auf das Vorbild der Klassik“[1] die dramaturgischen Werke „Sappho“ (1819), „König Ottokars Glück und Ende“ (1825), „Ein treuer Diener seines Herrn“ (1830), „Der Traum ein Leben (1834), „Libussa“ (1872), „Ein Bruderzwist in Habsburg“ (1872), „Weh dem, der lügt“ (1840) und „Des Meeres und der Liebe Wellen“ (1840)[2].
In seinem bürgerlichen Beruf war Grillparzer der „Beamtenkaste [zugehörig,]auf die sich die Verwaltung der Monarchie verlassen können musste“[3]. Aus den Erfahrungen seiner Beamtentätigkeit heraus wusste Grillparzer „zwischen den unterschiedlichen Graden der Dienstfertigkeit von Dienern zu unterscheiden“[4]. Mittels dieses Wissens konnte er seinem Protagonisten Bancbanus in dem Drama „Ein treuer Diener seines Herrn“ auch mit den „Attributen eines herrschaftlichen Dieners“[5] ausstaffieren. Trotz Grillparzers Vorkenntnisse als Staatsdiener konnte er es kaum verhindern, dass die habsburgerische Zensur nach der Uraufführung am 28. Februar 1828 das Stück im Nachhinein der Öffentlichkeit vorenthalten wollte. So lässt sich in den Berichten von Charles Sealfield folgende Auffassung des Kaisers über die Aufgaben der Staatsdiener finden: „ein Beamter, der dem Zeitgeiste mehr Aufmerksamkeit schenke, als dem ausgesprochenen Willen seines Monarchen, [taugt] nicht zum Hofrat [...] ,seine Majestät [wünsche] nicht Kritiker, sondern treue Diener“[6]. Aufgrund der Tatsache, dass das Drama „Ein treuer Diener seines Herrn“ „unter dem Verbot der österreichischen Zensur stand“ wird von dem Stück „Rebellengeist“[7] erwartet, eine Schlussfolgerung, die auf dieses Werk Grillparzers wahrlich nicht zutrifft. Diese These werde ich u. a. im Folgenden, in meiner Arbeit über Grillparzers Trauerspiel „Ein treuer Diener seines Herrn“ bekräftigen können.
1. Entstehungsgeschichte
Nach Grillparzers Besuch bei Johann Wolfgang von Goethe in Weimar 1826 hatte Grillparzer sich ursprünglich vorgenommen, sein nächstes Stück dem Dichterfürsten zu widmen. Dieses Drama wäre „Ein treuer Diener seines Herrn“ gewesen, doch die Widmung unterblieb. Einerseits empfand Grillparzer sein Stück als „viel zu roh und gewalttätig“[8] für eine solche Geste der Ehrerbietung, andererseits befürchtete Grillparzer nicht ohne Grund, dass sich Goethe kaum noch an das damalige Zusammentreffen erinnern würde.[9]
Den Anstoß für dieses Drama gab ein Auftrag der regierenden Kaiserin Karoline Auguste, die am 25. August 1825 in Pressburg zur Königin von Ungarn gekrönt werden sollte. Zu dieser Festlichkeit sollte Grillparzer ein Festspiel schreiben.
Er begann sich mit dem Bancaban-Stoff zu beschäftigen. Als Quellen dienten ihm hierfür die Aufzeichnungen des ungarischen Chronisten Nikolaus Istvanfyius (1538-1615) und des italienischen Chronisten Antonius Bonfinius Asculanus (1441-1502).[10] Aus Angst vor der Habsburgerischen Zensur entschied sich Grillparzer aber schließlich, den Auftrag der Kaiserin abzulehnen. Dazu schrieb Grillparzer in seiner Selbstbiographie: „Als ich jedoch die Sache [gemeint ist die Eignung des Stoffes] näher betrachtete, fanden sich bedeutende Schwierigkeiten. Einmal schien es wunderlich, zur Feier eines Krönungsfestes die Geschichte eines Aufruhrs zu wählen. Dann wären in meinem Stücke zwei Kalender-Heilige vorgekommen: der heilige König Stephan und sein Sohn Emeram; eine Profanation, welche die Zensur nie zugegeben hätte. Ich erklärte daher dem Grafen Dietrichstein auf seine Anfrage: ich hätte keinen passenden Stoff gefunden.“[11]
Grillparzers Absage an die Kaiserin bedeutete allerdings nicht, dass er nun seine Beschäftigungen zu diesem Stoff verwarf. Er führte seine Arbeit zu jenem stoffgeschichtlichen Hintergrund fort und plante ein Drama darüber zu verfassen..
Mit dem Einfall, seine Dramenfiguren in den Bereich des Sagenhaften und Legendären zu versetzen, hoffte Grillparzer die Zensur zu entgehen[12]: Er musste sich nicht mehr um die geschichtliche Stofftreue kümmern, und konnte sich nun allein auf seine dichterische Phantasie konzentrieren.
Seine Überlegungen gingen auf und das Drama „Ein treuer Diener seines Herrn“ entkam zunächst der Zensur. Am 28. Februar 1828 wurde es im Leopoldstädtertheater in Wien uraufgeführt und erntete großen Erfolg beim Publikum. Dem anwesenden Kaiser hatte die Aufführung allerdings angeblich „so gut gefallen“, dass er das Stück erwerben wollte und zwar so vollständig, das es nur mehr ihm allein zugänglich sein sollte!
Sein Versuch einer Zensur im Nachhinein schlug aber fehl, weil das Trauerspiel schon im regen Handel war.[13] So konnte Grillparzer mit diesem Werk einen großen persönlichen Erfolg verbuchen.
2. Aufbau und Inhalt
Aufgebaut ist Grillparzers Trauerspiel in fünf Aufzügen. Schon im ersten Akt wird der Protagonist Bancbanus mit den Konflikten, die für den weiteren Verlauf des Dramas verantwortlich sind, konfrontiert. Ihren Ursprung finden sie in den „drei unberechenbare[n] jugendliche[n] Gestalten: seine junge Frau Erny, deren er sich nicht ganz sicher sein kann; Herzog Otto von Meran, der seine Frau und ihn gleichermaßen verfolgt und provoziert, und die Königin Gertrude, der er untergeordnet ist und die ihren wilden Bruder abgöttisch liebt.[...] [Otto verfehlt] seinen Anteil an der Reichsverweserschaft; um so rücksichtsloser wird er sich gebärden, um so ungnädiger die Königin ihren unerwünschten >Reichsgehilfen< Bancbanus behandeln.“[14] Aus der mit diesem „Zündstoff“ angereicherten Situation heraus beauftragt der König Andreas seinen treuen Knecht Bancbanus, „die fromme Ruhe“[15] des Reiches fortzuführen, ein Unterfangen, das schon von Beginn an zum Scheitern verurteilt ist. Unmittelbar nach der Abreise des Königs eröffnet der „Ruhestörer Otto sein sittenloses Spiel“[16]. Während Bancbanus sich pedantisch auf seine Pflichterfüllung konzentriert, treiben Ottos Nachstellungen Erny im dritten Aufzug in den Selbstmord. Die Auswirkungen ihrers Suizids sind Aufruhr und Bürgerkrieg, wie sie im viertem Aufzug dargestellt werden. Selbstlos und sich selbst verleugnend tritt Bancbanus für Frieden und Wiederherstellung der Ordnung ein und versucht, die Selbstjustiz seiner rebellischen Verwandten Simon und Peter zu bekämpfen. Er verhilft der Königin, ihrem Kind und seinem Feind Otto von Meran zur Flucht. Die Königin stirbt, aber Bancbanus kann den jungen Thronfolger retten. Es gelingt ihm, den Aufstand zu bezähmen. Als dann im fünftem Aufzug der heimkehrende König naht, übergibt der Diener seinem Herrn die gefangengenommenen Anführer des Aufstands und bittet um gnädige Rechtsprechung. König Andreas, selbst Opfer und Mitschuldiger am tragischem Ausgang der Ereignisse, geht auf Bancbanus` Bitte ein und belässt es dabei, den Iniator allen Übels, Otto von Meran, vom Reich zu verbannen.
3. Personencharakteristik
Wie in Kapitel 2 schon angesprochen, befindet sich die Ursache für die Katastrophen, der Tod Ernys und der Königin sowie der Bürgerkrieg, in den Charakteren der Figuren Erny, Gertrude und Otto von Meran.
Erny, „die jung und blühend einem bejahrten, fast widerlichen Manne vermählt[e]“[17] Ehefrau desBancbanus, wird schon in der ersten Szene als „ängstlich [und] schuldbewusst“[18] dargestellt. Am Totenbett ihres Vaters war sie dem väterlichen Jugendfreund Bancbanus` als zukünftige Gattin anvertraut worden und hatte trotz heftigem Leugnen ihrerseits keine eigene Wahl. Zu Bancbanus verbinden sie demzufolge nur die kindlichen Gefühle Vertrauen und „ein still Behagen“[19], aber keinerlei erotische Emotionen. Diese entflammen bei Erny für den leidenschaftlichen Herzog Otto von Meran, dem ihre heimliche Blicke genauso wenig verborgen bleiben wie die Tatsache, dass sie ihm eine Locke entwendet hat. Berthold glaubt deshalb, dass Erny um „die Möglichkeit, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen, `betrogen`“[20] worden ist. In ihrem Inneren tobt ein Kampf zwischen „Leidenschaft und Pflicht“[21], „Kühle [und ...] Berührtheit, Empfänglichkeit [und ...] Trotz, [sowie] Scheu [und ...] zornige[ ] Empörung“[22]. Sie muss, „um ihre Selbstachtung zu wahren, [...] dem Herzog mit Verachtung begegnen“[23]. Diese widersprüchlichen Empfindungen treiben Erny schließlich in den Freitod. Während Berthold dies als „leere Geste [... aufgrund einer bis zur] Prüderie verkommene[n] Idealisierung des Liebesmotivs“[24] bezeichnet, sieht Baumann Ernys Suizid als Akt, um „Selbsttreue mit der Treue zu Bancbanus [zu] besiegel[n]“[25].
[...]
[1] Das neue Duden-Lexikon in 10 Bänden, hrsg. v. d. Lexikonred. d. Bibliograph. Inst. [Red. Bearb.: Ingrid Adam ...], Mannheim/Wien/Zürich, Dudenverlag, 1984, Bd.4, S. 1538
[2] ebd., u., Das Kindler Lexikon, ???
[3] Knafl, Arnulf, „Stabilitätssystem“. Franz Grillparzers Bancban-Figur als Aufgabe des nationalen Mythos, in: Grillparzer einst und heute, hrsg. v. Kerekes, Gábor, Szombathely, Berzsenyi Dániel, 1993, S.22
[4] ebd., S. 22 f.
[5] ebd., S. 23
[6] Sealsfield, Österreich, wie es ist, oder Skizzen von Fürstenhöfen des Kontinents, S.81
[7] Pawlowa, Nina, Grillparzer und der russische Symbolismus, in: Für all, was Menschen je erfahren ... . Beiträge zu Franz Grillparzers Werk, hrsg. v. Strelka, Joseph P., Bern, Peter Lang, 1995, S. 153
[8] Grillparzer, Franz, Selbstbiographie, in: ders.: Sämtliche Werke in vier Bänden, hrsg. v. Frank, Peter u. Pörnbacher, Karl, München, Hanser, 1965, Bd.4, S. 155
[9] Knafl, Arnulf, „Stabilitätssystem“. Franz Grillparzers Bancban-Figur als Aufgabe des nationalen Mythos, in: Grillparzer einst und heute, hrsg. v. Kerekes, Gábor, Szombathely, Berzsenyi Dániel, 1993, S. 20f.
[10] vgl. Grillparzer, Selbstbiographie, S. 152
[11] ebd., S. 152
[12] vgl. Knafl, Stabilitätssystem, S 19f.
[13] vgl. ebd., S. 20
[14] Schröder, Jürgen, „Der Tod macht gleich“.Grillparzers Geschichtsdramen, in: Franz Grillparzer.Historie und Gegenwärtigkeit, hrsg. v. Neumann, Gerhard u. Schnitzler, Günter, Freiburg in Breisgau, Rombach, 1994, S. 48
[15] Grillparzer, Franz, Ein treuer Diener seines Herrn, Stuttgart, Philipp Reclam jun. GmbH & Co., 1996, S. 18
[16] Schröder, „der Tod macht gleich“, S. 49
[17] Baumann, Gerhart, Nachwort, in: Ein treuer Diener seines Herrn, v. Grillparzer, Franz, Stuttgart, Philipp Reclam jun. GmbH & Co., 1996, S. 82
[18] Berthold, Christian, Biedermann gegen die Brandstifter. Ein treuer Diener seines Herrn, in: Gerettete Ordnung. Grillparzers Dramen, hrsg. v. Budde, Bernhard u. Schmidt, Ulrich, Frankfurt a. M., Peter Lang, 1987, S. 126
[19] Grillparzer, Ein treuer Diener seines Herrn, S. 33
[20] Berthold, Biedermann gegen die Brandstifter, S. 129
[21] ebd., S. 128
[22] Baumann, Nachwort, S. 85
[23] ebd., S. 94
[24] Berthold, Biedermann gegen die Brandstifter, S. 141
[25] Baumann, Nachwort, S. 94
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- Verena Watzal (Autor:in), 2001, Untersuchung der Personenkonstellation Franz Grillparzers Trauerspiel 'Ein treuer Diener seines Herrn', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26949
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