Anreizsysteme für erfolgreiche Lehre

Institutionenökonomik im Schulsystem


Diplomarbeit, 2013

74 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Erklärungsansatz der Neuen Institutionenökonomik
2.1 Grundannahmen und Definitionen
2.1.1 Institution und Organisation
2.1.2 Modell des Homo oeconomicus
2.1.3 Begrenzte Rationalität
2.1.4 Informationsasymmetrie.
2.2 Prinzipal-Agenten-Theorie.
2.2.1 Die Grundstruktur der Prinzipal-Agenten-Theorie
2.2.2 Problematik der Prinzipal-Agenten-Beziehung
2.2.3 Lösungsansatz der Prinzipal-Agenten-Theorie
2.2.4 Komplexe Prinzipal-Agenten-Beziehungen

3 Bildung als ökonomisches Gut

4 Institutionelle Organisation des Schulsystems.
4.1 Institutionen und Prinzipal-Agenten-Beziehungen im Schulsystem
4.1.1 Relevante Akteure des Schulsystems.
4.1.2 Prinzipal-Agenten-Beziehung: Schüler/Eltern – Bildungsministerium
4.1.2.1 Bildungsproduktionsfunktion.
4.1.2.2 Maximierungskalkül der Schüler
4.1.2.3 Maximierungskalkül des Bildungsministeriums
4.1.2.4 Gleichgewichtige Bildungsqualität
4.1.3 Prinzipal-Agenten-Beziehung: Bildungsministerium – Schule
4.1.3.1 Funktionale Entscheidungskompetenzen.
4.1.3.2 Zielkonformität durch Anreizverträge.
4.1.4 Prinzipal-Agenten-Beziehung: Schüler/Eltern – Schule
4.1.4.1 Staatliche Regulierung.
4.1.4.2 Wettbewerb durch Wahlfreiheit
4.1.5 Prinzipal-Agenten-Beziehung: Schulleitung – Lehrer
4.1.5.1 Anreize für Lehrkräfte.
4.1.5.2 Leistungsabhängige Vergütung.
4.1.6 Zwischenfazit
4.2 Status quo der betrachteten Institutionen im deutschen Schulsystem

5 Empirische Evidenz.
5.1 Dezentrale Schulautonomie und Wettbewerb im Schulsystem
5.2 Leistungsabhängige Vergütung von Lehrkräften.

6 Schlussbetrachtung.

Anhang

Literaturverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Beispiele verschiedener Prinzipal-Agenten-Beziehungen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Bildungsproduktionsfunktion

Abbildung 2: Aggregierte Prinzipal-Agenten-Beziehungen im Schulsystem

Abbildung 3: Anreizwirkung von Schulautonomie auf die Bildungsqualität

Abbildung 4: Das Leistungsdilemma von Lehrkräften

symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Vom betriebswirtschaftlichen Personalmanagement bis hin zur Makroökonomie der Volkswirtschaftslehre – das Humankapital gewinnt in den Disziplinen der Wirtschaftswissenschaft zunehmend an Bedeutung. Unabhängig von der jeweiligen Definition gilt in diesem Kontext vor allem die Bildung als wichtigster Qualitätsindikator der Ressource Mensch, von welcher sich nicht zuletzt die hochentwickelten Industrienationen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil versprechen.

Entsprechend stark fielen im Jahr 2001 die Reaktionen und das mediale Aufsehen aufgrund Deutschlands schlechten Abschneidens bei der ersten internationalen Schulleistungsstudie der OECD (PISA) aus. Die durchschnittliche Leistung deutscher Schüler lag in allen drei schulischen Kompetenzbereichen (Lesen, Mathematik und Naturwissenschaft) signifikant unter dem OECD-Durchschnitt.[1] Damit geriet die Institution Schule und mit ihr das Berufsbild des Lehrers einmal mehr, zwischen Wahlkampfpolemik und ökonomischen Reformbemühungen, ins Zentrum der öffentlichen Kritik. Hatte Gerhard Schröder im Jahr 1995 als Ministerpräsident Niedersachsens den Berufsstand des Lehrers noch als „faule Säcke“ diffamiert, forderte dieser nach der Veröffentlichung der PISA-Studie als Bundeskanzler in einem Essay für die Wochenzeitung DIE ZEIT selbstständige sowie eigenverantwortliche Schulen und kritisierte damit die ineffektive Überreglementierung im deutschen Schulsystem harsch.[2]

Die durch den Ländervergleich aufgezeigten institutionellen Defizite des deutschen Schulsystems veranlassten die ständige Konferenz der Kultusminister bereits zwei Tage nach Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse „konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der schulischen Bildung“ zu beschließen.[3] Kontroverse, bis in die Gegenwart diskutierte Reformvorschläge waren die Folgen, welche zumeist als einzigen Konsens eine Erhöhung der Bildungsausgaben vorsahen. Doch führt die rein inputorientierte Erhöhung der Ausgaben, in einem überwiegend öffentlich finanzierten, zentralregulierten System, ohne Wettbewerbs- oder Marktmechanismen nicht auch notwendigerweise zu einer erwünschten Leistungssteigerung.[4] So liegen beispielsweise die Gehälter von Lehrkräften in Deutschland bereits deutlich über dem OECD-Durchschnitt, dennoch erzielen diese nachweislich unterdurchschnittliche Lernerfolge bei ihren Schülern.[5]

Die inflexiblen institutionellen Rahmenbedingungen und das Fehlen geeigneter Leistungsanreize für Schulen und Lehrer unterscheidet das deutsche Schulsystem deutlich von den Systemen der meisten OECD-Staaten.[6] Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung stellte in seinem Jahresbericht 2004 bestehende Fehlanreize und organisatorische Mängel im deutschen Schulsystem fest.[7] Wirtschaftstheoretische Überlegungen legen nahe, dass die Leistungen und die Effizienz eines personalintensiven Systems wie desjenigen der Bildung von den Anreizen bestimmt werden, denen die involvierten Akteure ausgesetzt sind.[8] Die bisherigen Reformansätze von Bund und Ländern verfehlen jedoch bislang das Ziel, effektive leistungs- und anreizorientierte Rahmenbedingungen im deutschen Schulsystem zu implementieren.[9]

Ein zielführender Einsatz zusätzlicher Ressourcen bedarf daher eines dezidierten ökonomischen Ansatzes sowie des Verständnisses vom Schulsystem als institutioneller Organisation. Dabei geht es nicht um eine Ökonomisierung der Pädagogik, sondern vielmehr darum das eigentliche Ziel – eine verbesserte Qualität der Lehre – mit dem Einsatz geeigneter Institutionen effizient erreichen zu können. Hierzu ist jedoch zunächst die ökonomische Rekonstruktion institutioneller Strukturen des Schulsystems notwendig, um anreiztheoretisch erklären zu können, wie die Verwendung zusätzlicher Ressourcen effektiv gesteuert werden kann und warum sich die relevanten Akteure bislang anders verhalten als erwünscht.[10]

Daraus abgeleitet stellen sich implizit die Kernfragen dieser Arbeit: Welche institutionellen Anreizsysteme sind letztlich effektiv in der Lage, ein erwünschtes Verhalten bei den relevanten Akteuren des Schulsystems zu fördern? Auf welcher Ebene müssen geeignete Institutionen anreiztheoretisch in der Organisation des Schulsystems implementiert werden, um effiziente Leistungen zu gewährleisten?

Mit dem Ansatz der Prinzipal-Agenten-Theorie bietet die Neue Institutionenökonomik ein geeignetes Instrumentarium zur Wirkungsanalyse von Anreizsystemen innerhalb der institutionellen Struktur einer Organisation. Um die Prinzipal-Agenten-Theorie im Kontext des Schulsystems anwenden zu können, werden im einführenden Kapitel 2 zunächst die relevanten Grundlagen der Neuen Institutionenökonomik eingeführt, ehe im Anschluss die resultierenden Kernthesen der Prinzipal-Agenten-Theorie erläutert werden.

Die Aufgabe eines Schulsystems besteht gemeinhin in der Generierung von Allgemein- und Grundlagenbildung durch Lehre. Unter der Voraussetzung einer ineffizienten Bildungsgenerierung erfolgen in Kapitel 3 die bildungsökonomische Zielsetzung institutioneller Reformen und mit Hilfe eines vereinfachten Bildungsproduktionsmodells die Bestimmung anreiztheoretischer Ansatzpunkte für die Implementierung leistungsfördernder Intuitionen. In diesem Zusammenhang lässt sich das Schulsystem institutionenökonomisch als Organisation beschreiben. Damit leistungsfördernde Institutionen eine zielführende Wirkung gewährleisten können, ist es zunächst erforderlich die relevanten Akteure und deren interdependente Beziehungen innerhalb der Organisation zu bestimmen. Hierzu wird im ersten Abschnitt von Kapitel 4 die Organisationsstruktur des Schulsystems in Form eines aggregierten Prinzipal-Agenten-Netzwerks dargestellt und anhand von vier isolierten Prinzipal-Agenten-Beziehungen die anreiztheoretische Wirkungsweise geeigneter Institutionen analysiert. Die Autonomie der einzelnen Schule, der Wettbewerb zwischen Schulen auf Quasi-Märkten und die leistungsabhängige Vergütung von Lehrkräften erweisen sich in Kombination mit externen Leistungsüberprüfungen als potenziell geeignete Institutionen für ein Anreizsystem erfolgreicher Lehre. Auf Grundlage der beschriebenen Institutionen erfolgt im zweiten Abschnitt von Kapitel 4 die Evaluation der aktuellen Anreizsituation im deutschen Schulsystem. In Kapitel 5 werden die evidenten Effekte der drei beschriebenen Institutionen geprüft, um die Anreizwirkung im Schulsystem empirisch zu evaluieren. Während die Wirkungen der Schulautonomie und des Wettbewerbs auf Grundlage internationaler Schülerleistungstests in bestehenden Systemen erfasst werden können, ist das noch unausgereifte Forschungsgebiet der leistungsabhängigen Vergütung von Lehrkräften überwiegend auf die Ergebnisse experimenteller Studien angewiesen. Die Schlussbetrachtung in Kapitel 6 fasst die Potenziale und Grenzen der institutionellen Anreizgestaltung für erfolgreiche Lehre insbesondere an deutschen Schulen zusammen.

2 Erklärungsansatz der Neuen Institutionenökonomik

Die globalisierte Wirtschaft des einundzwanzigsten Jahrhunderts wäre ohne die effizienzsteigernden Effekte der Arbeitsteilung, Delegation und Dezentralisierung undenkbar. Diesem Umstand geht die grundlegende Erkenntnis voraus, dass Kooperationen mit anderen Individuen auch das Erreichen individueller Ziele begünstigen. Eine Kooperation beschreibt in diesem Zusammenhang jede gemeinsame, aufeinander abgestimmte Handlung und Tätigkeit zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels. Eine freiwillige Kooperation kommt jedoch lediglich zustande, wenn individuelle Kalküle so weit eingeschränkt werden, dass es für jeden Akteur vorteilhaft ist zum Erreichen des gemeinsamen Kooperationsvorteils beizutragen.[11] Zu diesem Zweck schließen sich kooperierende Akteure zu Organisationen zusammen, welche den institutionellen Rahmen eines gemeinsamen Handelns bilden.[12]

Dessen ungeachtet sind Kooperationen und folglich Kooperationsvorteile unmittelbar durch das Bestehen divergierender Individualinteressen gefährdet. Diesem Problem widmet sich die Theorie der Neuen Institutionenökonomik. Mit der Analyse von institutionellen und vertraglichen Interaktionsregeln zwischen kooperierenden Akteuren besteht das Ziel dieser Theorie in der Erklärung und Sicherung von gefährdeten Kooperationsvorteilen.[13] Das Verständnis und die sich daraus ergebende Möglichkeit der gezielten Gestaltung geeigneter Interaktionsregeln bilden letztlich die Grundlage für den effektiven Einsatz von leistungsfördernden Anreizsystemen in Organisationen wie Unternehmen, Behörden oder auch Schulen. Als ein Teilansatz der Neuen Institutionenökonomik widmet sich die Prinzipal-Agenten-Theorie dieser Aufgabe mit der Gestaltung von expliziten und impliziten Verträgen, um auf diese Weise die Koordination kooperierender Akteure effektiv zu gewährleisten.[14]

2.1 Grundannahmen und Definitionen

Um die komplexen institutionellen Strukturen einer Organisation modelltheoretisch valide erfassen zu können, ist es zunächst erforderlich vereinfachende Annahmen und Definitionen über die Rahmenbedingungen und Strukturen menschlichen Interaktionsverhaltens zu treffen.

2.1.1 Institution und Organisation

Der Begriff „Institution“ ist in der Wirtschaftswissenschaft nicht eindeutig definiert. Im Kern beschreibt eine Institution ein systematisiertes Regel- oder Vertragssystem, inklusive seiner Durchsetzungsmechanismen, zur Koordination individuellen Handelns. Durch das Setzen von Anreizen lenken Institutionen individuelles Verhalten in eine bestimmte Richtung und beschreiben damit die Ordnungsstruktur für menschliche Interaktionen.[15] Da Institutionen das Verhalten potenzieller Kooperationspartner kalkulierbar machen, ist es Akteuren überhaupt erst durch definierbare Institutionen möglich Kooperationen einzugehen. Nur durch das Bestehen von definierbaren Institutionen werden die eigenen Handlungsoptionen planbar. Institutionen lassen sich auf diverse Bereiche menschlicher Interaktionen abstrahieren: Das Grundgesetz, die Straßenverkehrsordnung, Unternehmensverfassungen, Arbeitsverträge und die Ehe stellen geeignete Beispiele für gesellschaftlich anerkannte Institutionen dar.[16]

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird die Institution häufig synonym mit der Organisation verwandt. In der Ökonomik entspricht die Organisation indessen einer konkreten Ausgestaltung von Institutionen in Bezug auf bestimmte Akteure. Organisationen werden bewusst gestaltet und sind auf ihre Mitglieder begrenzt; wonach Organisationen personifizierten Institutionen entsprechen. Beispielsweise gründet die Organisation Nationalstaat auf die Institutionen Verfassung und Gesetze. Die Organisation Familie beruht allgemein auf der Institution Ehe und auch die Organisation Unternehmen setzt sich aus einer Vielzahl von Institutionen wie Arbeitsverträgen, Unternehmensverfassungen oder den Prinzipien der Marktwirtschaft zusammen.[17]

2.1.2 Modell des Homo oeconomicus

Zur Analyse des menschlichen Verhaltens von Akteuren bedient sich die Ökonomik zumeist des modelltheoretischen Konstrukts des Homo oeconomicus. Dabei verfolgt das Modell weder den Anspruch, den Menschen vollständig in sämtlichen Facetten abbilden zu können, noch zielt es darauf ab allgemeingültige Erklärungen menschlichen Verhaltens zu konstruieren. Das Modell dient der Ökonomik gemeinhin als mathematischer Erklärungsansatz im Sinne einer heuristischen Fiktion.[18]

Damit der Homo oeconomicus der Funktion eines fiktiven Akteurs entsprechen kann, gelten für sein kalkulierbares Verhalten folgende charakteristischen Annahmen:[19]

- Determinierte Präferenzen: Der Akteur besitzt feststehende, ihm bekannte Präferenzen.
- Eigeninteresse: Der Akteur handelt gemäß seinen Präferenzen egoistisch dem Individualprinzip folgend. Sollte dadurch ein individueller Nutzenzuwachs erreicht werden, schließt das durch Opportunismus gekennzeichnete Verhalten auch die bewusste Schädigung anderer Akteure mit ein.[20]
- Nutzenmaximierung: Der Akteur handelt nach dem ökonomischen Prinzip und maximiert durch seine Handlungen seinen individuellen Nutzen.[21]
- Reaktionsfähig: Der Akteur passt seine Handlungen den institutionellen Rahmenbedingungen an und reagiert auf relevante Veränderungen gemäß seinen feststehenden Präferenzen.
- Vollständige Information: Der Akteur ist stets vollständig über sämtliche Handlungs­alternativen und deren Ergebnisse informiert.

Diese Charakteristika des Homo oeconomicus stellen rein deskriptive Verhaltensannahmen dar und beschreiben nicht notwendigerweise ein normatives Ideal. Werden die Annahmen erfüllt, gilt das Verhalten des Homo oeconomicus wirtschaftswissenschaftlich als rational.[22]

2.1.3 Begrenzte Rationalität

Die Ökonomik kann das Verhalten von Akteuren lediglich erklären, wenn sich diese rational verhalten. Ein irrationales verhalten kann weder erklärt noch valide vorhergesagt werden.[23] Um jedoch einen größeren Bezug zur Realität herstellen zu können, kommt die Rationalitätsannahme in der Neuen Institutionenökonomik lediglich begrenzt zur Anwendung. Eine Einschränkung findet vor allem in Bezug auf den vollständigen Informationsgrad der Akteure statt. Informationen werden ferner nicht mehr als gegeben oder kostenlos verfügbar angesehen.

Daraus folgt unmittelbar, dass:[24]

- dem Akteur nicht sämtliche seiner Handlungsalternativen bekannt sind,
- der Akteur die Ergebnisse seiner Handlungen nicht exakt einschätzt kann,
- der Akteur die Ergebnisse seiner Handlungen nicht vollständig bewerten kann.

Unter der geltenden Annahme begrenzter Rationalität sind die Akteure nicht in der Lage, ihre Kooperationsbeziehungen vollständig einzuschätzen, und können diesbezüglich in der Regel nur unvollständige Verträge eingehen. Zwar streben die Akteure weiterhin ein rationales Verhalten an, sind aber aus Informationsmangel häufig nicht in der Lage, ihren Nutzen konsequent zu maximieren.[25] Unvollständige Verträge bergen vor allem dann ein Risiko für die Akteure, wenn die Kooperationspartner unterschiedlich gut informiert sind; also eine Informations­asymmetrie vorliegt.

2.1.4 Informationsasymmetrie

Das zentrale Problem der Kooperation zwischen begrenzt rationalen Akteuren ist eine nicht vollständige und ungleich verteilte Informationslage, wie sie in Organisationen und sonstigen Kooperations- und Tauschbeziehungen die Norm ist. Informationsvorsprünge erlauben es den besser informierten Akteuren ihre schlechter informierten Kooperationspartner zu übervorteilen, wodurch im Extremfall bereits das Zustandekommen einer Kooperation gefährdet ist. Im Wesentlichen sind drei Formen der Informationsasymmetrie zu unterscheiden:[26]

- Qualitätsunsicherheit: Ein Akteur ist vor Vertragsabschluss über entscheidungs- oder erfolgsrelevante Charakteristika der Kooperation besser informiert als die Kooperationspartner (Hidden Characteristics).
- Verhaltensunsicherheit: Ein Akteur ist nach Vertragsabschluss über die eigenen Handlungen besser informiert als die Kooperationspartner, da diese nicht beobachtet werden können (Hidden Action).
- Ergebnisunsicherheit: Ein Akteur ist nach Vertragsabschluss über die Ergebnisse der Kooperation besser informiert als die Kooperationspartner, da deren Angemessenheit nicht beurteilt werden kann (Hidden Information).

Die Existenz solcher Informationsasymmetrien führt bei einem opportunistischen Verhalten der Akteure zu effizienzmindernden Folgeschäden für die Kooperation:[27]

Das Bestehen von Qualitätsunsicherheiten kann zu einer adversen Selektion führen, da infolge des Wissens um diese Unsicherheit ex ante nur schlechte Qualität gehandelt wird. Das gängige Beispiel von Akerlof (1970) beschreibt die adverse Selektion anhand eines Gebrauchtwagenmarktes, auf welchem potenzielle Käufer die Qualität der Wagen nur unzureichend einschätzen können und einen entsprechend geringen Kaufpreis kalkulieren. Als Konsequenz mangelnder Zahlungsbereitschaft werden ferner keine Wagen mit hoher Qualität angeboten, worauf die Zahlungsbereitschaft potenzieller Käufer weiter sinkt, usw.[28] So kommt die Kooperation in Form eines Gebrauchtwagenmarktes erst gar nicht zustande, obwohl die Akteure (Käufer und Verkäufer) bei vollständiger Informationslage zum beiderseitigen Nutzen kooperieren würden.

Verhaltens- und Ergebnisunsicherheiten können zu Moral Hazard führen, welches ein opportunistisches Verhalten nach Vertragsabschluss beschreibt. Beispielsweise kann eine Versicherung nach Vertragsabschluss nicht beobachten, ob ein Versicherungsnehmer weiterhin eigene Handlungen zur Risikovermeidung unternimmt oder sich aufgrund der Versicherung dem Risiko sogar verstärkt aussetzt.[29] In einem anderen Beispiel kann nicht vollständig beurteilt werden, ob der angestellte Manager eines Unternehmens die ihm anvertrauten Aufgaben stets im Interesse des Eigentümers ausführt oder divergierende Individualziele verfolgt. Dem Namen nach führt die fehlende Beobachtbarkeit innerhalb einer Kooperation zu moralischem Risiko.

Die Informationsasymmetrie birgt das inhärente Problem der fehlenden Verifizierbarkeit. Eine vertragliche Regelung von Kooperationsmerkmalen, die nicht beobachtet werden können, ist demnach zur Sicherung von Kooperationsvorteilen ungeeignet. Aus diesem Grund bedarf es selbstdurchsetzender Institutionen, welche eine Anreizverträglichkeit für alle beteiligten Akteure voraussetzen. Führt ein vertragskonformes Verhalten für jeden Kooperationspartner zur Maximierung des individuellen Nutzens, besitzt auch jeder Akteur den Anreiz, Informationsvorsprünge im eigenen Interesse wahrheitsgemäß zu kommunizieren.[30]

2.2 Prinzipal-Agenten-Theorie

Zur Analyse und Gestaltung anreizverträglicher Institutionen bei Informationsasymmetrie dient der Neuen Institutionenökonomik der Erklärungsansatz der Prinzipal-Agenten-Theorie. Das Standardmodell der Prinzipal-Agenten-Theorie beschreibt eine vertikal hierarchische Kooperation zwischen zwei Akteuren: einem Prinzipal als Auftraggeber und einem Agenten als Auftragnehmer.[31]

Eine Prinzipal-Agenten-Beziehung lässt sich in der Praxis auf diverse Kooperationsformen adaptieren. Tabelle 1 zeigt eine Auswahl geeigneter Beispiele:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1 : Beispiele verschiedener Prinzipal-Agenten-Beziehungen[32]

Charakteristisch für die Prinzipal-Agenten-Beziehung ist die vertragliche Regelung einer interdependenten Auftragsbeziehung zweier Akteure unter Informationsasymmetrie. Üblicherweise wird von einem Informationsvorsprung zugunsten des handlungsdurchführenden Agenten ausgegangen.[33] Wie das Beispiel Wähler-Regierung zeigt, ist das Prinzipal-Agenten-Modell nicht auf rein wirtschaftliche Auftragsbeziehungen beschränkt. Am Beispiel des Managers wird außerdem deutlich, dass sich Akteure simultan in der Rolle eines Prinzipals und eines Agenten befinden können. So stellt innerhalb eines Unternehmens der Manager aus Sicht des Eigentümers einen Agenten dar, während er für die untergebenen Angestellten institutionell die Rolle eines Prinzipals einnimmt.

2.2.1 Die Grundstruktur der Prinzipal-Agenten-Theorie

Als Gegenstand der Kooperation beauftragt der Prinzipal den Agenten mit der Durchführung einer Aufgabe. Das dabei entstehende Handlungsergebnis steht zunächst vollständig dem Prinzipal zu. Ein ex ante geschlossener Vertrag regelt explizit und implizit die Rahmenbedingungen der Kooperation und beinhaltet sämtliche institutionellen Möglichkeiten, die Handlungen des Agenten zu koordinieren. Da die Durchführung der Aufgabe für den Agenten mit Kosten und Arbeitsleid verbunden ist, regelt der Vertrag zudem die anreizgestaltende Entlohnung des Agenten, welche zumeist als unmittelbarer Anteil am Handlungsergebnis geleistet wird.[34] Sowohl der Prinzipal als auch der Agent ist bestrebt seinen jeweilig individuellen Kooperationsnutzen zu maximieren:[35]

- Der Nutzen des Prinzipals: Da dem Prinzipal der gesamte Ertrag der Kooperation zusteht, ergibt sich sein Nutzen direkt aus dem Handlungsergebnis des Agenten, abzüglich der zu leistenden Entlohnung. Um seinen individuellen Nutzen zu maximieren, ist der Prinzipal daher an der bestmöglichen Durchführung der Aufgabe bei einer möglichst geringen Entlohnung für den Agenten interessiert.

- Der Nutzen des Agenten: Der Agent bezieht seinen Nutzen durch den Erhalt einer Entlohnung, welche er für die Durchführung der Handlungsanweisung vom Prinzipal erhält. Da jede zusätzliche Anstrengung der Handlungsdurchführung den Nutzen in Form von Kosten und Arbeitsleid reduziert, lautet das Maximierungskalkül des Agenten, die Entlohnung abzüglich seiner Durchführungskosten zu maximieren. Es kann also angenommen werden, dass der Agent bestrebt ist für einen gegebenen Kooperationsvorteil einen möglichst geringen Beitrag zu leisten.

Bei der Betrachtung der Maximierungskalküle wird deutlich, dass neben dem Bestehen eines Interessenkonflikts eine interdependente Kooperationsbeziehung vorliegt. Das Verhalten des Agenten bestimmt den Nutzen des Prinzipals, welcher über die Festlegung einer Entlohnung den Nutzen des Agenten beeinflusst.[36]

Um im Kontext der Verhaltensinterdependenz situationsunabhängig den individuellen Kooperationsnutzen zu maximieren, wird sich jeder Akteur strategisch verhalten. Das aus der Spieltheorie stammende strategische Verhalten beschreibt in diesem Zusammenhang ein individuell optimales Handlungskalkül. Beide Akteure richten ihre optimale Handlungsentscheidung am interdependenten Verhalten des anderen Akteurs aus. Daraus abgeleitet besteht das strategische Verhalten des Prinzipals darin, einen Vertrag zu gestalten, der dem strategischen Verhalten des Agenten die eigene Zielkonformität induziert. Um das zu gewährleisten, muss der Vertrag dem Agenten institutionelle Anreize schaffen, wonach die Durchführung der Aufgabe im Interesse des Prinzipals zur eigenen Nutzenmaximierung führt. Üblicherweise erfolgt dies durch eine anteilige Entlohnung am realisierten Handlungsergebnis.[37]

2.2.2 Problematik der Prinzipal-Agenten-Beziehung

Die Delegation einer Aufgabe erfordert für den Agenten ein Mindestmaß an Handlungsfreiheit zur selbstständigen Durchführung. Bei vollständiger Rationalität und Informationslage ist der Prinzipal per Definition in der Lage, die Handlungen und das Ergebnis des Agenten lückenlos zu beobachten und zu verifizieren. Unter diesen Bedingungen kann ein Vertrag die Koordination und anreizbedingte Steuerung des Agenten stets vollständig gewährleisten. Der Agent hat keine Möglichkeit zu vertragsabweichendem Verhalten und das individuelle Handlungsergebnis der delegierten Aufgabe maximiert den Nutzen des Prinzipals. Der Kooperationsgewinn einer solchen Prinzipal-Agenten-Beziehung wird als First-Best-Lösung bezeichnet.[38]

In der Realität ist allerdings nur von einer begrenzten Rationalität sowie Informationskosten auszugehen. Unter diesen Voraussetzungen ist es dem Prinzipal nicht möglich das Verhalten des Agenten vollständig zu kontrollieren. Informationskosten und fehlende Beobachtbarkeit der Handlungen führen zu einer Informationsasymmetrie.[39] Da lediglich verifizierbare Kooperationsmerkmale vertraglich geregelt werden können, besteht für solche Kooperationsbeziehungen die in Abschnitt 2.1.4 erläuterte Gefahr der effizienzmindernden Folgeschäden, welche im Kontext der Prinzipal-Agenten-Theorie fortan als Agenturprobleme bezeichnet werden. Die aufgrund von Agenturproblemen entstehenden Kosten reduzieren den Kooperationsgewinn und führen lediglich zu einer Second-Best-Lösung der Prinzipal-Agenten-Beziehung.

2.2.3 Lösungsansatz der Prinzipal-Agenten-Theorie

Wie das Beispiel der adversen Selektion gezeigt hat, kann es für beide Akteure einer Prinzipal-Agenten-Beziehung vorteilhaft sein bestehende Informationsasymmetrien abzubauen, um Agenturprobleme zu verringern. Vor Vertragsabschluss besitzt der Prinzipal die Möglichkeit, sich durch ein Screening besser zu informieren und zusätzliche Informationen über die Kooperation oder den Kooperationspartner einzuholen. In der Praxis geschieht dies zumeist in Form von Gutachten, Vergleichen oder Einstellungstests. Entsprechend kann der Agent mit einem glaubhaften Signaling durch Garantien und Zeugnisse dem Prinzipal eigenständig wichtige Informationen offenlegen, wenn dessen Kooperationsvorteile durch Informationsasymmetrien gefährdet sind.[40] Die Überwachungsaktivitäten nach Vertragsabschluss, welche dem Prinzipal zur Reduzierung der Agenturprobleme dienen, werden als Monitoring bezeichnet. Mit dem Ziel, die Handlungen des Agenten besser beurteilen zu können, werden geeignete Kontroll- und Beobachtungssysteme eingeführt. Eine verbreitete Anwendung in der Praxis stellt dazu beispielsweise die Beobachtung von Arbeitszeiten durch Stechuhren dar. Lässt das Handlungsergebnis des Agenten keinen Rückschluss auf dessen Leistungseinsatz zu, ist das Szenario denkbar, in dem auch der Agent bestrebt ist seinen Informationsvorsprung nach Vertragsabschluss zu reduzieren. Durch ein Reporting kann sich der Agent freiwillig der Selbstkontrolle unterwerfen, um beispielsweise ein schlechtes Handlungsergebnis mit ungünstigen Umwelteinflüssen erklären zu können.[41]

Die Wirksamkeit solcher Instrumente hängt maßgeblich von der Qualität bzw. Glaubwürdigkeit der zusätzlichen Informationen ab. Entsprechend ist das Einholen oder die Offenlegung geeigneter Informationen mit Kontroll- und Signalisierungskosten verbunden, so dass dem Grad der Informiertheit stets eine Kosten-Nutzen-Analyse zusätzlicher Informationen vorrausgeht. Selbst wenn es technisch zu realisieren wäre, wird aufgrund unverhältnismäßig hoher Kosten die Generierung einer vollständigen Informationslage, wie sie in der First-Best-Lösung besteht, ökonomisch nicht sinnvoll sein. Agenturprobleme und Informationskosten führen bei begrenzter Rationalität maximal zu einer Second-Best-Lösung. Die Differenz zwischen First-Best-Lösung und Second-Best-Lösung ergibt die Agency-Kosten. Die Höhe der Agency-Kosten hängt in der Regel stark von den bestehenden Institutionen ab. Bei begrenzter Rationalität besteht der grundlegende Lösungsansatz der Prinzipal-Agenten-Theorie letztlich darin, durch die Gestaltung von vertraglichen Institutionen und deren Anreizwirkung die Agency-Kosten zu minimieren, also im Auffinden einer Second-Best-Lösung, welche der First-Best-Lösung am nächsten kommt.[42]

2.2.4 Komplexe Prinzipal-Agenten-Beziehungen

Insbesondere die mathematischen normativen Anwendungen des Standardmodells der Prinzipal-Agenten-Theorie gehen zumeist von stark vereinfachten Modellannahmen aus. Einstufige, bilaterale Auftragsbeziehungen, welche mit isoliert geschlossenen Verträgen erfasst werden, stehen im Zentrum der theoretischen Problembetrachtung.[43] Die institutionenökonomische Analyse des Schulsystems birgt mitunter auch komplexe Prinzipal-Agenten-Beziehungen, deren wesentliche Problemstellungen im Folgenden in ihren Grundzügen skizziert werden:[44]

- Mehrere Agenten: In der Praxis stehen zumeist mehrere Agenten mit einem einzelnen Prinzipal in Beziehung. Besteht zudem eine homogene Aufgabe, können durch den Vergleich der verschiedenen Ergebnisse Agenturprobleme reduziert und Anreize, beispielsweise durch eine Entlohnung in Form von relativen Leistungsturnieren, gesetzt werden. Neue Probleme ergeben sich indes durch Möglichkeiten für die Agenten zur Kollusion. Ein weiteres Problem des Mehragentenmodells besteht in der Entlohnung von Gruppenarbeiten. Können die einzelnen Handlungen nicht isoliert bewertet werden, besteht für die Agenten ein erheblicher Anreiz zum Trittbrettfahrerverhalten. Das Trittbrettfahrerverhalten beschreibt eine opportune Leistungszurückhaltung von Agenten auf Kosten der Leistungen anderer Agenten.[45]

- Mehrere Prinzipale: In dem Prinzipal-Agenten-Netzwerk einer Organisation ist auch die Beziehung eines Agenten zu mehreren Prinzipalen durchaus üblich. Diese Konstellation ist insbesondere dann problematisch, wenn Prinzipale verschiedene Zielvorstellungen besitzen oder die Ergebnisse unterschiedlich einschätzen. Jeder Prinzipal ist daran interessiert den Agenten möglichst nach seinen eigenen Zielvorstellungen auszurichten, was zu zusätzlichen Agenturproblemen führt. Selbst bei gleichen Zielvorstellungen können weitere Agenturprobleme auftreten. So besteht beispielsweise hinsichtlich der Leistungsüberwachung die Gefahr des Trittbrettfahrerverhaltens, indem ein Prinzipal bestrebt sein könnte, um Kosten zu sparen, von den Monitoringaktivitäten anderer Prinzipale zu profitieren.[46]

- Mehrstufige Beziehungen: Wie bereits in der Einleitung zu Abschnitt 2.2 erläutert, treten die Akteure eines hierarchischen Systems zumeist simultan in der Rolle des Agenten und des Prinzipals auf. Mehrstufige Hierarchien bieten auf den verschiedenen Hierarchieebenen zahlreiche Möglichkeiten zur Sabotage und Kollusion, was zu weiteren Agenturproblemen führt.

- Mehrere Aufgaben: In der Regel besteht eine Auftragsbeziehung zwischen Prinzipal und Agenten nicht nur in der Durchführung einer einzelnen Aufgabe oder kann deren Ergebnis nicht eindimensional ausgedrückt werden. Ein Manager hat z.B. die Aufgabe, Kosten einzusparen, Kundenzufriedenheit zu gewährleisten und den Unternehmenswert zu steigern. Für den Prinzipal ergibt sich damit das Problem, den Agenten zur erwünschten Verteilung seiner Anstrengungen zu verleiten. Bestehen Anreize vornehmlich für eine bestimmte Aufgabe, ist davon auszugehen, dass sich die Handlungen des Agenten auf diese konzentrieren. Problematisch ist die Anreizgestaltung auch bei konträren Zielen, wenn etwa die Kosteneinsparungen zu Lasten der Kundenzufriedenheit gehen.

- Mehrperiodige Beziehungen: Mehrperiodenmodelle sind dadurch charakterisiert, dass sich einfache Prinzipal-Agenten-Beziehungen in aufeinander folgenden Perioden kontinuierlich wiederholen. Durch die explizite Einbeziehung des Zeitfaktors werden einige Agenturprobleme entschärft. So kann der Prinzipal aus vergangenen Erfahrungen Informationen über das Verhalten und die Eigenschaften des Agenten gewinnen. Außerdem steigen die Kosten des Agenten für opportunistisches Verhalten, wenn dieses negativ auf seine Reputation wirkt und dadurch die Fortsetzung oder der Abschluss einer neuen Vertragsbeziehung verhindert wird. Allerdings bergen Mehrperiodenmodelle auch zusätzliche Probleme. Neben der Kooperationsbereitschaft können auch Kollusionen an Stabilität gewinnen. Zudem kann es für den Agenten strategisch sinnvoll sein, in den Anfangsperioden seine Leistungsanstrengungen zurückzuhalten, um einen möglichst geringen Bemessungsstandard seiner Belohnung zu erreichen (Ratchet Effect).[47]

3 Bildung als ökonomisches Gut

Die Einschätzung, dass Bildung aus ökonomischer Betrachtung primär ein konsumtives Gut ist, wurde spätestens Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, als Folge des gesteigerten Bedarfs an qualifizierten Arbeitskräften, revidiert. Neben dem allgemein anerkannten kulturellen Stellenwert erhielt die Bildung in ökonomischen Ansätzen zudem den Wert einer knappen Ressource. Bildung wurde als wichtiger Produktionsfaktor verstanden und gilt inzwischen bei Volks- und Betriebswirten als wertvolles Investitionsgut. Aus der gewachsenen Bedeutung in der Wirtschaftswissenschaft entwickelte sich mit der Bildungsökonomik ein eigener Forschungsansatz, welcher sich sowohl mit dem Ertrag des Bildungserwerbs als auch mit der effizienten Finanzierung und Organisation von Bildungssystemen befasst.[48]

Bildung gilt als das Ergebnis von Lehre. Die durch Lehre generierten Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten steigern die Produktivität eines Individuums oder der Gesellschaft, welche wiederum als Qualitätsindikator der Bildung dient.[49] Eine allgemeingültige Definition der Bildung ist höchst problematisch, da sich Bildung in der Regel nicht als einheitliche Güterart ansehen lässt. So unterscheidet sich beispielsweise Elementarbildung, höhere Bildung und Weiterbildung nicht zuletzt in der Finanzierung und der Sicherung ihrer wirtschaftlichen Erträge.[50] Im Kontext dieser Arbeit definiert der Begriff „Bildung“ stets einen ökonomischen Leistungsmaßstab und bezieht sich primär auf die schulische Sekundarbildung. Einer expliziten Differenzierung bedarf es für die weiteren Ausführungen daher nicht. Die Qualität der Bildung gilt in diesem Zusammenhang gemeinhin als messbar und wird im Rahmen nationaler und internationaler Schulleistungsstudien evaluiert. Hierzu erfassen renommierte Studien wie PISA, PIRLS oder TIMSS kontinuierlich Schülerleistungen in den Kompetenzbereichen der allgemeinen Schulbildung.[51]

Um Aussagen über die Effizienz von Lehre treffen zu können, ist es erforderlich, diese zunächst als Produktionsprozess zu verstehen: Die Lehre generiert aus diversen Inputs den Output Bildung.[52] Da einige Inputfaktoren, wie der sozioökonomische Hintergrund des Schülers, für das Schulsystem weitgehend exogene Variablen darstellen, bezieht sich das folgende Modell einer vereinfachten Bildungsproduktionsfunktion ausschließlich auf administrativ beeinflussbare Inputfaktoren. Hierzu zählen in erster Line die materiellen und finanziellen Ressourcenausstattungen der Schulen.[53]

Abbildung 1 zeigt einen funktionalen Zusammenhang zwischen den Inputfaktoren auf der Abszissenachse und der Bildung als Output auf der Ordinatenachse. Auch wenn der tatsächliche Zusammenhang zwischen Input und Output der Bildung lediglich näherungsweise geschätzt werden kann, werden für den Prozess der Bildungsgenerierung generell positive, aber abnehmende Grenzerträge angenommen. Bei Bestehen der Bildungsproduktionsfunktion P1 wird aus Inputfaktoren in Höhe von i1 der Bildungsoutput b1 generiert (Punkt A).[54]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Bildungsproduktionsfunktion[55]

Diverse Studien haben nachgewiesen, dass eine Erhöhung des Inputs, in Form finanzieller Bildungsausgaben, nur eine relativ geringe Wirkung auf die Schülerleistung hat.[56] Ein entsprechend flacher Verlauf von P1 führt bei einer Erhöhung des Inputs auf i2 ceteris paribus nur zu einem relativ geringen Anstieg des Bildungsoutputs auf b2 (Punkt B).

Die Alternative, einen höheren Output zu generieren, besteht in der Verbesserung des „Produktionsprozesses“. Da die Qualität der Bildung nicht maschinell, sondern durch individuelle Handlungen von Akteuren innerhalb der Organisation des Schulsystems generiert wird, bilden Institutionen und deren Anreizsysteme die maßgebenden Faktoren des Bildungsprozesses.[57] Somit bewirkt die Implementierung von Institutionen, durch die gezielte Beeinflussung relevanter Akteure, eine Verschiebung der Produktionsfunktion. Das daraus abgeleitete ökonomische Ziel besteht folglich darin, die vorhandenen Ressourcen im Bildungsprozess durch die Gestaltung effektiver Institutionen effizienter einsetzen zu können. In Abbildung 1 entspricht dieser Effekt einer Verschiebung der Bildungsproduktionsfunktion von P1 nach P2. Auf diese Weise wird ein höherer Bildungsoutput b3 bei konstantem Input i1 generiert (Punkt C). Bestanden zuvor leistungsschädliche Institutionen und Fehlanreize, können durch institutionelle Reformen zusätzliche Ressourcen gegebenenfalls sogar produktiver eingesetzt werden; die Steigung der Produktionsfunktion nimmt somit zu. Ein solcher Effekt wird durch die steilere Bildungsproduktionsfunktion P3 veranschaulicht. Eine Erhöhung des Inputs generiert bei P3 stets größere Grenzerträge des Outputs als auf P1 oder P2.[58]

Da das Schulsystem in der Regel keinem Wettbewerb ausgesetzt ist und hauptsächlich staatlich reguliert wird, besteht kein Marktmechanismus, welcher die institutionelle Organisation zu einer eigendynamischen Anpassung und Korrektur ineffizienter Institutionen veranlasst. Eine zielführende Veränderung institutioneller Anreizstrukturen muss daher weitgehend durch bewusste Gestaltung und externe Implementierung vorgenommen werden.[59] Hierzu ist es notwendig die für den Bildungsprozess relevanten Akteure zu kennen und deren Interaktionsbeziehungen innerhalb der Organisation des Schulsystems zu analysieren. Mit Hilfe des Ansatzes der Prinzipal-Agenten-Theorie kann schließlich das Verhalten der Akteure institutionenökonomisch erklärt werden und können Fehlanreize identifiziert sowie leistungsfördernde Institutionen gestaltet und evaluiert werden.

4 Institutionelle Organisation des Schulsystems

Mit der allgemeinen Schulpflicht kommt in Deutschland der grundlegende Bildungsauftrag den Schulen zu, welcher im Detail durch die Schulgesetze der einzelnen Bundesländer geregelt wird.[60] Laut OECD werden im Bereich der Primar- und Sekundarbildung 87,6% der Bildungsausgaben öffentlichen finanziert; der OECD-Durchschnitt liegt bei 91,2%.[61] Damit gelten die staatlich regulierten, öffentlichen Schulen für den Erwerb von Allgemein- und Grundlagenbildung als wichtigste Lehranstalt und werden, in ihrer Eigenschaft als institutionelle Organisation, im Zentrum der folgenden Ausführungen stehen.

Auch das öffentliche Schulsystem lässt sich institutionenökonomisch als Organisation beschreiben. Bildungsökonomisch besteht für die Organisation des Schulsystems das Ziel, durch die im Unterricht durchgeführte Lehre bei ihren Schülern eine möglichst hohe Qualität der Bildung zu generieren. Wie Kapitel 2 zu entnehmen ist, handeln die Akteure einer Organisation jedoch nicht zwingend im Interesse des allgemein formulierten Gesamtziels. Ob mangels besseren Wissens aufgrund fehlender Informationen oder durch bewusstes Verfolgen abweichender Individualziele – die zielführende Kooperation innerhalb einer Organisation ist ohne die koordinierende Wirkung von Institutionen nicht zwingend gewährleistet. Besonders vor dem Hintergrund einer überwiegend staatlichen Zentralregulierung bildet das Schulsystem diesbezüglich keine Ausnahme. Die Qualität der Lehre hängt maßgeblich von der erfolgreichen Kooperation ihrer involvierten Akteure ab und wird innerhalb der Organisation des Schulsystems durch ein institutionelles Netzwerk von Gesetzen, Richtlinien, Lehrpläne, Schulordnungen etc. geregelt.[62]

4.1 Institutionen und Prinzipal-Agenten-Beziehungen im Schulsystem

Das öffentliche Schulsystem besteht aus einer Vielzahl hierarchisch vernetzter Prinzipal-Agenten-Beziehungen. Speziell in einer zentral regulierten Organisation wie dem Schulsystem bestehen häufig Probleme bei der zielkonformen Koordinierung interdependenter Institutionen und Anreize.[63] Um effektiv leistungsfördernde Institutionen implementieren zu können, ist es zunächst erforderlich, die für den Bildungsprozess relevanten Akteure und deren wechselseitige Abhängigkeit zu bestimmen.

4.1.1 Relevante Akteure des Schulsystems

Durch eine vereinfachende Aggregation lassen sich im Schulsystem vier relevante Akteure bestimmen, welche in unterschiedlichen Prinzipal-Agenten-Beziehungen wie folgt miteinander verknüpft sind:[64]

- Bildungsministerium: Das Bildungsministerium wird von den Schülern respektive ihren Eltern durch die Regierungswahl mit der Bereitstellung von Schulbildung beauftragt. Über regionale Schulbehörden erteilt das Bildungsministerium den jeweiligen Schulleitungen den Bildungsauftrag.[65]
- Schulleitung: Die Schulleitung erhält den Bildungsauftrag, muss die erforderlichen Rahmenbedingungen gewährleisten und beauftragt ihrerseits das Lehrerkollegium mit der konkreten Durchführung der Lehre im Unterricht.
- Lehrer: Die Lehrkräfte gelten als unmittelbar wichtigster Faktor im Bildungsprozess.[66] Die Lehrkräfte generieren im Unterricht mit der Durchführung ihrer Lehrtätigkeit die Bildung der Schüler.
- Schüler: Die Schüler respektive in Vertretung ihre Eltern beauftragen sämtliche Akteure mit der Bereitstellung bzw. Generierung einer möglichst hohen Bildungsqualität und können daher als ultimative Prinzipale im Schulsystem interpretiert werden.[67]

Es ist davon auszugehen, dass jeder der beteiligten Akteure eigene Interessen verfolgt, unterschiedliche Informationsstände besitzt und aufgrund individueller Nutzenkalküle anders auf institutionelle Anreize reagiert. Die fehlende Beobachtbarkeit im Schulsystem birgt folglich diverse Agenturprobleme, welche die Zielkonformität innerhalb der Organisation konterkarieren. Die vier beschriebenen Akteure bilden, wie in Abbildung 2 veranschaulicht, ein Netzwerk aus vier Prinzipal-Agenten-Beziehungen (PAB). Ausgehend vom Prinzipal beschreibt der Pfeil die jeweilige Beziehung zum entsprechenden Agenten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 : Aggregierte Prinzipal-Agenten-Beziehungen im Schulsystem[68]

Zwar ist in der Praxis davon auszugehen, dass für Schüler sowohl eine separate Prinzipal-Agenten-Beziehung mit den Lehrern als auch mit der Schulleitung besteht, zur weiteren Vereinfachung werden diese jedoch in PAB#3 zusammengefasst. Der Agent Schulleitung bildet gemeinsam mit dem Agent Lehrer den aggregierten Agenten Schule. Gleiches gilt adäquat für die Prinzipal-Agenten-Beziehung Bildungsministerium-Schule (PAB#2). Folgende Prinzipal-Agenten-Beziehungen sind Abbildung 2 zu entnehmen:[69]

- PAB#1: Die Schüler/Eltern (Prinzipal) beauftragen das Bildungsministerium (Agent) zur Gewährleistung effektiver Rahmenbedingungen der Lehre.
- PAB#2: Das Bildungsministerium (Prinzipal) beauftragt die Schulen (Agent) zur effizienten Durchführung des Bildungsauftrages.
- PAB#3: Die Schüler/Eltern (Prinzipal) beauftragen die Schule (Agent) mit der bestmöglichen Bildungsgenerierung durch Lehre im Unterricht.
- PAB#4: Die Schulleitung (Prinzipal) beauftragt den Lehrer (Agent) zur konkreten Durchführung des Bildungsauftrages durch Lehre im Unterricht.

Obwohl zahlreiche Parallelen zwischen den verschiedenen Prinzipal-Agenten-Beziehungen bestehen, kann nicht von einer Interessenharmonie ausgegangen werden. Auch vergleichbare Auftragsbeziehungen wie PAB#3 und PAB#4 werden von unterschiedlichen Interessen und Zielsetzungen bestimmt, welche ein entsprechend unterschiedliches Verhalten bei den Akteuren verursachen. Zur expliziten Analyse erfolgt daher in den nachstehenden Unterkapiteln eine partiell isolierte Betrachtung der vier beschriebenen Prinzipal-Agenten-Beziehungen im Kontext potenziell leistungsfördernder Institutionen.

4.1.2 Prinzipal-Agenten-Beziehung: Schüler/Eltern – Bildungsministerium

Wie der Konsens öffentlicher Debatten über das Schulsystem zeigt, wird die Prinzipal-Agenten-Beziehung zwischen Schülern/Eltern und dem Bildungsministerium (PAB#1) vor allem von der Forderung nach höheren Bildungsausgaben und Ressourcenbereitstellung geprägt.[70] Es wird davon ausgegangen, dass die Schüler zur Maximierung ihres Nutzens das Ziel verfolgen, eine möglichst hohe Bildungsqualität zu erhalten, wobei sie durch ihre altruistischen Eltern unterstützt werden. Hierzu wird angenommen, dass die Nutzenfunktion ihrer Kinder Bestandteil der eigenen Nutzenmaximierung ist.[71] Bei isolierter Betrachtung der PAB#1 wird die Bildungsqualität aus dem Leistungsaufwand des Schülers und den vom Bildungsministerium bereitgestellten Ressourcen generiert. Der Leistungsaufwand des Schülers bewirkt jedoch neben einer höheren Qualität der Bildung auch negative Nutzeneffekte, wie Opportunitätskosten oder empfundenes Arbeitsleid. Da diese bei höheren Bildungsausgaben nicht direkt anfallen, sind die Schüler ceteris paribus daran interessiert den eigenen Leistungsaufwand durch öffentliche Bildungsausgaben nutzensteigernd zu substituieren. Damit höhere Bildungsausgaben in der praktischen Umsetzung auch zu einer Verbesserung der Bildungsqualität führen, müssen geeignete Institutionen die zielführende Allokation der Ressourcen gewährleisten.[72]

Die Ökonomen John H. Bishop und Ludger Wößmann entwickelten dazu ein Prinzipal-Agenten-Modell, welches die Wirkungen von Institutionen auf das Verhalten der Schüler und des Bildungsministeriums im Schulsystem modelltheoretisch beschreibt und im Folgenden in seinen Grundzügen vorgestellt wird:[73]

Gemäß dem Ansatz der Neuen Institutionenökonomik sind die Akteure des Modells bestrebt ihren individuellen Nutzen zu maximieren. Ferner wird dem Bildungserfolg bzw. der Qualität der Bildung ein funktionaler Zusammenhang zwischen dem Leistungseinsatz des Schülers und den Bildungsausgaben des Bildungsministeriums unterstellt. Die Handlungen der übrigen Akteure (Lehrer, Schulleitung) sowie nicht berücksichtigte Inputfaktoren werden für die Betrachtung der PAB#1 als exogen und konstant angenommen.

4.1.2.1 Bildungsproduktionsfunktion

Als Maß des Bildungserfolgs dient die Qualität der Bildung Q, welche sich als das Ergebnis einer Cobb-Douglas-Produktionsfunktion bestimmen lässt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Drei Inputfaktoren determinieren laut Gleichung (1) die Qualität der Bildung: die kognitiven Fähigkeiten des Schülers A, der Leistungsaufwand des Schülers E und die effektiv genutzten Bildungsausgaben des Ministeriums (IR), welche sich aus den zur Bildungsgenerierung eingesetzten Ressourcen R sowie dem Grad ihrer effektiven Verwendung I ergeben.

Zu den kognitiven Fähigkeiten A zählen alle individuellen Fertigkeiten des Schülers aus der erhaltenen Lehre, die eigene Bildungsqualität zu generieren. Beispielsweise die Begabung, die Vorbildung oder der sozioökonomische Hintergrund. Für die Berechnungen des Modells sind die kognitiven Fähigkeiten des Schülers exogen und werden als konstant angenommen. Der Leistungsaufwand des Schülers E ist hingegen endogen und eine wichtige Variable in dessen Maximierungskalkül.

Der Grad der effektiven Ressourcenverwendung I gibt die zielführende Allokation der dem Bildungsprozess zur Verfügung stehenden Ressourcen R an und kann als Maß der institutionellen Rahmenbedingungen im Schulsystem interpretiert werden. Der Parameter I beschreibt somit die Erfahrung, den Informationsstand und die Möglichkeit der schulischen Akteure, die Ressourcen R unter den geltenden Institutionen und Anreizen effektiv einsetzen zu können.[74] Die für die Bildungsgenerierung eingesetzten Ressourcen R entsprechen nicht notwendigerweise den vom Bildungsministerium bereitgestellten Bildungsausgaben X. Der Anteil der Bildungsausgaben, der innerhalb des Schulsystems fehlgelenkt wird, beispielsweise durch opportunes Verhalten verschiedener Akteure, wird durch den Parameter d angegeben. Folglich haben Bildungsausgaben in Höhe von dX keinen Effekt auf die Bildungsqualität der Schüler.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Anteil der fehlgelenkten Bildungsausgaben d ergibt sich aus der Interaktion zwischen Schulleitung und Lehrer (PAB#4) und ist damit für das vorliegende Modell ebenfalls ein exogener Parameter. Gleichung (2) impliziert, dass das Bildungsministerium keinen direkten Einfluss auf die Höhe der unmittelbar für die Bildungsgenerierung eingesetzten Ressourcen R hat, sondern lediglich die Höhe der Bildungsausgaben X bestimmen kann. Im Extremfall (d = 1) werden sämtliche Bildungsausgaben des Ministeriums für Ressourcen verwendet, die keinen Effekt auf die Bildungsqualität der Schüler haben. Da dieses Szenario in der Praxis auch unter pessimistischen Bedingungen nicht erfüllt sein wird, gilt ferner 0 < d < 1. Daher kann der Ausdruck (1 – d) auch als Effizienzmaß des unmittelbaren Bildungsprozesses interpretiert werden. Die institutionellen Parameter d und I werden voneinander unabhängig angenommen.

Die Parameter α und β geben die Elastizität der Bildung bezüglich der jeweiligen Inputfaktoren E und (IR) an. Demnach entspricht α der prozentualen Veränderung von Q als Reaktion auf eine marginale Veränderung des Leistungsaufwands des Schülers. Gleiches gilt für β bezüglich der effektiv genutzten Bildungsausgaben des Ministeriums (IR). Durch die als realistisch zu bewertende Annahme abnehmender Skalenerträge der Bildung (α + β < 1) führt eine proportionale Erhöhung aller Inputfaktoren zu einer unterproportionalen Erhöhung des Outputs Q.

4.1.2.2 Maximierungskalkül der Schüler

Unter dem Einfluss der gegebenen institutionellen Rahmenbedingungen wählt der Schüler denjenigen Leistungsaufwand E, welcher seinen individuellen Nutzen der Bildungsgenerierung maximiert. Der Nutzen des Schülers US berechnet sich gemäß Gleichung (3) aus den Erträgen der Bildung BS abzüglich der individuellen Bildungskosten CS.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Bildungserträge des Schülers BS bestehen aus den extrinsischen und intrinsischen Erträgen seiner Bildungsqualität wQ. Der extrinsische Ertrag der Bildungsqualität l entspricht dem zu erwartenden zukünftigen Einkommen des Schülers, welches in der Regel positiv von der Qualität der individuellen Bildung abhängt. Zu den intrinsischen Erträgen j zählen in erster Linie nichtfinanzielle Nutzenzuwächse, wie das Vergnügen am Lernen, die intellektuelle Anerkennung oder die Wertschätzung von Bildungsabschlüssen. Negative Effekte des Leistungsaufwandes wie Opportunitätskosten, das Arbeitsleid oder die eigenen finanziellen Kosten in Form von Unterrichtsmaterialien, Büchern etc. reduzieren hingegen das Nutzenniveau des Schülers. Der konstante Kostenkoeffizient der Bildung c determiniert in Abhängigkeit des Leistungsaufwandes E die Bildungskosten des Schülers CS. Die Bildungskosten steigen dabei durch μ > 1 exponentiell zunehmend mit E. Nach Einsetzen von Gleichung (1) und (2) in das Maximierungskalkül des Schülers lautet die erste Ableitung der Nutzenfunktion:

(4)

Das Nullsetzen der Ableitung (4) und die Isolation von E führen zur Gleichung (5), welche den optimalen Leistungsaufwand des Schülers bei gegebenen Bildungsausgaben X angibt.

(5)

4.1.2.3 Maximierungskalkül des Bildungsministeriums

Innerhalb der betrachteten Prinzipal-Agenten-Beziehung (PAB#1) maximiert das Bildungs­ministerium als Akteur seinen individuellen Nutzen durch die Wahl der optimalen Bildungsausgaben X. Die entsprechende Nutzenfunktion stellt sich wie folgt dar:

(6)

Zur Vereinfachung wird angenommen, dass der Bildungsertrag des Ministeriums dem mit π gewichteten Bildungsertrag des Schülers wQ entspricht. Der Gewichtungsfaktor π gibt dabei den politischen Einfluss der Bildungsqualität an. Ordnen beispielsweise Schüler/Eltern als potenzielle Wähler des Bildungsministeriums respektive der zukünftigen Regierung der Bildungsqualität einen höheren Stellenwert zu, steigt der politische Einfluss des Bildungsertrages für die, an einer Wiederwahl interessierte, Regierung. Ein weiteres Beispiel hierzu ist die Bildungsnachfrage auf dem Arbeitsmarkt. Wenn die Industrie bzw. Arbeitgeber als wichtige politische Interessenvertreter vermehrt besser qualifizierte Schüler nachfragen, ist davon auszugehen, dass durch den gestiegenen politischen Einfluss der Bildungsqualität der Nutzen hoher Bildung auch für die Wiederwahl des Ministeriums zunimmt. Die Kosten der Bildung CM entsprechen für das Bildungsministerium exakt der Summe der bereitgestellten Bildungsausgaben X.

Nach Einsetzen von Gleichung (1) und (2) in das Maximierungskalkül des Bildungsministeriums , lautet die erste Ableitung der Nutzenfunktion:

(7)

Das Nullsetzen der Ableitung (7) und die Isolation von X führen zu Gleichung (8), welche die optimale Höhe der Bildungsausgaben X bei gegebenem Leistungsaufwand des Schülers E angibt.

(8)

4.1.2.4 Gleichgewichtige Bildungsqualität

Da beide Akteure bestrebt sind den eigenen wechselseitigen Nutzen zu maximieren, entspricht das Gleichgewicht dem in Abschnitt 2.2.1 erläuterten strategischen Verhalten. Die so bestimmten optimalen Entscheidungen E * und X * folgen aus dem gegenseitigen Einsetzen der Gleichungen (5) und (8).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es wird deutlich, dass im Gleichgewicht beide Entscheidungskalküle in derselben Weise von den exogenen Parametern abhängen. In Bezug auf den Bildungsertrag w, der kognitiven Fähigkeit des Schülers A, den politischen Einfluss π und den Grad der effektiven Ressourcenverwendung I besteht ein positiver Zusammenhang. In Hinsicht auf den Koeffizienten der individuellen Kosten des Schülers c und die fehlgelenkten Bildungsausgaben d existiert indes ein negativer Zusammenhang zum Entscheidungskalkül der jeweiligen Akteure. Der Unterschied zwischen den gleichgewichtigen Entscheidungen liegt im Einfluss der verschiedenen Elastizitäten α, β und μ. Durch Einsetzen der Gleichungen (9) und (10) in die ursprüngliche Bildungsproduktionsfunktion (1) wird die gleichgewichtige Bildungsqualität Q * bestimmt.

(11)

Gleichung (11) zeigt, dass bei nutzenmaximierenden Akteuren die Bildungsqualität im Modell ausschließlich von exogenen Parametern und ihren Elastizitäten determiniert wird. Ferner unterstellen Bishop und Wößmann vor allem diesen eine große Sensitivität für bestehende Institutionen und Anreizsysteme innerhalb des Schulsystems.[75] Aus Sicht des Bildungsministeriums stellt die institutionelle Gestaltung von Anreizen damit ein wesentlich effektiveres Steuerungsinstrument der Bildungsqualität Q dar als eine rein inputorientierte Ausgabenpolitik. Zudem hängt die Wirksamkeit der Bildungsausgaben X maßgeblich von den institutionellen Parametern d und I ab. Beispielsweise blieben zusätzliche Bildungsausgaben nahezu wirkungslos, würden bestehende Fehlanreize innerhalb der PAB#4 zu einer hohen Fehllenkung d und einem niedrigen Effektivitätsgrad der Ressourcenverwendung I führen. Unter Berücksichtigung der im Modell beschriebenen Wirkungszusammenhänge werden nachfolgend im Kontext der übrigen Prinzipal-Agenten-Beziehungen Institutionen und deren Anreizwirkungen analysiert, welche potenziell zur Verbesserung der Bildungsgenerierung beitragen können.[76]

4.1.3 Prinzipal-Agenten-Beziehung: Bildungsministerium – Schule

Bei isolierter Betrachtung der PAB#2 erteilt das Bildungsministerium in der Rolle des Prinzipals den Bildungsauftrag an die Schulen und ist gemäß Gleichung (1), bei gegebenen Bildungsausgaben X, an einer möglichst hohen Qualität der Bildung interessiert. Die Aufgabe des aggregierten Agenten Schule besteht demnach vornehmlich in der effizienten Gewährleistung effektiver Rahmenbedingungen zur Generierung der Bildung, welche letztlich innerhalb der PAB#4 erfolgt. Der maßgebende institutionelle Faktor dieser Prinzipal-Agenten-Beziehung ist die dezentrale Entscheidungskompetenz der einzelnen Schulen. Die Entscheidungskompetenz entspricht in diesem Zusammenhang der individuellen Handlungsautonomie der Schulen, den zentral delegierten Bildungsauftrag selbstständig und eigenverantwortlich durchzuführen.[77]

Das Potenzial der betriebswirtschaftlichen Dezentralisierung liegt vor allem im Informationsvorsprung des Agenten begründet, welcher eine schnelle, flexible, situativ angepasste Durchführung der delegierten Handlungen ermöglicht.[78] Die dadurch angestrebten Effizienzgewinne bergen jedoch inhärent die in Abschnitt 2.1.4 erläuterten Agenturprobleme der Informations­asymmetrie. Mit erhöhtem Handlungsspielraum des Agenten steigt bei bestehendem Informationsvorsprung die Gefahr des opportunistischen Verhaltens durch Moral Hazard oder adverse Selektion. Beispielsweise ermöglicht eine größere Schulautonomie bei der Verwendung des finanziellen Budgets dieses vermehrt zu einer opportunen Nutzensteigerung der Lehrkräfte und weniger zur effektiven Steigerung der Bildungsqualität im Sinne des Prinzipals einzusetzen. Die zielführende institutionelle Ausgestaltung der PAB#2 wird folglich durch ein Dilemma dezentraler Entscheidungskompetenz bestimmt: Einerseits können Schulen (Schulleitung, Lehrkräfte) erst durch größere Autonomie ihrer Handlungsentscheidungen den lokalen Informationsvorsprung dazu nutzen, effizientere Bildungserfolge als bei einer zentralen Steuerung zu gewährleisten. Andererseits birgt speziell die Ausweitung der Autonomie die Gefahr des opportunistischen Missbrauchs gesteigerten Handlungsspielraums.[79] Die diametralen Effekte der Schul­autonomie können in der Terminologie des Institutionenmodells nach Bishop und Wößmann wie folgt dargestellt werden:[80]

(12)

Im Vergleich zu einer zentralen Schulsteuerung erhöht die gesteigerte Schulautonomie SA den Grad der effektiven Ressourcenverwendung I. Durch die bereits beschriebenen Effizienzgewinne lokaler Informationsvorteile besitzen die schulischen Akteure bei entsprechenden Entscheidungskompetenzen die Möglichkeit, den erhaltenen Bildungsauftrag effektiver durchführen zu können. Eine weitgehend flexible, situative Entscheidungskompetenz gewinnt speziell bei heterogenen Rahmenbedingungen und Schulstrukturen an Bedeutung.[81] Ein höherer Grad der Schulautonomie hat demnach über den institutionellen Parameter I eine qualitätssteigernde Wirkung auf die Bildungsgleichung (11).

Der gegenläufige Effekt erhöhter Schulautonomie beeinflusst die Bildungsqualität über den Parameter d, welcher dem Anteil der fehlgelenkten Bildungsausgaben entspricht. bzw. (13)

Da dezentrale Handlungen für den Prinzipal in der Regel nicht vollständig beobachtet werden können, besteht das Risiko, dass die erhöhte Handlungsfreiheit ebenso zu effizienzmindernden Fehllenkungen der Ressourcen führen kann. Die Schulen werden durch ihren Informationsvorsprung in die Lage versetzt, ihre Entscheidungskompetenzen zur opportunen Verfolgung abweichender Zielvorstellungen auszunutzen, wodurch im Modell der Parameter d steigt. Auch die unbewusste Fehllenkung mangels ausreichender Entscheidungsqualifikation des Agenten erhöht bei zunehmender Schulautonomie den Parameter d, welcher so eine negative institutionelle Wirkung auf die Generierung der Bildungsqualität hat.[82]

Die leistungsfördernde Institution der PAB#2 besteht in der zielführenden Ausgestaltung der dezentralen Entscheidungskompetenz der einzelnen Schulen. Hierzu ist der Nettoertrag der Anreizeffekte (12) und (13) in Bezug auf die Zielfunktion (11) zu maximieren. Insbesondere bei Zieldivergenzen geht jedoch von beiden Anreizeffekten eine diametrale Wirkung auf das Verhalten des Agenten und damit auf die Qualität der Bildungsgenerierung aus. Die daraus resultierenden Agenturprobleme gefährden einen positiven Gesamteffekt der Schulautonomie. Geeignete Maßnahmen zur Reduzierung der Agenturprobleme sind eine Beschränkung der Autonomie auf überwiegend funktionale Entscheidungskompetenzen oder die Implementierung expliziter Anreizverträge.[83]

4.1.3.1 Funktionale Entscheidungskompetenzen

Um die Agenturprobleme der Dezentralisierung möglichst ex ante zu reduzieren, ist eine Beschränkung der Schulautonomie auf funktionale Entscheidungskompetenzen notwendig. Aus Sicht des Prinzipals sollten daher nur solche Handlungsbereiche in der Entscheidungskompetenz des Agenten liegen, bei denen per se vergleichsweise geringe Anreize oder Möglichkeiten zu opportunistischem Verhalten bestehen und bei denen ferner die zu erwartenden Qualitäts- und Effizienzgewinne relativ groß ausfallen.[84] Die OECD unterscheidet in ihren Studien zur Schulautonomie gemeinhin vier grundlegende Entscheidungsbereiche: Unterrichtsorganisation, Personalmanagement, Schulplanung/Schulstruktur, Ressourcenmanagement.[85]

Vor allem in den Entscheidungsbereichen der operativen Unterrichtsorganisation und des Personalmanagements ist das Potenzial einer Ausweitung der Schulautonomie besonders hoch einzuschätzen. Bei der Organisation des Unterrichts ist der lokale Informationsvorsprung heterogener Schulen, in Form von situativ angepasster Unterrichtsmethodik oder der Auswahl von geeigneten Lehrmaterialien, einer Steuerung durch zentrale Vorgaben gemeinhin vorzuziehen. Signifikante Effizienzgewinne für die Bildungsqualität bei relativ geringer Gefährdung durch Zieldivergenzen sind auch in bestimmten Bereichen des Personalmanagements zu erwarten. Hierzu zählt unter anderem das schulinterne Personal-Matching, welches die Auswahl, den Einsatz und die Entlassung von Lehrkräften beinhaltet.[86]

Dezentrale Entscheidungskompetenzen bezüglich der strategischen Schulplanung/Schulstruktur, welche beispielsweise das Ausmaß des Curriculums und damit des Arbeitsaufwandes der Schule bestimmen, gelten hingegen als verstärkt anfällig für Moral Hazard und sind in der Regel nicht zielfördernd. Auch ein autonomes Ressourcenmanagement bietet den Schulen großen Anreiz zu opportunistischem Missbrauch der eigenen Entscheidungskompetenzen. Da eine effiziente Allokation der Ressourcen aber zugleich einen großen Einfluss auf die Qualität der Schulbildung besitzt, ist es im Bereich des Ressourcenmanagements sinnvoll einen differenzierten Grad der Entscheidungsautonomie festzulegen. Zwar empfiehlt es sich nicht Entscheidungen über die Höhe des Schulbudgets in die autonome Verantwortung der einzelnen Schule zu legen, doch ist es bis zu einem gewissen Grad der Entscheidungskompetenzen zweckdienlich, den Informationsvorteil der Schulen durch selbstständige und eigenverantwortliche Ressourcenverwendung zu nutzen.[87] Im Zuge des New Public Managements kommt der leistungsfördernde Ansatz dezentraler Finanzautonomie bereits in diversen anderen staatlichen Behörden erfolgreich zur Anwendung.[88]

Die fehlende Möglichkeit oder ein geringer Anreiz für den Agenten, funktionale Entscheidungskompetenzen opportunistisch auszunutzen, ist zwar eine notwendige Bedingung, gewährleistet jedoch nicht hinreichend eine effektive Nutzung der Schulautonomie. Damit diskretionäre Handlungsfreiheiten der Schulen auch zielführend für die Bildungsgenerierung der Schüler genutzt werden, müssen zunächst entsprechende Anreize geschaffen werden. Externe Zwischen- bzw. Abschlussprüfungen bilden hierfür eine komplementäre Institution zur Schulautonomie und stellen zudem ein praktikables Monitoringinstrument für das Bildungsministerium dar. Wenn externe Leistungsüberprüfungen einen unabhängigen, standardisierten Vergleichsmaßstab für die Bildungsqualität einzelner Schulen garantieren, geht von ihnen ein positiver Anreiz für die Agenten aus, die eigenen Entscheidungskompetenzen im Sinne des Prinzipals zu nutzen.[89] Abbildung 3 stellt die tendenzielle Anreizwirkung von Schulautonomie auf die Qualität der Bildungsgenerierung dar: Das Additionszeichen (+) symbolisiert eine leistungssteigernde Schulautonomie, das Subtraktionszeichen (–) symbolisiert eine leistungsmindernde Schulautonomie und die Ziffer Null (0) eine leistungsneutrale Wirkung zur zentralen Vorgabensteuerung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Anreizwirkung von Schulautonomie auf die Bildungsqualität[90]

Funktionale Entscheidungskompetenzen zeichnen sich letztlich dadurch aus, dass sie bei Ausweitung der Schulautonomie tendenziell leistungssteigernd auf die Bildungsqualität der Schüler wirken. Wie Abbildung 3 veranschaulicht, ist die Grundvoraussetzung dafür ein lokaler Informationsvorteil des Agenten. So sind Entscheidungskompetenzen funktional, wenn für sie darüber hinaus keine Anreize zu opportunistischen Verhalten bestehen oder diese durch externe Prüfungen (Monitoring) wirksam gebannt werden können.[91]

4.1.3.2 Zielkonformität durch Anreizverträge

Eine zusätzliche Möglichkeit, die Agenturprobleme dezentraler Schulautonomie zu verringern, ist die Implementierung von Anreizverträgen zwischen dem Bildungsministerium und den Schulen. Diese haben zur Aufgabe, eine größere Zielkonformität innerhalb der PAB#2 herzustellen, um so zu verhindern, dass die autonome Entscheidungskompetenz der Schulen durch opportunistisches Verhalten ausgenutzt wird und beispielsweise finanzielle Ressourcen bewusst fehlgelenkt werden. Vertragliche Anreize, welche diese Funktion erfüllen, bestehen in der Belohnung bzw. Sanktionierung der Agentenperformance. Ist die Autonomie für die Schulen ein erstrebenswerter Zustand, besteht eine Anreizwirkung in der mit Bedingungen verbundenen Fortführung oder dem Entzug dezentraler Entscheidungskompetenzen. Ein weiterer, häufig verwandter Anreiz in dezentralen Systemen ist die Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel über leistungsabhängige Budgetierung.[92]

Eine Voraussetzung solcher Anreizverträge ist jedoch eine valide Bemessungsgrundlage für die Performance der Schulen. Externe Prüfungen können als Überwachungsinstrument auch in diesem Kontext einen Leistungsanreiz und ein einfaches Monitoring gewährleisten, für die explizite Formulierung eines Anreizvertrages sind diese allein jedoch nicht ausreichend. Zahlreiche Problemstellungen bei der Definition geeigneter Leistungsindikatoren führen neben hohen Messkosten dazu, dass explizite Anreizverträge lediglich zur theoretischen Analyse oder partiell in Form von individuellen Zielvorgaben Anwendung finden. Hierbei bezieht sich die Performance des Agenten auf exakt definierte Einzelindikatoren. Entsprechende Zielvorgaben werden dem Agenten entweder als ein exakt definierter Leistungsauftrag vorgegeben oder im Rahmen von gemeinsamen Zielvereinbarungsgesprächen erarbeitet.[93] Darüber hinaus bieten Zielvereinbarungsgespräche eine zusätzliche anreiztheoretische Möglichkeit für die Schulen, autonome Verantwortung auszuüben.

4.1.4 Prinzipal-Agenten-Beziehung: Schüler/Eltern – Schule

Im weitgehend hierarchisch strukturierten Prinzipal-Agenten-Netzwerk des Schulsystems nimmt der Schüler eine besondere Position ein. Da er innerhalb der aggregierten Prinzipal-Agenten-Beziehungen ausschließlich als Auftraggeber der Bildungsgenerierung auftritt, kann er als ultimativer Prinzipal interpretiert werden. Als unmittelbarer Empfänger des Outputs ist der Schüler Profiteur einer hohen Bildungsqualität und zudem gewissermaßen der substanzielle Inputfaktor im Bildungsprozess. Es kann daher angenommen werden, dass eine ökonomisch bestmögliche Schulbildung im ureigenen Interesse der Schüler respektive ihrer Eltern liegt.

Isoliert betrachtet kann die PAB#3 als ein institutioneller Bildungsmarkt interpretiert werden. Schüler/Eltern sehen sich als Nachfrager mit einem überwiegend staatlich regulierten Angebot schulischer Bildung konfrontiert. Entgegen der zuvor beschriebenen eindeutigen Position der Schüler können diese ihre Funktion als Prinzipal innerhalb der PAB#3 allerdings nur sehr eingeschränkt wahrnehmen. In der Regel wird die Prinzipal-Agenten-Beziehung zwischen Schüler/Eltern und den Schulen von einem hohen Grad bildungspolitischen Paternalismus bestimmt, welcher den Prinzipalen ein relativ geringes Maß an Entscheidungs- und Kontrollkompetenzen zugesteht.[94] Der resultierende Mangel an Nachfragesouveränität auf der einen Seite bei staatlicher Regulierung des schulischen Angebots auf der anderen Seite bedingt auf dem Bildungsmarkt fehlende Anreize für effiziente Leistungen. Vergleichbar mit der Wirkung in anderen Marktformen kann durch Wettbewerb auf dem Bildungsmarkt auch für die PAB#3 eine leistungsfördernde Institution geschaffen werden. Eine Stärkung der Nachfrager (Schüler/Eltern) durch Wahlfreiheit und eine Differenzierung des Anbieters (Schulen) durch Angebotsvielfalt führt allgemein zu einer Zunahme der Wettbewerbsintensität im Schulsystem.[95] Um die Potenziale und Grenzen der Institution Wettbewerb im Kontext des Schulsystems beschreiben zu können, empfiehlt sich jedoch zunächst eine kurze Untersuchung der Legitimationsgrundlage staatlichen Paternalismus im Bildungssystem.

4.1.4.1 Staatliche Regulierung

Da sich die staatliche Regulierung, als Alternative zu einer freien Regulierung des Marktes, nur unter bestimmten Voraussetzungen als zielführend erweist, muss in der liberalen wirtschaftswissenschaftlichen Theorie jeder ökonomische Staatseingriff gerechtfertigt sein. Eine Rechtfertigung wird beispielsweise darin gesehen, dass ein Markt aufgrund unvollkommener Rahmenbedingungen die Internalisierung von externen Effekten nicht ausreichend gewährleisten kann und eine Marktlösung daher zu einem suboptimalen Wohlfahrtsergebnis führt; also ein Marktversagen vorliegt.[96] Diese als Rechtfertigung staatlichen Eingreifens geltende Voraussetzung wird gemeinhin öffentlichen Gütern zugeschrieben. Rein öffentliche Güter zeichnen sich dadurch aus, dass weder Rivalität um ihre Nutzung besteht noch ein Nachfrager technisch von ihrer Nutzung ausgeschlossen werden kann und infolgedessen eine Unterversorgung durch private Bereitstellung zu erwarten wäre.[97] Bezogen auf den Bildungsmarkt des Schulsystems ist also festzustellen, ob das ökonomische Gut Bildung die Kriterien eines öffentlichen Gutes erfüllt. Eine einheitliche Bewertung dazu existiert in der wissenschaftlichen Literatur nicht. Generell ist zwischen der Bildungsqualität des Einzelnen und der allgemeinen Bildungsqualität der Bevölkerung eines Staates zu differenzieren. Auch der Grad der Bildung muss bei einer Bewertung berücksichtigt werden.

[...]


[1] Vgl. Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (2002), S. 8.

[2] Vgl. Schröder (2002).

[3] KMK (2001).

[4] Vgl. Jürges/Schneider (2008), S. 239 f.; Gundlach (2003), S. 217; Böttcher (2001), S. 893 f.

[5] Vgl. OECD (2012a), S. 8.

[6] Vgl. Jürges/Schneider (2008), S. 243 f.; OECD (2006), S. 16.

[7] Vgl. Sachverständigenrat (2004), S. 423.

[8] Vgl. Wößmann (2006), S. 418.

[9] Vgl. Klein/Stettes (2009), S. 41 ff.

[10] Vgl. Loerwald (2008), S. 16 f.

[11] Vgl. Neus (2011), S. 8 ff.

[12] Vgl. Kräkel (2012), S. 74 f.

[13] Vgl. Neus (2011), S. 9.

[14] Vgl. Göbel (2002), S. 61.

[15] Vgl. Richter/Furubotn (2010), S. 7 f.; Erlei/Leschke/Sauerland (2007), S. 22.

[16] Vgl. Göbel (2002), S. 1.

[17] Vgl. Erlei/Leschke/Sauerland (2007), S. 65; Göbel (2002), S. 4 f.

[18] Vgl. Erlei/Leschke/Sauerland (2007), S. 6; Franz (2004), S. 3.

[19] Vgl. im Folgenden Franz (2004), S. 4 ff.

[20] Vgl. Neus (2011), S. 10.

[21] Vgl. Erlei/Leschke/Sauerland (2007), S. 4.

[22] Vgl. Franz (2004), S. 4 f.

[23] Vgl. Göbel (2002), S. 24.

[24] Vgl. im Folgenden Schlösser (2008), S. 137.

[25] Vgl. Neus (2011), S. 137; Göbel (2002), S. 109.

[26] Vgl. Neus (2011), S. 100 ff.

[27] Vgl. Kräkel (2012), S. 22.

[28] Vgl. Akerlof (1970), S. 489 ff.

[29] Vgl. Kräkel (2012), S. 22.

[30] Vgl. Neus (2011), S. 104 ff.

[31] Vgl. Jost (2001), S. 11.

[32] Vgl. Erlei/Leschke/Sauerland (2007), S. 75.

[33] Vgl. Kräkel (2012), S. 20.

[34] Vgl. Jost (2001), S. 13 ff.

[35] Vgl. im Folgenden Jost (2001), S. 17.

[36] Vgl. Picot/Dietl/Franck (2008), S. 72.

[37] Vgl. Jost (2001), S. 16 f.

[38] Vgl. Picot/Dietl/Franck (2008), S. 72.

[39] Vgl. Richter/Furubotn (2010), S. 173 f.

[40] Vgl. Göbel (2002), S. 110 f.

[41] Vgl. Göbel (2002), S. 112 f.

[42] Vgl. Picot/Dietl/Franck (2008), S. 73 f.

[43] Vgl. Göbel (2002), S. 105.

[44] Vgl. im Folgenden Göbel (2002), S. 105-108.

[45] Vgl. Kräkel (2012), S. 88 f.

[46] Vgl. Kräkel (2012), S. 91.

[47] Vgl. Kräkel (2012), S. 84 f.

[48] Vgl. Wolter (2002), S. 149 f.

[49] Vgl. Loerwald (2008), S. 27 f.

[50] Vgl. Reimold (2010), S. 123.

[51] Vgl. Jürges/Schneider (2008), S. 240.

[52] Vgl. Wößmann (2004a), S. 3.

[53] Vgl. Dohmen (2003), S. 378.

[54] Vgl. Wößmann (2004a), S. 3.

[55] Vgl. Wößmann (2004a), S. 3.

[56] Vgl. Hanushek (2002), S. 4 ff.

[57] Vgl. Loerwald (2008), S. 18 f.

[58] Vgl. Wößmann (2004a), S. 3 f.

[59] Vgl. Jürges/Schneider (2008), S. 239; Bishop/Wößmann (2002), S. 1 f.

[60] Vgl. SchulG NRW (2005), § 2.

[61] Vgl. OECD (2012a), S. 11.

[62] Vgl. Loerwald (2008), S. 18 f.

[63] Vgl. Girmes (2004), S. 104 f.

[64] Vgl. im Folgenden Bishop/Wößmann (2002), S. 6; Ferris (1992), S. 334.

[65] Vgl. SchulG NRW (2005), § 2.

[66] Vgl. Hattie (2012), S. 22.

[67] Vgl. Levacic (2009), S. 37; Langner/Siller (2008), S. 4.

[68] Vgl. Siller (2012), S. 14.

[69] Vgl. Siller (2012), S. 14.

[70] Vgl. Gundlach (2003), S. 217.

[71] Vgl. Dohmen (2003), S. 378.

[72] Vgl. Wößmann (2006), S. 417 f.

[73] Vgl. im Folgenden S. 22-26 Bishop/Wößmann (2002), S. 8 ff.

[74] Vgl. Siller (2012), S. 78.

[75] Vgl. Bishop/Wößmann (2002), S. 15.

[76] Vgl. Siller (2012), S. 17 f.

[77] Vgl. Böttcher (2002), S. 97 f.

[78] Vgl. Göbel (2002), S. 252.

[79] Vgl. Langner/Siller (2008), S. 7 f.

[80] Vgl. im Folgenden Bishop/Wößmann (2002), S. 20 f.

[81] Vgl. Langner/Siller (2008), S. 7.

[82] Vgl. Langner/Siller (2008), S. 7.

[83] Vgl. Ferris (1992), S. 337.

[84] Vgl. Siller (2012), S. 23.

[85] Vgl. OECD (2012b), S. 502.

[86] Vgl. Langner/Siller (2008), S. 8.

[87] Vgl. Ferris (1992), S. 338.

[88] Vgl. Dubs (2002), S. 38 f.

[89] Vgl. Wößmann (2006), S. 432 f.

[90] Vgl. Wößmann (2003), S. 225.

[91] Vgl. Wößmann (2003), S. 225.

[92] Vgl. Ferris (1992), S. 337.

[93] Vgl. Dubs (2002), S. 44 und 49 f.

[94] Vgl. Langner/Siller (2008), S. 11.

[95] Vgl. Siller (2012), S. 35 f.

[96] Vgl. Neus (2011), S. 126.

[97] Vgl. Neus (2011), S. 122 f.

Ende der Leseprobe aus 74 Seiten

Details

Titel
Anreizsysteme für erfolgreiche Lehre
Untertitel
Institutionenökonomik im Schulsystem
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
74
Katalognummer
V275897
ISBN (eBook)
9783656733065
ISBN (Buch)
9783656733010
Dateigröße
1319 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
anreizsysteme, lehre
Arbeit zitieren
Diplom-Ökonom Matthias Störring (Autor:in), 2013, Anreizsysteme für erfolgreiche Lehre, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275897

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