Problematiken des Vorsatzes und der Rücktritt vom Versuch bei mehraktigen Geschehen

Probleme des Vorsatzes, der Vorverlagerung des Tätervorsatzes und der Rechtsfigur des Dolus Generalis


Studienarbeit, 2013

26 Seiten, Note: 9 Punkte


Leseprobe


Gliederungsverzeichnis

Abschnitt 1 1
1.1 Strafbarkeit der E (§ 212 I StGB)
1.1.1 Objevktiver Tatbestand
1.1.2 Subjektiver Tatbestand
1.1.3 Problematik des dolus generalis, Theorienstreit
1.1.4 Stellungnahme zum Theorienstreit
1.1.5 Rechtswidrigkeit, Schuld
1.1.6 Ergebnis Strafbarkeit E
1.2 Strafbarkeit des M (§§ 212 I, 26 StGB)
1.2.1 Objektiver Tatbestand
1.2.2 Subjektiver Tatbestand
1.2.3 Rechtswidrigkeit, Schuld
1.2.4 Ergebnis Strafbarkeit M

Abschnitt 2
2.1 Strafbarkeit des M (§§ 212 I, 22, 23 I, 12 I StGB)
2.1.1 Vorpüfung (Nichtvollendung, Strafbarkeit des Versuchs)
2.1.2 Tatbestandsmäßigkeit: 2.1.2.1 Tatentschluss
2.1.2.2 Unmittelbares Ansetzen
2.1.3 Rechtswidrigkeit, Schuld
2.1.4 Persönliche Strafaufhebungsgründe
2.1.5 Fehlgeschlagener Versuch, Einzelakttheorie/ Gesamtbetrachtungslehre
2.1.6 Stellungnahme fehlgeschlagener Versuch
2.1.7 Unbeendeter/ beendeter Versuch
2.1.8 Ergebnis Strafbarkeit M
2.2 Strafbarkeit des M (§§ 223 I, 224 I Nr. 2, 5 StGB)
2.2.1 Objektiver Tatbestand: 2.2.1.1 Grunddelikt
2.2.1.2 Qualifikation
2.2.1.3 Kausalität und objektive Zurechnung
2.2.2 Subjektiver Tatbestand
2.2.3 Rechtswidrigkeit, Schuld
2.2.4 Ergebnis Strafbarkeit M
2.3 Strafbarkeit des N (§§ 212 I, 22, 23 I, 27 I)
2.3.1 Objektiver Tatbestand: 2.3.1.1 Hilfeleistung durch neutrale Alltagshandlung:
2.3.1.2 Stellungnahme Beihilfetheorien
2.3.2 Ergebnis Strafbarkeit N
2.4 Strafbarkeit der E (§§ 212 I, 22, 23 I, 13 I StGB)
2.4.1 Vorpüfung (Nichtvollendung, Strafbarkeit des Versuchs)
2.4.2 (Tatbestandsmäßigkeit), 2.4.2.1 (Tatentschluss), 2.4.2.1.1 (Garantenstellung der E)
2.4.2.1.2 Eregbis Garantenstellung E
2.4.3 Ergebnis Strafbarkeit E

3. Gesamtergebnis

Gutachten

Abschnitt 1

( M regt E an, ihr Kind zu töten, E tut dies)

1.1 Strafbarkeit der E

§ 212 I StGB (durch das Würgen und anschließende Werfen in den Teich)

Indem E ihr Kind würgte und anschließend in den Teich warf, könnte sie sich des Totschlags gemäß §212 I StGB strafbar gemacht haben.

1.1.1 Objektiver Tatbestand

Zunächst müsste ein Mensch getötet worden sein.

Töten ist die Verursachung des Todes durch eine beliebige Handlung, die dazu führt, dass das Leben des Opfers beendet wird1. Der Tod ist hierbei Tathandlung und der Taterfolg zugleich. Vorliegend hat E ihr Kind in den Teich geworfen und es somit getötet. Weiterhin müsste auch die Kausalität der Handlung für den Taterfolg vorliegend sein2. Kausal im Sinne der conditio- sine-qua-non-Formel ist jede Bedingung, welche nicht hinweggedacht werden kann, ohne das der tatbestandliche Erfolg in seiner konkreten Form entfiele3. Hätte E das Kind nicht in den Teich geworfen, wäre es nicht gestorben, da es erst durch das Versenken im Wasser den Tod fand. Somit war die Handlung der E kausal. Zudem müsste auch die objektive Zurechnung gegeben sein4. Objektiv zurechenbar ist der Erfolg einem Täter dann, wenn er eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, welche sich im tatbestandlichen Erfolg realisiert hat5. E hat ihr Kind in einen Teich geworfen, damit schuf sie das Risiko, dass das Kind verstirbt. Dieses Risiko hat sich auch im eingetretenen Tod des Kindes realisiert. Daher ist der E der Tod des Kindes auch objektiv zurechenbar. Somit sind alle Voraussetzungen des objektiven Tatbestandes erfüllt.

1.1.2 Subjektiver Tatbestand

Weiterhin müsste E auch vorsätzlich gehandelt haben. Vorsatz ist das Wissen ( kognitives Element) um die Merkmale des objektiven Tatbestandes und der Wille ( voluntatives Element ), diese zu verwirklichen6.

Fraglich ist hier, ob E Tötungsvorsatz hatte, da nicht das mit Vorsatz durchgeführte Würgen zum Tod des Kindes führte, sondern die sich anschließende Handlung im Gesamtgeschehen, das Werfen in den Teich.

1.1.3 Problematik des dolus generalis, Theorienstreit

Nach der Lehre vom dolus generalis ist es ausreichend, wenn der Täter zu irgendeinem Zeitpunkt der Tathandlung Vorsatz hatte, dieser wird dann auf die weitere Handlung gestreckt, zwei Handlungsakte werden demnach als ein einheitliches Tatgeschehen angesehen7.

Nach dieser Ansicht hätte E Generalvorsatz gehabt, da sie ihr Kind vorsätzlich würgte und dachte, es so getötet zu haben, der Vorsatz würde also auf das Töten durch das Werfen in den Teich gestreckt werden.

Eine andere Ansicht nimmt eine Trennung zwischen den Teilakten vor. Nach dieser Ansicht werden die Handlungsabschnitte also isoliert betrachtet, es erfolgt die Einzelprüfung der Handlungen im Gesamtgeschehen8.

Folgt man dieser Ansicht, ist E (durch das Würgen des Kindes) wegen versuchtem Totschlag gemäß §§ 212 I, 22,23 I StGB in Tatmehrheit (§ 53 StGB) mit fahrlässiger Tötung (durch das Werfen in den Teich) gemäß § 222 StGB strafbar. Eine wiederum andere Ansicht bewertet am Maßstab der Beachtlichkeit/ Unbeachtlichkeit der Abweichung vom Kausalverlauf. Nach dieser Ansicht entfällt der Vorsatz nicht, wenn lediglich eine unbeachtliche Abweichung vom Kausalverlauf vorliegt9. Unbeachtlich und somit für den Tatbestandsvorsatz ohne Bedeutung ist demnach ein Irrtum über den Kausalverlauf, wenn sich die Differenz zwischen dem vorgestellten und dem tatsächlichen Kausalverlauf im Rahmen der allgemeinen Lebenserfahrung bewegt und nicht völlig unvorhersehbar erscheint10. Vorliegend liegt es nicht völlig außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung, dass das Kind

beim Würgen nicht verstirbt. Auch das das Kind erst im Teich ins Reich der Toten übergeht, ist nicht völlig in den Bereich der Unvorhersehbarkeit zu rücken, da der Laie den Tod eines Menschen nicht immer zweifelsfrei identifizieren kann. Demnach wäre der Vorsatz hier zu bejahen.

Da die vorgestellten Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen ( besonders jene Ansicht, welche eine Aufspaltung der Handlungen vornimmt ), ist fraglich, welcher der Ansichten zu folgen ist.

1.1.4 Stellungnahme

Für die Lehre des dolus generalis spricht, dass sie den Willen des Täters bezüglich des Taterfolgs ins Zentrum der Betrachtung rückt, was vernünftig erscheint, da der Erfolg das maßgebende Kriterium beim Totschlag ist11. Allerdings widerspricht diese Lehre dem Gesetz, welches in den § 8, 16 I 1 StGB festlegt, dass der Täter bei Begehung der Tat Vorsatz haben muss (Konizidenzprinzip) und das eine Tat zu jener Zeit begangen ist, zu welcher der Täter handelt; Vorsatz vor der Tat ( dolus antecedens ), oder Vorsatz nach der Tat ( dolus subsequens ) sind nicht ausreichend, um den subjektiven Tatbestand zu bejahen12. Die Lehre des dolus generalis ist also abzulehnen.

Für die Ansicht der Aufspaltung des Gesamtgeschehens spricht, dass sie sehr genau die einzelnen Handlungen betrachtet und z.B. keine künstliche Streckung des Vorsatzes - wie im Falle des dolus generalis- vornimmt. Allerdings trennt diese Ansicht die beiden Teilakte eines Geschehenes, welche nicht völlig beziehungslos nebeneinander stehen, sondern einen inneren Zusammenhang aufweisen13. Dem Gesamtgeschehen der Tat und der Absicht des Täters wird man somit nicht gerecht. Daher ist auch diese Ansicht abzulehnen.

Vorzugswürdig erscheint die Ansicht über die Unbeachtlichkeit der Abweichung vom Kausalverlauf, da sie dem Vorsatz des Täters bezüglich des Taterfolges gerecht wird, ohne diesen künstlich und entgegen dem Koinzidenzprinzip zu strecken14. Zudem wird auch keine inadäquate Trennung der Geschehensabläufe vorgenommen, welche einen inneren Zusammenhang aufweisen. Auch erscheint es als sinnvoll, der Art und Weise des Erfolgseintritts weniger Beachtung zu schenken und auf das nach der allgemeinen Lebenserfahrung Erwartbare als Kriterium abzustellen, wobei dieses zugleich als Schranke fungiert und den Täter vor völlig unvorhersehbaren Faktoren und Geschehnissen schützt. Schließlich trägt diese Ansicht auch der Tatsache Rechnung, dass ein Täter wohl eher selten den Kausalverlauf in allen seinen Einzelheiten exakt vorhersehen kann15.

Somit ist der Ansicht über die Unbeachtlichkeit der Abweichung vom Kausalverlauf zu folgen.

Der subjektive Tatbestand ist demnach also erfüllt, E handelte vorsätzlich.

1.1.5 Rechtswidrigkeit, Schuld

Da keine Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe ersichtlich sind, handelte E rechtswidrig und schuldhaft.

1.1.6 Ergebnis Strafbarkeit E

Indem E ihr Kind würgte und anschließend in den Teich warf, machte sie sich des Totschlags gemäß §212 I StGB strafbar.

1.2 Strafbarkeit des M

§§ 212 I, 26 StGB (durch die Äußerung, dass bei Hausentbindungen ja gelegentlich etwas passiere und das Kind weg müsse) Indem M der E sagte, dass das Kind weg müsse und bei den heute üblichen Hausentbindungen ja gegelgentlich etwas passiere, könnte M sich der Anstiftung zum Totschlag gemäß §§ 212 I, 26 StGB starbar gemacht haben.

1.2.1 Objektiver Tatbestand

Dies setzt zunächst voraus, dass eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat eines Anderen vorliegend ist16. Vorsatz wird wie oben genannt ( S.2) definiert, die Rechtswidrigkeit liegt vor, wenn es an Rechtfertigungsgründen mangelt, grundsätzlich ist sie tatbestandlich indiziert17. Wie bereits bei der Prüfung der Strafbarkeit der E festgestellt wurde, hat E eine vorsätzliche und rechtswidrige Tat begangen. (E handelte auch schuldhaft, dies ist allerdings auf Grund der limitierten Akzessorietät der

Teilnahme für die Anstiftung nicht erforderlich18). Somit liegt eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat vor.

Weiterhin ist es erforderlich, dass ein Bestimmen zur Tat vorliegt19. Dies ist der Fall, wenn der Haupttäter durch eine geistige oder kommunikative Beeinflussung, welche vom Teilnehmer ausgeht, Tatentschluss fasst20. Dies muss im Rahmen eines offenen geistigen Kontakts geschehen21. Im vorliegenden Fall hat E den Hinweis des M zutreffend so verstanden, dass sie das Kind töten soll. Durch die Äußerung des M, dass bei den heute üblichen Hausgeburten ja gelegentlich etwas passiere, wurde die E geistig und kommunikativ beeinflusst, da sie durch die Worte des M auf psychischer Ebene den Entschluss fasste, das Kind zu töten. Auf Grund dieser direkten Einwirkung der Worte des M auf die E ist auch der offene geistige Kontakt zu bejahen. Somit liegt ein Bestimmen zur Tat durch den M vor. Es liegen daher alle Merkmale des objektiven Tatbestandes vor.

1.2.2 Subjektiver Tatbestand

Weiterhin müsste M auch vorsätzlich gehandelt haben. Dazu müsste er zunächst Vorsatz bezüglich der Haupttat gehabt haben. Vorsatz ist das Wissen um die Merkmale des objektiven Tatbestandes und der Wille, diese zu verwirklichen22. Vorliegend fasste E es zutreffen auf, dass M es wollte, dass das Kind durch die E getötet wird. Auch wusste M, dass das Töten eines Menschen strafbar ist. Auch wollte M die E zum Töten des Kindes bringen, er wusste außerdem um die Strafbarkeit des Anstiftens. Damit hatte M Vorsatz bezüglich der Haupttat und seiner Anstiftung. Damit liegen alle Merkmale des subjektiven Tatbestandes vor.

1.2.3 Rechtswidrigkeit, Schuld

Da keine Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe ersichtlich sind, handelte E rechtswidrig und schuldhaft.

1.2.4 Ergebnis Strafbarkeit M

Indem M der E sagte, dass das Kind weg müsse und bei den heute üblichen Hausentbindungen ja gelegentlich etwas passiere, machte er sich der Anstiftung zum Totschlag gemäß §§ 212 I, 26 StGB strafbar.

Abschnitt 2

( M sucht J auf, Nachbar N gibt ihm vorher das geliehene Gartenmesser zurück, E lässt M ziehen)

2.1 Strafbarkeit des M

§§ 212 I, 22, 23 I, 12 I StGB

( durch das Stechen in den Oberbauch des J )

Indem M mit einem Messer in den Oberbauch des J stach, könnte er sich des versuchten Totschlags gemäß §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I StGB strafbar gemacht haben.

[...]


1 Kindheuser /Neumann,Nomos Komment., §212, Rn. 2

2 Kindheuser /Neumann,Nomos Komment., §212, Rn. 3

3 Schmidt, Strafrecht AT, Rn. 148

4 Kindheuser /Neumann,Nomos Komment., §212, Rn. 2 (2. Satz)

5 Siehe Fußnote 4

6 Kindheuser /Neumann,Nomos Komment., §212, Rn. 7

7 Schmidt, Strafrecht AT, Rn. 266

8 Frister, Strafrecht AT, Kapitel 11, Rn. 44; Kühl, Strafrecht AT, §13, Rn. 48

9 Wessels /Beulke, Strafrecht AT, Rn. 265; Schmidt, Strafrecht AT, Rn. 297

10 Siehe Fußnote 9

11 Schmidt, Strafrecht AT, Rn. 301

12 Siehe Fußnote 11

13 Schmidt, Strafrecht AT, Rn. 301

14 Frister, Strafrecht AT, Kapitel 11, Rn. 45

15 Siehe Fußnote 14

16 Von Heintschel-Heinegg, Münchner Komment., §26, 27, Rn. 18

17 Schmidt, Strafrecht AT, Rn. 309

18 Von Heintschel-Heinegg, Münchner Komment., §26, 27, Rn. 17

19 Von Heintschel-Heinegg, Münchner Komment., §26, Rn. 10

20 Von Heintschel-Heinegg, Münchner Komment., §26, Rn.15

21 Siehe Fußnote 20

22 Siehe Fußnote 6

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Problematiken des Vorsatzes und der Rücktritt vom Versuch bei mehraktigen Geschehen
Untertitel
Probleme des Vorsatzes, der Vorverlagerung des Tätervorsatzes und der Rechtsfigur des Dolus Generalis
Hochschule
Universität Potsdam  (Juristische Fakultät)
Note
9 Punkte
Autor
Jahr
2013
Seiten
26
Katalognummer
V277553
ISBN (eBook)
9783656731191
ISBN (Buch)
9783656731153
Dateigröße
777 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
problematiken, vorsatzes, rücktritt, versuch, geschehen, probleme, vorverlagerung, tätervorsatzes, rechtsfigur, dolus, generalis
Arbeit zitieren
Jonas Hellinger (Autor:in), 2013, Problematiken des Vorsatzes und der Rücktritt vom Versuch bei mehraktigen Geschehen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/277553

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