Die PISA-Studien der OECD. Der Einfluss internationaler bürokratischer Macht auf staatliche Bildungspolitik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

18 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Internationale Organisationen Bürokratien: Autonomie, Macht und Autorität
2.1 Internationale Bürokratien aus konstruktivistischer Sicht
2.2 Autonomie von internationalen Organisationen
2.3 Vier Typen bürokratischer Autorität
2.4 Ausübung von Macht durch Internationale Bürokratien
2.5 Zugänglichkeit der Staaten für die Macht der Internationen Organisationen

3. Die PISA-Studien der OECD: Konzept und Rezeption
3.1 Japan
3.2 Finnland
3.3 Deutschland

4. Der Einfluss der PISA-Studien aus sozialkonstruktivistischer Perspektive

4.1 Ausdruck Bürokratischer Autorität 12s

4.2 Ausdruck Bürokratischer Macht

5. Fazit

6. Literatur

1. Einleitung

Internationale Organisationen, „allgemein definiert als auf Dauer angelegte politikfeldspezifische und -übergreifende zwischenstaatliche Institutionen mit eigenen Organen, deren Einrichtung auf völkerrechtliche Verträge oder privatrechtliche Vereinbarungen zurückgeht - [,]“[1] spielen im internationalen System und in der globalen Politik immer öfter eine zentrale Rolle. Sie versuchen, Lösungen für Gewaltkonflikte zu finden und handeln in Umwelt-, Finanz- oder Humanitätskrisen - sei es durch Politikempfehlungen oder direktes Eingreifen.[2]

Das Thema der vorliegenden Arbeit ist die Darstellung der Möglichkeiten internationaler Organisationen, Autorität zu erlangen und Macht auf Staaten auszuüben. Die theoretischen Ausführungen vor allem Michael N. Barnetts und Martha Finnemores zur Machtausübung internationaler Organisationen werden hierzu zunächst erläutert und anschließend am Beispiel des Einflusses der PISA-Studien der OECD angewendet. Es soll die Frage beantwortet werden: Wie ist der Einfluss der PISA Studien der OECD auf die nationale Bildungspolitik Japans, Finnlands und Deutschlands zu erklären?

Die PISA-Studien (Programme for International Student Assessment) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), eine quantitative Erhebung der Leistungen 15-Jähriger Schülerinnen und Schüler, werden seit dem Jahr 2000 im 3- Jahresrhythmus in den Mitgliedstaaten der OECD und darüber hinaus durchgeführt. Ihnen wird seit der ersten Durchführung, deren Ergebnisse 2001 veröffentlicht wurden, eine gewichtige Rolle im internationalen Diskurs um Bildungspolitik eingeräumt und die Studienwaren Stein des Anstoßes zahlreicher nationaler Bildungsreformen.[3]

Internationale Organisationen verbreiten gemeinschaftliche Normen und gesellschaftliche Modelle. Der Einfluss der Organisationen wächst dabei auf der Basis des Theorems Max Webers von der „formalen Rationalisierung der westlichen Welt“: Formale Organisationen dehnen sich aus und etablieren eine sich globalisierende Weltkultur.[4] Bürokratien scheinen sich als Allheilmittel für komplexe soziale Problemfelder zu etablieren und bei aller Kritik bezüglich Reformaversionen oder Übermaß der Regulierung (sog. „Amtsschimmel“) gibt es bisher keine denkbaren Alternativen zur Bürokratie.[5]

Bei aller Achtsamkeit internationaler Organisationen gegenüber ist das Verhalten der Organisationen als Bürokratien bisher wenig beachtet worden.[6] Für die Forschung der Internationalen Beziehung ist die Analyse von Autorität in der internationalen Politik ohne territoriale Souveränität Neuland.[7]

Die Normen und Regeln internationaler Organisationen, basierend auf ihrem jeweiligen völkerrechtlichen Gründungsakt, ermöglichen den Organisationen autonomes Handeln durch Regulieren und Steuern von problemfeldspezifischer oder allumfassender Politik.[8]

Unter der Organisationskultur oder der bürokratischen Kultur verstehen Barnett und Finnemore die Standardvorgehensweisen, Bewertungsskalen, Haupt- und Zwischenziele, Rituale, Werte und interne Diskurse, die sich im Laufe der Existenz einer bürokratischen Organisation entwickeln. Die an Bürokratien hoch geschätzten unpersönlichen, objektiven Regeln werden einerseits in Kultur und Routine übersetzt, andererseits können sie in einzelnen Abteilungen auch unterschiedliche gedeutet werden und zu unterschiedlichen, potenziell widersprüchlichen Prozessen führen.[9]

Unpersönliche und allgemeingültige Regeln sind das Fundament und Produkt der Bürokratie: Explizite oder implizite Normen, Regulierungen und Erwartungen, die das soziale Zusammenleben strukturieren: „Bureaucracies are collections of rules that define complex social tasks and establish a division of labor to accomplish them“[10].

Fundament des sozialen Konstrukts Autorität sind der Konsens über die Verteilung von Autorität unter den beteiligten sozialen Einheiten und die Glaubwürdigkeit des Bewerbers um Autorität. Die Glaubwürdigkeit verleiht Gehör in strittigen Themen und die Kompetenz, Handlungsrichtungen, basierend auf dem Glauben an den Wert der Handlungen, vorgeben zu können.[11]

Die Wahl des dieser Arbeit zugrunde liegenden theoretischen Ansatzes fiel auf sozialkonstruktivistische Ansätze, da diese anders als klassische neorealistische,rationalistische oder institutionalistische Modelle nicht nur auf die Gründungsmotive der IOs abzielen, sondern auf deren auf tatsächliches Verhalten.[12] Mithilfe sozialkonstruktivistischer Ansatze kann dazu den bürokratischen Charakter der Organisationen zugegriffen werden.[13] Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Darstellung theoretischer Modelle und potenzieller Machtausübung internationaler Organisationen, da die tatsächlichen Einflüsse und die Verwendung der PISA-Studieninhalte und OECD-Politikempfehlungen in staatlicher Bildungspolitik empirisch bisher wenig erforscht ist[14].

2. Internationale Organisationen Bürokratien: Autonomie, Macht und Autorität

In Abgrenzung zu materialistischen Theorien wie dem Neorealismus oder dem Rationalismus gehen konstruktivistische Ansätze von einer „sozial konstruierten Welt“ aus: Fundament der Konstruktion sind geteilte Vorstellungen von Bedeutungen, Erfahrungen sowie Interaktionen. Das Verhalten von Akteuren gegenüber Objekten, ggf. also auch anderen Akteuren, ist auf die Bedeutung der Objekte für die Akteure zurückzuführen.[15]

Konstruktivistische Theorien der Disziplin der Internationalen Beziehungen bieten Werkzeuge zur Untersuchung der Festlegung eben dieser Bedeutungen: Soziale Beziehungen können anhand der Analyse sozialer Bedeutung, etwa Identitäten oder Interessen, interpretiert werden.[16] Analyseraster zur Verbreitung von Normen und der Auswirkung von Bedeutungen auf Beziehungen haben den Zweck, soziale Phänomene wie den Wandel des internationalen Systems über materialistische „Stimulus-Response“ Dogmen hinaus zu erklären. Konstruktivistische Theorien betrachten Macht: Intersubjektive Ideen - soziale Konzepte - legen die Bedeutung der Stellung gewisser Akteure zu materiellen Machtmitteln fest.[17]

Die Interessen der Akteure, beispielsweise Staaten, werden aus konstruktivistischer Sicht unter Einfluss des sozialen Raums generiert, der von Ihnen wiederum nicht unabhängig ist. Statt des alleinigen Einflusses objektiver, materieller Faktoren sind jegliche Akteure in den Internationalen Beziehungen aus konstruktivistischer Perspektive durch die Internalisierung bestimmter Bedeutungen, die Werte und Normen vorgeben, sozialisiert. Konformität mit Normen legitimiert Verhalten, gleichzeitig generieren Identitäten Interesse auf Einfluss auf die Festlegung von Bedeutungen, die zu Normen werden: Nach modernen

konstruktivistischen Ansätzen, folgend Anthony Giddens‘ Strukturierungsthese,[18]

konstituieren sich Akteure (z.B. Staaten) und Strukturen (Institutionen) wechselseitig.[19]

2.1 Internationale Bürokratien aus konstruktivistischer Sicht

Mithilfe einer sozialkonstruktivistischer Betrachtung internationaler Organisationen kann das Verhalten der Organisationen verstanden und Rückschlüsse auf deren Effektivität oder Devianz von der Gründungsmission gezogen werden: [20] „Innerhalb der sozialkonstruktivistischen Forschung hat sich in den letzten Jahren eine Sichtweise etabliert, die internationale Organisationen als Bürokratien konzipiert [...].“[21].

Internationale Organisationen sind autonome Akteure, die Autorität in speziellen oder sämtlichen Politikfeldern ansammeln und Macht ausüben. Diese These entspringt der

sozialkonstruktivistischen Betrachtung internationaler Organisationen, die dem bürokratischen Charakter der IOs eine systemimmanente Logik unterstellt. [22]

2.2 Autonomie von internationalen Organisationen

Martha Finnemore und Michael Barnett stellen die traditionelle neorealistische Perspektive auf internationale Organisationen als Epiphänomen der internationalen Politik ohne theoretisch und empirisch messbares Eigenleben und die neoliberal-instutitionalistische Ansicht auf die Organisationen als Instrument oder Moderatoren zwischen Staateninteressen, gleichsam einer konditionierenden Variable in der internationalen Politik in Frage.[23]

Interessen der Organisationen über ihren Fortbestand hinaus und die von wichtigen empirischen Studien nahegelegte wachsende Autonomie und direkter Einfluss auf die internationale Politik der internationalen Organisationen können nach Barnett und Finnemore nicht mit herkömmlichen neorealistischen und liberalistischen Theoriemodellen eingefangen werden: Zwar werden in neoliberalen Theorien Informationen als Machtquelle angesehen, trotz deren ausgeprägter Aktivität in diesem Bereich wird internationalen Organisationen auf der anderen Seite Autonomie abgesprochen. [24] Reformaversion und die Anpassungsfähigkeit der Organisationen gegenüber diffus formulierter Missionen, das von Staaten unerwünschtes

[...]


[1] Vgl. Schieder (2013): S. 439.

[2] Vgl. Barnett/Finnemore (2004): S. 1.

[3] Vgl. Von Bogdandy/Goldmann (2009): S. 53.

[4] Vgl. Schieder (2013): S. 454.

[5] Vgl. Barnett/Finnemore (2004): S. 17

[6] Vgl. Barnett/Finnemore (2004): S. 2.

[7] Vgl. Ebd.: S. 5.

[8] Vgl. Ebd.: S. 446.

[9] Vgl. Ebd.: S. 19.

[10] Vgl. Ebd.: S. 18.

[11] Vgl. Barnett/Finnemore (2004): S. 20.

[12] Vgl. Barnett/Finnemore (1999): S. 699.

[13] Vgl. Barnett/Finnemore (1999): S. 699.

[14] Vgl. Breakspear (2012): S. 5.

[15] Vgl. Hurd (2008): S. 300 und Ulbert (2010): S. 427.

[16] Vgl. Hurd (2008): S. 307 und Ulbert (2010): S. 437.

[17] Vgl. Hurd (2008): S. 298 und S. 301.

[18] Vgl. Ulbert (2010): S. 435.

[19] Vgl. Hurd (2008): S. 304.

[20] Vgl. Barnett/Finnemore (1999): S. 699.

[21] Ulbert (2010): S. 454.

[22] Vgl. Barnett/Finnemore (2004): S. 3.

[23] Vgl. Barnett/Finnemore (1999): S. 704.

[24] Vgl. Ebd.: S. 704 und S. 709.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die PISA-Studien der OECD. Der Einfluss internationaler bürokratischer Macht auf staatliche Bildungspolitik
Hochschule
Universität Trier  (Politikwissenschaft - Internationale Beziehungen)
Veranstaltung
Arena, Instrument oder Akteur? Die Bedeutung internationaler Organisationen für die Weltpolitik – Internationale Wirtschafts- und Sicherheitsorganisationen
Note
2,7
Autor
Jahr
2014
Seiten
18
Katalognummer
V285009
ISBN (eBook)
9783656852742
ISBN (Buch)
9783656852759
Dateigröße
525 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Internationale Beziehungen, IB, Universität Trier, Schieder, Siegfried, Internationale Organisationen, IO, IOs, PISA, OECD, Studien, Bildungspolitik, Barnett, Finnemore, Bürokratie, Theorie, Bürokratietheorie
Arbeit zitieren
Wilke Bitter (Autor:in), 2014, Die PISA-Studien der OECD. Der Einfluss internationaler bürokratischer Macht auf staatliche Bildungspolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/285009

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