Phraseologismen mit der Komponente "Auge"


Travail de Recherche, 2013

101 Pages


Extrait


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG
1.1 Zielsetzung
1.2 Struktur der Arbeit und Methodik
1.3 Phraseologieforschung und kontrastive Phraseologie

2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2.1. PHRASEOLOGIE ALS SPRACHLICHE ERSCHEINUNG
2.2. MERKMALE DER PHRASEOLOGISMEN
2.2.1. Polylexikalität
2.2.2 Idiomatizität
2.2.3 Stabilität/Festigkeit
2.2.4 Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit

3. KLASSIFIKATION DER PHRASEOLOGISMEN IN DER DEUTSCHEN GEGENWARTSSPRACHE
3.1 Basisklassifikation von Burger
3.2 Klassifikation nach Fleischer

4. DIE PROBLEMATIK DER ÜBERSETZUNG UND ÄQUIVALENZ VON PHRASEOLOGISMEN
4.1. Die Äquivalenz in der kontrastiven Phraseologie
4.2 Die Äquivalenzbeziehungen bei Koller
4.3 Die Äquivalenzbeziehungen bei Korhonen
4.4.1 Volläquivalenz
4.4.2 Teiläquivalenz
4.4.2.1 Teiläquivalenz im engeren Sinne
4.4.2.2 Partielle Diferrenz
4.4.2.3 Totale Differenz
4.4.3 Ersatzäquivalenz oder Nulläquivalenz

5. SCHLUSSFOLGERUNGEN

LITERATURVERZEICHNIS

WÖRTERBUCHVERZEICHNIS

ANHANG

ZUSAMMENFASSUNG

Diese Monografie beschäftigt sich mit der lexikografischen Darstellung der Phraseologismen mit der KomponenteAugein zweisprachigen Wörterbüchern Deutsch-Portugiesisch und der Analyse ihrer Äquivalenzbeziehungen. Zuerst haben wir uns den theoretischen Fragestellungen der Phraseologie gewidmet. Der Gegenstandsbereich wurde abgegrenzt und die Klassifikationsmöglichkeiten von Phraseologismen wurden angeführt. Im Folgenden haben wir Fragestellungen der Äquivalenzproblematik bearbeitet. Desweiteren folgte die Analyse der Äquivalenztypologie nach Korhonen (2007). Die portugiesischen Entsprechungen der deutschen Phraseologismen wurden anschließend jedem einzelnen Äquivalenztypen zugeteilt und somit wurden die Ergebnisse zusammengefasst

Stichwörter: Phraseol

ogie, Äquivalenz, Auge

RESUMO

Esta monografia trata da representação lexicográfica de expressões idiomáticas com o componente de “olho” nos dicionários bilíngües alemão-português e da análise de suas relações de equivalência. Em primeiro lugar, temos nos dedicado às questões teóricas da fraseologia. O escopo foi definido e a classificação de expressões idiomáticas foram citados. A seguir, vamos lidar com tópicos de problemas de equivalência. Por diante seguimos com a análise da tipologia equivalência seguido por Korhonen (2007). Os equivalentes das expressões idiomáticas com componente “olho” do par portugues-alemão foram classificadas e os resultados apresentados a partir do tipo de cada equivalencia

Palavras-chave: fraseologia, equivalência, olho

1. EINLEITUNG

1.1 Zielsetzung

In linguistischen Arbeiten wird oft betont, dass Phraseologismen immer ein großes Problem sowohl für den Lernenden als auch für den Übersetzer darstellen. Dies ergibt sich aus der Komplexität des Wesens der Phraseologismen sowie aus ihren zahlreichen Funktionen, die auf der Textebene zu erfüllen sind. Das Untersuchungsobjekt der vorliegenden Arbeit sind Phraseologismen im gegenwärtigen Deutschen und Portugiesischen. Körperteilbezeichnungen bilden in beiden Sprachen eine große Gruppe in Phraseologismen.

Da sie so zahlreich vertreten ist, haben wir uns entschieden, den Bereich der Analyse auf Phraseologismen mit der KomponenteAugeeinzuschränken. Die Arbeit setzt sich das Ziel, die Unterschiede und Übereinstimmungen zwischen beiden Sprachen festzustellen. Die untersuchten Phraseologismen wurden folgenden Wörterbüchern entnommen: Duden, Bd. 11, Redewendungen., Wörterbuch der deutschen Idiomatik (2008)., Dicionário de Alemão-

Português (2009)., Porto Editora., Langenscheidt - Taschenwörterbuch PortugiesischDeutsch, Deutsch-Portugiesisch (2001)., Pons Standardwörterbuch Portugiesisch-Deutsch, Deutsch-Portugiesisch (2002)., Tochtrop, Leonardo (2006): Dicionário Alemão-Português und Wahrig. Dicionário semibilíngue para brasileiros (2011).

In der Zielstellung der Analyse geht man auf die Hauptfragen ein: Was macht ein Phraseologismus aus, welche Merkmale haben Phraseologismen und welche Äquivalenzbeziehungen bestehen zwischen den analysierten portugiesichen und deutschen Phraseologismen? Man bedient sich deshalb in erster Linie der Theorie (Schemann, Fleischer und Burger) um festzustellen, was unter dem Begriff „Phraseologismus“ verstanden wird und wie ihre Klassifikation erfolgt. Danach folgt die Untersuchung zum Äquivalenzbegriff aus theoretischer Sicht, die dann zur Analyse der Beziehungen der deutschen Phraseologismen und ihren Äquivalenten führt.

1.2 Struktur der Arbeit und Methodik

In der folgenden Arbeit wird bereits in der Einleitung auf die Phraseologieforschung eingegangen, die sich unter anderem mit der Frage der Klassifikation, der Übersetzung und Äquivalenz der Übersetzungen von Praseologismen beschäftigt.

Zuerst erweist sich notwendig, den Terminus „Phraseologie“ abzugrenzen. Das zweite Kapitel widmet sich deswegen der Begriffsbestimmung, den Merkmalen (Polylexikalität, Idiomatizität, Stabilität, Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit) und der Beschaffenheit von Phraseologismen. Als Basis dienen uns die theoretischen Ansätze von Burger (2010) und Fleischer (1997). Dabei wird näher auf den Begriff “Phraseologismus” im engeren und weiteren Sinne eingegenagen und es werden die Kriterien der Lexikalisierung, Stabilität, Idiomatizität dargestellt. Zugleich wird die Problematik der terminologischen Benennung deutlich.

Die Klassifikation der Phraseologismen in der deutschen Gegenwartssprache wird im Kapitel 3 geschildert. Wir bedienen uns der Theorie von Burger (2010) und Fleischer (1997), um die Klassikation zu systematisieren.

Nach einer umfassenden Erarbeitung der Kriterien, die ein Phraseologismus zu erfüllen hat, folgt dann die Fragestellung der Übersetzung von Phrasemen und ihre Äquivalenzbeziehungen, auf die im Kapitel 4 eingegenagen wird. Es werden die deutschen Phraseologismen mit der KomponenteAugepräsentiert und ihre Übersetzungen in 5 Wörterbüchern verglichen und gegenübergestellt. Darüber hinaus wird der Begriff der Äquivalenz und seine Gliederung eine wichtige Rolle spielen, indem die Phraseologismen unter dem Aspekt der Äquivalenz analysiert werden. Der Äquivalenzbegriff wird in Anlehnung an Korhonen (2007) und Koller (2007) präsentiert.

Im fünften und abschließenden Kapitel werden die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst.

Insgesamt wurden 95 Phraseologismen gefunden, die im Duden Bd. 11 vorkommen. Danach hat man versucht, diese in weiteren fünf zweisprachigen Wörterbüchern des Sprachpaares Deutsch-Portugiesisch aufzulisten. Auf diese Weise wurden 75 der analysierten Phraseologismen im Wahrig, 26 im Langenscheidt, 18 im Pons, 44 im Porto und 17 im Tochtrop Wörterbuch gefunden. Das bedeutet, dass den 95 deutschen Phraseologismen insgesamt 180 portugiesische Phraseologismen gegenübergestellt werden. Jedem Phraseologismus entspricht in vielen Fällen jedoch mehr als ein Übersetzungsvorschlag.

Somit ergibt sich, dass den 180 deutschen Phraseologismen eigentlich 230 portugiesische Übersetzungen vorlegen. Es sind die Äquivalente, die den deutschen Beispielen auf der Grundlage der aufgeführten zweisprachigen Wörterbücher entsprechen. Der Analyse unter dem Aspekt der Äquivalenz dienen 230 Phraseme, die aus den 5 zweisprachigen Wörterbüchern Deutsch-Portugiesisch entnommen wurden. Man hat alle Übersetzungsvarianten in Betracht gezogen und auf dieser Grundlage wurden dann die Äquivalenzbeziehungen zwischen jedem einzelnen deutschen Phraseologismus und der entsprechenden portugiesischen Variante festgestellt.

Dabei handelt es sich weder um eine quantitative Untersuchung noch um einen Vergleich zwischen den erwähnten Wörterbüchern, da sie unterschiedlichen Umfang und verschiedene Eintragszahl aufweisen.

Im Folgenden werden kurz die Wörterbücher erwähnt, denen die Phraseologismen samt ihren Äquivalenten entnommen worden sind.

Im Wörterbuch „Duden Bd 11. Redewendungen. Wörterbuch der deutschen Idiomatik“ (2008) sollen, den Angaben in der Einleitung (S.15) nach, „die gebräuchlichsten festen Wedungen der deutschen Gegenwartssprache möglichst umfassend“ dokumentiert werden. Neben den Einheiten aus dem Kernbereich der deutschen Phraseologie wurden auch aus den meisten Grenzbereichen „die geläufigsten Wortgruppen“, wie Verben mit Präpositionen, formelhafte Vergleiche, Funktionsverbgefüge, Routinenformeln, Redensarten und Sprichwörter, zumindest exemplarisch berücksichtigt. Nach der Angabe auf dem vorderem Buchdeckel enthält der Duden Bd. 11 mehr als 10 000 phraseologische Ausdrücke. Neben den gebräuchlichsten Ausdrücken sind im Wörterbuch jedoch auch Phraseologismen zu finden, die als “selten” oder „veraltet“ markiert wurden. Wenn es sich um die Zuordnungslemmata handelt, wird es deutlich, dass die Phraseologismen einem Hauptstichwort zugeordnet werden, „das entweder das erste Wort oder eines der wichtigsten sinntragenden Wörter der jeweiligen Wendung ist“. Die Hauptstichwörter wurden alphabetisch geordnet.

„Das Langenscheidt Taschenwörterbuch Portugiesisch“ (2001) umfasst rund 100.000 Stichwörter und Wendungen und bietet damit „nicht nur den aktuellen Wortschatz der portugiesischen und der deutschen Allgemeinsprache, sondern auch den Kernwortschatz wichtiger Fachgebiete wie Wirtschaft und Politik, Technik, Wissenschaft u.a.“.

Im Jahre 2009 veröffentlichte der Porto Verlag die zweite Auflage des Wörterbuches „Dicionário de Alemão-Português“, in dem die deutsche Rechtschreibreform berücksicht wurde. In der Anmerkung zur zweiten Auflage wird erklärt, dass die Porto-Redaktion sich bemüht hat, die Auswahl der Einträge nach vielen Kriterien zu bestimmen. Besondere Aufmerksamkeit wurde sowohl dem aktuellen als auch dem technischen und wissenschaftlichten Wortschatz aus Bereichen wie Informatik, Medizin, Sport, geschenkt. Außerdem werden auch schweizerische und österreichische Varianten nicht außer Acht gelassen. Das Wörterbuch umfasst 92 000 Einträge und zirka 34 000 Phraseologismen und auch Informationen zur Grammatik.

Das “Pons Standardwörterbuch Portugiesisch-Deutsch“ von 2002 umfasst rund 44.000 Einträge und Wendungen sowohl aus Portugal als auch aus Brasilien aus vielen Lebensbereichen. Das Werk vefügt außerdem über ausführliche Infokästen zur Kultur und zum Land und über aktuellen Wortschatz auch aus Österreich und der Schweiz und somit ist universell einsetzbar.

Das Wörterbuch “Dicionário alemão-português” (8. Aufl. 2006) von Leonardo Tochtrop gibt uns leider keine Auskunft über die Zahl der Einträge. Im Vorwort zur fünften Auflage, vom Jahr 1968, wird festgestellt, dass das Werk als ein Hilfsmittel der Sprachstudierenden gedacht wurde und dass es „in erster Linie den brasilianischen Lebenskreis berücksichtigt‘.

Das neuste von den oben genannten Wörterbüchern auf dem brasilianischen Markt ist das Wörterbuch „Wahrig. Dicionário semibilíngue para brasileiros-Alemão“ (2011) mit mehr als 25.000 Einträgen und über 100.000 Verwendungsmöglichkeiten. Jeder Basiseintrag enthält neben der deutschen Umschreibung oder Definition eine Übersetzung ins brasilianische Portugiesisch, die dann in Blaudruck folgt. Das Werk wurde für brasilianische Benutzer gedacht und hat das Ziel, eine Referenz sowohl für Studierenden, Übersetzer als auch das Publikum im Allgemeinen zu sein. Es ist das einzige, das Phraseologismen eine große Aufmerksamkeit schenkt.

Was die Vorgehensweise dieser Monografie angeht, wurde als erstes an der Erstellung des Anhangs gearbeitet, der den Untersuchungskorpus bildet. Der Anhang besteht aus einer Tabelle mit den 95 Phraseologismen in der ersten Spalte, die im Duden, Bd. 11 aufgeführt sind und den weiteren 5 Spalten, die für die zur Analyse stehenden Wörterbücher, vorgesehen sind, d.h. Wahrig, Langenscheidt, Pons, Porto und Tochtrop. Nachdem man alle Phraseologismen mit der Komponente “Auge“ aus dem Duden Wörterbuch, die sich im Eintrag “Auge“ befanden, aufgelistet hatte, begann man allmählich weitere Wörterbücher zu untersuchen und die Tabelle mit vorhanden Äquivalenten auszufüllen.

Als nächster Schritt ist die Erarbeitung von theoretischen Grundlagen zu nennen. Zuerst einmal beginnt man mit der Definition von Phraseologismen, danach folgt die Darstellung von den Merkmalen und der Klassifikation der festen Wortverbindungen, um anschließend zum Äquivalenzbegriff zu gelangen. Nach der Ausarbeitung von theoretischer Basis kommt die letzte Phase, nämlich die Analyse der Phraseologismen und ihrer Äquivalenten in zweisprachigen Wörterbüchern und zwar ausschließlich vom Deutschen ins Portugiesische. Dabei bedienen wir uns des theoretischen Ansatzes von Korhonen (2007). Die aufgeführten Beispiele werden genauso nummeriert, wie sie im Anhang dieser Monografie auftreten. Letztendlich werden die Ergebnisse vorgestellet und Schlussfolgerungen gezogen.

Damit man sich besser situiert, wird zunächst ein Überblick über die Situation der Phraseologieforschung gegeben.

1.3 Phraseologieforschung und kontrastive Phraseologie

Die Phraseologie wird heutzutage als eigenständige wissenschaftliche Disziplin angesehen, deren Entwicklung auf die 1970er Jahre zurückgeht.

Eine der ersten Arbeiten zu der Phraseologie der deutschen Sprache (das Werk „Idiomatik des Deutschen“) wurde von Burger (1973) verfasst. Eine andere wichtige Publikation ist die Arbeit “Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache” von Wolfgang Fleischer (erste Auflage von 1982 und zweite durchgesehene und ergänzte Auflage von 1997), in der die Phraseologie in ihrer Gesamtheit dargestellt wird. Nach den erwähnten Arbeiten folgt das Werk “Handbuch der Phraseologie” von Burger (1982), in dem Forschungsergebnisse auch im Bereich der Textlinguistik, Pragmatik und Psycholinguistik dargelegt werden. Zu den Standardwerken zählt auch die Arbeit von Burger (2010) „Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen“, die auch semantische, geschichtliche, regionale und textuelle Aspekte berücksichtigt.

Eine weitere ausgezeichnete und bahnbrechende Publikation ist das umfangreiche, in zwei Bände aufgeteilte Werk „Phraseologie. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung“ (Burger, Dobrovol`skij, Kühn, Norrik (Hg.), 2007). Das Handbuch bietet Forschungsresultate zu den linguistischen Eigenschaften und zum Gebrauch der phraseologischen Wortverbindungen in verschiedenen Arten von Texten sowie in zahlreichen Sprachen. Die Arbeit berücksichtigt aktuelle kulturwissenschaftliche, sprachpsychologische und computerlinguistische Aspekte von Phraseologismen. Gleichzeitig gibt das Werk einen detaillierten Überblick über die Forschungsarbeiten im Bereich der Phraseologie weltweit anhand von vollständiger Bibliographie.

Zahlreiche Tagungen und Konferenzen zur Phraseologieforschung, an dieser Stelle ist insbesondere EUROPHRAS (Tagung für die germanistische und allgemeine Phraseologieforschung) zu erwähnen, zeigen die Entwicklung in der Phraseologieforschung. Die Initiative zu der EUROPHRAS, die seit 1988 genau unter diesem Namen bekannt ist, ging von der Germanistik aus. Im Jahre 1999 wurde die Europäische Gesellschaft für Phraseologie gegründet und bei diesem Anlass wurde beschlossen, die internationale Arbeit auf dem Gebiet der Phraseologieforschung effektiver zu gestalten. Seitdem nehmen an den Tagungen auch viele Vertreter der Slawistik, Anglistik und Romanistik teil.[1]

Während sich die Phraseologieforschung anfangs bis in die 1970er Jahre auf Sprichwörter und Redensarten beschränkte, so war danach das Hauptinteresse der Begriffsbestimmung und der Klassifikation von Phraseologismen. Infolge unter anderem der Arbeiten von Fleischer (1982) und Burger (1997) wurde von einer Phraseologie im weiteren und im engeren Sinne ausgegangen. Folgend setzten sich die Forscher auch mit der Klassifikation von Phraseologismen auseinander. Dabei wurden auch die mophosyntaktische, semantische sowie pragmatischen Merkmale der Phraseologismen herangezogen. In der Phraseologieforschung nimmt die Frage der Übersetzung von Phrasemen auch eine besondere Stellung. Hierfür sind Arbeiten von Werner Koller und Jarmo Korhonen von Bedeutung. Dabei ergibt sich auch die Diskussion des Begriffs der Äquivalenz, die unter Heranziehung von Beispielen aus verschiedenen Sprachen erfolgt und gleichzeitig den Untersuchungsgegenstand der kontrastiven Phraseologie darstellt.

Im Bereich der kontrastiven Phraseologie haben sich zwei Forschungsschwerpunkte entwickelt2. Es werden zwei oder mehrere Sprachen miteinander verglichen sowohl auf interlingualer als auch intralingualer Ebene. Auf interlingualer Ebene konzentrieren sich die Forschungsarbeiten auf sprachkontrastive, lexikographische, translationswissenschaftliche und interkulturelle Aspekte. Bei einer solchen Analyse handelt es sich sowohl um die Etymologie und Kulturhistorik von Phraseologismen als auch um die Untersuchung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen verschiedenen Sprachen aus morphosyntaktischer, semantischer oder stilistischer Sicht. Auf intralingualer Ebene hingegen werden Phraseologismen unter diachronischen oder synchronischen Aspekten untersucht. Dabei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Phraseologismen zwischen Dialekten und Standardsprache aber auch zwischen dem in verschiedenen Ländern gesprochenen Deutsch hervorgehoben.

Korhonen (2007) spricht von kontrastiver Phraseologie im engeren Sinne, wenn mit Kontrastivität nur auf die interlinguale Dimension Bezug genommen wird.

Das primäre Ziel der kontrastiven Phraseologie im engeren Sinne besteht in der Herausarbeitung von Übereinstimmungen, Ähnlichkeiten und Unterschieden von Phraseologismen verschiedener (meistens zweier) Sprachen, wobei weder die genetische Verwandtschaft noch die typologische oder areale Nähe der einbezogenen Sprachen von Relevanz ist. (Korhonen, 2007) Die Untersuchungen können sich von daher auf einzelne Phraseologismen u.a. auf bestimmte syntaktische und lexikalische Strukturen sowie auf die ganzen phraseologischen Systeme der miteinander verglichenen Sprachen erstrecken.

2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

In der vorliegenden Arbeit wird zunächst eine zusammenfassende Darstellung von theoretischer Basis der Phraseologismen gegeben. Hierzu wird auch Grundlegendes zur Terminologie, phraseologischen Merkmalen und Klassifikationen ausgesagt.

Im weiteren Verlauf der Arbeit wird die kontrastive Phraseologie zum Gegenstand und es wird auf die Äquivalenz in der Übersetzung eingegangen. Deutsche Phraseologismen und ihre portugiesischen Entsprechungen werden insbesondere unter dem Aspekt der Äquivalenz untersucht.

2.1. PHRASEOLOGIE ALS SPRACHLICHE ERSCHEINUNG

Der Terminus „Phraseologie“ hat heute zwei allgemein anerkannte Bedeutungen: einerseits steht er für die „sprachwissenschftliche Teildisziplin, die sich mit der Erforschung der Phraseologismen beschäftigt“, andererseits bezeichnet er den „Bestand (Inventar) von Phraseologismen von einer bestimmten Einzelsprache“ (Fleischer, 1997, 3). Im engeren Sinne wird der Phraseologismus synonym mit Idiom gebraucht, oder als Oberbegriff für mehrere Klassen der festen Wortverbindungen. In der vorliegenden Arbeit wird Phraseologismus in der zweiten Bedeutung in der Tradition von Fleischer (1997) und Burger (2010) verwendet.

Was ist jedoch ein Phraseologismus? Welche sprachliche Äußerungen sind als phraseologisch zu bezeichnen? Dies lässt sich nicht eindeutig abgrenzen, denn der Bereich der Phraseologie ist sehr breit und heterogen. Neben dem Terminus Phraseologismen werden auch andere Ausdrücke verwendet, wie z. B. Idiome, Redensarten, Redewendungen, feste Wendungen, idiomatische Wendungen, idiomatische Verbindungen, feste Verbindungen, Phraseolexeme. Hans Schemann erwähnt in seinem Werk “Deutsche Idiomatik. Die deutschen Redewendungen im Kontext“ außerdem noch viele weitere Bezeichnungen für phraseologische Einheiten. Zu nennen sind beispielsweise:fertig geprägte Ausdrücke, idiomatische Ausdrücke, komplexe Einheiten, Fertigbauteile, stehende Ausdrücke, komplexe Einheiten, phraseologische Einheiten, erstarrte Formeln, sprachliche Formeln, erstarrte Fügungen, feste Fügungen, Gebrauchsmetaphern, sprachliche Gebrauchsmuster, sprichwörtliche Redewendungen, sprichwörtliche Redensarten, feste Redensarten, metaphorische Redensarten, fest gefügte Wendungen, feste Wortgruppen, geformte Wortblöcke, feste phraseologische Wortverknüpfungen, Sprachformeln, vorgeformte Sprachwendungen, autonome Syntagmen, stereotype Wendungen[2],und andere. Es kann festgestellt werden, dass die Definition von idiomatischen Einheiten sehr komplex, schwierig zu systematisieren und „ihr linguistischer Status keineswegs eindeutig geklärt ist“4. Demnach ist es problematisch, den Gegenstandsbereich der Phraseologie genau zu erfassen und alle sprachlichen Erscheinungen, die nicht eindeutig eingeordnet werden können, zu klassifizieren.

„Mit den bereits genannten und anderen Bezeichnugen versucht die Sprachwissenschaft, bestimmte sprachliche Erscheinungen zu fassen, die man als eine Art „sprachliche Fertigbauteile“ umschreiben könnte“ (Duden Redewendungen, 2008, 9). Demzufolge hat eine Wortgruppe in ihrer Gesamtheit eine bestimmte Bedeutung, die sich nicht aus der „wörtlichen“ Bedeutung einzelner Teile erschließen lässt.

Es lässt sich feststellen, dass heute vor allem Begriffe gebraucht werden, die entweder auf griech.-lat. phrasis”rednerischer Ausdruck” oder auf griech. idiōma„Eigentümlichkeit, Besonderheit“ zurückgehen. Zum ersten gehören Bildungen wiePhraseologie, Phraseologismus, zum zweitenIdiom, Idiomatik,Idiomatismus(Fleischer, 1997, 2). Heute findet man in der deutschen Fachliteratur häufig den FachbegriffPhraseologismusals Oberbegriff für sämtliche Erscheinungen des großen Bereiches der Phraseologie.

Harald Burger definiert den Begriff “Phraseologismus” in der Einführung seines Buches „Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen” auf folgende Weise:

Erstens bestehen sie aus mehr als einem Wort, zweitens sind die Wörter nicht für dieses eine Mal zusammengestellt, sondern es handelt sich um Kombinationen von Wörtern, die uns als Deutschsprechenden genau in dieser Kombination (eventuell mit Varianten) bekannt sind, ähnlich wie wir die deutschen Wörter (als einzelne) kennen. Ausdrücke mit diesen beiden Eigenschaften nennen wirPhraseologismen(BURGER, 2010, 11)

Phraseologie kann sowohl im weiteren Sinne als auch im engeren Sinne aufgefasst werden.

Diejenigen Phraseologismen, die Polylexikalität[3](sie bestehen aus mehr als einem Wort) und Festigkeit/Stabilitätaufweisen, werden als Bereich der Phraseologie im weiteren Sinne verstanden (Burger, 2010, 14). Kommt zu den beiden bereits aufgeführten Merkmalen noch die Eigenschaft der Idiomatizität6 hinzu, spricht man von Phraseologie im engeren Sinne (Burger, 1020, 14). Eine klare Abgrenzung der beiden Bereiche ist jedoch häufig nicht möglich.

2.2. MERKMALE DER PHRASEOLOGISMEN

Im weiteren Verlauf werden Kriterien dargelegt, die zur Abgrenzung phraseologischer Einheiten von freier Wortverbindungen am häufigsten verwendet werden. Als Kriterien, die zum Ziel der Abgrenzung gegenüber freien Wortverbindungen dienen, sind Polylexikalität, Idiomatizität, Stabilität, Festigkeit (bei Burger), Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit zu nennen.

2.2.1. Polylexikalität

Phraseologismen werden als polylexikalische Einheiten definiert. Aus dieser Bezeichnung lässt sich erkennen, dass ein Phraseologismus aus mindestens zwei Wörtern besteht. „Doch besteht keine Einigkeit darüber, ob es sich dabei um „Autosemantika“ (wieÖl, geben, Augen, ablesen, verliebte) und/oder „Synsemantika“ (wiean, und) handeln soll“ (Burger, 2010, 15). Unter dem Begriff des „Autosemantikum“ versteht man ein Lexem, welches eine vom Kontext unabhängige und selbständige lexikalische Bedeutung aufweist. Als autosemantisch werden Substantive, Verben, Adjektive, Adverbien eingestuft. Das „Synsemantikum“ dagegen ist eine Sammelbezeichnung für alle Wortarten, die nur eine grammatische Funktion im Satz haben, aber keine eigene (lexikalische) Bedeutung. Dazu zählen Artikel, Konjunktionen, Pronomen, Präpositionen und Partikeln. Es existieren sowohl zweigliedrige, als auch mehrgliedrige Phraseologismen. Aus der syntaktischen Sicht gilt der Satz als die obere Grenze phraseologischer Wortverbindungen.

2.2.2 Idiomatizität

Das Kriterium der Idiomatizität spielt in der Phraseologieforschung eine große Rolle. Die Forscher sind sich einig darüber, dass Idiomatizität ein Merkmal der Phraseologie ist, jedoch gehen die Meinungen auseinander, ob es sich um ein obligatorisches, vielleicht sogar ein entscheidendes, oder um ein fakultatives Merkmal handelt.

Der Begriff der Idiomatizität kann auch hier im weiteren Sinne oder im engeren Sinne gefasst werden. Im weiteren Sinne “umfasst Idiomatizität einerseits die strukturellen Anomalien, die einen Aspekt der „Festigkeit“ ausmachen, andererseits die spezifisch semantischen Besonderheiten, die viele Phraseologismen von freien Wortverbindungen abheben” (Burger, 2010, 29ff). Idiomatizität im engeren Sinne bezieht sich nur auf den semantischen Aspekt, d.h. die Aufmerksamkeit richtet sich nur auf die semantischen Besonderheiten der Phraseologismen.

Burger definiert den Begriff der Idiomatizität wie folgt: „die Komponenten bilden eine durch die syntaktischen und semantischen Regularitäten der Verknüpfung nicht voll erklärbare Einheit“ (Burger, 2010, 14). Demzufolge lässt sich die Gesamtbedeutung der Wortverbindung nicht aus der Bedeutung der einzelnen Komponenten erschließen und somit haben die Komponenten satzextern eine andere Bedeutung als einzeln für sich.

Daher bezeichnet man die Bestandteile eines Phraseologismus als Komponenten oder Glieder, da die einzelnen Wörter ganz oder teilweise ihre wörtliche Bedeutung verloren haben und diese nur im Ganzen verständlich sind.

Fleischer stellt fest, dass “die idiomatische Bedeutung durch ein Bild vermittelt wird, das allerdings keine zwingende Motivation herstellt. Es wären jeweils auch andere metaphorische Prozesse denkbar” (Fleischer, 1997, 31). Nach Dobrovol`skij „ergibt sich die Motivation bildlicher Lexikoneinheiten aus dem Verhätltnis der beiden konzeptuellen Ebenen: der lexikalisierten, d.h. figurativen Bedeutung und des zugrunde liegenden Bildes, das durch die lexikalische Struktur dieser Einheiten evoziert wird“ (Dobrovol`skij, 2009, 17).[4]

Bei der Idiomatizität als besonderem Merkmal der idiomatischen Wortverbindungen handelt es sich um eine Eigenschaft, die sich graduell verändert: „je stärker die Diskrepanz zwischen der wörtlichen und der phraseologischen Bedeutung ist, umso stärker idiomatisch ist der Phraseologismus“ (Burger, 2010, 30).

Die metaphorische Bedeutung von Phraseologismen entsteht als Folge von Schlussfolgerungen, Deduktion, Ableitungen oder Interpretation der wörtlichen Bedeutungen der einzelnen Komponenten mit Hilfe von Weltwissen und kultureller Erfahrung.

Diese Eigenschaft kann auch verschiedene Grade aufweisen, die von dem Unterschied zwischen der übertragenen und wörtlichen Bedeutung abhängig sind. In diesem Zusammenhang wird über Voll-, Teil- und Nichtidiomatizität gesprochen (Burger, 2010, S. 30 ff.).

Beivollidiomatischen Phraseologismenwerden alle Komponenten semantisch transformiert, das bedeutet, dass sie ihre ursprüngliche Bedeutung verloren haben. Die Idiomatisierung betrifft also alle Komponenten eines Phrasems, z.B.:es fällt wie Schuppenvor den Augen(jmdm. wird etw. plötzlich klar, jmd. hat plötzlich eine Erkenntnis),jmdm. gehen die Augen auf(jmd. durchschaut plötzlich einen Sachverhalt) oderjmds.Augen brechen(jmd. stirbt).

Im Fall derteilidiomatischen Phraseologismenwird ein Teil des Phrasems nicht semantisch transformiert, er hat weiter seine freie Bedeutung beibehalten. Als Beispiel sind folgende Phraseologismen zu nennen:ein paar Augen voll Schlaf nehmen(ein wenig schlafen), wobei die Komponentevoll Schlaf nehmenidiomatisch ist, währendein paar Augenseine freie Bedeutung beibehält. Ähnlich verhält sich der Phraseologismusmit offenen Augen ins Unglück rennen,wo der Ausdruckins Unglück rennenals idiomatisch undmit offenen Augenals nicht-idiomatisch angesehen wird.

Zu der dritten Unterteilung gehörennichtidiomatische Phraseologismen.Diesen Grad weisen solche Phraseme auf, bei denen es zu keinen oder nur minimalen semantischen Unterschieden zwischen der idiomatischen und der wörtlichen Bedeutung kommt.

Die nichtidiomatischen festen Wortverbindungen werden dem weiteren Bereich der Phraseologie zugewiesen. Dazu zählen beispielsweise Kollokationen wie:die Augenschließen, Augen funkeln, mit bloßem Auge.

2.2.3 Stabilität/Festigkeit

Neben der Idiomatizität und Polylexikalität stellt die Festigkeit (Burger, 2010, 15), auch Stabilität (Fleischer, 1997, 36) genannt, ein weiteres Kriterium von Phraseologismen dar. Demnach sind Phraseologismen Wortverbindungen, die einer Sprachgemeinschaft genau in dieser Wortkombination „bekannt und gebräuchlich“ sind, d. h. man versteht den Ausdruck als Ganzes„ohne auf die potenzielle wörtliche Bedeutung zurückgreifen zu müssen“ (Burger, 2010, 16f)

Weisen Wortverbindungen Festigkeit auf, so spricht man dementsprechend vonfesten Wortverbindungenoderphraseologischen Wortverbindungen,die denfreien Wortverbindungengegenüberstehen.

In Bezug auf das sprachliche System werden mehrere Arten von Festigkeit unterschieden: die pragmatische Festigkeit, die besagt, dass bestimmte Phraseologismen, wie z. B. Routinenformeln, wie „Guten Tag“, „Auf Wiedersehen“, nicht nur in ihren Komponenten festgehalten, sondern auch an bestimmte Situationen gebunden sind (Burger, 2010, 28 f.), und die strukturelle Festigkeit, die laut Fleischer (1997, 36) an „die Kombination einzelner konkreter lexikalischer Elemente“ gebunden, die nicht beliebig austauschbar sind.

Festigkeit bedeutet zum Beispiel, dass die einzelnen Elemente auf syntagmatischer Ebene nicht frei kombinierbar sind und auf pragmatischer Ebene nicht frei durch andere Elemente ersetzt werden können.

Der Phraseologismus ist mental als Einheit „gespeichert“ ähnlich wie ein Wort, er kann als ganzer abgerufen und produziert werden (Burger, 2010, 16). Burger definiert dieses Merkmal alspsycholinguistische Festigkeit. Ein Phraseologismus kann als ganzer aus dem Gedächtnis abgerufen und dann produziert werden. Im Gegensatz zu den Wörtern verhalten sich die Phraseologismen wie ein syntaktisches Gebilde und sind als Einheiten gespeichert, die nur begrenzt dekliniert, konjugiert und umgestellt werden können, im Gegensatz zum einzelnen, freien Wort.

Als Phraseologismen werden in der vorliegenden Arbeit, in Anlehnung an Burger (2010), feste Lexemkombinationen, das heißt nicht Einwortlexeme verstanden. Problematisch bei dieser Abgrenzug sind Einwortlexeme. Dabei handelt es sich oft um Komposita wie z. B. Mahlzeit,Strohwitweoder Drahtesel,die von vielen Theoretikern nicht phraseologisch angesehen werden, weil sie das grundlegende formale Kennzeichen der strukturellen Mehrgliedrigkeit nicht aufweisen. In der kontrastiven Phraseologie wäre allerdings überlegenswert, Komposita, die oft auch als Einwortphraseme angesehen werden, nicht auszuschließen. In Sprachen wie Deutsch stehen sie oft dort, wo sich in anderen Sprachen ein Syntagma oder eine Wortverbindung befindet. Sie werden auch in das phraseologische Wörterbuch von H. Schemann (1993) mit aufgenommen. Nach Dobrovol`skij zählen solche Komposita zu den konventionellen Einwort-Metaphern.[5]Es ist aber erwähnenswert, dass es doch einige Diskussionen und theoretische Beiträge zum Thema Einwortidiome gibt (Szczęk, Gondek 2002), (Henschel 1987). Da aber die Einwortidiome nicht vom Gegenstand der Arbeit sind, werden wir auf diese Thematik nicht näher eingehen.

Burger unterscheidet auchdie strukturelle Festigkeit.Der Begriff soll von den nichtphraseologischen Wortverbindungen her betrachtet werden. Denn solche Verbindungen unterliegen keinen Einschränkungen, nur den morphosyntaktischen und semantischen Regeln. Die Phraseologismen hingegen weisen oft Irregularitäten und Beschränkungen auf. Es handelt sich dabei um Anomalien in der morphosyntaktischen Struktur der Komponente, wie beispielsweise ältere Formen, Anomalien in der Verwendung von Pronomen, in der Valenz des Verbs, im Artikelgebrauch oder im Gebrauch von Präpositionen.

Beispiele:sehenden Auges(vorangestelltes Genitivattribut)[6]

Die strukturelle Festigkeit ist besonders im Bereich der Lexik stark zu relativieren. Im Sinne von lexikalischer Festigkeit sind nur wenige Wortverbindungen, wie zum Beispiel solche mit unikalen Komponenten. Unikale Komponenten sind Wörter, deren Formativ[7]außerhalb des Phraseologismus nicht (mehr) vorkommt. Alle anderen lassen mehr oder weniger große Abweichungen von der üblichen Form zu. Diese Abweichungen manifestieren sich alsVariationenoderModifikationen.

Laut Burger (2010, 24) gibt es nicht eine vollständig fixierte Nennform, in der Phraseologismus im Wörterbuch aufgeführt wird, sondern zwei oder mehrere ähnliche Varianten.

Um es zu veranschaulichen, werden einige Beispiele von Einträgen der Phraseologismen mit der Komponente „Auge“, die es in den zur Analyse dienenden Wörterbüchern gibt, genannt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es sind im Grunde die folgenden Typen zu unterscheiden (vgl. Fleischer, 205 ff.):

Die Varianten werden anhand von Beispielen aus dem Korpus „Phraseologismen mit der KomponenteAuge“ veranschaulicht.

1 Die erste Möglichkeit besteht in der morphologischen und teilweise auch syntaktischen Veränderung einzelner Komponenten. Diese Veränderungen können sich beziehen auf:

a) den Numerus (ein Auge/ein paar Augen voll Schlaf nehmen; ins Auge stechen/in die
Augen stechen);
b) die Rektion (sich nach jemandem die Augen ausgucken/sich die Augen ausgucken);
c) Gebrauch des Artikels (jmdm. den Daumen auf Auge setzen/jmdm. den Daumen aufs Auge setzen; die Augen sind größer als der Magen/seine Augen sind größer als der Magen);
d) die Art der Negation (kein Auge von jmdm., etw. abwenden/die Augen von etwas nicht abwenden können);
e) den fakultativen Charater gewisser, zum Komponentenbestand des Phraseologismus gehörender Expandierungselemente (jmdm. [am liebsten] die Augen auskratzen/jmdm. die Augen auskratzen);

2. Die zweite Möglichkeit besteht in einem Austausch einzelner lexikalischer Komponenten des Phraseologismus. Auf diese Weise entstehen in der Regel entweder phraseologische Synonyme, wiein die Augen springen/fallen, einer Sache ins Auge sehen/blicken, etw. nicht nur um jmds. schöner/blauer Augen willen tun,so dass es sich dabei auch um eine Art der phraseologischen Derivation handelt.

3. Die dritte Möglichkeit besteht in der Erweiterung oder Reduktion des Komponentenbestandes. Es handelt sich um phraseologische Derivation, wenn die Reduktion zur Verselbständigung einer Komponentengruppe führt, beispielsweise glotzen/Augen machen wie ein abgestochenes Kalb. Wird eine einzelne Komponente als Wort autonomisiert, dann kann man von dephraseologischer Derivation sprechen, z. B. im Fall der adjektivischen Derivate, wieaugenfällig, sinnfällig(ins Auge fallen/in die Augen fallen- „sofort die Aufmerksamkeit auf sich lenken“).

Neben der psycholinguistischen und der strukturellen Festigkeit unterscheidet Burger (2010) auch diepragmatische Festigkeit.

In dieser Hinsicht sollte die Festigkeit der Phraseologismen auch in typischen mündlichen und schriftlichen Kommunikationssituationen betrachtet werden. Diese Arten von Phraseologismen treten in bestimmten Situationstypen auf, wo sie fest verankert sind. Es handelt sich hier um Gruß-, Glückwunschformeln, verschiedene Ausdrücke aus dem juristischen Bereich oder Formeln aus der mündlichen Kommunikation, deren Funktionen z.B. im Bereich der Gesprächssteuerung liegen, wie:nicht wahr?, hör mal, guten Tag, meines Erachtens.

Dieser pragmatische Aspekt der Festigkeit gilt nicht für den ganzen Bereich der Phraseologie. Er ist eher dazu geeignet, die Unterklasse der Phraseologismen, nämlich die Routineformeln abzugrenzen. Da sie aber nicht im Vordergrung unserer Arbeit stehen, lassen wir sie außer Acht.

2.2.4 Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit

Unter dem Begriff der Lexikalisierung meint man die Aufnahme einer phraseologischen Einheit und die Speicherung im Wörterbuch oder auch im mentalen Lexikon. Es wird angenommen, dass der Leser das entsprechende Wortgruppenlexem in den meisten Fällen wiedererkennt, ohne jedoch in allen Fällen seine Bedeutung zu kennen.

3. KLASSIFIKATION DER PHRASEOLOGISMEN IN DER DEUTSCHEN GEGENWARTSSPRACHE

Es wurde bereits erwähnt, dass es eine große Vielfalt von Begriffen und Definitionen zur Charakterisierung von Phraseologismen gibt. Dieses Phänomen erscheint auch bei der Klassifikation von Phraseologismen und betrifft sowohl die Terminologie als auch die

Kriterien nach denen die festen Wortverbindungen eingeteilt werden. Der Versuch, die Phraseologismen nach einem einzigen Kriterium zu klassifizieren, zeigt sich aufgrund ihrer heterogenen Eigenschaften als sehr schwierig.

Die Versuche einer Klassifikation von Phraseologismen wurden von E. Agricola (1962), I.I.

Černyševa (1970), U. Fix (1971), und A. Rothkegel (1973) unternommen (Fleischer, 1997, 110 ff.). Manche berücksichtigen semantische Kriterien, andere betonen die Notwendigkeit der syntaktischen Analyse oder beschränken sich auf Phraseologismen, die die Grenze des Wortes überschreiten, aber nicht des Satzes. Es gibt auch welche, die behaupten, dass man Sprichwörter gesondert stellen sollte.

Fleischer betont, dass den Phraseologismen ein eigenes System von Strukturtypen und Bildungselementen fehlt und bemüht sich, einen Überblick zu geben (Fleischer, 1997, 110).

Es geht ja nicht um Klassifikationen irgendwelcher Art, sondern um solche, die es erlauben, eine

Übersicht über das Phänomen zu schaffen, die Einblicke in das Wesen und die Funktion der Phraseologismen, ihre Eigenständigkeit und ihre Wechselbeziehungen zu anderen sprachlichen Einheiten vermitteln.

Vergleichen wir das Werk von W. Fleischer mit einer neueren Publikation von H. Burger (2010), wird klar, dass heutzutage vorwiegend semantisch-syntaktisch-pragmatische Mischklassifikationen vorgeschlagen werden[8].

Wir haben uns für diese zwei Klassifikationen entschieden, nämlich die morphosyntaktische von Fleischer und die semantische von Burger, denn es wird häufig in zahlreichen Arbeiten an beide Theoretiker Bezug genommen. Für unsere Arbeit gilt jedoch die morphosyntaktische Klassifikation als irrelevant. Es soll aber einerseits zugunsten des Lesers veranschaulicht werden, wie sich die Phraseologismen morphosyntaktisch zusammensetzen und andererseits auf welche Untergruppen sich die semantische Unterteilung erstreckt.

Anhand der Basisklassifikation von Burger (2010, 33 ff.), auf die sich diese Arbeit im Folgenden bezieht, soll ein kurzer Überblick zur Orientierung gegeben werden.

3.1 Basisklassifikation von Burger

Von Burger (2010) werden die Phraseologismen nach semantischen Kriterien in drei Klassen eingeteilt. Er unterscheidetreferentielle,strukturelleundkommunikative Phraseologismenund benutzt für die Einteilung des Gesamtbereiches der Phraseologie das Kriterium der Zeichenfunktion, die die Phraseologismen in der Kommunikation haben. Das folgende Schema gibt uns den Überblick über diese Basisgliederung.

(nach Burger 2010, 37)

Referentielle Phraseologismen

Referentielle Phraseologismen bilden die größte Gruppe. Mit “referenziell“ ist gemeint, dass sie sich auf Objekte oder Sachverhalte der Wirklichkeit beziehen.

Nach Burger (2010, 36 ff.) werden die referentiellen Phraseologismen nach dem semantischen

Kriterium in zwei Gruppen geteilt. Diese Zweigliederung hängt davon ab, ob sie Objekte und Vorgänge bezeichnen (sehendes Auge) oder ob sie Aussagen über Objekte und Vorgänge fungieren (in die Suppe schauen mehr Augen hinein als heraus). Man kann also vonnominativenundpropositionalen Phraseologismensprechen.

Weiter folgt eine andere Zweiteilung, nämlich einesyntaktische. Phraseologismen der ersten Gruppe, also der nominativen Phraseologismen, entsprechen einer syntaktischen Einheit unterhalb der Satzgrenze, d.h. einem oder mehreren Satzgliedern. Zu der zweiten Gruppe gehören die satzwertigen/propositionalen Phraseologismen, die einem Satz entsprechen.

Innerhalb der nominativen Phraseolgismen lassen sich drei Haupttypen unterscheiden: Idiome[9], Teil-Idiome13 und Kollokationen, also nicht- bzw. schwach-idiomatische Phraseologismen (Bsp.: sich die Augen reiben).

Diesatzwertigen/propositionalen Phraseologismen,die als Aussagen über Objekte oder Vorgänge gelten, sind zwei Gruppen zu unterscheiden:Feste Phrasenundtopische Formeln.

Bei festen Phrasen handelt es sich um Formulierungen, die an den Kontext angeschlossen sind und die sich in der Regel auf eine Situation beziehen oder den vorhergehenden Gesprächsbeitrag des Gesprächspartners (Burger, 2010, 39). Als Beispiel wird der Ausdruckich könnte ihm die Augen auskratzenaufgeführt, was laut Wahrig “Wut, jmdn. nicht leiden können“ bedeutet.

Zu topischen Formeln gehören: Sprichwörter:Eine Krähe hackt der anderen kein Augeaus

„Berufs- und Standesgenossen halten zusammen“ (Duden, Band 11) und Gemeinplätze, wie

Was sein muss, muss sein. Gemeinplätze formulieren keine neuen Einsichten, sondern Selbsverständlichkeiten und dienen als Bewertung von Handlungen oder als Rechtfertigung für Handlungen.

Strukturelle Phraseologismen

Die strukturellen Phraseologismen sind nach Burger “die kleinste und am wenigsten interessante Gruppe“. Sie haben eine innersprachliche Funktion und stellen grammatische Relationen her. Beispiele:in Bezug auf, sowohl - als auch.

[...]


[1]Näheres dazu siehe die Rezension von Korhonen zum Buch „Phraseologie. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung“.

http://www.linguistics.fi/julkaisut/SKY2007/KORHONEN_BOOK%20REVIEW.pdf 2 näheres dazu bei Jarmo Korhonen (2007): Probleme der kontrastiven Phraseologie.

[2]Schemann, Hans: Deutsche Idiomatik. Die deutschen Redewendungen im Kontext. Stuttgart: Klett, S. XXVII 4 Schemann, Hans: Deutsche Idiomatik. Die deutschen Redewendungen im Kontext. Stuttgart: Klett, S. XXVII

[3]näheres zu Polylexikalität siehe Punkt 2.2.1, Festigkeit siehe 2.2.3 6 näheres zu Idiomatizität siehe 2.2.2

[4]Mehr zu kognitiven Aspekten der Phraseologie siehe Dobrovol`skij/Piirainen (2009)

[5]Dobrovol`skij, Piirainen (1997): Symbole in Sprache und Kultur: Studien zur Phraseologie aus kultursemiotischer Perspektive. Bochum: Brockmeyer.

[6]Burger, Harald: Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen, S. 19.

[7]Der Begriff Formativ bezeichnet in der Sprachwissenschaft kleinste lineare Einheiten mit syntaktischer Funktion.

[8]Eine Übersicht über verschiedene Klassifikationen gibt es bei Fleischer, 1997, Kapitel 3, S. 110-123.

[9]Es wird von Idiomen im semantischen Sinne gesprochen, wenn überhaupt eine Diskrepanz zwischen der phraseologischen Bedeutung und der wörtlichen Bedeutung des ganzen Ausdrucks besteht (Burger, 2010, 30) 13 Nur einzelne Komponenten sind umgedeutet, andere bleiben in ihrer wörtlichen bzw. freien Bedeutung und der Phraseologismus lässt sich semantisch aufgliedern. Bsp. blinder Passagier, wobeiblindals „illegitim, ohne Berechtigung“ umgedeutet wird undPassagierseine wörtliche Bedeutung beibehält.

Fin de l'extrait de 101 pages

Résumé des informations

Titre
Phraseologismen mit der Komponente "Auge"
Auteur
Année
2013
Pages
101
N° de catalogue
V343258
ISBN (ebook)
9783668336025
ISBN (Livre)
9783668336032
Taille d'un fichier
862 KB
Langue
allemand
Mots clés
Phraseologismen, Deutsch, Portugiesisch, Phraseologie, Äquivalenzen, Äquivalenzproblematik
Citation du texte
Magdalena Szymanska Lazaro da Silva (Auteur), 2013, Phraseologismen mit der Komponente "Auge", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/343258

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