Gesellschaft und Feindbilder. Wie werden subjektive Vorurteile und Stereotypen zu gesellschaftlichen Feindbildern?


Trabajo Escrito, 2016

16 Páginas, Calificación: 2,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Wissenssoziologie

3. Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit
3.1. Die Alltagswelt
3.2. Gesellschaft als objektive Wirklichkeit
3.3. Gesellschaft als subjektive Wirklichkeit

4. Feindbilder - Begriff und Forschung

5.Wie Feindbilder entstehen

6. Schlussfolgerung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Die Dinge sind nicht wie sie sind, sondern wie die Gesellschaft sie deutet und interpretiert“ (Kasatschenko 2015: 15). Diese gesellschaftliche Interpretation der Dinge kann jedoch auch zu einer Verzerrung der Wirklichkeit führen. Gesellschaften und soziale Gruppen können dabei eine klar negative Verzerrung der Wahrnehmung und Deutung von „Wirklichkeit“ konstruieren. Ein treffendes Beispiel für diesen Prozess ist die Entstehung von Feindbildern in Gesellschaften oder gesellschaftlichen Teilsystemen und sozialen Gruppierungen. Feindbilder sind dabei als eine stark negative Wahrnehmung von anderen sozialen Gruppen, Ideologien, Religionen, Nationalitäten oder Ethnien anzusehen. Diese Feindbilder entstehen dabei nicht willkürlich. Systematisch sind einige Staaten, Organisationen oder Eliten daran interessiert diese Feindbilder in der Gesellschaft zu implementieren. Der Zweck ist dabei individuell. Ein oft herangezogenes Beispiel für die absichtliche Implementierung von Feindbildern in der Gesellschaft ist die Vorbereitung auf einen möglichen Konflikt oder Krieg und die damit verbundene Rüstungspolitik. Diese Wahrnehmung der Wirklichkeit oder anders betrachtet diese spezifische gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit soll Thema der vorliegenden Arbeit werden. Das Erkenntnisinteresse liegt dabei in der Theorie der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit und wie diese Theorie Feindbilder erklären kann. Die Fragestellung der vorliegenden Arbeit lautet deshalb angelehnt an die Fragestellung Berger und Luckmanns in ihrer Theorie zur gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit: „Wie ist es möglich, dass subjektiv gemeinter Sinn zu objektiver Faktizität wird?“ (Berger/Luckmann 2010: 20) : „Wie können subjektiv wahrgenommene Vorurteile und Stereotypen zu gesellschaftlichen Feindbildern werden? Ist dies durch die Theorie der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit zu erklären?“. Dies soll anhand der Theorie der Wissenssoziologie von Peter Berger und Thomas Luckmann untersucht werden, um die von ihnen beschriebenen Strukturen zur gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit zu verdeutlichen. Folgend soll der Begriff des Feindbildes erläutert werden, bevor die Entstehung von Feindbildern unter der Perspektive der Theorie von Berger und Luckmann analysiert werden soll. Hierbei sollen Strukturen und Begriffe der sozialpsychologischen Analyse von Feindbildern ergänzend eingesetzt werden. Die wissenschaftliche Relevanz der Fragestellung soll darin begründet sein, dass die gesellschaftliche Konstruktion von Feindbildern eine praktische Anwendung der Theorie von Berger und Luckmann beinhaltet und dieses Wissen um die Wirklichkeit festhält.

Die praktische Relevanz dieser Fragestellung soll darin begründet sein, dass weltweit dutzende Konflikte und Kriege durch das Prinzip der Konstruktion von Feindbildern am Leben gehalten werden, um Interessen von Eliten durchzusetzen. Denn ausgeprägte Feindbilder sind einer der wichtigsten Indikatoren für eine mögliche Eskalation eines Konfliktes hin zu einem Krieg (Sommer 2004: 1).

2. Die Wissenssoziologie

Die Wissenssoziologie wurden beginnend in den 1920er Jahren von dem Philosophen Max Scheler geprägt und auch über den deutschen Sprachraum verbreitet. Was jedoch früh bereits ein erhebliches Problem dieses soziologischen Fachgebietes war oder ist, ist seine Relativität. Berger und Luckmann nennen dieses Problem die „Seinsgebundenheit“ des Denkens (vgl. Berger/Luckmann 2010: 4). Auch der wissenssoziologische Diskurs über „Sein“ und „Bewusstsein“ trug sich unter diesem Paradigma aus. Nach Berger und Luckmann kam dieser Diskurs jedoch nicht zum Erfolg.

Deshalb sind Peter Berger und Thomas Luckmann mit ihrem Werk „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“ einen neuen Weg innerhalb der Wissenssoziologie gegangen, „durch eine systematische Beschreibung der intersubjektiven Prozesse, in denen die Menschen ihr Wissen um die Welt erwerben, es gesellschaftlich verfestigen, kontrollieren und weitergeben, soll ein neuer Anfang in der Wissenssoziologie gemacht werden“ (Berger/Luckmann 2010: V). Berger und Luckmann haben dazu alte Definitionen von „Wissen“ und Wirklichkeit hinter sich gelassen und diese für Ihr Werk neu definiert. Für sie ist Wirklichkeit, „die Qualität von Phänomenen, die ungeachtet unseres Wollens vorhanden sind“ und „Wissen“ die Gewissheit, dass Phänomene wirklich sind und bestimmbare Eigenschaften haben (vgl. Berger/Luckmann 2010: 1).

Nach Berger und Luckmann ist diese Wirklichkeit immer in einer Perspektive der gesellschaftlichen Relativität zu sehen. Demnach kann eine Person eine ganz andere Vorstellung und Wahrnehmung von Wissen und der Wirklichkeit haben, als eine andere Person. Dies ist davon abhängig, dass verschiedene gesellschaftliche Strukturen ebenfalls unterschiedliche Zusammenhänge von Wissen und Wirklichkeit identifizieren. Für die Wissenssoziologie bedeutet dies, dass nicht lediglich eine empirische Untersuchung der verschiedenen gesellschaftlichen Ausprägungen der Kern der Wissenssoziologie sein kann. Vielmehr ist es zu analysieren, wie in Gesellschaften durch eine bestimmte Ausprägung von Wissen eine gesellschaftliche Wirklichkeit entsteht. Die Gesellschaft ist damit Kern und Ausgangspunkt von Wissen und Wirklichkeit, denn diese bedingen sich innerhalb des sozialen Gefüges gegenseitig. Die Gesellschaft konstruiert sich dadurch ihre eigene Wirklichkeit.

3. Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit

Diese Theorie von Berger und Luckmann soll im Folgenden näher erläutert werden. Dazu werden erst die Grundzüge der Alltagswelt und der objektiven Wirklichkeit nach Berger und Luckmann dargestellt, bevor auf die Gesellschaft als subjektive Wirklichkeit eingegangen wird. Dies soll die Grundlage bilden, um später die Aussagekräftigkeit dieser Theorie am Beispiel der Entstehung von Feindbildern zu verdeutlichen.

3.1. Die Alltagswelt

Untersuchungsgegenstand der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit ist die Alltagswelt. Es ist präziser eine Analyse jenes Wissens, welches das Verhalten in der Alltagswelt reguliert (Berger/Luckmann 2010: 21). Diese Analyse hat dabei den Anspruch. Teil der Soziologie, als empirische Wissenschaft zu sein. Ausgangspunkt soll dabei nicht das Wissen der Intellektuellen sein, sondern vielmehr das von jedermann. Dieses Wissen wird im Folgenden als Alltagswissen bezeichnet und ist wiederum untrennbar mit der Alltagswelt verbunden. Die Alltagswelt ist die sich, vor uns, ausbreitende Wirklichkeit, welche von Menschen begriffen und gedeutet wird und diesen subjektiv sinnhaft erscheint (vgl. Berger/Luckmann 2010: 21). Demnach ist jene Alltagswelt eine intersubjektive Welt in welcher verschiedene Individuen eine übereinstimmende Sinnhaftigkeit erfahren können. Vorstufe dieser intersubjektiven Welt ist dabei jedoch eine subjektive Objektivierung der sozialen Wirklichkeit. Sprich durch die subjektive Wahrnehmung der sozialen Wirklichkeit der Individuen entsteht eine objektive Faktizität, welche für die Gesellschaft zur intersubjektiven Welt wird. Wie dieser Prozess entsteht, soll im Folgenden verdeutlicht werden.

Am Anfang dieses Prozesses steht das Individuum und seine Wirklichkeit. Diese ist nach Berger und Luckmann individuell und eine subjektive Interpretation von Wissen und Bewusstsein (vgl Berger/Luckmann 2010: 23). Das Bewusstsein ist dabei immer intentional auf ein Objekt gerichtet. Der intentionale Charakter von Bewusstsein ist es, der eine Vielzahl von Kategorien unterschiedlicher Wirklichkeiten entstehen lässt, da die Sinngebundenheit des Bewusstseins von verschiedenen Objekten abhängig ist. So führen Berger und Luckmann an, dass die Wirklichkeit der Alltagswelt eine andere Wirklichkeit darstellt als jene in der Traumwelt (vgl. Berger/Luckmann 2010: 24). Die Welt besteht demnach für jedes Individuum aus einer Vielzahl von Wirklichkeiten. Der Übergang von einer zu einer anderen Wirklichkeit ist jedoch mit einem Schock verbunden, ähnlich wie das erwachen aus einem Traum (vgl. Berger/Luckmann 2010: 24). Unter all diesen Wirklichkeiten ist die Wirklichkeit „par excellence“ (Berger/Luckmann 2010: 24) die Wirklichkeit der Alltagswelt. Diese bildet eine Wirklichkeitsordung, in welcher bereits eine Objektivierung stattgefunden hat; sprich eine Ordnung und Kategorisierung von Objekten bereits vorgefertigt ist. Das Individuum lebt damit in einem ständigen Zustand der Objektivation.

Der Sprache kommt dabei eine existenzielle Bedeutung zu, denn durch Sprache werden Objekte und auch menschlichen Systeme und Beziehungen erst in einen Sinn gesetzt. Der Sinn entsteht dabei in der menschlichen Interaktion. Durch diese wird die Wirklichkeit der Alltagswelt intersubjektiv und für alle erfahrbar. Die fundamentale Erfahrung des Anderen ist dabei die von Angesicht zu Angesicht. Die Vis-á-vis Situation ist der Prototyp aller gesellschaftlichen Interaktion. Jede andere Interaktionsform ist von ihr abgeleitet (Berger/Luckmann 2010: 31). In dieser Situation nimmt das Individuum die Aktionen des anderen wahr und kann somit auch seine Subjektivität wahrnehmen. Durch die Interaktion nehme ich den Anderen und mich selbst, in der Reflexion wahr. Durch die Erfahrungen im Vis-á-vis Kontakt formt sich die Wirklichkeit des Individuums durch Objektivierung. Teil dieser Wirklichkeit sind die Typisierungen mit denen das Individuum seinen Gegenüber einordnen und kategorisieren kann. So ist ein Amerikaner anders typisiert als ein Europäer (vgl. Berger/Luckmann 2010: 33). Diese Typisierungen sind durch die Alltagswelt vorgegeben. Das Individuum nimmt diese im Prozess der Objektivierung für sich an. Erfährt das Individuum in einer Vis-á-vis Situation jedoch einen Widerspruch müssen die Typisierungen revidiert oder modifiziert werden. Ähnlich wie der Übergang aus verschiedenen Wirklichkeiten kann dies mit einem Schock verbunden sein. Das Individuum ändert damit seine Wirklichkeit, dies kann dabei wieder einen Einfluss auf andere Individuen und die Alltagswelt haben und steht damit in einem Kreislauf. Denn Grundbedingung für die Alltagswelt ist die Existenz von Menschen, derer subjektiven Wahrnehmung und deren Interaktion. Erst durch diese wird die Alltagswelt intersubjektiv.

Dieser Vorgang hat dabei eine objektive wie eine subjektive Dimension der gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit, die im Folgenden näher erläutert werden.

3.2. Gesellschaft als objektive Wirklichkeit

Unter der gesellschaftlichen Konstruktion der objektiven Wirklichkeit fassen Berger und Luckmann die Institutionalisierung und die Legitimierung der Wirklichkeit zusammen.

[...]

Final del extracto de 16 páginas

Detalles

Título
Gesellschaft und Feindbilder. Wie werden subjektive Vorurteile und Stereotypen zu gesellschaftlichen Feindbildern?
Universidad
Helmut Schmidt University - University of the Federal Armed Forces Hamburg
Calificación
2,0
Autor
Año
2016
Páginas
16
No. de catálogo
V353035
ISBN (Ebook)
9783668392731
ISBN (Libro)
9783668392748
Tamaño de fichero
467 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Luckmann, Berger, Sozialkonstruktivismus, Feindbilder, Gesellschaft, Vorurteil, Stereotypen
Citar trabajo
Maximilian Krause (Autor), 2016, Gesellschaft und Feindbilder. Wie werden subjektive Vorurteile und Stereotypen zu gesellschaftlichen Feindbildern?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/353035

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