Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Inhaltsangabe
3. Einordnung in die didaktische Theorie
3.1 Humor im (Geschichts-)Unterricht
3.2 Filme im (Geschichts-)Unterricht
4. Anwendungs- und Didaktisierungsmöglichkeiten am Bsp. von „Sonnenallee“
5. Schluss
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Untersuchungen zum Einsatz von Humor im Unterricht haben Zusammenhänge zwischen Humor, Unterrichtseffektivität […] und Lernen […] gezeigt. Humor kann zu einer entspannten und angenehmen Atmosphäre im Unterricht beitragen [...], die auch die Motivation des Lernenden positiv beeinflusst [...]. So bekommen Lehrende bessere Evaluierungen von Lernern, wenn sie Humor im Unterricht anwenden […]. Auch intensiviert Humor „immediacy“ […], die Nähe zwischen Lehrenden und Lernenden […].[1]
Dieser Auszug aus dem Sammelbandartikel „Eine empirische Untersuchung zum Einsatz von Humor im Fremdsprachenunterricht in den USA“ von Eduardo Urios-Aparisi und Manuela Wagner beinhaltet Aussagen über die Wirkungen des Einsatzes von Humor im Unterricht. Die Autoren erläutern in diesem Abschnitt, dass humorvolles Unterrichten die Effektivität des Unterrichts steigert und sich positiv auf die unterrichtliche Atmosphäre, die Motivation der Schülerinnen und Schüler[2] sowie das Lehrer-Schüler-Verhältnis auswirkt. Demzufolge kann die Anwendung von Humor im Unterricht von großer Bedeutung für den Lernprozess der SuS sein.
Das Einbringen von Humor in den Unterrichtsverlauf kann auf verschiedene Arten und Weisen erfolgen: Zum einen können Lehrerinnen und Lehrer[3] selbst Humor gebrauchen; zum anderen können sie verschiedene historische Quellenarten, in denen Humor, Ironie oder Spott angewendet wird, in ihrem Unterricht einsetzen. Zu diesen Quellenarten zählen unter anderem Karikaturen, Schmähschriften, komische Literatur, komödiantische Filme sowie das Kabarett. Auch politische Witze, wie etwa bezüglich Diktaturen, sind im Geschichtsunterricht einsetzbar. Desweiteren lässt sich Spott in Form von Fabeln[4] sowie Holzdrucken[5] finden. Die unterrichtliche Verwendung dieser beiden Quellenarten ist ebenfalls denkbar. Grundsätzlich können all diese Quellenarten den LuL eine ausgezeichnete sowie naheliegende Möglichkeit bieten, humorvolle Elemente in ihren Geschichtsunterricht einfließen zu lassen.
Für meine Hausarbeit habe ich mich aus der oben genannten Auswahl von Quellenarten für den Film entschieden. In der Regel kommt Humor in bewegten Bildern besser rüber als in einer einzelnen Abbildung (z.B. Karikatur) oder einem Text (z.B. Schmähschrift). Dies liegt hauptsächlich daran, dass die verbale Kommunikation, durch die Humor in Worten ausgedrückt wird, durch eine entsprechende non-verbale Kommunikation wie Gestik und Mimik verstärkt wird.[6] Darüber hinaus handelt es sich beim Film (im Gegensatz z.B. zum Kabarett) um ein modernes Medium, dessen Bedeutung sowohl für die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen[7] als auch für den (Geschichts-)Unterricht[8] in den letzten Jahren stetig zugenommen hat. Bodo von Borries‘[9] Annahme aus dem Jahre 1985, Fernsehen – und somit auch der Spielfilm – beeinflusse „historisches Interesse, Wissen, Verständnis und Bewußtsein mehr als die Schule, erst recht mehr als der Geschichts- und Politikunterricht“, ist heutzutage aufgrund des massenhaft gewachsenen Film- und Fernsehangebots vermutlich noch zutreffender als damals.[10] SuS eignen sich Geschichtswissen in der heutigen Zeit also oftmals mit Hilfe von historischen Spielfilmen (sogenannte „Historienfilme“) an. Unter anderem aus diesen Gründen ziehen LuL den Einsatz von (komödiantischen) Historienfilmen zur Vermittlung von Geschichtsinhalten sowie bestimmten Kompetenzen immer häufiger in Betracht.
Mit Historienkomödien im Allgemeinen und der DDR-Parodie „Sonnenallee“ im Besonderen werde ich mich in dieser Hausarbeit näher beschäftigen. Dabei wird es hauptsächlich darum gehen, den korrekten unterrichtlichen Umgang mit humoristischen Historienfilmen sowie eine praxisnahe Möglichkeit zur Verwendung der Filmkomödie „Sonnenallee“ im Geschichtsunterricht aufzuzeigen. Darüber hinaus werde ich im Laufe dieser Hausarbeit versuchen, eine Antwort auf die folgende Leitfrage zu entwickeln: Sind komödiantische Spielfilme (bspw. der Film „Sonnenallee“) im Geschichtsunterricht ein sinnvolles Vermittlungsinstrument oder sinnloser Zeitvertreib? Der Beantwortung dieser Leitfrage werde ich mich nähern, indem ich nach einer Inhaltsangabe des Films „Sonnenallee“ (Kapitel 2) zuerst das übergeordnete Thema dieser Arbeit, „komödiantische Filme im Geschichtsunterricht“, in die fachdidaktische Theorie einordne und diesbezüglich den Stand der Literatur darlege (Kapitel 3). Da die Theorie des Unterrichts, also die Didaktik immer als Basis für die Schulpraxis fungiert, ist die vorangehende Einordnung des Themas in die fachdidaktische Theorie wichtig und eine unentbehrliche Grundlage für das Kapitel 4. In diesem Kapitel werde ich dann eine Anzahl von Möglichkeiten für die Anwendung komödiantischer Historienfilme im Geschichtsunterricht am Beispiel der Filmkomödie „Sonnenallee“ erarbeiten, mehrere Beispielaufgaben vorstellen und diese mit verschiedenen fachdidaktischen Begründungskriterien untermauern. Dieser Teil soll in erster Linie Aufschluss darüber geben, wie man humoristische und ironische Historienfilme und insbesondere die Filmkomödie „Sonnenallee“ im Unterricht behandeln kann, welche Möglichkeiten es in Bezug auf Methoden und Materialien gibt und was man bei der Thematisierung beachten sollte. Zum Schluss werde ich die Ergebnisse des Hauptteils analysieren, indem ich die wichtigsten Aspekte noch einmal zusammenfasse und ein begründetes Urteil in Bezug auf die Leitfrage treffe (Kapitel 5).
Als Hilfsmittel habe ich in erster Linie die zum Projekt „Vergangenheit verstehen, Demokratiebewusstsein stärken. Die DDR im (DEFA-)Film“ des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) gehörende Publikation „Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Der publikumswirksame Ernst des Leander Haußmann“ von Waltraud Schreiber, Florian Sochatzy, Marcus Ventzke und Anna Wenzl verwendet. Diese Publikation war für meine Hausarbeit von besonderer Relevanz, da sie einen Einblick in ein mögliches Unterrichtskonzept zur Verwendung des Films „Sonnenallee“ im Geschichtsunterricht gewährt, entsprechende didaktische Überlegungen sowie Arbeitsanregungen enthält und dadurch auf exemplarische Weise zeigt, wie man einen komödiantischen Historienfilm bewusst in ein reflektierendes Lernarrangement einbinden kann.
2. Inhaltsangabe
Die im Jahre 1999 erschienene Filmkomödie „Sonnenallee“ von Leander Haußmann spielt in den 1970er Jahren in Ost-Berlin und parodiert das frühere Leben in der DDR. Der Film stellt die typischen alltäglichen Probleme der DDR-Bürger auf komödiantisch-ironische Art und Weise dar.
Im Mittelpunkt des Films steht das Leben des 17-jährigen Protagonisten Michael „Micha“ Ehrenreich, der im Grenzgebiet der DDR wohnt. Dort lebt er mit seinen Eltern und seiner Schwester in einer Straße namens „Sonnenallee“, die durch die Berliner Mauer geteilt ist. Michael besucht die Erweiterte Oberschule (EOS) „Wilhelm Pieck“ und steht kurz vor dem Abitur. Er liebt Rockmusik und träumt davon, Popstar zu werden. Sein Interesse für Politik hingegen ist eher gering.
Michas Onkel Heinz, der im Westen Berlins wohnt, kommt die Familie Ehrenreich regelmäßig in Ost-Berlin besuchen. Für Michas Mutter schmuggelt er Nylonstrümpfe über die innerdeutsche Grenze. Heinz spricht häufig davon, dass in Westdeutschland alles besser sei. An der DDR beklagt er die Asbestverseuchung sowie die angeblich schlechten Zukunftsaussichten. Er ist jedoch derjenige, der schließlich an Lungenkrebs stirbt. Aufgrund der Schilderungen Heinz‘ denkt Michas Mutter für eine gewisse Zeit darüber nach, Ost-Berlin zu verlassen und mit einem gefälschten Pass nach Westdeutschland überzusiedeln. Doch letzten Endes entscheidet sie sich dafür, bei ihrer Familie in Ost-Berlin zu bleiben.
Michas bester Freund Mario und der gemeinsame Freund Wuschel besuchen ebenfalls die EOS „Wilhelm Pieck“ und stehen genau wie Michael kurz vor dem Abitur. Die drei Jugendlichen führen ein gewöhnliches Teenagerleben: Sie hören westliche Pop- und Rockmusik der 1970er Jahre (insbesondere die Rolling Stones), erleben ihre erste Liebe und kämpfen mit dem Erwachsenwerden. Außerdem träumen die Drei von einem Studium und stellen sich daher die Frage, ob sie nach Abschluss ihrer Schulausbildung ihren Wehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA) antreten oder verweigern sollen. Micha entscheidet sich vorerst für den Wehrdienst bei der NVA, um seine Chance auf ein Studium aufrechtzuerhalten. Im Laufe des Films ändert sich jedoch seine Lebenseinstellung und schließlich weigert er sich, seinen Wehrdienst anzutreten. Mario hingegen verpflichtet sich zur NVA, da er erfährt, dass seine Freundin schwanger ist. Dass Mario sich von der Stasi anwerben lässt, versetzt seiner Freundschaft zu Micha einen schweren Schlag.
Ein weiterer wichtiger Handlungsstrang beschäftigt sich mit Michaels Liebe zu Miriam. Micha bemüht sich sehr darum, seinen Schwarm für sich zu gewinnen. Aber Miriam interessiert sich anfangs ausschließlich für Jungen aus dem Westen, sodass Michas Annäherungsversuche vorerst erfolglos bleiben. Doch am Ende hat Micha Erfolg: Ihm gelingt es, das Herz seiner großen Liebe Miriam für sich zu gewinnen.
3. Einordnung in die didaktische Theorie
Ansichten und Meinungen von Didaktikern zu den Themen „Humor im (Geschichts-) Unterricht“ sowie „Film im (Geschichts-)Unterricht“ entdeckt man in der Literatur reichlich; Literatur zum Thema „komödiantische Spielfilme im (Geschichts-)Unterricht“ lässt sich hingegen nur schwerlich finden. Demzufolge werde ich die beiden Komponenten „Humor“ und „Film“ in diesem Kapitel getrennt behandeln und nacheinander darlegen, was in der Literatur zur unterrichtlichen Verwendung von Humor und Filmen geschrieben steht. Dies ist möglich, da die didaktische Theorie, die ich im Folgenden vorstellen werde, problemlos und ohne Umwege auf das Thema „komödiantische Spielfilme im (Geschichts-)Unterricht“ übertragbar ist.
3.1 Humor im (Geschichts-)Unterricht
Wie in der Einleitung bereits erwähnt wurde, wirkt sich der Gebrauch von Humor positiv auf verschiedene Aspekte des Unterrichts aus. In erster Linie wird Humor im Klassenzimmer zur Lernmotivation der SuS eingesetzt. Zudem verbessert humorvolles Unterrichten das Lernverhalten der SuS; dadurch sind sie aufmerksamer und konzentrierter. Humor sorgt somit dafür, dass die SuS eifriger bei der Sache sind.[11] Darüber hinaus wird dem Humor auch eine „schlichtende“ Funktion zugeschrieben: Mit ihm lassen sich gewisse Zwänge von SuS mildern, Ängste vor Versagen, Enttäuschung und Ablehnung lindern, Ärger vertreiben sowie kritische Situationen entspannen.[12] Dies wird erreicht, „indem wir dem Frust Freude entgegensetzen, dem Sinn den Unsinn, dem Rational-Vernünftigen das Irrational-Unvernünftige“.
Untersuchungen von Dieter Kassner (2002) bestätigen die genannten Effekte: Erlebter Humor im Unterricht bewirkt, dass Schüler die damit verbundenen Lernprozesse positiv besetzen (und besser behalten), dass Freude und Spaß am Lernen möglich sind, dass sich Schüler gleichzeitig wohl, motiviert und ermutigt fühlen. Erlebter Humor verbessert die Verbindlichkeit des Unterrichts, da dieser „direkter“ erlebt (nicht einfach so „abgespult“) wird.
[…] Humor kann Erziehenden ihre Arbeit wesentlich erleichtern, er kann auch den Schülern ihre Arbeit schmackhaft machen, das Lernen begünstigen.[13]
Hinzu kommt noch, dass man unter Zuhilfenahme von Humor auf unkomplizierte Art und Weise Lerninhalte vermitteln kann.[14] Ein gutes Beispiel hierfür sind heikle oder gar tabuisierte Themen: „Mit Humor können sich Menschen mit Tabu-Themen und Tabu-Gefühlen (angstfreier, ungehemmter, unmaskierter) auseinandersetzen.“[15] Dies liegt daran, dass humoristische Äußerungen oder Abbildungen ausreichend Abstand zu einem gefährlichen und möglicherweise schockierenden Ereignis herstellen.
Der Einsatz von Humor im Unterricht kann also vielseitig sein und die unterrichtliche Verwendung von Humor aus unterschiedlichen Gründen sowie mit verschiedenen Zielen stattfinden. Die obigen Erläuterungen sind ausnahmslos positiv, obwohl sie auf verschiedene Literaturwerke basieren. Dies lässt erahnen, dass Didaktiker dem Einsatz von Humor in der Schulpraxis durchweg positiv gegenüberstehen und demzufolge auch humorvolle Unterrichtstechniken begrüßen.
Jedoch findet man in der Literatur auch immer wieder Hinweise darauf, dass es ein wichtiges Kriterium im Zusammenhang mit der Anwendung von Humor gibt: „In der Bildungs- und Filmarbeit ist ein Film wie Das Leben ist schön allerdings dennoch nicht ohne weiteres einsetzbar, denn er setzt gerade jenes Wissen voraus, das oft erst vermittelt werden muss.“[16] Dementsprechend ist in Bezug auf humorvolles Unterrichten „Hintergrundwissen von Bedeutung, ist doch ein gemeinsames Wissen notwendig, um eine Äußerung als humorvoll oder als ernst einzustufen“[17]. Das bedeutet, dass zunächst ein bestimmtes Maß an Vorwissen bei den SuS geschaffen werden muss, damit LuL und ihre SuS über ein gemeinsames Wissen bzgl. eines Themas, das im Unterricht humorvoll behandelt werden soll, verfügen und folglich der Einsatz von Humor im Unterricht gelingen und man gemeinsam über etwas lachen kann.
[...]
[1] Urios-Aparisi, Eduardo/Wagner, Manuela: Eine empirische Untersuchung zum Einsatz von Humor im Fremdsprachenunterricht in den USA. In: Hoffmann, Tina/Lercher, Marie-Christin/Middeke, Annegret/Tittel, Kathrin (Hg.): Humor. Grenzüberschreitende Spielarten eines kulturellen Phänomens. Universitätsverlag Göttingen. Göttingen 2008. S. 234.
[2] Im Folgenden wird die Abkürzung SuS verwendet.
[3] Im Folgenden wird die Abkürzung LuL verwendet.
[4] Die Verwendung von Spott in Fabeln war üblich für die Antike.
[5] Die Verwendung von Spott in Holzdrucken war üblich für das Mittelalter und die Lutherzeit.
[6] Vgl. Schubert, Christoph: Was gibt’s denn da zu lachen? – Witze und Humor aus sprachwissenschaftlicher Sicht. In: Schubert, Christoph (Hg.): Kommunikation und Humor. Multidisziplinäre Perspektiven. LIT. Berlin 2014. S. 32.
[7] Vgl. Wagner, Anne/Müller, Andreas: Alexander der Große im Film. In: Klose, Dagmar (Hg.): Die Grundlegung der modernen Welt in der Antike. Lehrerhandreiche für den Geschichtsunterricht nach neuem Rahmenlehrplan für die Sekundarstufe II Berlin-Brandenburg. Universitätsverlag Potsdam. Potsdam 2008. S. 243.
[8] Vgl. Schneider, Gerhard: Filme. In: Pandel, Hans-Jürgen/Schneider, Gerhard (Hg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht. Wochenschau-Verlag. Schwalbach 1999. S. 367.
[9] Prof. Dr. Bodo von Borries (* 7. Januar 1943): dt. Historiker und Geschichtsdidaktiker.
[10] Vgl. Schneider. S. 367.
[11] Vgl. Urios-Aparisi/Wagner. S. 239.
[12] Vgl. Veith, Peter: Humor im Klassenzimmer. Soziale Kompetenzen stärken – Ermutigen – Motivieren. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 2007. S. 19.
[13] Ebd.
[14] Vgl. Urios-Aparisi/Wagner. S. 239 und 241ff.
[15] Veith. S. 19.
[16] Werner, Tilo: Holocaust-Spielfilme im Geschichtsunterricht. Schindlers Liste, Der Pianist, Drei Tage im April, Das Leben ist schön, Zug des Lebens. Books on Demand. Norderstedt 2004. S. 30.
[17] Urios-Aparisi/Wagner. S. 235.