Der Gesellschaftsvertrag bei Jean-Jacques Rousseau


Seminararbeit, 2016

28 Seiten, Note: 9


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Einführung

B. Biographische Eckdaten Rousseaus

C. Das Menschenbild Rousseaus

D. Grundbegriffe der Lehre Rousseaus
I. Freiheit
II. Der Gemeinwille

E. Der Gesellschaftsvertrag
I. Die Entstehung des Gesellschaftsvertrags
II. Ziele des Gesellschaftsvertrags
III. Der Begriff der Souveränität und des Souveräns
IV. Die Gesetze
V. Die Republik
VI. Die Regierung

F. Auswirkungen der Lehre Rousseaus

G. Fazit

Literarturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Einführung

„ Es gibt tausend Mittel Menschen zu verbinden, aber nur eines, sie zu vereinigen. “

Dieses Zitat stammt aus dem im Jahre 1869 veröffentlichten Manuskript „Contrat Social“ von Jean-Jacques Rousseau.1 In ihm manifestiert sich Rousseaus Grundvorstellung eines aus vielen Individuen vereinigten Gesellschaftskörpers, der dem Volk Gleichheit, Gerechtigkeit und Freiheit bietet. Besonders von letzterer sah Rousseau sich und seine Mitmenschen zunehmend distanziert und fand den Ursprung dieses Problems, anders als seine Vorgänger, tief in der Innenwelt des Menschlichen Wesens verwurzelt.2 Der Mensch ist nach Rousseau in seiner ursprünglichen Unbefangenheit, also seinem natürlichen Zustand, frei.

So heißt es zu Beginn Rousseaus ersten Kapitels des Gesellschaftsvertrags: Der Mensch wird frei geboren, aber ü berall liegt er in Ketten. “ 3 Mit der Entfremdung der Menschen von sich selbst und ihres natürlichen Zustands, wurden diese zu unfreien, fremddeterminierten4 Scheinformen ihres wahren Daseins. Der Gesellschaftsvertrag soll die Menschen wieder freimachen5 und ihre Vereinigung zu einer Gesellschaft durch die Bedingung des Gemeinwillens sowie der Freiheit legitimieren.

Rousseau begab sich Zeit seines Schaffens in eine tiefe Kluft zwischen dem Vertreten eines fortschrittlichen abstrakten Rationalismus und eines, ihn gesellschaftlich isolierenden, subjektiv-individualistischen6, wenn nicht sogar romantischen7 Standpunkts.8 Diese Bipolarität äußert sich einerseits in einer andauernden Flucht und Idealisierung in Richtung des ursprünglichen Naturzustands und andererseits in dem Streben nach einer revolutionären Gesellschaftsform, bedingt durch den Gesellschaftsvertrag. Dieses innere Zerwürfnis unterscheidet ihn von anderen Denkern wie Hobbes, oder später Kant und beleuchtet sowohl die manchmal antagonistische Mannigfaltigkeit seiner Argumentationsstruktur, als auch die zeitlich weit vorausgreifende Brillanz seiner teilweise ambivalenten Doktrin.

Zur Gewährleistung eines ausdifferenzierten Verständnisses von Rousseaus Wirken und Schaffen, werde ich sein Leben zu Beginn meiner Arbeit zusammengefasst darstellen. Im Anschluss greife ich einige Aspekte des Menschenbilds Rousseaus auf, gefolgt von Grundbegriffen seiner Lehre und erkläre diese, um dem Leser das vollständige Erfassen des hieraufhin folgenden Hauptteils der Arbeit zu ermöglichen. Dem Hauptteil widme ich Rousseaus Paradigma des Gesellschaftsvertrags. Eine angemessene Schwerpunktsetzung realisiert sich hier in der Beschreibung der Entstehung des Gesellschaftsvertrages und der ihm entspringenden Ziele sowie der von Rousseau geprägten Prinzipien der Souveränität und der Republik. Im weiteren Verlauf der Arbeit setze ich mich mit Rousseaus Vorstellungen einer Regierung und der ihr obliegenden Staatsform auseinander. Zuletzt werden die Früchte und Auswirkungen Rousseaus Werkes in Betracht gezogen und diese Arbeit mit einem Fazit beendet.

B. Biographische Eckdaten Rousseaus

Die Lebensumstände Rousseaus sind sehr kontrastreich was sicherlich - wie bei den meisten Avantgardisten - zu seiner aus dem Raster fallenden Weltanschauung führte, welche schließlich das Substrat für seine Lehre lieferte. Rousseau kam am 28. Juni 1712 in Genf als Sohn eines Uhrmachers ohne nennenswertes Vermögen zur Welt. Seine Mutter, die Tochter eines Pfarrers, war eine gebildete und intelligente Frau, doch starb sie kurz nach der Geburt ihres Sohnes. Nach dem Verlassen des großväterlichen Hauses wuchs Rousseau bis zum zehnten Lebensjahr im neuen Wohnhaus seines Vaters auf,9 welches sich in dem ärmlichen Handwerkerviertel St. Gervais unterhalb der „oberen“ Genfer Prunkgegenden befand. Es ist davon auszugehen, dass jene vom Vater oft nächtelang vorgelesenen Romane10 und das Erfahren gesellschaftlicher Differenzen eine Saat in Jean-Jacques pflanzte, die Jahre später in ihm aufgehen und schließlich ihr ganzes Potenzial entfalten sollte.

Aufgrund eines Streits des Vaters11 wurde Rousseau zu des Vaters Schwager und schließlich zum Pfarrer Lambercier in Bossey weitergereicht, wo er zwar Unterricht, aber auch körperliche Züchtigung erhielt. Ähnliches widerfuhr ihm unter späterer Obhut einer Tante des Vaters, bei der er sehr unter autoritärer Ungerechtigkeit litt, jedoch gleichzeitig äußerst frei aufwuchs. Hier entdeckte er im gemeinsamen Singen auch seine Leidenschaft zu Musik, die sich später auch in einigen Bereichen seines Werkes widerspiegelt.12 Nach mehreren fruchtlosen Ausbildungsversuchen machte sich Rousseau im Alter von nur sechzehn Jahren auf die Suche seines Glückes in der Freiheit und wanderte nach Savoyen. Hier lernte er Madame de Warens kennen, die für ihn zuerst die Rolle der fehlenden Mutter und später die, der ersten Geliebten, übernahm. Unterstützt durch Madame de Waren begann Rousseau sich selbst in großem Umfang Wissen sowie musikalische Fähigkeiten anzueignen und zu reisen. Die folgenden Jahre bezeichnete er häufig als seine glücklichsten.13

Als er von einer Reise aus Montpellier zurückkehrte, erfuhr er von dem neuen Partner seiner geliebten „Maman“ und blieb trotzdem für zwei weitere Jahre bei ihr.14 Genauso wie er diesem Bruch mit Trotz begegnete, ließ er sich von später folgenden Niederlagen nicht einschüchtern und verfolgte stets das Ziel sein Wissen in vielen Bereichen auszuweiten.

Rousseau versuchte es nun in der pulsierenden Stadt Venedig, jedoch musste er sich dort anfangs mit schlecht bezahlten und für seinen Wissensstand entwürdigenden Tätigkeiten, als Hauslehrer zufriedengeben. Nachdem er in der musikalischen Stadt Fuß fassen konnte, trat er im Jahre 1743 in den diplomatischen Dienst ein und komponierte erste Teile seiner Oper „Les Muses Galantes“.15

In Paris stellte Rousseau seine Oper fertig und machte Bekanntschaft mit Denis Diderot und Jean-Baptiste le Rond d’Alembert, welche zu jener Zeit in Paris die „Encyclopédie“ veröffentlichten. Als eine Sammlung von komplexem Wissen verschiedenster Art für jedermann, stellte sie eines der primären Werke der französischen Revolution dar. Rousseau brachte sich in ihr mit mehreren Artikeln musikalischen wie politischen Ursprungs ein16 und vervollkommnete so sein Studium in diesen Fächern.17

Zur gleichen Zeit wurde Rousseaus erstes Kind in Folge einer Affäre geboren. Dieses übergab Rousseau, wie auch die daraufhin folgenden, in ein Waisenhaus.18 Dies war zu jener Zeit eine weitverbreitete Praxis von der Rousseau, trotz der damals üblichen schlechten Lebenserwartungen in Waisenhäusern, Gebrauch machte. Er wurde und wird noch heute heftig für diese Handlungen kritisiert, was vor allem durch Zweifel an der Authentizität seines pädagogischen Hauptwerkes „Émile ou De l’éducation“ deutlich wird. Im Jahre 1752 landet Rousseaus Oper großen Erfolg und er erhielt ein Angebot auf eine jährliche Pension durch den König, welches er allerdings ausschlug, um weiterhin seinen Weg der Unabhängigkeit zu bestreiten.

Er kehrte dem Königshaus den Rücken zu und begann nun mit dem Verfassen seiner bedeutendsten Werke.19 Hierzu zählt auch sein revolutionäres Werk:

„Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts“20, welches 1762 veröffentlicht wurde und im Mittelpunkt dieser Arbeit steht.21 Da der Inhalt dieses Werkes grundlegend neue Ideen beinhaltete und sein systemgefährdendes Potenzial schnell von der Aristokratie erkannt wurde, zensierten die Erzbischöfe von Genf und von Paris dieses. Die Zensur führte zu Bücherverbrennungen und schlussendlich zur Verbannung Rousseaus aus der französischen Haupt- und sogar aus seiner eigenen Heimatstadt.22 Die Kirche sah in dem Werk des Philosophen eine provokative Verachtung des katholischen Glaubens und legitimierte so ihr Vorgehen.23

Die aufklärerische Kraft, welche von Rousseaus Werk ausging, wurde nicht zu Unrecht von der Kirche und dem König gefürchtet. Sie legte einen gedanklichen Grundbaustein der französischen Revolution im 18. Jahrhundert.24

Rousseau wurde vor allem in seiner Kindheit mit der damals üblichen klassenspezifischen Ungleichheit und Ungerechtigkeit konfrontiert. Zeit seines Lebens kritisierte er das Konzept einer bürgerlichen Gesellschaft und führte neue, demokratisch anmutende Begriffe, wie beispielsweise den „Souverän“ ein. Der Philosoph Rousseau, der mitverantwortlich für den gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Umbruch des ganzen Abendlandes war, verstarb am 2. Juli 1778 auf dem Schlösschen Ermenonville des Marquis René Louis de Girardin.25

C. Das Menschenbild Rousseaus

Rousseaus Menschenbild ist geprägt von einer starken Aversion gegen die damalige Gesellschaft und die ihr entspringende Kultur.26 Er nennt sie affektiert und künstlich, einen Schein, Verstellung und sogar Lüge.27 Der Prozess dieses Niedergangs der „edlen“ menschlichen Attribute wird von ihm „Depravation“ genannt28. Er romantisiert stets seine Vorstellung vom „homme naturel“, dem Naturmenschen also, der von ihm auch als „edler wilder“ bezeichnet wird und Gesundheit, Friedfertigkeit, paradigmatische Klugheit sowie Zufriedenheit versinnbildlicht.29 Dieser hat seiner Auslegung nach ursprünglich, im Gegensatz zu Hobbes, keine bösartigen Eigenschaften.30 Erst Gesellschaft und Kultur erwecke die verwerflichen Eigenschaften im Menschlichen Wesen, wie folgender Auszug aus einem Werk Rousseaus zeigt:

„ [ … ] Man bewundere die menschliche Gesellschaft, soviel man will, es wird deshalb nicht weniger wahr sein, dass sie die Menschen notwendigerweise dazu bringt, sich in dem Ma ß e zu hassen, in dem ihre Interessen sich kreuzen[ … ] “ . 31

Der damalige Mensch ist Rousseau zufolge von sich selbst entfremdet.32 Er gestaltet sein Leben nur unter dem Zwang gesellschaftlicher Muster und bestimmt sein Leben somit nicht, sondern wird von außen bestimmt.33 Rousseaus allgemeiner Kulturpessimismus zeigt sich nicht zuletzt daran, dass er von einer Heteronomie, also von einer Determination des Menschen durch externe Faktoren ausgeht, was zu dem Gesellschaftszustand eines „außer sich seins“, anstatt eines Naturzustandes des „in sich seins“ führt.34 Folglich ist der autonome natürliche Mensch frei, da er sich jedoch selbstentfremdet hat bzw. wurde, ist der gesellschaftliche heteronome Mensch letztlich unfrei.35

Jedem natürlichen Menschen wohnt nach Rousseau ein ursprünglicher Drang bzw. Instinkt nach Selbsterhaltung inne.36 Der Mensch besitzt zu Beginn Selbstliebe, die „amour de soi“, woraus ein auf sich selbst konzentrierter, bedürfnisgelenkter Wille entspringt. Er unterscheidet sich vom Tier durch die, „perfectibilité“ genannte Fähigkeit zur Vervollkommnung. In Folge der Vergesellschaftlichung des Naturmenschen verwandelt sich dessen Selbstliebe in eine sogenannte „amour propre“, also eine „Selbstsucht“. Diese Selbstsucht entwickelt einen selbstschädigen Charakter, da jeder einzelne nur darauf fixiert ist Eigentum zu akkumulieren, um seinen gesellschaftlichen Wert zu konsolidieren.37 In dieser Spirale der permanenten Selbststeigerung entfaltet sich die allgemeine Selbstentfremdung, wodurch schließlich auch die gesellschaftliche Aufspaltung in Arm und Reich bedingt wird. An folgendem Auszug aus dem „Discours“ (dt. „Abhandlung über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen“) wird die negative Grundeinstellung Rousseaus gegenüber dem Eigentum deutlich:

„ Der erste, der ein St ü ck Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen » Dies geh ö rt mir « und der Leute fand, die einf ä ltig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begr ü nder der b ü rgerlichen Gesellschaft … Verbrechen, Kriege, Morde, wieviel Elend und Schrecken w ä re dem Menschengeschlecht erspart geblieben …“

Der autonome Naturmensch verlor seine Freiheit folglich auch durch die Etablierung des Eigentums.38

Zu guter Letzt ist in Bezug auf Rousseaus Menschenbild noch die Rolle der Vernunft zu erwähnen. Sie ist nach Rousseau der Freiheit des Willens untergeordnet39 und genau hierin sieht er auch den Ursprung des menschlichen Wesens. In später folgenden Aufklärungstheorien ist der Wille stets der Vernunft untergeordnet, während er doch den Kern Rousseaus voluntaristischer Anthropologie bildet.

D. Grundbegriffe der Lehre Rousseaus

I. Freiheit

Der Begriff der Freiheit nimmt in Rousseaus Kontraktualismus die Rolle eines elementaren Bestandteils ein und ist mitunter eine Prämisse für jenes fiktive Experiment. Rousseau geht davon aus, dass dem Menschen allein durch das Menschsein, also von Beginn seines Lebens eine natürliche Freiheit innewohnt (siehe oben)40, welche nur ihm gehört,41 aber infolge der Entstehung der Zivilisation sowie hierdurch bedingter Fremddeterminierung und Selbstentfremdung schwindet. Gleichzeitig behauptet er, dass „die Menschen dem Gesetz allein Gerechtigkeit und Freiheit verdanken“,42 was auf erstem Blick widersprüchlich zu der vorherigen Aussage erscheint, doch nur in Verbindung mit der Bedeutung des Gemeinwillens ausgelegt werden kann. Anders als bei Hobbes ist nach Rousseau nicht die Sicherheit des Volkes das wichtigste Element einer Gesellschaft, sondern die Freiheit, da das Vaterland ohne sie nicht überleben kann und jene wiederum nicht ohne die Tugend, welche schlussendlich auf das Individuum an sich zurückzuführen ist.43 Sicherheit bedeutet für Rousseau nicht zwangsweise Schutz vor Angriffen, sondern vielmehr die gegenseitige interindividuelle Absicherung der Menschen untereinander, die durch den Gesellschaftsvertrag bewirkt wird.44

„ Auf seine Freiheit zu verzichten, hei ß t, auf sein Menschtum, auf die Menschenrechte, sogar auf seine Pflichten zu verzichten. “ 45

Deutlicher kann die essentielle Wichtigkeit des Freiheitsbegriffs kaum ausgedrückt werden. Interessant ist auch die Tatsache, dass Verpflichtung nach Rousseaus Verständnis keineswegs Freiheit ausschließt. Dies wird später im Zusammenhang mit der Erklärung des Gesellschaftsvertrags weiter ausgeführt.

Die von Rousseau ausgehende Bemühung, um eine ausdifferenzierte Veranschaulichung seines Freiheitbegriffes kann noch schlüssiger dargestellt werden, wenn dieser in seinen geschichtsphilosophischen Rahmen eigebettet wird. Zu Rousseaus Lebzeiten befand sich die Gesellschaft in einem Klassen- , bzw. Ständesystem, welches in hohem Maße die Freiheit und Gleichheit der Menschheit einschränkte. Unter der Herrschaft des absolutistischen „Ancien Régime“ der vorrevolutionären Epoche, waren weder freiheitliche Grundsätze noch Gleichheit vor dem Gesetz des Volkes gesichert. Doch nicht nur der niederste Stand der Gesellschaft war von dem Verfall der freiheitlichen Ideale bedroht. Rousseau sah auch die Freiheit der reichen Elite durch gesellschaftliche Fremddeterminierung und resultierender Selbstentfremdung gefährdet. Das System bedurfte auf Grund hoher staatlicher Verschuldung einer grundlegenden Erneuerung und genau hier setzte Rousseau mit der Aufwertung des fast in Vergessenheit geratenen Ideals des Gemeinwillens und der ihm entspringenden Freiheit an.

II. Der Gemeinwille

Der Wille an sich ist ein immer wiederkehrender Bestandteil in Rousseaus Ausführungen zum Gesellschaftsvertrag. Im Wesentlichen unterscheidet Rousseau drei verschiedene Arten von Willen von denen eine Relevanz für den Gesellschaftsvertrag ausgeht. Als erstes ist hier der „volonté particulière“ heranzuziehen, welcher das individuelle private Einzelinteresse darstellt. Aus der Summierung all der „Partikularwillen“ ergibt sich der „volonté de tous“, also der „Willen aller“, welcher nicht mit dem Gemeinwillen gleichgesetzt werden darf, da er lediglich die Gesamtmasse der Einzelwillen beinhaltet. Der eigentliche Gemeinwille hingegen „ zielt immer auf die Erhaltung und auf das Wohlbefinden des Ganzen und eines jeden Teiles “ . 46 Rousseau bezeichnet ihn als „volonté générale“, der immer das „objektive Gute“ zum Ausdruck bringt und als absolute, unfehlbare Instanz das Interesse aller, also das Allgemeinwohl an sich, widerspiegelt. Aus der großen Zahl der kleinen Unterschiede im Volk entspringt immer der „volonté générale“.47 Das Paradigma des Gemeinwillen verkörpert zusammen mit der Freiheit die Essenz des rousseauschen Kontraktualismus auf den im Folgenden eingegangen wird. Die willentliche Unterordnung der Einzelinteressen eines Bürgers unter das Gemeinwohl wird von Rousseau als Tugend („vertu“) bezeichnet.

E. Der Gesellschaftsvertrag

I. Die Entstehung des Gesellschaftsvertrags

Der Gesellschaftsvertrag bei Rousseau soll eine Antwort auf die Frage liefern, wie „ man eine Gesellschaftsform findet, die mit der ganzen gemeinsamen Kraft die Person und das Verm ö gen jedes Gesellschaftsgliedes verteidigt und sch ü tzt und kraft dessen jeder einzelne, obgleich er sich mit alles vereint, gleichwohl nur sich selbst gehorcht und so frei bleibt wie vorher “.48 Seiner Meinung nach ist die Menschheit an einem Punkt angelangt, an dem die Hindernisse der Aufrechterhaltung des Naturzustandes größer sind, als die Kräfte, die von einem einzelnen Individuum aufgebracht werden können.49 Da der Mensch keine neuen Kräfte schöpfen, sondern nur vorhandene intendieren kann, ist er gezwungen durch die Vereinigung mit anderen Individuen vorhandene Kräfte zu bündeln.50 Dieser Zusammenschluss soll lediglich der Erhaltung der Kraft und der Freiheit des Individuums dienen.51 Das Grundkonzept des Vertrages beinhaltet vor allem eine Unterordnung der Vertragsparteien unter eine Staatsgewalt.

„ Alle Dienste, die ein B ü rger dem Staat leisten kann, muss er ihm leisten, sobald der Souver ä n es verlangt. “ 52

[...]


1 Barth, Über die Idee der Selbstentfremdung des Menschen bei Rousseau, Zeitschrift für philosophische Forschung, S. 28.

2 Vgl. Rousseau, Jean-Jaqcues, Vom Ursprung der Ungleichheit, S. 125.

3 J.-J.Rousseau, Politische Schriften, S. 61; Bemerkung: In dieser Arbeit wird aus zwei

verschiedenen Übersetzungen des Werkes: „Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des politischen Rechtes“ (französisch: „Du Contrat Social ou Principes du Droit Politique“) zitiert. Entweder aus: „Rousseau, Jean-Jacques/ Bearbeitet von Ludwig Schmidts, Politische Schriften, Band 1, 2. Aufl., Schöningh, Paderborn/ München, 1995“, oder aus: „Rousseau, Jean-Jacques/ Übersetzt und bearbeitet von Hans Brockard und Eva Pietzcker, Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts, Reclam, Stuttgart, 2011“. Die zweite Version ist in den Fußnoten mit „Gesellschaftsvertrag“ abgekürzt. Die römische Ziffer steht hierbei für eines der drei Bücher innerhalb des Werkes, während die arabische Ziffer die Kapitelnummer angibt.

4 Barth, Über die Idee der Selbstentfremdung des Menschen bei Rousseau, S. 22.

5 J.-J.Rousseau, Politische Schriften, S. 79.

6 Barth, Über die Idee der Selbstentfremdung des Menschen bei Rousseau, S. 19.

7 Barth, Über die Idee der Selbstentfremdung des Menschen bei Rousseau, S. 27.

8 Barth, Über die Idee der Selbstentfremdung des Menschen bei Rousseau, S. 16.

9 Theodor Vogt, J. J. Rousseau‘s Leben, S. 10.

10 Hans Brockard: Rousseaus Leben, S. 177-202.

11 Hans Brockard: Rousseaus Leben, S. 178.

12 Vgl. Rousseaus Oper „Le devin du village“, oder „Dictionnaire de Musique“.

13 Hans Brockard: Rousseaus Leben, S. 181 ff..

14 Hans Brockard: Rousseaus Leben, S. 182.

15 Jean-Jacques Rousseau: Rousseau's Bekenntnisse, Zweiter Theil - Kapitel 3.

16 z. B. 1747 die Komödie „L’Engagement téméraire“.

17 Kersting, Wolfgang, Jean-Jacques Rousseaus Gesellschaftsvertrag, Kap. 14.

18 GEOkompakt, Nr. 17 - 12/08, S. 1-2.

19 z.B.: „Economie politique“, „Projet de constitution pour la Corse“, ,,Emil“, „Considérations sur le gouvernement de la Pologne“, „Rousseau juge de Jean-Jacques“, „Les rêveries du promeneur solitaire“, „La Nouvelle Héloïse“.

20 Frzs. „Contrat Social“.

21 vgl. Brockard, 2011, S. 196; Oberndörfer/ Rosenzweig, S. 305; Bevc, 2007, S. 37.

22 Jean Jacques Rousseau, Vom Ursprung der Ungleichheit, 1. Abschnitt, S.108

23 Henning Ritter als Hg., in J.-J. R., Schriften 1, Hanser, München 1987

24 Vgl. Doehring, 2004, S. 80 ff..

25 Vogt Theodor, J.J. Rousseau’s Leben, S. 108.

26 Vgl. Gesellschaftsvertrag, I, 4.

27 Hans Barth, Über die Idee der Selbstentfremdung des Menschen bei Rousseau, S. 22.

28 Frederick Neuhouser, Rousseau's Theodicy of Self-Love: Evil, Rationality, and the Drive for Recognition, 8. Diagnosis, s.139; Oberndörfer, Rosenzweig, 2000, S. 305.

29 Patricia Putschert, Jenseits des Naturzustands, S. 872-873; vgl. Jean Jacques Rousseau, Vom Ursprung der Ungleichheit, 1. Abschnitt, S.108.

30 Vgl. Jean Jacques Rousseau, Vom Ursprung der Ungleichheit, 1. Abschnitt, S.124 ff..

31 Jean Jacques Rousseau, Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen, S. 115 ff..

32 Hans Barth, Über die Idee der Selbstentfremdung des Menschen bei Rousseau, S. 17.

33 Hans Barth, Über die Idee der Selbstentfremdung des Menschen bei Rousseau, S. 22.

34 Hans Barth, Über die Idee der Selbstentfremdung des Menschen bei Rousseau, S. 24.

35 Hans Barth, Über die Idee der Selbstentfremdung des Menschen bei Rousseau, S. 24.

36 Jean Jacques Rousseau, Vom Ursprung der Ungleichheit, 1. Abschnitt, S.113.

37 Vgl. Fetscher, 1989, S. 7 ff..

38 Gesellschaftsvertrag, I, 4.

39 Jean Jacques Rousseau, Vom Ursprung der Ungleichheit, 1. Abschnitt, S.112.

40 J.-J.Rousseau, Politische Schriften, S. 61; Gesellschaftsvertrag, I, 1.

41 J.-J Rousseau, Politische Schriften, Abhandlung über Politische Ökonomie, S.67.

42 J.-J Rousseau, Politische Schriften, Abhandlung über Politische Ökonomie, S.19.

43 J.-J Rousseau, Politische Schriften, Abhandlung über Politische Ökonomie, S.33.

44 Gesellschaftsvertrag, I, 4

45 J.-J Rousseau, Politische Schriften, Abhandlung über Politische Ökonomie, S.67.

46 J.-J Rousseau, Politische Schriften, Abhandlung über Politische Ökonomie, S.15; vgl. Gesellschaftsvertrag, II, 3.

47 Vgl. Gesellschaftsvertrag, II, 3.

48 Gesellschaftsvertrag, I, 6.

49 Gesellschaftsvertrag, I, 6.

50 Gesellschaftsvertrag, I, 6.

51 Gesellschaftsvertrag, I, 6.

52 Gesellschaftsvertrag, II, 4.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Der Gesellschaftsvertrag bei Jean-Jacques Rousseau
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Rechtsphilosophie)
Veranstaltung
Theorien des Gesellschaftsvertrags
Note
9
Autor
Jahr
2016
Seiten
28
Katalognummer
V376920
ISBN (eBook)
9783668546080
ISBN (Buch)
9783668546097
Dateigröße
426 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jean Jacques Rousseau Jura Philosophie Gesellschaftsvertrag Aufklärung
Arbeit zitieren
Maximilian Schütz (Autor:in), 2016, Der Gesellschaftsvertrag bei Jean-Jacques Rousseau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/376920

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