Die Deutsch-Jüdische Bildung. Unterricht und Erziehung als Grundlage der Jüdischen Emanzipation


Hausarbeit (Hauptseminar), 2016

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Jüdische Erziehung
2.1 Traditionelle Jüdische Erziehung
2.2 Kritik an der traditionellen Erziehung

3 Die Haskala
3.1 Moses Mendelssohn
3.2 Die Haskala Bewegung

4 Jüdische Freischule

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Seit Kants berühmter Definition ist „Aufklärung“ das Schlagwort für das 17.

Jahrhundert und eine hauptursächliche Begründung für die Umwälzungen jener Zeit.

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“1

Reformation und Rebellion gegen die tradierten mittelalterlichen Denkmuster sind die Ursprüngen für die Umwälzungen jener Zeit und doch greift diese philosophische Bewegung weit über die Religion hinaus, indem sie den bloßen Glauben durch Vernunft und Rationalismus ersetzt. Allein durch den Gebrauch des eigenen Verstandes und logischen Denkens kann eine bessere Welt geschaffen werden und nicht durch Religion. Zugleich ist die Gabe des Verstandes sowie die Möglichkeit Bildung zu erlangen d.h. gebildet zu werden, keine, die sich nur auf die Eliten beschränkt, sie ist allen Menschen eigentümlich2

Die Maskilim forderten im Zuge von Emanzipation und Integration die Veränderung der traditionellen jüdischen Gesellschaft und Erziehung und setzten sich sowohl für eine religiöse als auch eine weltliche Ausbildung der jüdischen Jungen ein. Das Hauptaugenmerk der Arbeit wird in der Untersuchung der Haskala vor allem in Berlin sowie der Erziehungsmethoden der jüdischen Freischule in Berlin liegen und welche Unterschiede diese im Vergleich zur traditionellen Jüdischen Erziehung im 17.Jahrhundert hervorbrachte. Dabei wird die Hypothese aufgestellt, dass der Unterricht der „modernen Erziehung“ die Grundlage der Jüdischen Emanzipation bildete.

Das erste Kapitel wird sich mit der traditionellen Jüdischen Erziehung und ihrer Schullaufbahn beschäftigen, sowie diese in Frage stellen. Darauf folgend soll die Haskala Bewegung untersucht werden. Dabei werden die Hauptmerkmale herausgearbeitet. Des Weiteren werden die Anzeichen eines allmählichen Wandels der traditionellen jüdischen Erziehung aufgezeigt. Moses Mendelssohn als ein Vertreter der Maskilim wird im Rahmen der Haskala ebenfalls beleuchtet. Ferner soll die Jüdische Freischule untersucht und des Weiteren ihre typischen Charakteristika herausgearbeitet werden. Das Fazit soll klären, wie modern beziehungsweise wie aufklärerisch die Jüdische Freischule tatsächlich war und inwieweit die Erziehung umstrukturiert wurde.

2 Jüdische Erziehung

Überall bestimmten religiöse Werte die Ziele der jüdischen Gesellschaft und förderten oder untersagten bestimmte Handlungen. Tatsächlich war der Traditionalismus, der als bestimmtes Merkmal der Jüdischen Gesellschaft aufgezeigt wird, religiös gefüllt und die Religion lieferte die Rechtfertigung für die Bewahrung aller Aspekte dieser Traditionen.3

2.1 Traditionelle Jüdische Erziehung

Dieses Kapitel wird sich mit der traditionellen Knabenerziehung in Berlin zwischen ca. 1700 bis 1756 n. Chr. beschäftigen. Für die Mehrheit der in Berlin lebenden jüdischen Bevölkerung war die Erziehung bis zum Ende des 18. Jahrhunderts eine traditionelle, dementsprechend rein religiös ausgerichtete Erziehung.

Eine der präzisesten Darstellungen der traditionellen Knabenerziehung des aschkenasischen Kulturraums brachte der Historiker Jacob Katz 1958 hervor.4 Katz unterscheidet in seiner Darstellung grundsätzlich zwischen der sekundären (informellen) Erziehungssituation, sowie der formellen Erziehungssituation. Die Familie nennt Katz als die wichtigste Erziehungssituation, da sie die typische Atmosphäre der traditionellen Gesellschaft vermittle und mit ihr ebenfalls die Unterschiede des sozialen Status zwischen Vater, Mutter und Kindern aufzeigt. Katz spricht in seiner Darstellung grundsätzlich von Kindern, meint damit aber ausschließlich die Jungen der Familie, da die Mädchen in der Jüdischen Gemeinschaft keine traditionelle schulische Erziehung genossen. Aus diesem Grund werden diese in der folgenden Bearbeitung nicht weiter diskutiert. Durch die Familie und ihre Nähe zur Gemeinde gilt der Gottesdienst in der Synagoge als eine weitere sekundäre Erziehungssituation, dazu zählen auch die jüdischen Gemeindeinstitutionen sowie die Sphären des Ökonomischen Lebens, welche der Sozialisation der Jungen dienten.5

Neben der sekundären Erziehungssituation, erörtert Katz des Weiteren die formelle Erziehungssituation, welche innerhalb der Gemeinde als regulär verankerte und gepflegte Erziehungssituationen zur Weitergabe der Werte und Normen der traditionellen jüdischen Gesellschaft diente. Dabei bezieht er sich vor allem auf den Heder und die Jeshiva. Der sogenannte Heder (Zimmer) stellte die Elementarschule dar, dieser fand in der Regel im Wohnraum des Melamed (Lehrer) statt. Der Wohnraum wurde als Klassenraum bzw. Unterrichtsraum genutzt, in welchem die Jungen meist im Einzelunterricht unterrichtet wurden. Der Heder wurde von den Jungen ab dem sechsten Lebensjahr für maximal acht Jahre besucht, da sie mit dreizehn als vollwertige Gemeindemitglieder aufgenommen wurden und Aufgaben in der Gemeinde übernehmen konnten. Für ärmere Familien wurde die sogenannte Talmud Tora, eine Gemeindeschule, eingerichtet. Diese sollte auch den ärmeren Kindern die Möglichkeit bieten die essentiellsten Elemente der jüdischen Religion zu erlernen. Der Einfluss der Gemeinde beschränkte sich dabei auf die Aufsicht der Lehrer sowie die Finanzierung der Schulen durch spezielle Vereine oder Fonds. Im Heder befassten die Jungen sich vorrangig mit dem Pentateuch, dem Raschi sowie dem Talmud. Abgeschlossen wurde der Heder erfolgreich, wenn der jeweilige Junge die Gebote der Halacha, des jüdischen Religionsgesetzes, befolgen und seine späteren rituellen Aufgaben in der Synagoge und im Haus erfüllen konnte.6

Eine zweite Stufe der jüdischen Erziehung in der formellen Erziehungssituation stellte die Jeshiva dar, welche nur von einer Minderheit der jüdischen Jungen die den Heder durchlaufen hatten besucht werden konnte. Sie war die höchste Form der Erziehung und wird auch als Talmud Hochschule bezeichnet. Sie sollte das Ideal, das Talmid Hacham, in reinster Form vermitteln. Diese befähigte die Schüler unter anderem zum späteren tragen von Titeln. Nach Katz traten die Schüler im Alter von zwölf bis dreizehn Jahren in die Jeshiva ein und blieben dort mindestens bis sie ihr heiratsfähiges Alter erreicht hatten, dass in der Regel mit ihrem achtzehnten Lebensjahr eintrat. Den Kern der Jeshiva bildete der Rabbiner, welcher als Unterweisender und zugleich als Mentor der jungen Schüler galt und dafür verantwortlich war, den Schülern die repräsentativen Werte und Traditionen zu vermitteln.7

Die Schüler bzw. Studenten einer Jeshiva waren nach Katz in zwei Kategorien eingeteilt. Zum einen die Ne’arim, welche beim Lernen des Talmud Unterstützung brauchten und zum andern die Behurim, welche selbständig arbeiteten und keine Unterstützung benötigten. Vielmehr waren diese dazu befähigt, die Ne’arim zu unterrichten und sie auf Vorträge des Rabbiners vorzubereiten. Das Tragen von Titeln in der Jüdischen Gemeinde und demnach der Höhe der Studiengrade befähigte die Gemeindemitglieder zu gewissen Privilegien, wie beispielsweise der Befreiung von Steuern oder der Wählbarkeit in Gemeindeämter. Den ersten Studiengrad - Haver - konnten die Studenten dann erreichen, wenn sie nach der Heirat für mindestens zwei Jahre ihr Studium an einer Jeshiva fortsetzten. Der Titel des Morenu, welcher der höchste war, und den Träger dazu befähigte in religiösen Fragen zu urteilen, wurde erst dann verliehen, wenn der Student sein Studium mindestens sechs Jahre nach der Hochzeit fortführte. Dies zeigt die enge Verbindung von Lehre und Lernen mit der sozialen ökonomischen Sphäre des traditionellen Judentums, da dem Lernen und Lehren des Talmuds ein hoher Wert zugeschrieben wurde.8

2.2 Kritik an der traditionellen Erziehung

Die traditionelle jüdische Erziehung und ihr Leitbild des Talmid Hacham wurden seit Ende der 1750er Jahre durch die Vertreter der jüdischen Aufklärung zunehmend kritisiert. Nicht nur das fragwürdige enge Lehr-Lernverhältnis zwischen den Lernenden und Lehrenden, sondern auch die rein religiös ausgerichtete Ausbildung der jüdischen Kinder wurde zwiespältig betrachtet. So kritisierten die Maskilim nicht nur den reinen Inhalt der Erziehung, sondern auch die diskussionsbedürftigen Methoden einiger Lehrer. Denn teilweise konnten Schüler selbst nach abgeschlossenem Heder Unterricht nicht lesen und schreiben.9

Das Heder System brachte üblicherweise Schüler mit unterschiedlichen Kenntnisständen und Fähigkeiten zusammen. Die Lehrer gingen von einer Gruppe zur nächsten, doch die Schüler lernten häufig mit Materialien die nicht ihrem Kenntnisstand entsprachen. Sowohl die Rabbiner als auch die Maskilim kritisierten die mangelnden Lernfortschritte des Systems, sowie die teilweise Inkompetenz und Unterwürfigkeit der Lehrer. Eltern, vor allem in ländlichen Region, erklärten den Unterricht teilweise als so schlecht, dass er den erforderlichen finanziellen Opfern nicht gerecht werde. Das Bewusstsein der Dringlichkeit einer umfassenden Reform des jüdischen Bildungswesens hatte Ende des 18.Jahrhunderts das gesamte Spektrum des jüdischen Lebens erfasst.10

3 Die Haskala

Den Anstoß zur europäischen Aufklärung brachte der Philosoph Immanuel Kant mit seinem Artikel Was ist Aufklärung in der Berlinischen Monatsschrift, indem er die Menschen aufforderte sich aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit und ihrer Abhängigkeit von fremder Anleitung zu befreien und sich zu einem Wesen verwandeln solle, welches sich seines eigenen Verstandes bediene.11 Dennoch decken sich die Chronologie und die Inhalte der Haskala nicht mit der europäischen Aufklärung.12

Der Beginn der Haskala wird üblicherweise mit dem Zusammentreten Jüdischer Aufklärer, der Maskilim, zu einem intellektuellen Zirkel im Haus des Berliner Philosophen Moses Mendelssohn in den 1770er Jahren angesetzt. Die Haskala zielte auf eine Modernisierung des traditionellen aschkenasischen Judentums und setzte sich für die sogenannte bürgerliche Verbesserung der Juden ein, eine modern gesprochen, gleichberechtigte Integration der Juden in der christlichen Mehrheitskultur. Als eines der größten Hindernisse der Modernisierung und Integration betrachteten die Maskilim die traditionelle, rein religiös ausgerichtete jüdische Erziehung.13

Unter dem Einfluss der allgemeinen Aufklärung gaben die Maskilim den Anstoß zur Haskala. Ihr Ziel: mit Hilfe des Verstandes aufklären. Zwar gab es bereits vor Moses Mendelssohn Ansätze zu einer Haskala, doch bündelte sich diese erst um die Mitte des 18.Jahrhunderts zu einer sozioökonomischen Strömung, welche kraftvoll genug war, um eine Wende herbeizuführen.

3.1 Moses Mendelssohn

Der Jüdische Philosoph Moses Mendelssohn gilt als Vater der Haskala, auch wenn die Meinungen darüber auseinandergehen. Dennoch war er einer der bekanntesten jüdischen Denker des 18. Jahrhunderts und ist der am besten erforschte zugleich.

Die Initiatoren der Wende waren Kinder der alten jüdischen Gemeinde, so auch Mendelssohn, welche ausnahmslos eine betont traditionelle Erziehung genossen hatten. Mendelssohn wurde 172914 in Dessau geboren und dort von seinem Vater traditionell erzogen, doch dieser vermittelte seinem Sohn auch Grundkenntnisse der hebräischen Sprache sowie Kenntnisse der Bibel.15 Die Familie Mendelssohn gehörte nicht der jüdischen Wirtschaftselite an, obwohl seine Mutter einer wohlhabenden Gelehrtenfamilie entstammte.16 Mit sechs17 Jahren wurde Mendelssohn zum Rabbiner David Fränkel geschickt um ihn in den Talmud und dessen Kommentare einzuführen. Fränkel war begeistert von seinem Intellekt, und so entstand eine enge Beziehung zwischen den Beiden. Schließlich folgte Moses Mendelssohn seinem Mentor 1743 nach Berlin, als dieser dort seiner Berufung als Oberlandesrabbiner Folge leistete.18

Als er im dritten Regierungsjahr Friedrichs II. eintraf, gehörte er nach den materiellen und beruflichen Kriterien nicht zu den im Staate geduldeten Juden. Nur Dank der Intervention seines Lehrers Fränkel wurde ihm ein Recht auf Aufenthalt gewährt, da er als Talmudschüler anerkannt wurde und unter dem Patronat von Rabbiner Fränkel

[...]


1 Kant 1784. Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? S.481.

2 Kant 1784. Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?.

3 Vgl. Katz 2002. Tradition und Kriese. S.166.

4 Siehe Katz 2002. Tradition und Kriese.

5 Vgl. Behm 2002. Moses Mendelssohn und die Transformation der jüdischen Erziehung in Berlin S.33 ff.

6 Vgl. Behm 2002. Moses Mendelssohn und die Transformation der Jüdischen Erziehung in Berlin S.40.

7 Vgl. Behm 2002. Moses Mendelssohn und die Transformation. S.41f.

8 Vgl. Behm 2002. Moses Mendelssohn und die Transformation. S.45 f.

9 Vgl. Behm 2002. Moses Mendelssohn und die Transformation. S.39.

10 Vgl. Liberles 2003 In: Marion Kaplan(Hg.): Geschichte des jüdischen Alltags in Deutschland. S. 71.

11 Siehe Feiner In: Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur. S.544-554.

12 Vgl. Etkes 2010. Haskalah.

13 Vgl. Behm et al. 2002. Jüdische Erziehung und aufklärerische Schulreform. S.7.

14 Über das Geburtsjahr Mendelsohn lassen sich leider keinen genauen Angaben machen. Behm (2002) Moses Mendelssohn und die Transformation der jüdischen Erziehung gibt an, dass Mendelssohn selber sein Geburtsdatum auf den 6. September 1729 datiert. Nach Forschungen allerdings zum 17.August.1728 tendiert wird.

15 Vgl. Breuer und Graetz 1996. Tradition und Aufklärung. S. 251.

16 Vgl. Feiner 2009. Moses Mendelssohn. S.26 f.

17 Ähnlich dem Geburtsjahr Mendelssohn gehen auch hier die Quellen auseinander. Feiner 2009 berichtet über die Aufnahme Mendelssohns in Fränkels Talmudschule erst mit elf Jahren.

18 Vgl. Breuer und Graetz 1996. Tradition und Aufklärung. S. 251.f.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Deutsch-Jüdische Bildung. Unterricht und Erziehung als Grundlage der Jüdischen Emanzipation
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
16
Katalognummer
V380985
ISBN (eBook)
9783668575608
ISBN (Buch)
9783668575615
Dateigröße
827 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Emanzipation, Deutsch-Jüdische Bildung, Haskalah, Erziehung
Arbeit zitieren
Maxi Nass (Autor:in), 2016, Die Deutsch-Jüdische Bildung. Unterricht und Erziehung als Grundlage der Jüdischen Emanzipation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/380985

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