Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einführung
2. Auslandsentsendungen im Unternehmenskontext
2.1 Ziele für Auslandsentsendungen
2.1.1 Entsendungsziele aus Unternehmenssicht
2.1.2 Entsendungsziele aus Mitarbeitersicht
2.2 Besetzungsstrategien bei Auslandsentsendungen
2.3 Formen der Auslandsentsendungen
3. Phasen der Auslandsentsendung
3.1 Auswahlphase
3.2 Vorbereitungs- und Trainingsphase
3.3 Betreuungsphase
3.4 Reintegrationsphase
4. Reintegration von Expatriates
4.1 Begriffsdefinition
4.2 Ablauf der Reintegration
4.3 Probleme und Herausforderungen der Reintegration
4.3.1 Probleme und Herausforderungen aus Mitarbeitersicht
4.3.2 Probleme und Herausforderungen aus Unternehmenssicht
4.4 Lösungsansätze zur Bewältigung der Probleme
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
7. Quellenverzeichnis
8. Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Fünf-Phasen-Modell der Anpassung bei Auslandsentsendungen (Kenter/Welge, 1983: S. 177)
Abbildung 2: Integratives Reintegrationsverlaufsmodell (Meier-Dörzenbach, 2008: S. 56) .. 18
Abbildung 3: Der Repatriierungsprozess: Maßnahmen und Methoden der Repatriierung (Dowling/Festing/Engle, 2008): S. 185 bzw. Festing et al., 2011: S. 341)
Abbildung 4: Faktoren bei der Reintegration von Auslandsentsandten
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Formen der Auslandsentsendung (nach Mastmann/Stark, 2005: S. 1850; Scherm
(1999)
Tabelle 2: Vor- & Nachteile der verschiedenen Besetzungsstrategien (Dowling/Festing/Engle, 2008: S. 80-84)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einführung
Im Zuge der Globalisierung und der damit einhergehenden Internationalisierung von Unternehmen und Märkten gründen oder kaufen Unternehmen Produktionsstätten, Tochtergesellschaften und Niederlassungen fern der Heimat.
Um auch dort die erklärten Ziele und Standards auf lange Frist effektiv umzusetzen, werden Schlüsselpositionen regelmäßig durch gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte aus dem Ursprungsland des Unternehmens besetzt. Diese sog. ‚Expatriates’ sind bereits längere Zeit im Unternehmen, mit den Werten und Zielen sowie Produkten oder Dienstleistungen vertraut und genießen das Vertrauen des Arbeitgebers. Darüber hinaus sammeln sie während eines Auslandseinsatzes auch wertvolle berufliche und persönliche Erfahrung, die sie im weiteren (Berufs-)Leben gewinnbringend einsetzen können.
Die Zahl der Auslandsentsendungen steigt in den letzten Jahren in all ihren Varianten an.1 Eine Entsendung kann als „ ein im Voraus zeitlich begrenzter, besch ä ftigungsbedingter Orts- wechsel eines [...] [Arbeitnehmers] von einem Staat in einen anderen “ 2 gesehen werden.
Eine solche Entsendung bringt jedoch meist erhebliche berufliche, betriebliche und private Herausforderungen mit sich, die Unternehmen durch gezielte Maßnahmen wie Seminare, Trainings und finanzielle sowie organisatorische Unterstützung abzufedern versuchen. Die Rückkehr und Reintegration der Expatriates wird jedoch von vielen Unternehmen bagatelli- siert und unterschätzt, obwohl regelmäßig Rückkehrschocks, ähnlich einem Kulturschock, bei den Wiederkehrern auftreten.3
Einer Studie von PwC zufolge fühlen sich drei Viertel der Expatriates von ihren Heimatunter- nehmen bei der Reintegration aufgrund von mangelhafter Organisation vernachlässigt. Sie kritisieren v.a., dass keine klare Zuständigkeitsverteilung bei der Reintegration vorhanden sei und dass der Zeitpunkt für den Beginn dieses langwierigen Prozesses häufig viel zu spät an- gesetzt sei.4
Obwohl der Reintegrationsprozess eine bedeutende Rolle im Gesamtkontext der Auslandsentsendung einnimmt, wird ihm in der Forschungsliteratur immer noch verhältnismäßig wenig5, in den letzten Jahren jedoch vermehrt, Beachtung geschenkt.
Um mich diesem Thema zu nähern werde ich zunächst auf Auslandsentsendungen im Allge- meinen eingehen, deren Gründe und Strategien bei der Besetzung sowie deren Formen und Phasen nennen. Daran anknüpfend wird das Augenmerk auf die letzte Phase der Auslandsentsendung, die Reintegrationsphase gerichtet: Zunächst wird der generelle Ablauf erläutert, danach häufig auftretende Probleme und Herausforderungen, die in verschiedene Aspekte der Reintegration unterteilt sind. Abschließend werde ich mögliche Lösungsansätze zur Bewältigung eben jener Probleme und Herausforderungen diskutieren.
2. Auslandsentsendungen im Unternehmenskontext
2.1 Ziele für Auslandsentsendungen
Die Gründe bzw. Ziele einer Auslandsentsendungen können vielerlei sein; meist bezwecken sie mehrere Ziele gleichzeitig, die sich nicht gegenseitig ausschließen.6
Generell kann zwischen den Gründen aus Unternehmens- und Mitarbeitersicht unterschieden werden. Im Folgenden werden daher beide Seiten getrennt vorgestellt.
2.1.1 Entsendungsziele aus Unternehmenssicht
In der Literatur lassen sich drei Hauptgründe bzw. -ziele für internationale Entsendungen identifizieren. Dies sind neben der Stellenbesetzung die Personalentwicklung sowie die Organisationsentwicklung.
Die kurzfristige Besetzung offener Stellen ist auch heute noch einer der Hauptgründe für Auslandsentsendungen, wie die Brookfield Global Relocation Trends Survey im Jahr 2009 ergab7, allerdings tritt das Problem der mangelnden Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter inzwischen deutlich seltener auf, als noch zu Beginn des Jahrtausends.8
Im Rahmen der Personalentwicklung entsenden Unternehmen ihre Mitarbeiter, um ihnen internationale Erfahrungen zu ermöglichen und die gemeinsamen Unternehmenswerte zu vermitteln. Die Auslandserfahrung ist in vielen großen und global agierenden Unternehmen eine der Grundvoraussetzungen für einen Aufstieg in höhere Managementebenen. Da der Zusammenhang zwischen erfolgreich absolvierten Auslandsentsendungen und Karrierechancen allgemein bekannt ist, ist dies zeitgleich ein Motivator für den Mitarbeiter.9
Mit der Organisationsentwicklung werden verschiedene strategische Ziele verfolgt, u.a. die Koordination und Kontrolle der Unternehmenseinheiten oder auch der Know-how-Transfer (z.B. Fachwissen und Kompetenzen oder verschiedene Herangehensweisen an Probleme).
Internationale Entsendungen helfen Mitarbeitern darüber hinaus, einen ganzheitlichen Blickwinkel zu erlangen und über den Tellerrand hinaus zu schauen, da sie hierbei in verschiedenen Arbeitsumfeldern tätig sind und kulturelle Besonderheiten kennen lernen.10
Die Priorität des Entsendungsziels variiert im Allgemeinen zwischen verschiedenen Ländern, wie eine Studie von Tungli/Peiperl11 ergab, bei der 136 Multinationale Unternehmen (MNU) aus Deutschland, Großbritannien, Japan und den USA zu den Zielen ihrer Auslandsentsen- dungen befragt wurden. Während in Deutschland die Entwicklung internationaler Manage- mentfähigkeiten im Vordergrund steht, entsenden amerikanische MNU ihre Mitarbeiter meist, um mangelnde Kompetenzen vor Ort auszugleichen. Bei britischen und japanischen MNUs hingegen ist der Aufbau neuer Niederlassungen im Ausland besonders von Bedeutung.
2.1.2 Entsendungsziele aus Mitarbeitersicht
Die Ziele einer Auslandsentsendung aus Mitarbeitersicht können ebenfalls vielfältig sein und schließen einander nicht aus.
Neben einer Verbesserung der allgemeinen Berufschancen sind dies die persönliche und berufliche Weiterbildung/-entwicklung, Karriere- und Einkommensvorteile, insbesondere nach der Rückkehr, eine verstärkte berufliche Selbständigkeit, ein höherer sozialer Status im Entsendungsland sowie die Befriedigung von Abenteuerlust und Neugier bzw. das Annehmen der Herausforderung, in einem fremden Land zu arbeiten und zu leben.12
Auffällig wird anhand von Studien, dass die dominierenden Motive sowohl intrinsischer (hohe Verantwortungsübernahme, persönliche Herausforderung), als auch extrinsischer (höhere Karrierechancen, Einkommensverbesserungen) Natur sind.13
Mit unterschiedlichen Entsendungsländern werden jedoch regelmäßig unterschiedliche Ziele durch den Mitarbeiter gesetzt: So scheint bei einer Entsendung in Entwicklungsländer meist das höhere Einkommen von Bedeutung zu sein, da zum einen die Aufrechterhaltung des ge- wohnten Lebensstandards vor Ort verhältnismäßig kostspielig ist und zum anderen das erhöh- te Gehalt als Kompensation für eine zum Teil geringere Lebensqualität angesehen wird. Ent- sendungen in Industrienationen hingegen werden meist als reiner Karrierevorteil angesehen.14
2.2 Besetzungsstrategien bei Auslandsentsendungen
Je nach Ausrichtung der Unternehmenswerte und der Unternehmensstrategie lassen sich bei der Besetzung von offenen Stellen in den ausländischen Niederlassungen des Unternehmens vier Strategien unterscheiden. Sie orientieren sich an der sog. EPRG-Typologie, die in dieser Form15 maßgeblich von Heenan/Perlmutter geprägt wurde und ein Akronym der vier strategi- schen Optionen (ethnozentrisch, polyzentrisch, regiozentrisch, geozentrisch) darstellt. Sie werden im Folgenden kurz charakterisiert sowie die jeweiligen Vor- und Nachteile genannt.
Bei der ethnozentrischen Besetzungsstrategie ist die Unternehmenspolitik stark durch die Unternehmenszentrale geprägt und nur wenige Tochtergesellschaften verfügen über Autonomie. Die Schlüsselpositionen der Auslandsniederlassungen werden hierbei ausschließlich durch Fach-/Führungskräfte aus dem Land des Stammhauses besetzt.
Bei der polyzentrischen Besetzungsstrategie fungieren die ausländischen Tochtergesellschaf- ten oder Niederlassungen als eine unabhängige nationale Einheit mit gewisser Autonomie. Die Besetzung der Schlüsselpositionen erfolgt meist durch einheimische Mitarbeiter, die je- doch nur in seltenen Fällen auf Positionen in die Unternehmenszentrale (weiter-)befördert werden.
Der Ansatz der regiozentrischen Besetzungsstrategie bezieht sich auf die geografische Struk- tur und die Strategie eines MNUs. Das Unternehmen bildet einen Pool international tätiger Manager, die allerdings nur in einer bestimmten geografischen Region mobil sind, da dort kulturelle Kenntnisse der jeweiligen Region von Nöten sind. Sie haben auf ihrer regionalen Ebene ein hohes Maß an Autonomie, werden aber im Verlauf ihrer Karriere meist nicht in das Stammhaus befördert.
Die vierte Strategie ist die geozentrische Besetzungsstrategie, bei der Schlüsselpositionen im Ausland unabhängig des Herkunftslands der Mitarbeiter besetzt werden und in erster Linie Qualifikation und Fähigkeiten entscheidend sind. Dieser Strategieansatz muss, um erfolgreich zu sein, von einer weltweit integrierten Unternehmensstrategie begleitet werden.16
Auslandsentsendungen waren ursprünglich nur für ethnozentrische Besetzungsstrategien kon- zipiert worden. „ Bei geeigneter Uminterpretation ist die Entsendung jedoch auch mit (...) begrenzt regiozentrischen Grundstrategien vereinbar. Mit polyzentrischen Grundstrategien ist die Entsendung dann vereinbar - sieht man von ein bis zwei Kontaktpersonen zur Stammunternehmung (...) ab - wenn die Entsendung Teil einer Karrierestrategie ist und auch horizontal zwischen Auslandsgesellschaften oder von der Auslandsgesellschaft zur Stammun- ternehmung hin erfolgt. “ 17
In der unternehmerischen Praxis existieren häufig Mischformen der Besetzungsstrategien, die je nach Anforderung an die offene Stelle variieren. So werden Positionen im FuE-Bereich meist geozentrisch, nach der Qualifikation der Bewerber, besetzt; Schlüsselpositionen im Vertrieb hingegen meist durch Fach-/Führungskräfte aus dem Gastland.18
In Tabelle 2 (siehe Anhang) sind des Weiteren die Vor- und Nachteile der jeweiligen Strategie aufgelistet.
2.3 Formen der Auslandsentsendungen
In MNUs kann zwischen verschiedenen Formen der Auslandsentsendung unterschieden wer- den (Abb. 1), abhängig von der vertraglichen Gestaltung und der Entsendungsdauer, die von den Zielen und Aufgaben der Entsendung maßgeblich beeinflusst wird. Dabei machen der Brookfield-Studie aus dem Jahr 2009 zufolge die langfristigen Entsendungen mit 61% aller Auslandsentsendungen den Großteil aus; nur 22% sind kurzzeitige Entsendungen.19
Beeinflusst wird die Entsendungsdauer Dülfer (2008) zufolge durch die Position des zukünftigen Expatriates im Stammhaus, seinem Alter und Familienstand, dem fachlichen Einsatzgebiet und den Kosten (Art und Höhe der Bezüge).20
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Formen der Auslandsentsendung (nach Mastmann/Stark, 2005: S. 1850; Scherm (1999)
Bei kürzeren Auslandsentsendungen wie dem projektorientierten Einsatz oder der Dienst- bzw. Gesch ä ftsreise ist der Erfüllungsort des Arbeitsvertrages immer noch das Inland; der Arbeit- geber kann einen solchen Einsatz aufgrund seines Direktionsrechts vom Mitarbeiter verlangen. Bei (längeren) Abordnungen oder Delegationen bleibt der Arbeitsvertrag mit dem Stammhaus bestehen, es sind aber i.d.R. arbeitsvertragliche Zusatzregelungen im Sinne eines Abord- nungs- bzw. Entsendungsvertrags erforderlich, die u.a. die Entsendungsbedingungen festlegen. Bei einer Versetzung hingegen wird ein lokaler Anstellungsvertrag mit der Auslandsgesell- schaft getroffen, während der Arbeitsvertrag mit dem Stammhaus ruht. Meist gibt es eine schriftliche Nebenabrede oder ‚Ruhensvertrag’, der bzw. die die Rückkehr (Wiedereinstel- lungszusage) in das Stammhaus regeln; alternativ bietet sich auch ein Konzernarbeitsvertrag an, bei dem das Stammhaus, die aufnehmende Gesellschaft und der Mitarbeiter die Vertrags- parteien sind. Bei einem Ü bertritt eines Mitarbeiters wird das Beschäftigungsverhältnis mit dem Stammhaus beendet und ein neuer Arbeitsvertrag mit der aufnehmenden Gesellschaft geschlossen.21
Neben den klassischen Entsendungsformen, die weiterhin den Großteil derer ausmachen, bil- den sich in den letzten Jahren zunehmend alternative (meist vertragliche und virtuelle) Ent- sendungsformen heraus, die allerdings bisher wenig Beachtung in der Literatur finden. Hier seien u.a. Pendler- oder Commuterentsendungen, rotierende Entsendungen oder auch virtuelle Entsendungen, die erst durch die neuen Kommunikationsmöglichkeiten im digitalen Zeitalter ermöglicht wurden, erwähnt.22
3. Phasen der Auslandsentsendung
Bevor die eigentlichen Phasen einer Auslandsentsendung stattfinden, muss im Vorfeld zu- nächst der Personalbedarf im Rahmen einer mittel- bis langfristige Personalplanung ermittelt werden. Die Praxis zeigt allerdings, dass dieser strategische Planungsschritt schwer durchzu- führen ist.23
Der Personalentwicklung kommt bei einer Auslandsentsendung eine große Aufgabe zu, da sie „ die F ü hrungskraft und ggf. deren Familie umfassend und effizient auf den Auslandsaufenthalt vorbereiten [muss], um einen Arbeitserfolg zu garantieren und damit die hohen Kosten eines Misserfolgs zu eliminieren.“24
Die entstehenden Kosten eines Abbruchs können direkt (Gehalt, Trainingskosten, Reise- und Versetzungskosten) und indirekt sein; letztere sind schwer zu bestimmen und meist weitaus höher als die direkten Kosten, da hierzu u.a. der Verlust von (wertvollen) Auslandskontakten und dessen Folgen zählt oder auch der Verlust von Selbstvertrauen, Motivation und Anerken- nung des Abbrechers im eigenen Unternehmen. Studien zufolge liegen die Gesamtkosten ei- nes Abbruchs von Auslandsentsendungen bei dem zwei- bis dreifachen Jahresgehalts des Ab- brechers im Heimatland.25
3.1 Auswahlphase
Da, wie bereits im obigen Abschnitt erwähnt, Auslandsentsendungen zu den teuersten personalpolitischen Maßnahmen zählen (insbesondere im Falle eines Scheiterns), ist die gezielte Auswahl potenzieller Kandidaten von erheblicher Bedeutung.
Die wissenschaftliche Literatur wies in der Vergangenheit regelmäßig darauf hin, dass Expatriates auf unzureichende Art und Weise ausgewählt werden.26 Über adäquate Auswahlverfahren herrscht aber weder in der Literatur noch in der Praxis Konsens; generell lassen sich jedoch folgende Eignungskriterien27 festlegen:
1) Pers ö nliche Eignung: Hierbei zählen v.a. eine allgemeine Motivation für einen Aus- landseinsatz und die Motivation, Erfolg zu haben sowie Eigenschaften wie Reife, Ziel- strebigkeit und eine hohe Frustrationstoleranz sowie Kreativität und die Fähigkeit zur zielgerichteten Improvisation bei der Konfrontation mit unerwarteten Problemen oder Situationen. Darüber hinaus sind auch eine gute gesundheitlich-physische Kondition, eine ausgeprägte Kommunikationsgabe und eine hohe psychische Belastbarkeit (emo- tionale Stabilität und Belastbarkeit im Umgang mit Stress, Entfremdung und Isolation) sowie Offenheit und Risikobereitschaft von Nöten. Die familiäre Flexibilität darf bei einer Auslandsentsendung ebenfalls nicht unterschätzt werden, da v.a. in ‚dual career’- Situationen keiner die Karriere des anderen gefährden möchte bzw. der jeweilige Partner auch eine adäquate Tätigkeit ausüben möchte.
2) Fachliche Eignung: Abhängig von der Position ist es entscheidend für den Mitarbeiter, nicht nur hohe fachliche Qualifikationen durch Ausbildung und Berufserfahrung zu besitzen, sondern auch das Produktprogramm des Unternehmens zu vertreten oder Prozesse weiter zu entwickeln; hierfür sind adäquate Kenntnisse der Unternehmenskultur/- philosophie und der Produkte des Unternehmens notwendig.
3) Interkulturelle Eignung: Neben einer hohen Lern-, Anpassungs-, Kontakt- und Kom- munikationsfähigkeit in Bezug auf die fremde Kultur und Sprache des Gastlandes zählen auch ein allgemeines Interesse am Gastland, seinen Menschen und Gepflogenheiten sowie Empathie und Ambiguitätstoleranz dazu. Es ist wichtig, mit einer gewissen Offenheit der fremden Kultur gegenüberzutreten, da nur dann die Unternehmensziele in der ungewohnten Umwelt optimal erreicht werden können. Dazu zählt auch die Akzeptanz des möglicherweise fremden Verhaltens, für das eine gewisse Selbstdisziplin notwendig ist, um negative Reaktionen zu vermeiden.
4) F ü hrungskompetenz: Wegerich (2010) zufolge benötigen Expatriates eine spezielle Form von Führungskompetenz, die sich in ausgeprägter Entscheidungsfähigkeit im Kontext fremder Kulturen wiederspiegelt, da das Delegieren in anderen Kulturen ein besonders sensibles Fingerspitzengefühl verlangt.
Um diese Eignungskriterien möglichst treffsicher in Erfahrung zu bringen und geeignete von ungeeigneten Kandidaten zu unterscheiden, bieten sich im Unternehmensalltag verschiedene Instrumente an28, die im Folgenden kurz aufgelistet werden:
Analyse des bisherigen Werdegangs anhand von Bewerbungsunterlagen und Leistungsbeurteilungen
Gespräche (Teilstrukturierte oder situative Interviews; Stressinterviews)
Feedback (Mitarbeiterbeurteilungen, Kundenzufriedenheit oder 360°-Feedback) Fragebogen (Persönlichkeitsfragebogen, Intelligenz- und Leistungstests) Fallstudien im Rahmen von Assessment Centern oder Einzel-Assessments
Die Auswahlkriterien und Auswahlinstrumente für Expatriates dienen u.a. dazu, den ‚Kultur- schock’ zu Beginn der Entsendung zu minimieren und so die Integration in die fremde Kultur zu erleichtern. Im Umkehrschluss bringen diese Charaktereigenschaften allerdings durchaus
Probleme bei der Reintegration mit sich: der ‚Rückkehrschock’ fällt in der Folge meist umso
stärker aus.29 Eine konkrete Gewichtung der Eignungskriterien ist daher weder möglich noch sinnvoll und sollte situativ gewählt werden.
Bei der Wahl von Expatriates ist zu berücksichtigen, dass sich nicht jedes Land bzw. jede Kultur auch für jeden Mitarbeiter gleich gut eignet.30 Ein extrovertierter kontaktfreudiger Mensch ist in Amerika deutlich besser einsetzbar, als in manchen asiatischen Staaten, in denen Fremden eher distanziert gegenübergetreten wird.
Die empirische Forschung im Bereich der Auswahlmethoden von MNUs zeigt allerdings, dass Expatriates fast ausschließlich auf Basis ihrer Fachkompetenz ausgewählt werden. Die in der Literatur getroffene „ Annahme von universell g ü ltigen Managementf ä higkeiten, die sei- tens der Unternehmen implizit vorausgesetzt werden “31 führt dazu, dass interkulturelle An- passungstests kaum Verwendung finden. Gestützt wird dies durch die Beobachtungen der Unternehmenspraxis von Harris/Brewster/Erten sowie auch Oechsler, dass häufig nur die fachliche Leistung im Stammhaus von Bedeutung ist und die Auswahl auf der Annahme be- ruht, dass ein Erfolg im Heimatland auch Erfolg im Entsendungsland mit sich bringt.32
3.2 Vorbereitungs- und Trainingsphase
Zur Vorbereitungsphase zählen sämtliche Maßnahmen seitens des Unternehmens, die es dem Expatriate (und ggf. seiner Familie) ermöglichen, die geplante Auslandsentsendung erfolgreich und zum Nutzen aller durchzuführen. Es handelt sich um einen der zentralen Schlüsselfaktoren, die über Erfolg oder Misserfolg der Entsendung entscheiden. Ziel ist es, den Mitarbeiter möglichst frühzeitig sowohl fachlich, als auch verhaltensbezogen auf die fremde Kultur einzustimmen. Die Rolle der Familie darf hierbei nicht unterschätzt werden, da ein schwerer Kulturschock des Lebenspartners oder der Kinder auch die geistig-seelische Verfassung und Leistungsfähigkeit der Expatriates negativ beeinflussen.33
Da die fachliche Vorbereitung von der Branche und dem Tätigkeitsfeld des Mitarbeiters ab- hängt, wird in diesem Teilkapitel lediglich auf die verhaltensbezogene Vorbereitung einge- gangen.
Die wissenschaftliche Literatur zählt eine Vielzahl an Vorbereitungsmaßnahmen auf; diese lassen sich grob in informationsorientierte und vertragliche Vorbereitungen sowie die Erlan- gung interkultureller und kommunikativer Kompetenzen unterteilen. Darüber hinaus müssen auch diverse weitere Aspekte (u.a. medizinische und sicherheitsrelevante) beachtet werden.
Zur gezielten Vorbereitung auf die Auslandsentsendungen sollten sich die Mitarbeiter im Rahmen der informationsorientierten Vorbereitung in einem Selbststudium mit dem Zielland beschäftigen. Hierbei können ihnen Fachbücher und v.a. das Internet eine Hilfe sein, wobei der Mitarbeiter den effizienten Umgang mit der Informationsfülle beherrschen sollte, um sich in seiner Unsicherheit nicht zu verzetteln: Es besteht die Gefahr, dass er sich auf eine „ Jagd nach ‚ objektiven ’ Informationen “ begibt und sein Informationsbedarf ins ‚Unendliche’ steigt.34
Darüber hinaus bieten größere Unternehmen spezifische Vorbereitungsseminare oder bereits vorgefertigte Informationsmappen für ihre Expatriates an, die neben Basisinformationen auch Informationen von aktiven oder ehemaligen Expatriates beinhalten. Der zukünftige Expatriate sollte nach Möglichkeit auch das Gespräch mit ehemaligen und erfahrenen Expatriates suchen, die ihm authentische Erfahrungsberichte und nützliche Tipps zum Einleben liefern können.
Größere und ihren Mitarbeitern besonders verantwortungsvoll entgegentretende Unternehmen bieten des Weiteren sog. „Look-and-See-Trips“ für den künftigen Expatriate (und ggf. seine Familie) an. Dies sind ein- bis zweiwöchige Kurzreisen, in denen sie mit den Alltagsbedingungen und der Umgebung vor Ort konfrontiert werden und mögliche Informationsdefizite beseitigt werden können.35
Die vertragliche Vorbereitung sieht vor, dass die Ziele, die das Unternehmen mit der Auslandsentsendung verfolgt, im Vorfeld formuliert und verschriftlicht werden. Dies sind neben den strategischen Zielen des Unternehmens im Ausland auch die spezifischen Ziele des zu entsendenden Mitarbeiters. Sollte die Auslandsentsendung länger als einen Monat dauern, so m ü ssen nach §2, Abs. 2 NachwG folgende Aspekte im Entsendungsvertrag vor der Abreise schriftlich festgehalten werden:
1) die Dauer der im Ausland auszuübenden Tätigkeit,
2) die Währung, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird,
3) ein zusätzliches mit dem Auslandsaufenthalt verbundenes Arbeitsentgelt und damit verbundene zusätzliche Sachleistungen,
4) die vereinbarten Bedingungen für die Rückkehr des Arbeitnehmers.36
Die in Abs. 2, Nr. 4 erwähnten ‚Bedingungen für die Rückkehr’ werden in der Regel in „ recht offen formulierten Zusagen im Rahmen der R ü ckgliederungsgarantiere “ festgelegt.37 Alterna- tiv besteht für das Unternehmen nach §2, Abs. 4 NachwG die Möglichkeit, die oben erwähn- ten Angaben in einen schriftlichen Arbeitsvertrag oder einer schriftlichen Nebenabrede zu integrieren.
Die Erlangung interkultureller Kompetenzen dient der Sensibilisierung für kulturelle Unterschiede, um die Auswirkungen des Kulturschocks zu minimieren und den Expatriate vor Ort möglichst schnell autonom handlungsfähig werden zu lassen.38 Interkulturelle Managementtrainings umfassen dabei „ alle Ma ß nahmen, die einen Menschen bef ä higen, sich unter frem den Umweltbedingungen konstruktiv anzupassen, sachgerechte Entscheidungen zu treffen sowie zielgerecht und effektiv zu handeln “.39
Ziel ist es, Grundwissen über die jeweiligen kulturellen Gepflogenheiten des Entsendungs- lands zu erlernen; dazu zählen neben Führungs- und Verhandlungsstilen auch kommunikati- onsbezogene Kompetenzen oder Tabuthemen und Aspekte, bei deren Missachtung strafrecht- liche Konsequenzen im Gastland drohen. Der Expatriate muss darüber hinaus in der Lage sein, wahrgenommene Verhaltensweisen von Kollegen oder Geschäftspartnern richtig zu interpre- tieren und darauf zu reagieren, was nur durch die erlernbare Fähigkeit eines Perspektiven- wechsels möglich ist.40
Dieses interkulturelle Training sollte nach Möglichkeit auch von den mitreisenden Familien- angehörigen durchlaufen werden, da Harris/Brewster/Erten zufolge die Probleme der übrigen Familienmitglieder bei der Anpassung an die ungewohnte Umgebung besonders häufig zu Fehlschlägen führen.41 Der Brookfield-Studie (2008) zufolge beschränken lediglich sieben Prozent aller Unternehmen die (interkulturellen) Vorbereitungsmaßnahmen auf den zu ent- sendenden Mitarbeiter allein; 32% beziehen den Lebenspartner mit ein und 56% gar die ganze Familie.42
Solche interkulturellen Seminare und Trainings decken jedoch meist nur einen begrenzten Teil der Realität ab; die bereits oben erwähnten „Look-and-See-Trips“ können hier sicherlich unterstützend wirken und das Erlernte gleich in die Praxis umsetzen.
[...]
1 Harris/Brewster/Erten, S. 287.
2 Eser (2003), S. 38.
3 vgl. Oechsler (2010), S. 539 - Oechsler spricht hier von einer sog. ‚Kontra-Kulturschock-Phase’ nach der Rückkehr; Festing et al. (2011) von einem sog. ‚Reentry-shock’.
4 PwC (2005)
5 Hirsch (2003), S. 427.
6 Festing et al. (2011), S. 242; Meier-Dörzenbach (2008), S. 37ff.; DGFP (2012), S. 19f.
7 Festing et al. (2011), S. 240 in Bezug auf Brookfield (2009)
8 vgl. PwC (2006)
9 Festing et al. (2011), S. 241; DGFP (2012), S. 19.
10 Dowling/Festing/Engle (2008), S. 89; DGFP (2012), S. 18f.
11 Tungli/Peiperl (2009)
12 DGFP (2012), S. 19; Meier-Dörzenbach (2008), S. 38; Pawlik (2000), S. 11.
13 Meier-Dörzenbach (2008), S. 39 in Bezug auf Stahl et al. (2000).
14 DGFP (2012), S. 19; Meier-Dörzenbach (2008), S. 39 in Bezug auf Wirth (1992), S. 136.
15 Perlmutter entwickelte bereits 1969 das sog. EPG-Modell, das in den darauffolgenden Jahren durch
Hinzufügen der vierten strategischen Option (regiozentrisch) zum EPRG-Modell weiterentwickelt wurde.
16 Oechsler (2010), S. 527; DGFP (2012), S. 21; Dowling/Festing/Engle (2008), S. 80-84.
17 Drumm (2008), S. 647.
18 vgl. Wunderer (1992), S. 166.
19 Brookfield (2009)
20 Dülfer (2008), S. 541f.
21 Mastmann/Stark (2005), S. 1850; Scherm (1999), S. 219; Oechsler (2010), S. 528f.
22 Festing et al. (2011), S. 243f.
23 Wegerich (2010), S. 648.
24 Oechsler (2010), S. 531.
25 Festing et al. (2011), S. 278ff.
26 Harris/Brewster/Erten (2005), S. 273.
27 Eigene Zusammenstellung auf Basis von Meier-Dörzenbach (2008), S. 47f.; Wegerich (2010), S. 648f.; Oechsler (2010), S. 531ff. ferner auch Drumm (2008), S. 650f.
28 Oechsler (2010), S. 533f.; Wegerich (2010), S. 649; Hummel/Jochmann (1998), S. 147.
29 Blonigen (1998), S. 8.
30 Meier-Dörzenbach (2008), S. 46.
31 Harris/Brewster/Erten (2005), S. 273, in Bezug auf Baker/Ivancevich (1971)
32 Harris/Brewster/Erten (2005), S. 273; Oechsler (2010); S. 533.
33 Harris/Brewster/Erten (2005), S. 274.
34 Bittner/Reisch (1994): S. 176.
35 Pawlick (2000), S. 43f.
36 http://dejure.org/gesetze/NachwG/2.html
37 Meier-Dörzenbach (2008), S. 50f.
38 Pawlick (2000), S. 44; Meier-Dörzenbach (2008), S. 50.
39 Oechsler (2010), S. 534 in Bezug auf Thomas (1989), S. 281f.
40 Wegerich (2010), S. 652 in Bezug auf Hofstede (2003)
41 Harris/Brewster/Erten (2005), S. 274.
42 Brookfield (2008) S. 16.