Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Leihmutterschaft in Europa
I. Das Leihmutterschaftsverfahren
II. Gründe für Leihmutterschaften und nationale Verbote
C. Rechtliche Konsequenzen in den Verbotsstaaten
I. Strafrechtliche Folgen
II. Nichtigkeit eines Leihmutterschaftsvertrags
III. Rechtlicher Status des Kindes
IV. Nationale Entscheidungen zur Rechtmäßigkeit
D. Vereinbarkeit mit den sozialen Menschenrechten
I. Soziale Menschenrechte im allgemeinen Kontext
II. Einschlägige internationale Rechtsnormen bei Leihmutterschaften
III. Ausgewählte Fälle vor dem Europäischen Gerichtshof
IV. Rechtliche Bewertung
1) Bisherige Rechtsprechung
2) Bruch
a) Urteil der Kleinen Kammer
b) Urteil der Großen Kammer
c) Minderheitenvotum
E. Fazit und eigene Bewertung
Literaturverzeichnis
A. Einleitung
Vier australische Paare saßen 2014 mit ihren Kindern am Flughafen in Bangkok fest und wurden an der Ausreise gehindert. Grund dafür sind fehlende Papiere für die Kinder, insbesondere die richterliche Übertragung des Sorgerechts, da die Kinder von einer Leihmutter geboren wurde, der das Sorgerecht übertragen wurde. Diese Konsequenzen zieht Thailand aufgrund zweier vorangegangener Leihmutterschaftsfälle, die dem Land und seinem Leihmutterschaftsmarkt stark geschadet haben. So nahm ein australisches Paar lediglich den gesunden Zwilling mit in seine Heimat, der Junge „Gammy“, der an einem Down-Syndrom litt und zusätzlich einen schweren Herzfehler hatte, ließen sie bei der thailändischen Leihmutter zurück. In dem anderen Fall zeugte ein 24-jähriger Japaner insgesamt mindestens 10 Kinder mit thailändischen Leihmüttern und förderte damit den Verdacht des Menschenhandels. Aufgrund der politischen Unruhen in Thailand und einem Militärputsch im Frühjahr 2014 konnte das Land seine Pläne für ein Leihmutterschaftsverbot nicht durchsetzen und musste sich daher auf eine strikte Politik in Bezug auf die formale Überprüfung der Einhaltung aller Leihmutterschaftsbedingungen beschränken. Im Februar 2015 trat schließlich ein neues Gesetz in Kraft, dass kommerzielle Leihmutterschaften für Ausländer verbietet.[1] Für die Paare, die mit ihren Kindern am Flughafen aufgehalten wurden, kommt dies jedoch zu spät. Diese hatten ihren Kinderwunsch in Thailand bereits erfüllt, mussten nun jedoch in Australien die nächsten rechtlichen Hürden meistern. Viele Staaten versuchen mittlerweile durch rechtliche Konsequenten zu verhindern, dass ihre Staatsbürger Leihmutterschaftsverbote im Ausland umgehen, sorgen damit jedoch häufiger dafür, wie hier im Fall Australien, dass die Paare gerade dies tun. In der Heimat tauchen dann neue Probleme auf, die letztlich die unschuldigen Kinder härter treffen, als die Paare, die sich rechtswidrig verhalten haben.
Diese Hausarbeit soll sich mit der Frage beschäftigen, inwieweit die Verbote von Leihmutterschaften in Europa[2] und insbesondere die rechtlichen Konsequenzen einiger Staaten bei Umgehung dieser Verbote mit den sozialen Menschenrechten aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der Kinderrechtskonvention (KRK) vereinbar sind. Zu Beginn wird aufgezeigt, wie das Verfahren einer Leihmutterschaft in liberalen europäischen Staaten abläuft und welche Staaten dieses Prinzip verbieten sowie ihre Beweggründe für ein solches Verbot. Danach folgen eine Beschreibung aller rechtlichen Konsequenzen an den Beispielen einiger Verbotsstaaten sowie die rechtliche Bewertung durch deutsche Gerichte. Anschließend wird auf mögliche Menschenrechtsverstöße aus aktuellen EGMR Fällen eingegangen und abschließend ein Ergebnis und eine eigene Bewertung dargestellt.
B. Leihmutterschaft in Europa
Das Phänomen der Leihmutterschaft ist bereits aus der Bibel bekannt. So nutzten Abraham und Sarah beispielsweise eine Magd als Leihmutter, da Sarah selbst keine Kinder bekommen konnte. In früherer Zeit blieb die Leihmutterschaft jedoch eine rein biblische Geschichte und bezog sich kaum auf das reale Leben. Mit dem medizinischen Fortschritt kam Ende des 20. Jahrhunderts die heute bekannte Form der Leihmutterschaft durch künstliche Befruchtung, welche erstmals 1978 erfolgreich in den USA durchgeführt wurde. Ab diesem Zeitpunkt erlangten Leihmutterschaften immer mehr Beachtung. Während anfangs jedoch nur wenige Staaten fähig waren, Leihmutterschaften mithilfe künstlicher Befruchtungen durchzuführen, hat sich heute ein weltweiter Markt auf den sogenannten „Fortpflanzungstourismus“ spezialisiert.[3]
I. Das Leihmutterschaftsverfahren
Außerhalb Europas werden Leihmutterschaften in Staaten wie den USA, Kanada, Brasilien und Argentinien sowie in Hongkong, Australien und Südafrika gebilligt und durchgeführt.[4] In Europa wird das Thema stark diskutiert, weshalb es nicht verwundert, dass nur wenige Staaten Leihmutterschaft in ihren Rechtsordnungen ausdrücklich gestatten. Insgesamt sind es mit Großbritannien (GB), Griechenland, Rumänien, Russland und der Ukraine lediglich fünf Staaten, die diese, teilweise eingeschränkt, erlauben.[5] Allgemein gilt in diesen Staaten eine ähnliche Vorgehensweise bei einem Leihmutterschaftsverhältnis. Zuerst müssen alle Beteiligten mit richterlicher Feststellung bestimmte Voraussetzungen erfüllen, darunter eine ärztliche Feststellung der Unfruchtbarkeit der Wunschmutter oder das Risiko der Übertragung einer schweren Krankheit durch die Schwangerschaft oder Geburt. Einige Staaten beschränken die Möglichkeit einer Leihmutterschaft zudem auf die eigenen Staatsangehörigen oder auf Personen mit einem gewöhnlichen Aufenthalt oder Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet.[6] Sind die Voraussetzungen erfüllt, beginnt der Vorgang der künstlichen Befruchtung der Leihmutter. Hier wird zwischen zwei Formen von Leihmutterschaft unterschieden: Der klassischen Leihmutterschaft und der echten Leihmutterschaft. Die klassische Leihmutterschaft bietet sich an, wenn die Wunschmutter unfruchtbar ist oder es sich bei den Wunscheltern um ein männliches homosexuelles Paar handelt, die eine Frau zum Austragen des Kindes benötigen. Hier ist der Wunschvater zwar genetisch mit dem Kind verwandt, die genetische Mutter ist jedoch die Leihmutter. Die zweite Variante, die echte Leihmutterschaft, wird dagegen genutzt, wenn die Wunschmutter zwar fruchtbar ist, das Kind jedoch nicht ohne ein Risiko für sich oder das Kind austragen kann. Beide Formen der Leihmutterschaft fallen hier unter das rechtlich zu bewertende Leihmutterschaftsverhältnis, da hierbei dierechtliche Mutter des Kindes in der Regel die Leihmutter und nicht die Wunschmutter ist.[7] Nach der Geburt des Kindes wird durch einen richterlichen Akt die Frage der Abstammung des Kindes geregelt. Die Wunscheltern werden dabei in der Regel als Eltern in die Geburtsurkunde eingetragen, sofern die Leihmutter dem zustimmt. [8]
Komplizierter, da moralisch stark diskutiert, ist die Frage der Entlohnung der Leihmutter, sofern diese die Leihmutterschaft nicht aus reiner Hilfsbereitschaft eingeht. Bei einer kommerziellen Leihmutterschaft erhält die Leihmutter eine Aufwandsentschädigung, deren Höhe je nach Staat variiert.[9] In den liberalen Staaten, die Leihmutterschaften erlauben, haben Gerichte den Wert eines Kindes festgelegt, die Spanne könnte jedoch nicht größer sein. Während eine Leihmutter in Europa bis maximal 10.000€ erhält, betragen die Kosten einer solchen Schwangerschaft in den USA bis zu 66.000€.[10] Die Leihmutter selbst erhält davon gerade mal ein Drittel.[11]
II. Gründe für Leihmutterschaften und nationale Verbote
Können Paare keine eigenen Kinder bekommen bleibt in der Regel nur eine Adoption. Die meisten dieser Paare möchten jedoch einen Säugling oder zumindest ein Kleinkind adoptieren, um die gesamte Entwicklung des Kindes mitzuerleben. Die langen Wartelisten sorgen dafür, dass Jahre vergehen, ohne dass das Paar ein Kind erhält. Hinzu kommt, dass diese Paare meist schon über einen langen Zeitraum erfolglos versucht haben, eigene Kinder durch künstliche Befruchtung zu bekommen. Durch die anschließend lange Wartezeit im Adoptionsverfahren besteht nun das Risiko, die Altersgrenze für eine Adoption zu überschreiten und somit keine Möglichkeit mehr zu haben, ein Kind adoptieren zu können. Auch bei ausländischen Adoptionen werden die Anforderungen für Paare aus anderen Staaten immer höher. Hinzu kommt, dass es für homosexuelle Paare erst seit diesem Jahr überhaupt eine Chance gibt, ein Kind zu adoptieren.[12] Da die Lebenspartnerschaft eines gleichgeschlechtlichen Paars bisher nicht mit der Ehe gleichgestellt wurde, bestanden für diese Paare beispielsweise keine Rechte auf die Adoption eines Kindes. Leihmutterschaften waren somit die einzige Möglichkeit, Kinder zu bekommen. Das Internet bietet all diesen kinderlosen Paaren eine Plattform und lockt mit Angeboten in sämtlichen Sprachen sowie Bildern von glücklichen Familien. Es ist eindeutig erkennbar, dass der Leihmutterschaftsmarkt den anderen Dienstleistungsunternehmen in nichts zurücksteht. Welche Motivation die Leihmütter und Vermittlungsagenturen jedoch verfolgen, ob sie dies aus reiner Hilfsbereitschaft machen oder nur wegen wirtschaftlicher Aspekte, ist auf den Webseiten derweil nicht erkennbar. Doch gerade auf die Leihmütter und die Kinder beziehen sich Staaten, die den Trend der Leihmutterschaft strikt ablehnen. So steht den liberalen Staaten, die Leihmutterschaften erlauben, eine Vielzahl von Verbotstaaten gegenüber. In Europa sind das neben Deutschland auch Frankreich, Italien, Österreich, Bulgarien, die Schweiz, Spanien, Portugal und die Türkei.[13] Auch wenn sie ihre Staatsbürger mit dieser Haltung quasi ins Ausland zwingen, versuchen sie dies gleichzeitig mit weiteren gesetzlichen Regelungen zu unterbinden, nämlich durch rechtliche Konsequenzen bei der Rückkehr der Wunschfamilie. Doch wieso ist die Debatte um das Thema Leihmutterschaft so hitzig, scheint die Erfüllung des Kinderwunschs doch ein legitimes Ziel dafür. Der Grund für die Verweigerung der Teilnahme am Leihmutterschaftsmarkt sind moralische Aspekte, die für Verbotsstaaten, wie Deutschland, Frankreich und Italien nicht mit den Menschenrechten, insbesondere der Menschenwürde, vereinbar sind, wird doch über den Körper einer Frau entschieden, ohne die Gründe für das Eingehen der Leihmutterschaft zu prüfen, und menschliches Leben in Form des Kindes wie Ware behandelt.[14] Als der Betrieb von Leihmutterschaftsagenturen 1987 in rein kommerzielle Gründe ausartete, entschied sich Deutschland, Leihmutterschaften erstmals rechtlich zu regeln. Die Bundesrepublik ist dabei eine der Nationen, mit den strengsten Regeln in Bezug auf die Fortpflanzungsmedizin.[15]
C. Rechtliche Konsequenzen in den Verbotsstaaten
Die Wunscheltern glauben häufig, die größte Hürde sei das Leihmutterschaftsverfahren selbst. Erst nach der Geburt des Kindes zeigen sich jedoch die wahren Probleme. So kann die Erteilung eines Visums für das Kind oder die Ausstellung von Passpapieren von den Behörden des Heimatstaates verweigert werden. Dies geschieht in der Regel, weil die Wunscheltern davon ausgehen, das nationale Verbot beziehe sich lediglich auf im Inland durchgeführte Leihmutterschaften. Die Gesetzeslage in den Verbotsstaaten zeigt jedoch klar, dass man nur mit wenig Verständnis bei Unwissenheit rechnen darf. Tatsächlich treffen die rechtlichen Konsequenzen jedoch weniger die Wunscheltern, die sich rechtswidrig verhalten haben, sondern vielmehr das Kind und dessen Familienleben.[16]
I. Strafrechtliche Folgen
Um den Zweck des Verbots von Leihmutterschaft zu erfüllen, wenden die Staaten sowohl strafrechtliche als auch privatrechtliche Sanktionen an. Gerade im strafrechtlichen Bereich unterscheiden sich die Schwerpunkte der Straftaten in den jeweiligen Verbotsstaaten. So machen sich in Frankreich beispielsweise das Paar und die Leihmutter wegen der Gefährdung des Personenstandes des Kindes und der Kindesunterschiebung strafbar, was mit Gefängnis oder hohen Geldstrafen bestraft wird. Auch die Vermittlung einer Leihmutter ist in Frankreich strafbar. In Deutschland wird dagegen vorrangig der medizinische Eingriff unter Strafe gestellt. Beide Sanktionsvarianten sind jedoch wenig effektiv, da sowohl der Vertragsschluss, als auch der Eingriff selbst meist im Ausland vorgenommen werden, wodurch die strafrechtlichen Normen oft nicht greifen. Auch handelt es sich bei der Einstufung lediglich um Delikte, die Tat kann somit nur bestraft werden, wenn sie in dem ausländischen Staat auch unter Strafe gestellt ist. Da dies in der Regel nicht der Fall ist, sind weder die Ärzte noch die Vermittlungsagenturen strafrechtlich zu belangen.[17] Das Verbot der Leihmutterschaft leitet sich in Deutschland aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 Embryonenschutzgesetz (ESchG) ab, wo ausdrücklich untersagt ist, Embryonen zu entnehmen oder zu spenden, um sie später auf eine andere Frau (die Leihmutter) zu übertragen. Das deutsche Recht bedroht damit nicht die Leihmutter, sondern lediglich mitwirkende Dritte. Dies stellt § 1 Abs. 3 Nr. 2 ESchG noch einmal deutlich klar.[18] Zu den mitwirkenden Dritten zählen dabei auch die Vermittlungsagenturen. So ist es gemäß § 13b AdVermiG untersagt, Frauen, die zu einer Leihmutterschaft bereit sind und Personen, die ein solches Kind auf Dauer bei sich aufnehmen würden zusammenzuführen.[19] Das AdVermiG und das ESchG bilden damit die Grundlage für das deutsche Leihmutterschaftsverbot, welches verhindern soll, dass Kinder Bestandteil eines Rechtsgeschäfts werden. Dies wird insoweit verhindert, als dass die Wunscheltern und die Leihmütter im Inland kaum eine Chance haben zusammenzufinden oder wenn doch, keine Klinik den Vorgang unterstützen würde.
II. Nichtigkeit eines Leihmutterschaftsvertrags
Die Auswirkungen der Umgehung nationaler Verbote werden bei der privatrechtlichen Betrachtung offensichtlicher. So kann es dazu kommen, dass die Schließung eines Leihmutterschaftsvertrags im Ausland als nichtig angesehen wird, dies hängt jedoch von dem jeweiligen Verbotsstaat ab, in dem die Elternschaft anerkannt werden soll. So kann ein Vertrag entweder voll wirksam oder aber von Beginn an nichtig sein.[20] Rein rechtlich gesehen, ist der Begriff „Leihmutterschaftsvertrag“ jedoch näher zu betrachten. So kann darin nicht nur der Vertrag zwischen den Wunscheltern und der Leihmutter gesehen werden, sondern auch der Behandlungsvertrag zwischen der Leihmutter und dem Arzt, der das Verfahren durchführt. Die Nichtigkeit eines Vertrags durch die Umgehung von Verbotsgesetzen ergibt sich aus § 134 BGB. Die strafrechtlichen Normen[21], die dieses Verbot auslösen, betreffen allerdings nur die Strafbarkeit des Arztes, also auch nur den Vertrag, den der Arzt mit der Leihmutter oder der Wunschmutter, sofern ihre eigenen Eizellen benutzt werden, geschlossen hat. Gleiches gilt für Verträge, die mit Vermittlungsagenturen abgeschlossen werden.[22] Der Vertrag zwischen Wunscheltern und Leihmutter fällt nicht in den Rahmen der Schutznormen, wodurch der Vertrag nicht automatisch aufgrund des strafrechtlichen Verbots als nichtig angesehen werden kann. Hier ist jedoch die Tendenz steigend, dass solche Verträge als Verstoß gegen die guten Sitten nach § 138 BGB anzusehen sind und daraus die Nichtigkeit des Vertrags entsteht.[23] Dies führt dazu, dass sich die Wunscheltern im Nachhinein nicht auf die im Vertrag geregelten Inhalte berufen können, wenn ihnen das Kind beispielsweise nicht übergeben wurde, gleichzeitig können sie auch nicht bereits gezahlte Aufwandsentschädigungen zurückverlangen. Andersherum kann die Leihmutter nicht die vereinbarte Summe von den Wunscheltern verlangen, sollten diese die Zahlung verweigern.[24] Diese vertragsrechtliche Regelung kann von den beiden Parteien auch nicht über das internationale Privatrecht umgangen werden, da es sich bei der Erklärung der Nichtigkeit des Vertrags um eine Eingriffsnorm handelt, die trotz einer anderen gewählten Rechtsordnung greift.[25] Diese Nichtigkeitsregelung führt dazu, dass keine Verträge im Inland geschlossen werden können, da sonst die Gefahr besteht, dass die Leihmutter die Übergabe verweigert oder aber die Aufwandsentschädigung nicht erhält. Die Eltern sind damit quasi gezwungen, auch den Leihmutterschaftsvertrag im Ausland abzuschließen.
III. Rechtlicher Status des Kindes
Die vorangegangenen Normen verfolgen alle dasselbe Ziel, nämlich zu verhindern, dass kinderlose Paare durch die Schaffung eines rechtlichen Status für Kinder aus Leihmutterschaftsverhältnissen, quasi eingeladen werden, ihren Kinderwunsch im Ausland zu erfüllen. Dabei wird jedoch meist das Kind zum Leidtragenden in dieser Streitsache, denn für die Wunscheltern kommt es nach deutschem Recht zu keinen strafrechtlichen Konsequenzen, wenn sie sich für die Leihmutterschaft im Ausland entschieden haben. Rechtliche Probleme treten erst bei der Einreise des Kindes in den Heimatstaat der Wunscheltern auf, wenn diese die ausländischen Papiere überschreiben lassen möchten.[26] So warnt mittlerweile selbst das Auswärtige Amt die deutschen Staatsbürger davor, Leihmutterschaften im Ausland einzugehen, da keine Anerkennung der Familienbande vorab gewährleistet werden kann.[27] Bei der Anerkennung ausländischer Dokumente über Familienbande, muss zwischen zwei Szenarien unterschieden werden. Einmal benötigt das Kind ein Visum für die Einreise in den Heimatstaat der Wunscheltern und einmal kann es visumsfrei in diesen Staat einreisen.[28] So kann dem Kind die Einreise in den Heimatstaat der Wunscheltern verweigert werden, wenn der Verdacht der Umgehung nationaler Verbote, in diesem Fall des Leihmutterschaftsverbots, besteht. Die Konsequenz wäre, dass das Kind im Geburtsstaat bleiben muss, bis die Wunscheltern die Ausstellung einer Einreiseerlaubnis erwirkt haben. Erhalten die Wunscheltern trotz aller Bemühungen keine Einreiseerlaubnis für das Kind, kommt es zum nächsten Problem. Die Leihmutter selbst möchte das Kind in der Regel nicht. Die Wunscheltern wollen oder können dagegen ihren Wohnsitz nicht ins Ausland verlegen. Es besteht somit die Gefahr, dass das Kind als „Waise“ in einem Kinderheim im Geburtsstaat untergebracht wird. Ist das Kind dagegen bereits im Inland, da es aus seinem Geburtsland visumsfrei einreisen konnte, kommt es spätestens bei der Neubeurkundung zu ersten Problemen, da die Behörden bei Verdacht auf eine Leihmutterschaft die Anerkennung meist verweigern.[29] Die Grundlage der Weigerung ist dabei häufig das Staatsangehörigkeitsrecht, das jeder Staat selbst festlegen kann. So unterscheidet man bei der Staatsangehörigkeit zwischen dem Abstammungsprinzip (ius sanguinis) und dem Territorialprinzip (ius soli). Beim Abstammungsprinzip erhält das Kind die Staatsangehörigkeit eines rechtlichen Elternteils.[30] Dieses Prinzip wird unter anderem in Deutschland, Österreich und Italien angewandt. Das Territorialprinzip bedeutet dagegen, dass eine Person die Staatsangehörigkeit des Landes erlangt, wenn sie in dessen Hoheitsgebiet geboren wurde. Deutschland hat neben dem Abstammungsprinzip nach den §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 Staatsangehörigkeitsrecht (StAG) auch ein eingeschränktes Territorialprinzip nach § 4 Abs. 3 StAG.[31] Das alleinige Territorialprinzip wird beispielsweise in den USA angewandt, wodurch Kinder, die dort von einer Leihmutter geboren werden, einen amerikanischen Pass erhalten, mit dem sie visumsfrei nach Deutschland einreisen können. Die beiden Staatsangehörigkeitsprinzipien bergen jedoch in Bezug auf Leihmutterschaften ein gewisses Risiko. So könnte es im schlimmsten Fall zu einer Staatenlosigkeit des Kindes kommen. Dies wäre der Fall, wenn sowohl der Heimatstaat als auch der Geburtstaat des Kindes das Abstammungsprinzip zum Erhalt der Staatsangehörigkeit anwenden, die rechtliche Elternschaft dabei jedoch unterschiedlich definiert.[32] In vielen europäischen Verbotsstaaten gilt nämlich als rechtliche Mutter die Frau, die das Kind geboren hat. In Deutschland geht dies aus § 1591 BGB hervor. Die Leihmutter bliebe somit auch die rechtliche Mutter, wenn die Wunschmutter genetisch mit dem Kind verwandt wäre.[33] Das Kind kann demnach nur die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, wenn der rechtliche Vater Deutscher ist. Der rechtliche Vater ist nach § 1592 BGB der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist oder wer die Vaterschaft anerkannt hat. Eine Vaterschaftsanerkennung ist jedoch nur gültig, wenn nicht bereits ein Vaterschaftsverhältnis von Gesetzeswegen besteht, wie es etwa bei einem Ehemann der Leihmutter vorliegen würde.[34] Das Kind würde somit nicht zwingend die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Hinzu käme nun, dass der Geburtstaat des Kindes anders als Deutschland die Wunscheltern aufgrund der genetischen Verwandtschaft als rechtliche Elternanerkennt, wodurch das Kind gemäß dem Abstammungsprinzip nicht die Staatsangehörigkeit der Leihmutter erhalten kann. Das Kind wäre damit staatenlos. Dies ist jedoch der seltenste Fall, aber bei der Thematik durchaus zu berücksichtigen.[35] In der Regel kann der Wunschvater in Deutschland rechtlicher Vater werden, wenn die Leihmutter nicht verheiratet ist oder der Ehemann die Vaterschaft wirksam angefochten hat.[36] Für eine Abstammungsanerkennung in Deutschland bleiben für die Wunscheltern nach aktueller Rechtslage demnach nur zwei Möglichkeiten. Die erste Variante wurde bereits angesprochen. Es geht hierbei um eine wirksame Vaterschaftsanfechtung des Ehemannes der Leihmutter und die anschließende Vaterschaftsanerkennung durch den genetischen Vater. Die zweite Variante ist die Adoption des Kindes durch einen Elternteil. Diese ist jedoch sehr zeitintensiv, wodurch sich die Einreise des Kindes in den Heimatstaat verzögern kann.[37] Auch Frankreich handhabt die Anerkennungsmöglichkeiten ähnlich wie Deutschland. Demnach haben die Gerichte zwar entschieden, dass die ausländischen Personenstandsurkunden grundsätzlich ohne Vorbehalt des ordre public anerkannt werden müssen, sofern sie nicht bewiesenermaßen falsch sind oder französisches Recht umgangen wurde, da die Wunscheltern jedoch gerade das französische Leihmutterschaftsverbot umgangen haben, sind die ausländischen Entscheidungen somit unwirksam und eben nicht mit den öffentlichen Interessen vereinbar. Liberaler entschied dagegen der österreichische Gerichtshof, der durch die Zuordnung der rechtlichen Elternschaft zu den genetischen Eltern keinen Verstoß gegen den ordre public sah. Trotzdem bleiben die öffentlichen Interessen das Hauptargument der Staaten für die Verweigerung der Anerkennung des rechtlichen Status eines Leihmutterschaftskindes.[38]
IV. Nationale Entscheidungen zur Rechtmäßigkeit
Für das Kind bleibt die Frage nach seiner Abstammung somit oft fraglich, da die Gesetze sich lediglich auf die rechtliche Elternschaft beziehen und die genetische Verwandtschaft außen vor lassen. Das Kind erhält somit meist nicht die Staatsangehörigkeit seiner Wunscheltern. Und ohne Staatsangehörigkeit kommt es zu keiner Nachbeurkundung der ausländischen Geburt.[39] Die deutschen Gerichte waren diesbezüglich immer darauf bedacht, keine Entscheidungen zu treffen, auf die sich andere Paare beziehen können. Die Klagen gegenüber Behörden beziehungsweise dem Staat auf Eintragung des Personenstandes des Kindes, wurden daher bis auf wenige Ausnahmen gegen die Wunscheltern entschieden. Dies hat den Charakter einer Bestrafung der Wunscheltern, haben diese doch wissentlich nationale Verbote umgangen. Bestraft wird hier jedoch eigentlich nur das Kind.[40] So hat es auch der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 10.12.2014[41] gesehen und erstmals der gängigen Rechtsprechung der unteren Instanzen widersprochen. Er stellte klar, dass das Kindeswohl vor dem ordre public stehe und erkannte daher die Entscheidung eines kalifornischen Gerichts zur Elternschaft eines Leihmutterschaftskindes an, das mit einem der Väter genetisch verwandt war. Einen Verstoß gegen die öffentlichen Interessen nach § 109 Nr. 4 FamFG verneinte er dagegen. Gleichzeitig erklärte er aber auch, dass sich das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung nur auf die genetische Verwandtschaft beziehe, nicht aber auf die rechtliche Elternschaft. Da in Personenregister lediglich die rechtlichen Eltern eingetragen werden, ergibt sich somit nicht automatisch ein Recht auf Eintragung in das Personenstandsregister auf dieser Grundlage.[42] Dies ließe sich umgehen, indem man in das Personenregister neben der rechtlichen, auch die genetische Elternschaft einträgt, wie es auch schon in der Schweiz vom dortigen Bundesgericht 2015 entschieden wurde.[43] Eine bisher angestrebte Verfassungsbeschwerde ist in Deutschland an der Zulässigkeit gescheitert, so dass noch keine Bewertung des Bundesverfassungsgerichts über die gängige Praxis der deutschen Behörden bei Verweigerung der Abstammungsanerkennung vorgenommen werden konnte. Der BGH hat jedoch mit seinem Urteil einen großen Schritt in Richtung menschenrechtlicher Entscheidungen getan.[44] Neben der Vereinbarkeit des nationalen Leihmutterschaftsverbots und dessen rechtliche Konsequenzen für Wunscheltern und Kind auf nationaler Ebene, rückt aber auch die Frage nach der Vereinbarkeit von Leihmutterschaftsverboten auf internationaler Ebene immer mehr in den Vordergrund.
D. Vereinbarkeit mit den sozialen Menschenrechten
Durch die voranschreitenden medizinischen Möglichkeiten und die rechtliche Vielfältigkeit in Bezug auf Leihmutterschaften sowie der Anerkennung daraus entstandener Familienbande, kam es in den letzten Jahren immer häufiger zu Beschwerden wegen Menschenrechtsverletzungen vor dem EGMR. Der Gerichtshof hatte dabei zu prüfen, ob durch die Anerkennungsverweigerung einiger Mitgliedsstaaten des Europarats Rechte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der Kinderrechtskonvention verletzt wurden. Im Mittelpunkt stand dabei Artikel 8 der EMRK: Das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.
[...]
[1] Die Welt: Thailand verbietet Ausländern (…), Artikel vom 20.02.2015, https://goo.gl/GXWXkw.Töpper/Reuters: Paare mit Babys (...), Spiegel Artikel vom 15.08.2014, https://goo.gl/UgtZt3.
[2] Europa meint hier die Mitglieder des Europarats, nicht die Europäische Union.
[3] Lederer (2016): Grenzenloser Kinderwunsch (…), S. 31.
[4] Lagarde, Die Leihmutterschaft (…), ZEuP 2015, S. 234.
[5] Max Planck: Rechtliche Regelungen (…), https:// goo.gl/Uj4Jmn, Stand: 18.08.2017.
[6] Lagarde, Die Leihmutterschaft (…), ZEuP 2015, S. 235.
[7] Lederer (2016): Grenzenloser Kinderwunsch (…), S. 27 f.
[8] Lagarde, Die Leihmutterschaft (…), ZEuP 2015, S. 235.
[9] Lederer (2016): Grenzenloser Kinderwunsch (…), S. 29.
[10] Lagarde, Die Leihmutterschaft (…), ZEuP 2015, S. 235.
[11] Engel, Internationale Leihmutterschaft (…), ZEuP 2014, S. 544.
[12] Gesetz zur Einführung (…) Bgbl I Nr. 52
[13] Max Planck: Rechtliche Regelungen (…), abgerufen unter: https:// goo.gl/Uj4Jmn, Stand: 18.08.2017.
[14] BT-Drucksache 11/4154, S. 6.
[15] Lederer (2016): Grenzenloser Kinderwunsch (…), S. 38 f.
[16] Lederer (2016): Grenzenloser Kinderwunsch (…), S. 38 f.
[17] Lagarde, Die Leihmutterschaft (…), ZEuP 2015, S. 236.
[18] Höfling in: Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl. 2014, § 1 ESchG, Rn. 6.
[19] Lederer (2016): Grenzenloser Kinderwunsch (…), S. 38.
[20] Lederer (2016): Grenzenloser Kinderwunsch (…), S. 183.
[21] s. Punkt 1) Strafrechtliche Konsequenzen
[22] Lederer (2016): Grenzenloser Kinderwunsch (…), S. 184.
[23] Lederer (2016): Grenzenloser Kinderwunsch (…), S. 185.
[24] Lagarde, Die Leihmutterschaft (…), ZEuP 2015, S. 236 f.
[25] Magnus in: Staudinger, Kommentar zum (…), 5. Aufl. 2010, Art. 9 ROM I-VO, Rn. 15 f.
[26] Engel, Internationale Leihmutterschaft (…), ZEuP 2014, S. 547.
[27] Auswärtiges Amt (2017): Hinweis zu Leihmutterschaft, https://goo.gl/EGnJp7, Stand: 17.08.2017.
[28] Lederer (2016): Grenzenloser Kinderwunsch (…), S. 191 f.
[29] Lederer (2016): Grenzenloser Kinderwunsch (…), S.191.
[30] Renner/ Maaßen in: Hailbronner, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 4 StAG, Rn. 7, 29.
[31] Renner/ Maaßen in: Hailbronner, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 4 StAG, Rn. 71, 73.
[32] Lederer (2016): Grenzenloser Kinderwunsch (…), S. 192 f.
[33] Nickel in: Herberger/Martinek/Rüßmann et. al., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 1591 BGB, Rn. 5.
[34] Rauscher in: Staudinger, Kommentar zum (…), Neubearbeitung 2011, § 1592, Rn. 21, 25 und 54 f.
[35] Lederer: (2016): Grenzenloser Kinderwunsch (…), S. 193 f.
[36] OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.06.2013 – 3 O 84/12 – , IPrax 2014, S. 57 und 72.
[37] Lagarde, Die Leihmutterschaft (…), ZEuP 2015, S. 239.
[38] Lagarde, Die Leihmutterschaft (…), ZEuP 2015, S. 239.
[39] Lagarde, Die Leihmutterschaft (…), ZEuP 2015, S. 239.
[40] Lagarde, Die Leihmutterschaft (…), ZEuP 2015, S. 239.
[41] BGH, Beschluss vom 10.12.2014 – XII ZB 463/13, NJW 2015, S. 479 ff.
[42] Heiderhoff: Anmerkung zum BGH Urteil – XII ZB 463/13 –, NJW 2015, S. 485.
[43] Schweizer Bundesgericht, FamRZ 2015, S. 1912 ff.
[44] Lederer (2016): Grenzenloser Kinderwunsch (…), S. 200.
- Arbeit zitieren
- Jana Bub (Autor), 2017, Nationale Leihmutterschaftsverbote. Verstoß gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/422482
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