Vampire und Werwölfe. Die Geschichte einer Trennung


Hausarbeit, 2016

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Tiermenschen

III. Die Ursprunge - Verwandtschaft im Fruhmittelalter
3.1. Vukodlak und Wurkolak - der slawische Werwolf und der griechische Vampir
3.2. Damonen
3.3. Kalikantsaros - der griechische Werwolf
3.4. Wurkolak bzw. Wrykolakas - der griechische Vampir

IV. Die Trennung: Hexen, Werwolfe und Vampire - das teuflische Trio
4.1. Die Berserker - Krieger Odins und Boten des Jenseits
4.2. Werwolfe und die neuzeitlichen Hexenprozesse
4.3. Der Vampir im Wandel vom achtzehnten zum neunzehnten Jahrhundert

V. Die Feindschaft
5.1. Die Ruckkehr der Werwolfe zu den Vampiren - Nachtwandler im einundzwanzigsten Jahrhundert

VI. Fazit

VII. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Geschichten zu Vampiren und Werwolfen haben heute Hochkonjunktur:

Twilight: Bella ist verliebt. In Edward, einen Vampir, aber auch in Jacob, einen Werwolf. Sie muss sich entscheiden. Dass sich die beiden gegenseitig nicht einmal riechen konnen, weil Werwolfe und Vampire bereits seit Jahrhunderten verfeindet sind, macht die Sache nicht ge- rade einfacher. The Vampire Diaries: In Mystic Falls sterben Vampire. Elenas Freund Tyler ist ein Werwolf. Sein Biss hat die Vampire vernichtet. Underworld: Selene ist ein Vampir. Doch damit hat sie eine wichtige Aufgabe, die dem Schutz der Menschheit dient. Sie muss Werwolfe jagen. Shadow Hunters: Die Schattenwelt ist in Aufruhe. Jeder ist hinter dem magi- schen Kelch her. Allen voran die Vampire, denn sie wollen nicht, dass ihre Erzfeinde, die Werwolfe, ihn in die Hand bekommen.

Die Liste liefie sich beliebig weiterfuhren. Die Vorstellungen von Vampiren und Werwolfen sind so alt, wie der Wunsch des Menschen nach ubermenschlichen Eigenschaften selbst. Doch trotz ihren archaischen Vorgangern hat das Vampir- und Werwolfthema noch lange nicht an Aktualitat verloren. Im Gegenteil. Das Vampirthema ist in Literatur und Film so lebendig wie selten zuvor. Das Vampirthema scheint, wie sein Gegenstand, wortwortlich unsterblich zu sein und daruber hinaus nicht zu altern, sondern im Gegenteil, eine Kraft der Verjungung zu besitzen, die es mit immer neuer Vitalitat speist. Und auch der Werwolf taucht heute wieder in allen Medien auf. An der Spitze einer grofien Welle tiermenschlicher Teenagerprotagonis- ten uberschwemmen sie die Filmlandschaft des einundzwanzigsten Jahrhunderts.

Tiermenschen lassen sich heute in nahezu jedem Filmgenre finden. Man kann sie in vier Ka- tegorien einteilen: Tierahnlichen Menschen sind Menschen mit tierischen Eigenschaften. Zu ihnen gehoren vor allem Vampire, aber auch Superhelden, wie Batman, Catwomen, Spider- man und Antman. Des Weiteren gibt es die Gestaltwandler, die zwischen menschlicher und tierischer Gestalt wechseln konnen. Der popularste Gestaltwandler ist der Werwolf. Aber man konnte auch Franz Kafkas Gregor Samsa dazu zahlen oder alle verzauberten Marchenfiguren, wie zum Beispiel den Froschkonig oder die Barenbruder.

Hybride sind halb Mensch, halb Tier. Sie sind im Film haufig historisch mit der griechischen Mythologie verbunden. Zu ihnen gehoren Zentauren, Faune, Minotauren, Sphinxe, Nixen bzw. Meerjungfrauen und Harpyien. Sie bevolkern Fantasyfilme wie Narnia oder Percy Jackson. Es gibt aber auch Werwolfe, die als Hybride dargestellt werden.

Zu guter letzt soil noch das Tier mit menschlichen Eigenschaften genannt werden, welche vor allem in Fabeln und Marchen, wie Der gestiefelten Kater oder Die Bremer Stadtmusikanten zu finden sind, sowie in Trick und Animationsfilmen, wie Aristocats, 101 Dalmatiner, Ice Age, Shrek oder Madagascar.

Die Geschichte des Vampirs reicht weit uber Dracula hinaus. Und nicht immer empfand der Mensch Faszination fur die Symbolkraft des Blutes, das Umherirren zwischen Leben und Tod und das vampirische Aufiere, wie heute in den popkulturellen Medien. „Als Kreaturen der Nacht verkorpern und symbolisieren die Vampire einige unserer ursprunglichsten Angste, namlich, dass die Finsternis uns unserer Seele beraubt und wir uns unwiderruflich so veran- dern mussen, dass selbst die, die wir lieben, uns nicht mehr kennen und uns furchten.‘a Das Vampir-Bild hat sich gewandelt. Heute weifi jeder, der Twilight, The Vampire Diaries, 4Zimmer Kuche Sarg oder die Horror-Serie From Dusk til Dawn gesehen hat, dass der alteste Erzfeind des Vampirs der Werwolf ist. Ihre weit in der Vergangenheit verankerte Fehde wird in jedem Film dieser Fehde besonders hervorgehoben. Ein Blick in die historische Entwick- lung von Vampir- und Werwolfmythologien und Vorstellungen genugt, um zu erkennen, dass diese Fehde keineswegs historisch belegt ist. Das Gegenteil ist der Fall. Die Geschichte of- fenbart ein verbluffendes Paradox: Vampire und Werwolfe sind auf das engste miteinander verwandt, wenn nicht sogar ursprunglich dasselbe. Ausgehend von dieser These mochte ich in meiner Hausarbeit einige Einblicke in die kulturhistorische Entwicklung der Vampir- und Werwolfvorstellungen im Europa der letzten tausendfunfhundert Jahre geben und Indizien fur die historische Verwandtschaft von Vampir und Werwolf sammeln. Man kann davon ausge- hen, dass der Wandel der Zeit und die gesellschaftlichen Veranderungen bewirkten, dass der die heutigen Vampir- und Werwolfvorstellungen sich von ihrem gemeinsamen Ursprung aus in unterschiedliche Richtungen weiterentwickelte und daher ihre Verwandtschaft in Verges- senheit geriet. Daraus ergibt sich eine weitere Frage, auf die ich eine Antwort finden mochte: Wie kam es dazu, dass sich Werwolf und Vampir heute in Literatur und Film als Erzfeinde gegenuberstehen?

II. Tiermenschen

Das Verhaltnis von Tier und Mensch kann je nach Form unterschiedlich sein. Ob als Nah- rungsquelle, Nutztier im maschinellen Ensemble von Mensch, Tier und Maschine oder als[1]

Familienmitglied, die Kluft zwischen Mensch und Tier scheint in keiner Form so stark uber- wunden zu werden, wie im Tiermenschen. Seit der Aufklarung gibt es die begriffliche Unterscheidung von Natur und Kultur und auch die biblische Schopfungsgeschichte ordnet Mensch und Tier verschiedenen Schopfungsarten zu und baut eine Hierarchie auf, bei der es dennoch das Tier ist, das dem Menschen in der Schopfungsfolge am nachsten steht. Der deut­sche Psychologe Rudolf Leubuscher (1822-1862) sieht den entscheidenden Unterschied zwischen Tier und Mensch in der Differenz von sensus, dem Sinn und ratio, der Vernunft.[2] Wahrend das animalische dem Sinn gleichgestellt wird, da das Tier lediglich seinen Sinnen, Trieben, Instinkten folgt, besitzt der Mensch neben sensus auch ratio: Vernunft und Urteils- kraft. Thomas von Aquin leitet daraus in einem seiner Hauptwerke, der Summa Theologica aus der Zeit von 1265 bis 1273, die besondere Position des Menschen ab, indem er sagt „dafi der Mensch mit den Engeln die Vernunft teile, mit den Tieren die Sinnlichkeit, mit den Pflan- zen das Wachstum und mit den unbelebten Dingen den stofflichen Korper.“[3 Damit sei laut Aquin, der Mensch zum Herrscher auserkoren.[4]

Doch wie verhalt es sich mit der Verwandlung in ein Tier, bzw. in einen Tiermenschen, erfol- ge sie nun freiwillig oder unfreiwillig? Im spaten Mittelalter und der fruhen Neuzeit stellte die Inquisition die corperum mutatio in bestias, mit Hexerei gleich. Das zeitgenossische Volk sah die Verwandlung in ein Tier meist als Strafe durch Gott, die mit der Verfolgung und Hinrich- tung von vermeintlichen Werwolfen und Vampiren durch das aberglaubische Volk geahndet wurde.[5] So verhielt es sich auch mit den zeitgenossischen Vampir- und Werwolfvorstellungen. Sie waren Indizien fur das Werk des Teufels und die Strafe Gottes.[6 Diese Auffassung lasst schlussfolgern, dass das Uberbrucken einer Schopfungsstufe durch Tierverwandlungen ent- weder Teufelswerk war, oder Gottes Strafe. In diesem Zuge bildete der Vampirglaube „eine reiche Tradition und ein bewahrtes Kompensationssystem fur unerklarte Todesfalle und ande- rer negativer Ereignisse [...], die sich zwischen Mythos und Ritus bewegen.“[7] Diese Problematik wurde noch bis ins achtzehnte Jahrhundert kontrovers diskutiert.

Das Wort Werwolf lasst sich von dem germanischen Wort wer = Mann, also Mannwolf ablei- ten, der ein Mischwesen aus Mann und Wolf bezeichnet, entweder als Gestaltwandler oder Hybrid. Doch die Ableitung aus dem alteren Wort wariwulf bzw. waziwulf, vom gotischen wasjan, werian = ,kleiden’, weist auf eine absichtsvolle Verwandlung, ja eher eine Maskie- rung hin. An dieser Stelle muss daher zwischen Gewand und realer Verwandlung unterschieden werden. Was veranlasst einen Menschen zu einer freiwilligen Verwandlung? Naheliegend ist es, die Fahigkeiten und Sinne des Tieres anzunehmen. Wenn auch nur im Geiste, so wie es die nordische Bruderschaft der Berserker im Kampf durch Maskierung mit Baren- und Wolfsfellen tat. Die Einnahme narkotischer Stoffe liefi den Berserker zum Tier werden, wenn auch nur durch Halluzination. Aus Estland ist noch ein anderer Grund bekannt. Hier wurde in den fruhzeitlichen Dorfern die Wolfshulle als Tarnung zum Viehdiebstahl be- nutzt, ohne dass der Tater erkannt werden konnte. Der Wolf ist Gesetzlos. Das Wolfsfell gab ihm das Recht des Starkeren. So brach er das Vertragsrecht der Bauern nicht und der Werwolf blieb unbestraft. Nur das Ausrufen des Namens des (Wer)Wolfes, konnte einen Uberfall ab- wenden, denn dann war der Werwolf enttarnt und schlich davon.[8] Heute werden die Tiermenschen mit ihren besonderen Fahigkeiten zu Helden gemacht, die uber sich hinaus wachsen, etwas Besonderes sind und die von den heutigen aufgeklarten Rezipienten nicht durch aberglaubische Vorstellungen gefurchtet werden.

Das heute gebrauchliche Wort Vampir lasst sich aus dem Wort Upyr herleiten, das aus dem slawischen Sprachraum stammt, wobei das Suffix -pir fur ein geflugeltes oder gefedertes We- sen steht. Auch das griechische Wort opyr bezeichnet ein fliegendes Wesen. Richard Riegler, ein Sammler von Tiersagen, fuhrt diese Bezeichnung auf die Verwandtschaft des Vampirs mit der Fledermaus zuruck. „Nicht zu vergessen sei, dass der slawische Vampirglaube von den Fledermausen seinen Ausgang genommen hat. Der Vampir ist [...] halb Mensch halb Fleder- maus.“[9] Diese Theorie uber den Ursprung des Vampirglaubens weicht von den Theorien anderer Mythenforscher aus anderen Quellen ab, wie zum Beispiel der von dem Philologen Bernhard Schmidt (1837-1917). Schmidt leitet in seinem Werk: Das Volksleben der Neugrie- chen und das hellenische Altertum aus dem Jahr 1871 den Ursprung des Vampirs von dem griechischen Damon Wurkolak her. Ein Wort, das seinerseits aus dem slawischen hergeleitet

Wolfshaar oder Wolfspelz bedeutet, jedoch im griechischen einen Vampir bezeichnet.[10] Es ist folglich in etymologischer Hinsicht denkbar, dass die griechischen Vampirvorstellungen von den slawischen Werwolfvorstellungen abstammen.

Erst zum achtzehnten Jahrhundert hin wurden das Blutsaugens und die spitzen Reifizahne zum typischen Vampirmerkmal.[11] Die albanische Bezeichnung dhampir setzt sich aus dham = Zahn und pir oder pit = trinken zusammen und hebt den Aspekt des Blutsaugen hervor. Ver- mutlich wurde die Fledermaus erst viel spater, wegen ihrer ahnlichen Eigenschaften zum Vampir, wie beispielsweise ihren spitzen Zahnen zum Blut saugen und ihrer nachtlichen Ak- tivitat, mit diesem in Verbindung gebracht. Dann dominierte das Wort Vampir ab der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts die international Literatur und verdrangte vermutlich das aus dem Balkan bekannte Wort Wurkolak, das den Vampir signifizierte und von der Verwandt- schaft zum Werwolf zeugte. Wahrscheinlich wurde auf der Seite des Signifikanten, das neuere bezeichnende Wort Vampir ab dem achtzehnten Jahrhundert gebrauchlicher als das alte bezeichnende Wort Wurkolak, weil sich auch auf der Seite des Signifikats die Vorstel- lungen vom bezeichneten Wesen verandert hatten.

III. Die Ursprunge - Verwandtschaft im Fruhmittelalter

3.1. Vukodlak und Wurkolak - der slawische Werwolf und der griechische Vampir

Uber die genauen Ursprunge des Werwolfsglaubens lasst sich wenig sagen. Die Vorstellun- gen davon sich in ein Tier verwandeln zu konnen, wie beispielsweise im Phanomen der Wolfsverwandlung bzw. Lykanthropie oder. Kynanthropie[12], sind genauso alt, wie die Menschheit selbst. Seit der Mensch zum Sammler und vor allem zum Jager wurde, musste die Idee, sich die Eigenschaften, Jagdinstinkte, Schnelligkeit und Sinne eines Wolfes oder ande- ren tierischen Jagers aneignen zu konnen, wunschenswert gewesen sein. Hohlenmalereien von Wolfsmenschen bezeugen dieses Streben nach ubermenschlichen Jagdfahigkeiten. Zumindest die Herkunft des Wortes Lykanthropie ist aus Pausanias Sage bekannt. Lykaion, Konig der Arkadier, setzte dem zu einem Fest eingeladenen Zeus Menschenfleisch vor. Zur Strafe ver- wandelte Zeus ihn in einen Wolf. Eine weitere Sage besagt, dass ein Priester in Wolfsfell dem Gott Zeus vom Berg Lykaion Menschenopfer darbot. Wer von dem Fleisch afi, wurde fur zehn Jahre in einen Wolf verwandelt.

Der Ursprung der Vampirismusvorstellungen lasst sich leichter nachvollziehen. Sowohl raum- lich als auch zeitlich besagen die Quellen dasselbe, namlich dass sich die ersten vampirrartigen Wesen in den mythologischen Vorstellungen der Balkanbewohner, insbeson- dere der Griechen, herauskristallisierten. Diese Vorstellungen resultierten aus der Landnahme der Slawen auf dem Balkan, die in der ausgehenden Spatantike im sechsten Jahrhundert mit der Uberquerung slawischer Gruppen uber die Donau begann. Neben ihren Vorstellungen des Werwolf's, dem Vukodlak, brachten sie auch christliche Vorstellungen in die ostromischen Provinzen. Nach unzahligen Plunderungen und Belagerungen kam es im siebten Jahrhundert zur Ansiedelung der Slawen auf dem Balkan und zur relativ friedlichen Koexistenz mit der romisch-griechischen Provinzialbevolkerung bis ins zehnte Jahrhundert.[13]

Leopold Kretzenbacher halt in seinem Werk uber sudosteuropaische Volksdichtung an zwei verschiedenen Arten von Werwolfen fest. Zum Einen gab es in den Vorstellungen der Slawen von tiermenschlichen Damonen die Vukodlak, was soviel wie ,Wolfspelz’ bedeutet und zum Anderen die hundskopfige Fabelwesen, die Kynokephaloi oder auch Pesoglavci genannt. Als Damonen waren sie teuflischen Ursprungs und konnten als Vorboten der Holle und Heerscha- ren der Antichristen auftreten. Als Aussehensmerkmal nennt Kretzenbacher die starke Hunde- oder Wolfsbehaarung an Armen und Beinen und ihre eisernen Zahne. Bekannt waren diese Werwolfe als „furchtbare und blutsauferische Gesellen“[14], die insbesondere das Menschen- fleisch von Christen bevorzugten. Als Geschopfe des Teufels dienten sie den Hexen. Haufig wurden sie auch in Verbindung mit den Turken als Nicht-Christen gebracht, die sich der Wolfsmenschen bedienten um Christen zu verfolgen und aufzuspuren.[15] Das blutsauferische Verhalten und der Drang zur Menschenfresserei erinnert an das typisch vampirische Verhal- ten als Blutsauger. Parallelen der Pesoglavci gibt es auch unter anderem auch mit den friedlichen Hundemenschen in Indien oder den schakalkopfigen Gottheiten im alten Agypten.

Der Ursprung der Vampirvorstellungen liegt Schmidt zufolge im griechischen Wurkolak oder auch Wrukolakas bzw. Bourkolakas. Dieser griechische Vampir stammt seinerseits vom sla- wischen Werwolf, dem Vukodlak ab.[16] „Allein das Wort [Wurkolak] ist unzweifelhaft

slavischen Ursprungs und identisch mit dem slavischen Namen des Werwolfs, welcher boh- misch vlkodlak, bulgarisch und slovakisch vrodlak, polnisch vilkolak oder vilkolek lautet, was wortlich ,Wolfshaar, Wolfspelz’ heisst [...]“[17] Im slawischen handelte es sich bei dem Vukodlak um einen Werwolf, der ursprunglich ein menschliches Wesen war und sich beizei- ten in einen Werwolf verwandelte, wahrend es sich bei dem Wurkolak des Balkan um einen vampirartigen Damon handelte, der einen Toten wieder aus dem Grabe entsteigen liefi und die Lebenden durch das Aussaugen ihres Blutes dem Untergang weihte.[18] Gemeinsam hatten sie ihre Blutgier, ihre Absichten des Menschenmordes und das Vermogen Tiergestalt anzuneh- men. Und daher „ging der Name des einen auf den Begriff des anderen uber“[19]. Ausschlaggebend dafur mussten insbesondere das tierische Aufiere, die Verwandlungsmog- lichkeit und die Blutgier gewesen sein. Es gibt noch eine weitere Gemeinsamkeit:

3.2. Damonen

Schmidt ordnet beide, Vampire und Werwolfe, mit anderen, hauptsachlich tiermenschlichen Wesen, wie beispielsweise der Nymphe, der Gruppe der Damonen zu. Daher teilen Werwolfe und Vampire bzw. Wurkolak und Kynokephaloi die grundsatzlichen damonischen Eigen- schaften. Sie sind heidnische Wesen, die dem Christentum feindlich gegenuber stehen und zur christlichen Welt eine gegensatzliche Stellung beziehen. Daher wurden sie auch die Falschen oder die Trugerischen genannt.[20] Diese Bezeichnungen lassen wiederum darauf schliefien, dass es sich um Wesen der Tauschung handelte, welche zuerst als Trugbild des Richtigen er- scheinen mussten, um sich dann als verhangnisvolle Tauschung zu entlarven. Oder um mit Sigmund Freud zu sprechen, zuerst dem Heimlichen zugerechnet wurden, um sich dann ins Unheimliche zu verwandeln.[21] Als untoter Wiederganger einer zuvor lebendigen Person, er- fullt der Vampir genau diese Eigenschaften, genau wie auch der Werwolf, der zuvor Mensch und nach der Verwandlung durch teuflische Machte, Werwolfsgestalt annimmt. Andere grie- chische Bezeichnungen fur Damonen bedeuten auch gespenstische Erscheinung oder Schreckbild. Diese beziehen sich auch auf die typisch vampirische und werwolfische Eigen- schaft, ihre menschlichen Opfer allein durch ihr furchtbares Erscheinungsbild zu Tode zu erschrecken.[22]

[...]


[1] Klemens, Elke (2004): Dracula und ,seine Tochter’. Die Vampirin als Symbol im Wandel der Zeit, 1. Auflage, Tubingen: Gunter Narr (Mannheimer Beitrage zur Sprach- und Literaturwissenschaft; 60), S. 11.

[2] Vgl. Leubuscher, Rudolf (1850): Werwolfe und ,Thierverwandlungen im Mittelalter. Zur Geschichte einer Psychologie, 1. Auflage, Berlin: G. Reimer, S.3.

[3] Von Aquin, Thomas In: Leubuscher, Rudolf (1850): Werwolfe und ,Thierverwandlungen im Mittelalter. Zur Geschichte einer Psychologie, 1. Auflage, Berlin: G. Reimer, S.3.

[4] Vgl. Ebd.

[5] Vgl. Richter, Sabine (2004): Werwolfe und Zaubertanze. Vorchristliche Glaubensvorstellungen in Hexenpro- zessen der fruhen Neuzeit, 1. Auflage, Frankfurt am Main: Peter Lang (Europaische Hochschulschriften Reihe XXII Soziologie; 392), S. 106.

[6] Vgl. Ebd.

[7] Reber, Ursula u. Augustynowicz, Christoph (Hrsg.) (2011): Vampirismus und magia posthu-ma im Diskurs der Habsburgermonarchie, 1. Auflage, Wien/Berlin: LIT (Geschichte; 6), S. 9.

[8] Vgl. Tuczay, Christa Agnes u.a. (Hrsg.) (2011): Tierverwandlungen. Codierungen und Diskurse, Tubingen: Francke, S. 36.

[9] Richard Riegler In: Golowin, Sergius (1998) [1993]: Das Geheimnis der Tiermenschen. Von Vampiren, Nixen, Werwolfen und ahnlichen Geschopfen, 2. Auflage, Munchen: Wilhelm Heyne Verlag, S. 125.

[10] Vgl. Schmidt, Bernhard (1871): Das Volksleben der Neugriechen und das hellenische Alterthum, 1. Auflage, Leipzig: B.G. Teubner, S. 156.

[11] Vgl. Lauper, Anja (2011): Die phantastische Seuche. Episoden des Vampirismus im 18. Jahrhundert, 1. Aufla- ge, Zurich: Diaphanes, S. 7.

[12] Vgl. Leubuscher, S.3.

[13] Vgl. Maier, Franz Georg (1973) (Hrsg.): Byzanz, 1. Auflage, Frankfurt a. M.: Ploetz Verlag (Fischer Weltge-

schichte, Bd. 13), S. 139.

[14]

Kretzenbacher, Leopold (1968): Kynokephale Damonen Sudosteuropaischer Volksdichtung. Vergleichende Studien zu Mythen, Sagen, Maskenbrauchen um Kynokephaloi, Werwolfe und sudslawische Pesoglavci, 1. Auf­lage, Munchen: Dr. Dr. Rudolf Trefonik (Beitrage zur Kenntnis Sudosteuropas und des nahen Orients; V), S. 6.

[15] Vgl. Ebd.

[16] Vgl. Schmidt , S. 156.

[17] Schmidt, S. 159.

[18] Vgl. Ebd.

[19] Schmidt, S. 162.

[20] Vgl. Ebd.

[21] Vgl. Freud, Sigmund (1982): Das Unheimliche. In: Ders.: Studienausgabe, Bd. IV. Psychologische Schriften. Hg. v. Alexander Mitscherlich, Angela Richards, James Strachey., Frankfurt a. M.: Fischer, S. 241-274.

[22] Vgl. Schmidt, S. 163.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Vampire und Werwölfe. Die Geschichte einer Trennung
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Kulturwissenschaft)
Veranstaltung
Das Tier und der Souverän
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
25
Katalognummer
V443751
ISBN (eBook)
9783668826007
ISBN (Buch)
9783668826014
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vampie, Werwölfe, Vampire und Werwölfe, Vurkolak, Pesoglavci, Kalikantsaren, Wurkolak, Berserker, Hexen, Hexenprozesse, Nachtwandler, Workodlakas, Odin, Dämonen, Griechen, Slawen, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Twilight, Underworld, Shadowhundters, The Vampire Diaries, Tiermenschen, Wolfsmenschen, Tierverwandlungen
Arbeit zitieren
Bachelos of Arts Marie Elisabeth Becker (Autor:in), 2016, Vampire und Werwölfe. Die Geschichte einer Trennung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/443751

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