Wie funktioniert Soziale Arbeit mit Ultras?


Hausarbeit, 2016

19 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Ultras
2.1 Entstehungsgeschichte der Ultra Bewegung
2.2 Entwicklung in Deutschland
2.3 Die Gewaltfrage
2.4 Interview

3 Sozialpädagogische Maßnahmen
3.1 Fansozialarbeit
3.2 Fanprojekte
3.3 Fanprojekt Hannover
3.4 Fanbeauftragte

4 Weitere Maßnahmen
4.1 Sicherheitskonzept Sicheres Stadionerlebnis vom DFL
4.2 Polizei

5 Fazit

1 Einleitung

Seit vielen Jahren treten in deutschen Fußballstadien organisierte Fans auf. Sie nennen sich selbst Ultras. Viele davon sind Jugendliche. Mit selbstgemalten Fahnen, Transparenten, Trommeln und koordinierter Stimmung schafften sie es schnell Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erlangen. Wer sich heutzutage mit Profifußball auseinandersetzt, kommt um dieses Phänomen nicht herum. Auch Medien bezogen anfangs Stellung und schrieben von einer gewaltigen Kulisse die von den Ultras ausging. Viel Positives wurde ihnen zu gesprochen, sie würden für eine tolle Atmosphäre im Stadion sorgen und die deutsche Bundesliga damit attraktiver machen.

In den letzten Jahren hat sich die Situation allerdings massiv geändert. Ultras wurden nun mit aufkommenden Ausschreitungen in und um die Fußballstadien assoziiert. Ebenfalls durch das Abbrennen von Pyrotechnik und Raketen während der Spiele wurden sie zum Feindbild des Fußballs erklärt. Sozialwissenschaftler*innen und Sozialpädagog*innen begannen sich vermehrt mit dieser Jugendkultur auseinanderzusetzen und diese zu erforschen. Es wurden Fanprojekte gegründet, Sozialarbeiter*innen eingestellt und Fanbeauftrage von den Vereinen gestellt um die aufkommenden Probleme einzudämmen und um eine Kommunikationsbasis zu den Jugendlichen herzustellen.

Ich habe mich in dieser Hausarbeit mit der Frage beschäftigt, warum und wie Soziale Arbeit auf die Ultra Bewegung reagiert hat und welche Entschlüsse und Erkenntnisse sie dadurch gewonnen hat.

Im ersten Kapitel werde ich die Ultra Bewegung näher betrachten und ihren Ursprung beleuchten. Außerdem gehe ich auf die Frage ein, was die Ultras eigentlich wollen und welche Verhaltensmuster sie haben. Dann werde ich das Thema Gewalt näher betrachten, was ein primärer Ursprung dafür ist, warum es überhaupt zu sozialpädagogischem Handeln kam. Abschließend werde ich ein kurzes Interview mit einem Mitglied der Gruppe Ultras Hannover führen.

Im zweiten Teil meiner Hausarbeit beschäftige ich mich gezielt mit der Frage wie soziale Arbeit auf die Ultra Bewegung reagiert hat und welche Gründe es dafür gab. Ich gehe zuerst auf das Arbeitsfeld Fansozialarbeit ein und anschließend auf die verschiedenen Einrichtungen. Dabei berichte ich auch von meinen Eindrücken, die ich im Fanprojekt Hannover gewonnen habe.

Im letzten Teil gehe ich kurz auf weitere Maßnahmen ein, die von dem Deutschen Fußballbund und der Polizei getroffen worden sind, um die Probleme der Ultras einzuschränken.

2 Ultras

2.1 Entstehungsgeschichte der Ultra Bewegung

Der Ursprung der Ultra Bewegung liegt in Italien. Der Fußball erlangte dort erstmals Popularität, als englische Matrosen in italienischen Häfen gegen Einheimische kickten. Ähnlich wie in anderen Ländern, war auch in Italien der Fußball ein Sport der anfangs primär von der Oberschicht dominiert wurde. Das lag unter anderem daran, dass den Arbeiter*innen schlichtweg die Zeit fehlte, um sich ein Fußballspiel anzuschauen. (Vgl. Gabler 2012, S.29)

In den 60er Jahren begannen Jugendliche in Italien sich kritisch mit politischen Fragen auseinanderzusetzten. Daraus folgte die Arbeiter- und Studentenbewegung. Eine Bewegung, die zur Politisierung der Student*innen und Jugendlichen führte. Sie schlossen sich zum Teil linken, aber auch rechtsextremen Gruppierungen an. Diese Entwicklung ging auch an den Stadien nicht vorbei. Die Arbeiter*innen und Student*innen die in die Stadien gingen, waren zum Teil auch in den selben politischen Gruppen aktiv. Dies führte dazu, dass sich dieselben Personen auch in den Stadien organisierten und zusammen zum Fußball fuhren. Dies führte zur Gründung der ersten Ultra Gruppe, die Fossa die Leoni. (Vgl. Gablr 2012, S.31) Daraufhin gründeten sich weitere Gruppen von anderen Vereinen. Die hauptsächlich Jugendlichen begannen daraufhin damit, die Elemente ihres politischen Protestes im Stadion zu nutzen. Dazu gehörten Fahnen, Spruchbänder, bengalische Feuer und koordinierte Stimmung. Alles Elemente, für die die Ultras bis heute bekannt sind. Zu dem Zeitpunkt waren die eigenen Fangesänge der Ultras sehr von ihren politischen Einstellungen abhängig. So wurden Fußballgesänge auf den linken Melodien von Bella Ciao oder Bandiera Rossa komponiert. Aber auch faschistische Lieder wie Faccetta Nera wurden genutzt. Dies war abhängig von den politischen Überzeugungen der Gruppen. (Vgl. Gabler 2012, S.32)

Gewalttätige Auseinandersetzungen waren ebenfalls schon zu Anfang Bestandteil der Ultra Bewegung. Bis zu diesem Zeitpunkt waren allerdings Angriffe auf gegnerische Mannschaften oder Schiedsrichter üblich. Der Gewaltfokus änderte sich jedoch durch das Aufkommen von Ultras. Die Ultras suchten hauptsächlich die Auseinandersetzung mit gegnerischen Ultra Gruppen. Dies lag zu dem Zeitpunkt auch daran, dass sich durch den politischen Einfluss, oft linke und rechte Gruppen gegenüberstanden.

In den 80er Jahren blieb das politische Interesse der Jugendlichen in Italien aus. Auch bei den Ultras setzte eine Entpolitisierung ein. Das traf aber nicht das Interesse an den Ultras, die immer mehr Zuspruch von meist Jugendlichen bekamen. (Vgl. Gabler 2012, S.34) Dies hat sich bis heute nicht geändert. Aktuell sind in Italien über 445 Gruppen registriert und über 74.000 Personen bekannt (Vgl. Sommerey 2012, S.28)

2.2 Entwicklung in Deutschland

Die deutsche Fankultur orientierte sich bis in die 1990er Jahre nach England. Doch viele dort geschehene Katastrophen, brachten das Vorbild England zum Wanken. Trauriger Höhepunkt war 1985 ein Spiel in Bradford, wo 57 Menschen starben.1 (Vgl. Sommerey 2012, S.30)

Zu diesem Zeitpunkt wurde in Deutschland das Pay-TV eingeführt, was wir heute z.B. unter dem Sender Sky kennen. Dort wurde auch Fußball der Serie A, der ersten italienischen Liga, und die WM 1990 in Italien ausgestrahlt. Dabei wurden deutsche Fußballfans erstmals mit italienischen Ultras konfrontiert. (Vgl. Sommerey 2012, S.31)

Zeitgleich gründeten sich in Deutschland erste Fanbewegungen, wie z.B. Pro Fans oder Pro 15:30. Diese Gruppen nahmen zu der immer weiter steigenden Kommerzialisierung Stellung und kritisierten zu hohe Eintrittspreise. Ultras aus Italien hatten zu den Problematiken ähnliche Ansichten und so kam es in den 1990er Jahren zu den ersten Gründungen deutscher Ultragruppen nach italienischem Vorbild. (Vgl. Gabler 2012, S.54) Diese hatten nun die Aufgabe, sich in den Kurven zu etablieren. Zu dem Zeitpunkt gab es noch zusätzlich die Kuttenfans, die durch selbstgenähte Kutten und übermäßigen Bierkonsum auffielen. Da sich viele Jugendliche allerdings den Ultras anschlossen und mit der Kuttenkultur nichts anfangen konnten, setzte diese sich durch und wurde zur zentralen Gruppierung im Stehplatzbereich. In den darauffolgenden 10 Jahren gründeten sich bei fast allen Vereinen der oberen Spielklassen Ultra Gruppierungen. Somit war die Ultra Bewegung im Jahr 2000 in fast allen Stadien in Deutschland angekommen. (Vgl. Sommerey 2012, S.32-33)

Die Anzahl der Mitglieder*innen variiert dabei stark. So gibt es Gruppen mit einer Handvoll Personen, aber auch Gruppen mit dreistelligen Zahlen.

Wie in Italien geht es den deutschen Ultras primär darum, ihre Mannschaft zu unterstützen. Dies geschieht auf den Rängen durch eigene Gesänge, Fahnen, Trommeln und Banner. Eine hohe Identifikation der Ultras mit Verein und Stadt ist dabei fester Bestandteil. Ihre Maßstäbe hängen ebenfalls nicht von gesellschaftlichen Normen ab, sondern gleichen einer Subkultur. Sie besitzen eigene festgelegte Rituale, was z.B. den Spieltag betrifft. Ultragruppen treffen sich bereits in Stammkneipen vor den Spielen und gehen gemeinsam zum Stadion. Sie betreiben eigene Verkaufsstände und organisieren Auswärtsfahrten im Bus oder gemieteten Zug. Die Unabhängigkeit von Vereinen ist ihnen unterdessen besonders wichtig. Jede Gruppe entwickelt dabei andere Ideale und Eigenschaften. Es ist daher schwer, Ultragruppen zu vergleichen. Während bestimmte Ultragruppen besonderen Wert auf Support und soziale Projekte legen, gibt es andere Gruppen, die ihr originäres Augenmerk auf Auseinandersetzungen mit anderen Ultragruppen haben. Weiterhin sind Ultras über den Spieltag hinaus miteinander befreundet und fungieren als Freundeskreis. (Vgl. Gabler 2013, S.92-94)

2.3 Die Gewaltfrage

Wer sich heutzutage mit Ultras beschäftigt, kommt an dem Thema Gewalt nicht vorbei. Dabei spielte Gewalt bei den Ultras zunächst eine untergeordnete Rolle. In den ersten Jahren, in der sich die Ultra Bewegung in Deutschland entwickelte, ging es den Gruppen primär darum, die gegnerischen Ultra Gruppen kreativ und verbal zu demütigen. Dazu zählte der bessere Support, bessere Choreos2 und originellere Spruchbänder im Stadion zu zeigen. Aber auch um gegnerische Gruppen auszuspionieren und an deren Transparente und Banner zu gelangen. Diese dann im eigenen Block zu präsentieren, galt zu dem Zeitpunkt als größte Niederlage die die Gruppen einstecken konnten. (Vgl. Gabler 2012, S.123-124)

In den letzten Jahren haben sich die Intentionen der Ultras allerdings geändert. So wurden z.B. um an gegnerische Fahnen zu gelangen, gegnerische Ultras körperlich angegriffen. Auch haben Ultras einen Fokus auf ihre An- und Abreisen bei Fußballspielen. Traditionell greifen Heim Ultras die gegnerischen Ultras auf ihrer Rückreise an und suchen die körperliche Auseinandersetzung. Im Gegenzug reisen auswärtsfahrende Ultras früh zum Spielort um heimische Ultras auf sich aufmerksam zu machen. Es wird also von allen Beteiligten eine Konfrontation gesucht. Ein Beispiel dafür, ist ein Auszug aus dem Saisonrückblick Magazin Der goldener Reiter vom Komplott Hannovera 1998, einer Ultra Gruppe von Hannover 96:

,,Nachdem sicher einigen Schneestürmen ausgewichen wurde, kam man um ca. 10:00 Uhr in Augsburg an und traf sich mit den übrigen Bussen. In Augsburg wählte man einen Parkplatz etwas außerhalb der Stadt, um ohne Begleitung der Bullen ein bisschen Spaß zu haben. (...) Nach der kleinen Stärkung wollte ich wieder in Richtung der Kneipe aufbrechen. Auf dem Weg dahin entdeckte man doch tatsächlich ein Häufchen von ca. 30 Augsburgern in einer Seitengasse. Im Endeffekt wurde aber von beiden Seiten zu träge reagiert, sodass die Bullen das Ganze bereits vor uns auf dem Schirm hatten. (...) Nachdem sich also Zeit mit Schabernack vertrieben wurde, ging es, nach kurzem Geschubse, in die Busse und in Richtung Stadion. Bereits nach wenigen Sekunden Fahrt zeigten sich wieder ein paar Vermummte süddeutsche Dullis und baten zum Tanz. Da man den Gastgeber bekannterweise nicht lange warten lässt, wurden schnell die Türen entriegelt und der Aufforderung nachgekommen. Die Augsburger überlegten sich derweil ihre Einladung noch einmal ganz genau und machten daraufhin den ganz langen Schuh. (...) Nachdem auch der letzte wieder in den Bussen eingetrudelt war, ging es mit gefühlt 200 Wannen im Schlepptau Richtung Stadion.´´ (Der goldene Reiter (2014), Nr. 5, S.107-109)

Ein weiteres Problem, warum Ultras immer negativer assoziiert werden, ist Pyrotechnik. Für die Ultras ist sind bengalische Feuer ein fester Bestandteil ihrer Fankultur. Allerdings wird sie auch immer öfter missbraucht. Während der Großteil der Ultras Pyrotechnik in Form von Seenotfackeln benutzen, gibt es auch einen geringen Teil von Ultras, die Pyrotechnik durch Böller oder Raketen, die auch in andere Blöcke geschossen werden, in Verruf bringen.

[...]


1 56 Menschen starben, als ein Brand während des Spiel die gesamte Haupttribüne verwüstete

2 Unter Choreos versteht man, das durchführen von großen Aktionen im Stadion. Dazu gehören z.B. große Fahnen die über einen ganzen Block gespannt werden oder viele kleine Fahnen so zu verteilen, das sie ein einheitliches Bild ergeben.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Wie funktioniert Soziale Arbeit mit Ultras?
Hochschule
Hochschule Hannover
Note
2,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
19
Katalognummer
V456940
ISBN (eBook)
9783668873780
ISBN (Buch)
9783668873797
Sprache
Deutsch
Schlagworte
soziale, arbeit, ultras
Arbeit zitieren
Felix Kleinke (Autor:in), 2016, Wie funktioniert Soziale Arbeit mit Ultras?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/456940

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