Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung.
2. Hauptteil
2.1 Der wissenschaftliche Ausgangspunkt.
2.2 Die Universalgrammatik.
2.3 Die generative Grammatik.
2.3.1 Government & Binding und parametrisierte Prinzipien.
2.4 Sprachentwicklung beim Kind.
3. Fazit und Aussicht.
4. Literaturverzeichnis.
1. Einleitung
Die Kognition ist als der menschliche Geist oder, um einen zeitgemäßen Begriff zu verwenden, als menschliche Psyche zu verstehen. Seit über 2000 Jahren ist sie ein Bereich der philosophischen Forschung, doch erst seit etwa 100 Jahren beschäftigt und etabliert sich die Psychologie als selbstständige Wissenschaft mit dieser Thematik. Diese noch recht kurze Zeit lässt sich in zwei vorherrschende Forschungsparadigmen einteilen: Das behavioristische und das kognitivistische oder kognitive Paradigma. Zuerst dominierte das behavioristische Paradigma, welches sich mit der Funktionsweise des menschlichen Geistes auf Grundlage rein messbarer, beobachtbarer Ergebnisse beschäftige. Da dieser Ansatz jedoch gewisse Zustände und Vorgänge mangels endgültiger Beweisbarkeit ausschloss, wurde er über Jahre hinweg durch den Einbezug abstrakter mentaler Phänomene vom kognitiven Paradigma abgelöst.1 Das 1967 von Neisser als „kognitive Psychologie“ benannte Forschungsparadigma beschäftigt sich mit allen Prozessen der Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen im Gehirn. Kognition ist hierbei als die Menge aller Prozesse und Strukturen des menschlichen Wissens definiert. Das kognitive Paradigma steht dem behavioristischen insoweit diametral gegenüber, dass Ersteres gewisse kognitive Dispositionen voraussetzt, die dem Menschen von Geburt an zur Verfügung stehen, wohingegen das behavioristische Paradigma davon ausgeht, dass der Mensch ohne diese Fähigkeiten auf die Welt kommt und sie erst mithilfe assoziativer Lernsequenzen erwirbt.2
Unter diesen Voraussetzungen begann die Wissenschaft nun auch, die Linguistik unter die Lupe zu nehmen. Die so entstandene kognitive Linguistik „[…] will die Sprache als geistiges Kenntnis- und Verarbeitungssystem in all seinen Schnittstellen und Interaktionen interdisziplinär erforschen und in psychologisch adäquaten, d.h. kognitiv plausiblen Modellen erklären.“3 Als einer der wichtigsten Vertreter der kognitiven Linguistik gilt Avram Noam Chomsky. Dieser wies nach, dass sich die sprachlichen Fähigkeiten des Menschen nicht durch den simplen Reiz-Reaktions-Rapport begründen lassen, sondern durch viel komplexere Regelsysteme.4 Im Sinne der kognitiven Psychologie bedarf es daher einer weiteren Voraussetzung. Chomsky postuliert also, dass jedes Individuum „[…] über ein angeborenes sprachliches Vorwissen verfügt, das aus universalen Eigenschaften besteht, die allen natürlichen Sprachen zugrunde liegen.“5 Diese allgemeinen Eigenschaften seien Teil der Universalgrammatik, die als Grundlage für den Erwerb jeglicher Sprache fungiere. Der Mensch sei also prädestiniert für die derart entwickelte Artikulationsform menschlicher Sprache. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dieser Theorie mit der These, dass der Mensch tatsächlich über ein solches Wissen verfügt und behandelt die Frage, inwieweit man dieses Wissen formalisieren kann. Als Grundlage dienen die Grammatiktheorien Chomskys sowie diverse Studien zur Sprachentwicklung beim Kind.
2. Hauptteil
2.1 Der wissenschaftliche Ausgangspunkt
Die kognitive Wissenschaft geht davon aus, dass die menschliche Psyche zu kompliziert ist, um aus nur einer wissenschaftlichen Disziplin heraus erfasst zu werden. Sie bedarf einer Synthese der Neurowissenschaft, der Psychologie, der Philosophie, der Linguistik und der Computerwissenschaft. Vor allem die Forschung zur künstlichen Intelligenz (KI) soll dabei von Nutzen sein, da sie Bedingungen zur sprachlichen Befähigung formal repräsentiert. Die Programmierung eines Computers zur KI hin basiert auf denselben Leitfragen, die sich dem Menschen zur Fähigkeit des Denkens und Sprechens stellen:
1. Über welches Wissen muss der Mensch für diese Fähigkeiten verfügen?
2. Wie ist es im Gehirn organisiert und repräsentiert?
3. Unter welchen Prozessen findet dieses Wissen Anwendung?6
Zu Beginn der kognitiven Wissenschaft herrschte folgende These vor: So wie das Verhältnis von Programm zur Maschine ist, so sei auch das Verhältnis von Geist oder Psyche zum Gehirn zu verstehen. Das Programm läuft weitestgehend unabhängig von den verschiedenen Typen von Computern ab und so sei auch die Kognition weitestgehend unabhängig von der Neurophysiologie des Gehirns.
Da diese These allerdings die Neurowissenschaften aus der Kognitionsforschung ausschließt, trifft sie inzwischen auf immer mehr Ablehnung und wird als Metapher mit nur begrenztem heuristischem Wert stark relativiert.7
Für diese Arbeit soll jedoch das Werk Chomskys im Vordergrund stehen. Mit seiner generativen Grammatik führte er einen Paradigmenwechsel herbei, der für neue Grammatiken wie der Universalgrammatik den Weg frei machte.
2.2 Die Universalgrammatik
Wie in der Einleitung schon angerissen, nimmt Chomsky an, dass allen natürlichen Sprachen universale Eigenschaften bzw. Prinzipien zugrunde liegen. Diese Eigenschaften müsse ein Kind im Spracherwerb nicht erst erlernen, sie seien in der genetischen Ausstattung des Menschen bereits vorhanden. Die Gesamtheit dieser Prinzipien fasst Chomsky unter dem Begriff „Universalgrammatik“ zusammen.8
Die Fähigkeit des Menschen, eine Sprache zu erwerben, sei ein „[…] eigenständiges und von anderen kognitiven Fähigkeiten unabhängiges ‚Modul‘ […]“9. So wäre das Sprachmodul eines mit eigenen Gesetzmäßigkeiten, dass trotzdem mit anderen kognitiven Fähigkeiten interagiert. Mittels sogenannter „Pidgin- und Kreolsprachen“ soll ein Beweis für die Existenz angeborenen sprachlichen Wissens gegeben werden. In den europäischen Kolonien sind diese Sprachen bisweilen aufgetreten. Arbeiter und Sklaven aus verschiedensten Ländern trafen zusammen und erfanden zur Verständigung eine Art Hilfssprache, die auf der Sprache der Kolonialherren basierte. Durch die Regeln ihrer eigenen Grammatik wurden die Begriffe dieser Sprache dann zu Sätzen zusammengefügt. Ebendiese entstandene, höchst variable Sprache nennt sich „Pidgin“. Die Kinder dieser „Pidgin-Sprecher“ erwarben sie dann als Muttersprache und benutzten die Sprache, im Gegensatz zur vorigen Generation, mit festen grammatischen Regeln. Sobald ein Pidgin solche Regeln aufweist, wird es Kreolsprache genannt.10
Es stellt sich nun die Frage, woher diese Regeln kamen. Nach weiteren Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass die Grammatiken unabhängig voneinander entstandener Kreolsprachen nahezu identisch sind. Ebendiese Übereinstimmung in den Grammatiken ist ein starkes Indiz für ein universales, „genetisch festgelegtes Syntax-Programm“11 des Menschen. Weitere Argumente für ein angeborenes Sprachwissen sind die Geschwindigkeit des Spracherwerbs, die Tatsachen, dass es eine „kritische Periode“12 für den Spracherwerb gibt und fast alle Kinder Sprache lernen, Primaten aber nicht, sowie dass die Sprachverarbeitung in speziellen Hirnbereichen lokalisiert werden kann.13 Zudem ist das Kind im Gegensatz zur These der Nachahmung in der Lage, Sätze zu produzieren, die es zuvor noch nie gehört hat.14 Vor allem aber sind die syntaktischen Universalien interessant, welche Kinder unter anderem dazu befähigen, Pidgin-Sprachen zu formalisieren. Auf sie gilt es im späteren Verlauf weiter einzugehen.
Es wird nicht behauptet, dass Spracherwerb ausschließlich über das angeborene Sprachverständnis und ohne jegliche Übung vonstattengehen kann, sondern viel eher, dass die Grundvoraussetzung dazu gegeben wird. Die Prinzipien des Sprachmoduls seien parametrisiert. Das heißt, dass sie Variablen enthalten, die unterschiedliche Werte annehmen können. Die Aufgabe des Kindes bestünde nun lediglich darin, die Parameter für die gegebene Sprache festzulegen.15 Einige Eigenschaften von Sprachen sind jedoch nicht in den Prinzipien verankerbar. So sei beispielsweise das Genus keine universelle Kategorie und gehöre damit der „Peripherie einer Sprache“16 an.
Chomsky geht noch weiter mit der Annahme, das Sprachmodul gliedere sich in weitere, ebenfalls autonome Teilmodule. Diese werden in der generativen Grammatik erforscht.17
2.3 Die generative Grammatik
Noam Chomsky gilt als der „[…] weltweit meist zitierte und bedeutendste Sprachwissenschaftler des 20. Jahrhunderts […]“18. Mit der Veröffentlichung seines Werkes „Syntactic Structures“ leitete er den Paradigmenwechsel von der strukturalistischen zur generativen Sprachwissenschaft ein.19 Die Bezeichnung „generative Grammatik“ kommt daher, dass man mit ihr Mengen von wohlgeformten Ausdrücken generieren kann. Eine solche Menge ist dann im formalen Sinn eine Sprache, mit der man für bestimmte Grammatiken testen kann, ob ein bestimmter Satz zu einer Sprache gehört, indem man überprüft, ob er in der Menge überzeugbarer Sätze enthalten ist.20 Gerade zu Beginn der sechziger Jahre war man an einer beschreibungsadäquaten Grammatik interessiert. Als solche kann eine Grammatik aber erst dann bezeichnet werden, wenn mithilfe ihres Regelwerks Sätze einer Sprache grundsätzlich beschrieben werden können. Chomskys Idee war es hierbei, Ableitungsregeln sprachlicher Strukturen zugrunde zu legen, die sich über algorithmische Regeln definieren lassen. Zu diesem Zweck führte er zwei Typen von Regeln ein: Erzeugungsregeln und Umstellungsregeln. Ziel dieser ist es, grammatische Sätze von ungrammatischen zu unterscheiden. Alle Sätze, die nicht durch die Regeln erzeugt werden können, sind als ungrammatisch zu bezeichnen.21
Des Weiteren gibt es eine zweite wichtige Grundannahme für das Paradigma der generativen Grammatik: Die strikte Unterscheidung zwischen Kompetenz und Performanz. Kompetenz wird dabei als unbewusstes Sprachwissen definiert. Wenn man eine Sprache als Muttersprache spricht, ist man sich ihrer grammatischen Regeln oft nicht bewusst und separiert dennoch grammatische und von ungrammatischen Regeln. Die Performanz hingegen ist als Sprachgebrauch, also Sprachverwendung in konkreten Situationen zu verstehen. Hier werden häufig aus Unkonzentriertheit, Müdigkeit etc. die Regeln der Sprache verletzt, weswegen die generative Grammatik ausschließlich an der Kompetenz orientiert ist.22 Ebenso spielen die peripheren Eigenschaften einer Sprache in ihren Paradigmen keine Rolle, da sie sich, sowie die Performanz, nicht formalisieren lassen.23
Die Entwicklung der generativen Grammatik ist in vier Phasen einzuteilen:
1. Frühe Transformationsgrammatik (1955-1964)
2. Standardtheorie (1965-1970)
3. Erweiterte Standardtheorie (1967-1980)
[...]
1 Vgl.: Schwarz, Monica (1961). Einführung in die kognitive Linguistik, 3.Auflage, Francke Verl., Tübingen 2008 (Im Folgenden: „Schwarz“), S.15
2 Vgl.: Schwarz, S.16
3 Schwarz, S.9
4 Vgl.: Schwarz, S.16f.
5 Di Venanzio, L. (2003) Die Syntax von Selbstreparaturen: sprach- und erwerbsspezifische Reparaturorganisation im Deutschen und Spanischen, De Gruyter, Berlin 2016 (Im Folgenden: „Venanzio“), S.108, Z.31ff.
6 Vgl.: Schwarz, S.18
7 Vgl.: Schwarz, S.22
8 Vgl.: Philippi, J., Tewes, M. (2010). Basiswissen generative Grammatik, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen (Im Folgenden: „Philippi“), S.24
9 Philippi, S.24, Z.9f.
10 Vgl.: Philippi, S.24
11 Philippi, S.25
12 Müller, Stefan (2013). Grammatiktheorie, 2. überarbeitete Auflage, Stauffenburg, Tübingen (Im Folgenden: „Müller“), S.284, Z.24
13 Vgl.: Müller, S.284
14 Vgl.: Philippi, S.14
15 Vgl.: Philippi, S.25
16 Philippi, S.26, Z.20
17 Vgl.: Philippi, S.24
18 Philippi, S.10, Z.6
19 Vgl.: Philippi, S.10
20 Vgl.: Müller, S.59
21 Vgl.: Philippi, S.12
22 Vgl.: Philippi, S.13f.
23 Vgl.: Philippi, S.28
- Arbeit zitieren
- Connor Ohrt (Autor:in), 2019, Kognitive Grammatik. Chomskys Theorie von einem angeborenen sprachlichen Vorwissen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/465335
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