Leibliche Gegenübertragung in der Physiotherapie. Ein Feedbackbogen


Studienarbeit, 2019

26 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

II. Tabellenverzeichnis

III. Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen
2.1 Die Phänomenologie
2.2 Körper haben und Leib sein
2.2.1 Negative Leiberfahrungen
2.2.2 Positive Leiberfahrungen
2.3 Leib und Bewusstsein
2.4 Leibliche Gegenübertragung

3. Methodisches Vorgehen zur Erlernung leiblicher Kompeten-zen
3.1 Die Handlungskompetenzen eines Physiotherapeuten
3.2 Entwicklung eines Feedbackbogens zur Reflexion der Vorbe-handlung
3.2.1 Theoretische Vorbereitung im Unterricht
3.2.2 Interpretation der Wahrnehmungen
3.2.3 Praktische Umsetzung am Patienten
3.3 Praxisbeispiele in der Physiotherapie

4. Diskussion und Anregung

IV. Literaturverzeichnis

V. Anhang

a) Feedbackbogen zur Besprechung der Handlungskompeten-zen ergänzt um die leibliche Kompetenz

II. Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Leibliche Gegenübertragungsreaktionen innerhalb der Person

Tabelle 2 Leibliche Gegenübertragungsreaktionen außerhalb der Person

Tabelle 3 Feedbackbogen zur leiblichen Kompetenz

III. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Die Ausbildung zur Physiotherapeutin bzw. zum Physiotherapeuten ist über ver- schiedene Gesetze und Verordnungen geregelt. Dabei beinhaltet der Lehrplan einen verbindlichen theoretischen und praktischen Unterricht, wobei die praktische Ausbildung lediglich eine anregende Grundlage darstellen soll, die an den Schulen zur individuellen Gestaltung freigegeben wird. Die „Handreichung zur praktischen Ausbildung am Patienten in der Physiotherapie“ wurde vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) überarbeitet und stellt vor allem die Kompetenzbeschreibung eines Physiotherapeuten vor. Die Kombination aus theo- retisch erworbenen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten und der praktischen Anwendung dient dazu, den Schülerinnen und Schülern ein übergreifendes Ler- nen zu ermöglichen. In der praktischen Ausbildung werden die theoretischen Grundlagen angewendet, was unter anderem die Befunderhebung, die Planung, die Durchführung und die Evaluation der Behandlung betrifft, und durch eigene Handlungsmöglichkeiten und Handlungskompetenzen erweitert. Dazu ist es ent- scheidend, auch auf das Verhalten und das Erlebte beim Patienten und bei sich selbst einzugehen, es zu interpretieren und zu bewerten. Die Behandlungssituati- onen lassen die Beziehung zwischen Patient und Schüler in den Vordergrund rü- cken und zeigen die Möglichkeiten und Grenzen des therapeutischen Handelns auf. Mit Hilfe der betreuenden Lehrkraft kann die praktische Anwendung realistisch eingeschätzt und die nötigen Handlungskompetenzen verbessert werden. Anhand von Feedbackbögen gelingt die Reflexion, Evaluation und Dokumentation der er- forderlichen Ziele und inkludiert die Fachkompetenz, die Methodenkompetenz, die Selbstkompetenz und die Sozialkompetenz. (ISB 2016)

Betrachtet man diese Kompetenzen kritisch, zeigen sie nur die objektiv messbaren Phänomene. Die subjektiven Empfindungen des Patienten und des Schülers wer- den außer Acht gelassen. Diese Art der Wertung stellt im Sinne der Leibphäno- menologie eine ergänzende und wertvolle Methode dar, die Behandlungsqualität zu verbessern und die Beziehung zwischen Patient und Therapeut zu stärken. Die vorliegende Arbeit dient dazu, die leibliche Kompetenz in den Feedbackablauf der physiotherapeutischen Schulen zu integrieren und stellt dadurch einen Vorschlag und die Anregung zur Weiterarbeit dar.

Aus Grunden der besseren Lesbarkeit, wird in dieser Arbeit darauf verzichtet, ge­ schlechtsspezifische Formulierungen zu verwenden. Soweit personenbezogene Bezeichnungen nur in mannlicher Form aufgefUhrt sind, beziehen sie sich in glei­ cher Weise auf Manner und Frauen und solien keinesfalls geschlechtsdiskriminie­ rend sein.

2. Theoretische Grundlagen

In diesem Kapitel werden die theoretischen Begrifflichkeiten bestimmt, die für die leibliche Phänomenologie von Bedeutung sind. Dabei geht es zuerst um den Be- griff der Phänomenologie und um die Differenzierung und Bewertung der Begriffe Körper und Leib. Darauffolgend wird die Rolle des Bewusstseins in der leiblichen Phänomenologie dargestellt, die Grundlage für die leibliche Gegenübertragung ist. Anzumerken ist hier, dass diese Arbeit der leiblichen Phänomenologie, aufgrund ihrer Komplexität, nicht gerecht wird. Es soll somit nur eine übersichtliche Vorstel- lung des Themas sein.

2.1 Die Phänomenologie

Die Phänomenologie kann als die Wissenschaft vom menschlichen Leib verstan- den werden. Hingegen untersucht die Naturwissenschaft den menschlichen Kör- per mit Hilfe der Fremderfahrung. Die Phänomenologie des Leibes behandelt die Selbstthematisierung des Leibes, das heißt das Sich-Spüren. Sie beschäftigt sich dabei mit der eigenen Wahrnehmung, die Betroffenheit auslöst. Es handelt sich um eine Wahrnehmung, in der es um einen selbst geht, z.B. Schmerz, Müdigkeit oder Trägheit, kalt oder heiß sein, schwer oder leicht fühlen. Bei diesen Phäno- menen leiblichen Spürens handelt es sich somit um subjektive Tatsachen. (Böhme 2003, S. 40ff)

Die heutige technische Zivilisation läuft Gefahr, den eigenen Leib zum Körper zu generalisieren. Die Moderne und der Fortschritt der Technik bringen den Men- schen dazu, dass der Bereich des Leibes abgeschwächt wird. Es soll aber trotz- dem Ziel bleiben, das Leibsein als Aufgabe zu sehen und den Herausforderungen Stand zu halten. (Böhme 2003, S. 75ff)

2.2 Körper haben und Leib sein

In der Physiotherapie steht der große Praxisbezug im Vordergrund und somit auch der Umgang mit dem Patienten. Die Ausdrücke Körper und Leib werden meist sy- nonym verwendet, wobei der Begriff Körper eher eine sachliche Assoziation und eigentlich die Anatomie und Physiologie beschreibt. Hingegen verknüpft die Be- schreibung Leib einen leicht religiösen Einfluss und meint zugleich das Lebendige und Gespürte. Die beiden Ausdrücke unterscheiden sich zudem hinsichtlich der Fremd- und Selbsterfahrung. Der Körper zeigt sich aus der Perspektive der Fremderfahrung und dient als greifbarer Gegenstand, der naturwissenschaftlich erforscht wird und von außen manipulierbar ist. Im Gegensatz dazu stellt der Be- griff Leib das Objekt dar, das wir durch die Selbsterfahrung erkennen und sich zu- dem durch die Betroffenheit unterscheidet. Das heißt, „dass der Leib mein Leib ist und ich deshalb unausweichlich mit dem, was mir von ihm widerfährt, sei es in Last oder Lust, fertig werden muss.“ (Böhme 2003, S. 12) Somit ergeben sich aus der philosophischen Anthropologie folgende Wortverbindungen, die die beiden Begriffe genauer darstellen und differenzieren, nämlich „Körper haben“ und „Leib sein“. Haben oder Besitzen geht mit einer Quantifizierung einher und meint, etwas zu haben und mehr davon zu wollen, denn es erfüllt nicht. Dagegen steht das Sein auf der anderen Seite und bedeutet zu existieren und zu leben und repräsentiert die Erfüllung. Das Leibsein rückt in der heuten Zeit wieder mehr in den Vorder- grund und fordert die Gesellschaft auf, das leibliche Spüren gegenüber der natur- wissenschaftlichen Perspektive wiederherzustellen, es aus der Kurzsichtigkeit un- verhohlener Bewusstseinszustände herauszuführen und den Leib in natürlicher Weise wieder zu leben. Die Leiberfahrungen können sowohl positiver als auch negativer Art sein und werden im Folgenden kurz vorgestellt. (Böhme 2003, S. 11ff; Fuchs 2015)

2.2.1 Negative Leiberfahrungen

Die negativen Leiberfahrungen machen es dem Menschen schwer, sich mit dem eigenen Körper zu Identifizieren. Dennoch dienen sie als Erfahrung und Bestäti- gung, dass dieser Körper der eigene Leib ist. Zu diesem Bereich gehören Schmerz, Krankheit, Behinderung, Tod, etc. In der Physiotherapie ist vor allem das Phänomen Schmerz sehr präsent, das auch nicht selten Behinderung, im Sin- ne von körperlicher Einschränkung, mit sich zieht. Das Phänomen Schmerz erhält deshalb nachfolgend größere Aufmerksamkeit.

Schmerz

Der Schmerz wird in erster Linie als eine Belastung empfunden. Er ist aber die Erfahrung schlecht hin, die dem Menschen deutlich macht, dass er Leib ist. Die Positivierung des Schmerzes beschreibt dieses Phänomen aus einer ganz ande- ren Sicht. Schmerz zieht eine gewisse Fluchttendenz mit sich, die den Wunsch aufkommen lässt, sich vom eigenen Leib zu distanzieren, wobei diese Flucht un- möglich ist. Die Erfahrung mit Schmerzen kann bei leichter Qualität eine Bewusst- seinssteigerung sein, bei starker Qualität jedoch zu Verzweiflung und Lebensver- neinung führen. Das Empfinden ist dabei abhängig von dem Bewusstsein der Überwindbarkeit. (Böhme 2003, S. 94ff)

Aus ethischer Sicht zeigt sich die Positivierung des Schmerzes nicht im Hinneh- men des Schmerzes, sondern in einer gewissen Einübung und Souveränität im Umgang mit dem alltäglichen Schmerzerleben. Die vorher erwähnte und unmögli- che Fluchttendenz will ausgeglichen werden und fordert nach Milderung des Schmerzes. Dies kann in Form von Weinen oder Schreien erfolgen und zudem erleichtert es den Betroffenen, seine Schmerzen zu äußern. Weitere Techniken, die eine Schmerzlinderung oder sogar –vermeidung erreichen, finden sich in Ent- spannungsmethoden. Yoga, Autogenes Training und Atemübungen sind nur we- nige Beispiele, die bei Leib- und Kopfschmerzen oder auch bei Geburtsschmerzen positive Effekte zeigen. (Böhme 2003, S. 108ff)

2.2.2 Positive Leibeserfahrungen

Die positiven Leibeserfahrungen sind die Grundlage für die Identifizierung und Vertrautheit mit dem eigenen Körper und dienen dabei als Übung. Die Daseinser- füllung ist dabei ein wichtiger Bestandteil und inkludiert die leibliche Kommunikati- on und die leibliche Liebe, wobei zweiteres die höchste Intensität an Leibsein auf- weist. Dabei beginnt die Daseinslust nicht mit dem Begehren, sondern mit den Impressionen durch das Gegenüber. Die positiven Leibeserfahrungen können ein- fachheitshalber unter positive Gefühle zusammengefasst werden. (Böhme 2003, S. 132ff)

2.3 Leib und Bewusstsein

Das Bewusstsein ist ein wesentlicher Teil für die Leibphänomenologie. Es zeich- net zugleich die Individualität der Person aus und präsentiert die Interaktion mit der Umwelt. Die Sinnesorgane stellen die Verbindung zur Außenwelt dar. Werden Gegenstände bewusst wahrgenommen, zum Beispiel durch den Sehsinn, so wird das Leibliche ausgelassen und das Bewusstsein verliert sich im Gegenstand. Wird aber die Wahrnehmung im Sinne der leiblichen Erfahrung angewendet, „kehrt das Bewusstsein quasi vom Gegenstand zurück und durchtränkt das eigene Dasein selbst.“ (Böhme 2003, S. 120) (Pontes 2013; Böhme 2003, S. 117ff)

Spürende Verständigung

Die Kommunikation kann auf einer verbalen und auf einer nonverbalen Ebene stattfinden, sowie über den technisch vermittelten Weg (z.B. Telefon) als auch bei leiblicher Anwesenheit. Die leibliche Kommunikation bedeutet dabei, dass die kommunizierenden Personen durch das eigene leibliche Spüren, das das Gegen- über mit einschließt, so zu sagen ein Leib werden. Das Ausmaß der leiblichen Kommunikation ist situationsabhängig und kann teilweise auch erlernt werden, wie zum Beispiel im gemeinsamen Tanz. (Böhme 2003, S. 141ff)

Die leibliche Kommunikation im Sinne der spürenden Verständigung bedeutet al- so, dass das Zusammenspiel der Interaktionspartner durch deren wechselseitige Wahrnehmung dirigiert wird. Das eigene Handeln orientiert sich daran, was vom Gegenüber an sich selbst leiblich wahrgenommen wird. Dieses leibliche Spüren geschieht auch dann, wenn sich eine Person in die Richtung des Gegenübers ge- zogen fühlt und von dessen Enge- oder Weitegefühl eingenommen wird und bei sich selbst spürt. Das leibliche Befinden kann in Form von Freude, Widerstand, Überraschung, Erleichterung usw. erlebt werden. (Gugutzer 2006)

Atmosphärisches Verstehen

Beim atmosphärischen Verstehen handelt es sich nicht um den subjektiv erlebten Sinn wie bei der spürenden Verständigung, sondern es geht hierbei um die Wir- kung von Situationen, die als Atmosphäre bezeichnet wird. Gefühle und Stimmun- gen werden dabei an der Umgebung oder an Gegenständen erfahren. Natürliche Umgebungen und mehr noch soziale Umgebungen beeinflussen das Handeln der Betroffenen. Diese Situationen werden auf leibliche Weise verstanden, weil sie spürbar nahe gehen. Der intersubjektiv gemeinte Sinn der Situation steht im Vor- dergrund und weniger der subjektiv gemeinte Sinn des Einzelnen. „Dicke Luft“ in einem Raum, in dem ein Streit stattfindet oder „die aufgeheizte Stimmung“ auf ei- ner Party sind nur zwei Beispiele dafür. (Gugutzer 2006)

Spürbare Gewissheit

Man spricht von spürbarer Gewissheit, wenn es um die Aneignung neuer Körper- bewegungen geht, so wie beim Tanz oder im Sport. Über das leibliche Spüren erhält die Person die Bestätigung, die Bewegung richtig ausgeführt zu haben. Die sprachliche Anweisung einer Bewegung wird in körperliches Tun umgesetzt und wiederholt und es gelingt das leibliche Verstehen. Die spürbare Gewissheit stellt dabei eine Art Rückmeldung des Leibes an das Bewusstsein dar, der den Sinn der Bewegungsanweisung bestätigt.

2.4 Leibliche Gegenübertragung

Die leibliche Gegenübertragung spielt im Kontakt mit Menschen bzw. Patienten eine wichtige Rolle. Sie beschreibt die ankommende Resonanz, welche der Be- obachter wahrnimmt, angesichts seines Gegenübers. Die Veränderungen und Reaktionen des eigenen leiblichen Befindens aufgrund der Mitschwingung können Schmerz, Druck, Spannung, Stimmungen, Gefühle, Gedanken oder Phantasien sein. Zudem können vermeintlich wahrgenommene Veränderungen von Raum, Zeit oder der Atmosphäre auftreten. Im Prinzip wirken sich diese erlebten Erfah- rungen auf die Haltung, Gestik, Mimik, den Gang und den Farbton der Stimme aus. Diese nonverbale Kommunikation ist fortwährend im Kontakt mit Menschen zu beobachten und vor allem in der Therapie kann sie eine ergänzende und sinn- volle Therapiemethode sein, auf den Patienten ganzheitlich eingehen zu können. Eine Grundvoraussetzung für die Gegenübertragung ist die Empathie, die der Therapeut seinem Patienten entgegenbringen muss. Die Arbeit fordert große Sen- sibilität und Verantwortungsbewusstsein seitens des Therapeuten. Einige Beispie- le dieser leiblichen Gegenübertragung sind im Folgenden aufgeführt und können sowohl in Phänomene eingeteilt werden, die innerhalb der Person, als auch au- ßerhalb der Person wirken. (Krätzig 1998)

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Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Leibliche Gegenübertragung in der Physiotherapie. Ein Feedbackbogen
Hochschule
Hochschule Deggendorf
Note
1,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
26
Katalognummer
V500493
ISBN (eBook)
9783346030849
ISBN (Buch)
9783346030856
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Physiotherapie, phänomenologie, Didaktik
Arbeit zitieren
Christina Kagerer (Autor:in), 2019, Leibliche Gegenübertragung in der Physiotherapie. Ein Feedbackbogen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/500493

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