Hamburg - eine geteilte Stadt? Mentale Bilder von Stadt und Urbanität


Mémoire de Maîtrise, 2004

156 Pages, Note: 2,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung
1. Wie alles anfing
2. Wie es weiterging
3. Wie es endete

II. Was sollen und können Mental Maps?
1. Zwei unterschiedliche Erkenntnisperspektiven
Die geografische Perspektive
Die kulturanthropologische Perspektive
2. Gelebte/gelernte adt
3. Vorteile von Mental Mapping
4. Art, Fähigkeit und Ästhetik der Darstellung
5. Das innere, subjektive Bild
6. Elemente von Mental Maps
7. Mobilität und Raumaneignung
8. Darstellung negativer Faktoren
9. Geschlechterdifferenz
10.adtbild in Mental Maps und Reiseführern

III. Historischer Abriss
1. Die geografische Lage
2. Reichsgründung und Zollanschluss
3. adtentwicklung und Hafenausbau
4. Anbindung oberhalb und unterhalb der Elbe
5. Hafenerweiterung
6. Verwaltung
7. Die adtteile des dens
Bezirk Hamburg-Mitte
Bezirk Harburg
Altes Land

IV. Forschungsverlauf
1. Material
2. Materialgewinnung und Erfahrungsbericht
3. Herkunft der Mental Maps
4. Danksagung

V. Ergebnisse
1. Quantitative Auswertung
2. Vergleich der Forschungen von 1997 und 2003
3. Altersgruppen
4. Gravierende Unterschiede
5. Besonderheiten
6. Reihenfolge des Gezeichneten
7. Interpretationen
8. Ein anderer Blick vom den?
9. Art und Fähigkeit der Darstellung
10.Geschlechterdifferenz
11.„ädtisches Chaos“
12.Tabellarische Auswertung

VI. Offizielles Hamburg-Bild
1. Hamburg-Bilder 1997 und heute
2. Offizielles Hamburg-Bild im Vergleich zu Mental Maps
3. „Wachsende adt“
4. „ene Hamburg“

VII. Hafencity, rung über die Elbe und IG/p> 1. HafenCity
2. rung über die Elbe
3. IG
4. Wilhelmsburger cht
5. adtplanung

VIII. Antwort auf die Titelfrage
1. Hamburg - eine geteilte adt?
2. Teilungs- und Trennfaktoren
3. Haben sich Mental Maps für meine Zwecke geeignet?

IX. hlussbetrachtung/Ausblick
1. Hamburg - eine ungeteilte adt. Perspektiven
2. Lösungsvorschläge
3. Entstandene und offene Fragen
4. Ausblick
Auf zukünftige Forschungsthemen
Auf die Verwertbarkeit dieser Forschung

Anhang I: adtplanauszug

Anhang II: Beispiele von Mental Maps

1. Darstellung negativer Faktoren: Abbildung 1-2

2. Hamburg komplett: Abbildung 3-5

3. Alster-yline: Abbildung 6-7

4. Landungsbrücken-yline: Abbildung 8-9

5. Blick auf Blankenese, llberg und Umgebung: Abbildung 10

6. Blick von „drüben“ auf Nord-Hamburg: Abbildung 11-13

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Hamburg - eine geteilte adt? Bislang hat (sich) wohl niemand diese Frage gestellt bzw. eine solche These aufgestellt. Bei dem Begriff „geteilte adt“ denkt man zurück an Berlin, aber weder an Hamburg noch an eine andere deutsche adt. In der vorliegenden Arbeit will ich erläutern, wie es zu dieser Fragestellung gekommen ist. Als ich mit meinen Interviews zu dieser Forschung anfing, war die Antwort auch für mich vollkommen offen. Nach den ersten 20 bis 30 Befragungen ergab sich eine Tendenz zum Ja, die dann aber immer wieder kippte. Die endgültige Antwort auf die Titelfrage habe auch ich erst nach Auswertung der Mental Maps in aller Deutlichkeit erhalten. Aber ich will hier nichts vorwegnehmen, auf diese Antwort muss Leser und Leserin noch etwas warten.

1. Wie alles anfing

Im Wintersemester 1996/97 nahm ich an dem minar „Die adt im Kopf“ am Institut für Volkskunde teil, in dem es um Muster der Wahrnehmung von Urbanität ging. Gleich in der ersten tzung wurden wir aufgefordert, Hamburg zu zeichnen, was zunächst große Unsicherheit und viele Fragen auslöste. Was sollten wir zeichnen? Aus welcher Perspektive? Das öffentliche Bild der adt oder unser privates? begegnete ich sowohl zum ersten Mal der Mental-Map-Methode als auch dem adtbild in meinem Kopf. hnell stellte sich für uns heraus, dass das Arbeiten mit Mental Maps eine Form bietet, sich den Vorstellungen von urbanem Raum und städtischem Leben auf unmittelbare Weise anzunähern.

In unserer Arbeitsgruppe entstand die Vermutung, dass adtwahrnehmung und ihre Wiedergabe in Mental Maps von der persönlichen Lebenssituation und Erfahrung abhängig ist. Daher baten wir noch während des minars eine kleine Gruppe von zwölf Personen zwischen 10 und 75 Jahren, aufgeteilt in vier Altersgruppen, ihr Bild von Hamburg zu zeichnen und anschließend ihre Mental Maps zu kommentieren. Dabei zeigte sich, dass die Zeichnungen innerhalb der jeweiligen Altersgruppen tatsächlich gemeinsame Merkmale aufwiesen. Es stellte sich jedoch die Frage, ob die Auswertung nach Altersgruppen bei der Aufforderung „Zeichnen e Ihr Bild von Hamburg“ das geeignete Mittel war, um herauszufinden, über welche mbole die BewohnerInnen ihr adtbild definieren und ob es tatsächlich Gemeinsamkeiten innerhalb bestimmter Altersgruppen gibt oder ob es sich um ein zufälliges Ergebnis gehandelt hatte.

Ausgehend von dieser Fragestellung entstand eine Hausarbeit, bei der wir überprüfen wollten, ob vergleichbare Ergebnisse auch dann zu beobachten sind, wenn wir eine größere Anzahl von Menschen zeichnen lassen und befragen. Diese erste größere Arbeit mit Mental Maps brachte Folgendes zutage:

Unsere These, dass sich die Wahrnehmung von unterschiedlichen٠ Generationen mit unterschiedlichen Erfahrungen in den jeweiligen Mental Maps niederschlägt, bestätigte sich.

Es wurde deutlich, dass Wahrzeichen - vorrangig Hafen/Elbe, Michel,٠ Alster, Fernsehturm und Brücken - das adtbild (im Kopf) prägten.

Insgesamt wurde Hamburg als eine grüne adt am Wasser mit vielen٠ Freizeitmöglichkeiten dargestellt, wichtig war auch die wirtschaftliche Rolle der adt in Form von Handel, Industrie und Verlagswesen.

Etwa die Hälfte der Befragten stellte persönliche und allgemeine٠ Möglichkeiten der Freizeitgestaltung bzw. Bedürfnisbefriedung dar.

Die meisten Mental Maps bestanden aus mehreren zusammengestellten٠ mbolen, die etwa gleich groß gezeichnet und beschriftet waren.

Da wir damals „blutige“ Anfänger waren, haben wir uns bei der Auswertung eng an die sichtbaren Fakten gehalten und nur wenige Interpretationen gewagt. cher fehlte auch der durch Erfahrungen geschulte Blick, der erst im Laufe des udiums entstanden ist, sowie die Wahrnehmung, dass unser eigenes adtbild eingeschränkt ist. Heute würde die Auswertung des damaligen Materials in Teilen sicher anders ausfallen, da die Analyse von Mental Maps stark vom Wissensstand der ForscherInnen abhängt.

2. Wie es weiterging

Einige Jahre später, im Wintersemester 2000/01, nahm ich an dem minar „Kulturwissenschaftliche adtforschung“ teil, um noch einmal neue Aspekte der adt(er)forschung kennen zu lernen. Besonders die Wahrnehmung von adt, die meiner Einschätzung nach durch Mental Maps unbeeinflusster als beispielsweise durch Befragungen wiedergegeben wird, faszinierte mich erneut. Durch Gespräche im minar wurde mir bewusst, dass wir bei der „alten“ Hausarbeit wie selbstverständlich nur Menschen zu ihrem adtbild befragt hatten, die auf der Nordseite der Elbe lebten. Und das wohl deshalb, weil wir InterviewerInnen alle auch auf dieser Elbseite wohnten. Zudem war in den damaligen Mental Maps die „Grenze“ Hamburgs nach den fast ausnahmslos die Elbe, die oft am oberen (sic!) Bildrand gezeichnet wurde. Nur eine Person hatte ein mbol aus einem südlich der Elbe gelegenen adtteil gezeichnet, und zwei Personen stellten ganz Hamburg in Form von Landkarten dar. Die Ausblendung des Hamburger dens in der überwiegenden Zahl der Mental Maps erschien uns damals überhaupt nicht bemerkenswert oder diskussionswürdig, weil wir selber ein deutlich eingeschränktes adtbild hatten: Auch unsere Wahrnehmung schloss den den aus!

3. Wie es endete

Aus diesen Beobachtungen ergab sich fast von selbst die Frage, ob die Menschen in den südlich der Elbe gelegenen adtteilen ihre adt ganz anders oder ähnlich wie die Nord-HamburgerInnen sehen. Haben die d- Hamburgerinnen ganz Hamburg „im Kopf“? nd Elbe und Hafen als Übergang oder als Grenze zum Norden vorhanden? Mir erschien Hamburg durch die „Grenze“ Elbe nun als so etwas wie eine geteilte adt.

Das herauszufinden ist nun Thema meiner Magisterarbeit geworden. Zuerst einmal werde ich mich mit der Theorie über Mental Maps, also deren Bedeutung, Anwendungsgebiete und Eignung - speziell auf dem Gebiet der adtforschung - auseinander setzen, und darstellen, was Mental Maps sollen und können. Während dieser Betrachtung von Verfahren und Möglichkeiten kommen neben neuen Erkenntnissen auch „alte“ Ergebnisse aus der Hausarbeit von 1997 zur rache. Anschließend werde ich die südlichen Hamburger adtteile in einem historischen Abriss vorstellen, denn wahrscheinlich habe nicht nur ich die Betrachtung von d-Hamburg bisher weitgehend ausgelassen. Damit biete ich die Möglichkeit an, sowohl das Warum und Wie des Anschlusses an Hamburg nachzulesen als auch die Entwicklung der südlichen adtteile bis heute.

Es folgen der Einblick in die Materialgewinnung damals und heute sowie die hilderung des Forschungsverlaufs. Das nächste Kapitel beinhaltet die Ergebnisse der vorliegenden Forschung: die Auswertung der aktuellen Mental Maps, Vergleiche mit den Ergebnissen der Hausarbeit von 1997, Besonderheiten in/von manchen Mental Maps, die Reihenfolge des Gezeichneten, eventuelle geschlechtsspezifische Merkmale und Interpretationen. Da es in der früheren Hausarbeit auch um die offizielle Hamburg-Werbung in Broschüren der Tourismuszentrale und Reisführern ging, soll dann ebenfalls die Rede davon sein. Wichtig dabei ist mir die Frage, inwiefern sich das Bild von Hamburg, das TouristInnenen vermittelt wird, im Vergleich zu damals geändert hat und ob es die südlichen adtteile beinhaltet oder nicht. Daran schließt sich ein Blick auf die den den betreffenden städtebaulichen Projekte der adt an, nämlich HafenCity, rung über die Elbe und Internationale Gartenschau (IG 2013 in Wilhelmsburg und auf der Veddel, und die für den den daraus resultierenden Perspektiven. Letztere werde ich in Bezug auf den adtteil Wilhelmsburg kontrovers behandeln, indem ich sowohl die offizielle Darstellung der adt betrachte als auch die cht des „Vereins Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg e.V.“ Einen kurzen Blick werfe ich dann darauf, was in der verwendeten Literatur über adtplanung geschrieben wurde und setze es in Bezug zum rung über die Elbe. hließlich will ich die Titelfrage beantworten, liefere Interpretationen zu meiner Antwort und kläre die Frage, ob sich Mental Maps für meine Zwecke geeignet haben. Beim letzten Kapitel handelt es sich um eine hlussbetrachtung, in der ich Perspektiven für Hamburg als eine komplette adt aufzeige und Lösungsvorschläge dazu vorstelle. Nachdem ich offene und entstandene Fragen thematisiert habe, stelle ich einen aus meiner Forschung resultierenden Ausblick dar. Den Abschluss bilden ein adtplanauszug sowie Beispiele von Mental Maps, die als Anhänge eingefügt sind.

II. Was sollen und können Mental Maps?

Im Folgenden stelle ich vor, was Mental Maps sind und welche Erkenntnismöglichkeiten sie - aus unterschiedlichen Perspektiven - bieten, und zwar vor dem Hintergrund der Vorstudie und mit Blick auf die vorliegende Forschungsarbeit. Das heißt, es geht um die Methode des Mental Mapping, die Aussagekraft des Materials und um Fragen der Auswertung und Interpretation.

Vorab möchte ich durch die Aussagen von zwei verschiedenen AutorInnen einen Eindruck davon geben, was Mental Maps sind und was sie mit adtforschung zu tun haben.

Um Mental Maps oder kognitive Karten handelt es sich, „wenn die adtbewohner selbst ihre Umgebung aufzeichnen (...). An diesen Karten kann abgelesen werden, wie die Menschen den städtischen Raum konzeptualisieren, einteilen, aber auch wie sie sich ihn aneignen und welche zentralen Orte und mbole von Bedeutung sind.“1

Die Arbeit mit Mental Maps bietet einen „Zugriff auf (mentale) adt-Bilder“ und damit den „Blick auf das Zustandekommen und Fortschreiben von Bildern (...), auf die kulturellen Muster, Topoi, ereotypen und Images, die sich zu adtbildern verdichten.“2

1. Zwei unterschiedliche Erkenntnisperspektiven

Beatrice Ploch, die sich mit der Frage auseinander setzte, inwiefern sich Mental Maps zur Erforschung des adtraumes eignen, stellt zwei unterschiedliche Erkenntnisperspektiven dar: eine eher in der Geografie (die bis dahin vor allem mit dieser Methode arbeitete) verankerte Perspektive, die der chtbarmachung von Vorstellungsbildern (Images) dient und eine kulturanthropologische Perspektive, die den Menschen und seine adtaneignung in den Vordergrund stellt.3

Die geografische Perspektive

Die chtbarmachung von Images war nach Ploch lange Zeit hwerpunkt der Mental-Map-Forschung. Mit dem Begriff Image werden mentale Raumrepäsentationen, bewertete Vorstellungsbilder oder stereotype Raumeinschätzungen assoziiert. Kevin Lynch, der als erster Mitte der 1960er Jahre Mental Maps für eine größere Forschung erstellen ließ, stellte fest, dass „es von jeder beliebigen adt ein offizielles Image zu geben [scheint], das aus vielen individuellen Images oder Vorstellungsbildern geformt ist. Oder vielleicht gibt es auch eine Reihe offizieller Images, deren jedes von einer Anzahl von Einwohnern gehegt wird. (...) Jedes individuelle Vorstellungsbild ist einmalig und enthält etwas, was selten oder niemals anderen mitteilbar ist - und doch gleicht es sich der offiziellen Vorstellung an, die - je nach der Umgebung - mehr oder weniger zwingend, mehr oder weniger umfassend ist.“4 Im Vordergrund steht hier die mentale Raumrepräsentation, die sich bei Lynch auf physisch wahrnehmbare Gegenstände beschränkte, um die Bedeutung der Form zu ergründen. Umweltwahrnehmung und -vorstellung sind jedoch durch persönlich Geschichte und Wünsche, durch kulturelle und gesellschaftliche Kräfte geprägt. Mental Maps unterliegen somit lebensgeschichtlichen und historischen Entwicklungen und können dadurch jeweils gruppenspezifische oder kollektive Ähnlichkeiten aufweisen.

In der Vorstudie konnten wir beobachten, dass es gruppenspezifische Ähnlichkeiten gab: Die 10- bis 21-Jährigen zeichneten perspektivlose adtansichten, die aus Einzelelementen bestanden, denen erklärende Worte hinzugefügt wurden. Zentral war auf allen Zeichnungen der Fernsehturm, während Kirchen keine Rolle spielten. Dargestellt wurde eine Infrastruktur, symbolisiert durch raßen und Autos. Interessengeprägte Merkmale wie Museen, hule und Alltagsgeschehen kamen nicht vor.

In der Gruppe der 22- bis 31-Jährigen wurden Ansichten ohne geografische Realität dargestellt: Die Mental Maps waren reduziert auf mbole, die größtenteils aneinandergereiht waren. Elbbrücken, Fernsehturm und Michel waren bei allen vertreten, während es keine Freizeitelemente gab. Wir charakterisierten diese Gruppe als diejenige, die kein adtbild gezeichnet hatte, sondern einen subjektiven Blick auf ein symbolisches Hamburg.

Die Bilder der bis 60-Jährigen waren aus der Vogelperspektive gezeichnet und stellten abgeschlossene enen dar. e beinhalteten das persönliche Umfeld unter Hinzunahme von historischen mbolen - dieser Gruppe schien die Rolle Hamburgs als Hafenstadt an der Elbe das Wichtigste zu sein.

Die über 60-Jährigen zeichneten hingegen Hamburg sehr unterschiedlich - entweder auf einige wenige mbole reduziert oder als einen kleinen detaillierten Ausschnitt. Kirchen waren hier auf allen Mental Maps vertreten, ebenso die Gebiete, in denen die ProbandInnenen in ihrem Leben viel Zeit verbringen bzw. verbracht haben. Für diese Gruppe war die Darstellung eines geografisch eingegrenzten Gebietes mit emotionalen Bezugspunkten entscheidend.

Die kulturanthropologische Perspektive

Kulturanthropologische Untersuchungen konzentrieren sich auf die subjektiven Komponenten und die qualitative Auswertung von Mental Maps. Die Befragten sind keine Untersuchungsobjekte, sondern bjekte, deren Motive und Äußerungen im Zusammenhang gesehen werden und - in einen Kontext gestellt - interpretiert werden. Die Annäherung an den Menschen erfolgt also „über den von ihm als Mental Map skizzierten Raum“5, sodass aktive menschliche Raumaneignung und ein Prozess des ch-Einrichtens in den räumlichen Gegebenheiten in den Mental Maps abzulesen sind. Im Vordergrund kulturanthropologischer Betrachtung steht, wie der Mensch in seiner adt lebt. Mögliche Fragestellungen laut Ploch sind: „Welchen städtischen Raum eignen sich Menschen wie an? Ist der Erfahrungsraum auf das eigene Quartier, den eigenen adtteil oder bestimmte Wegstrecken beschränkt oder ist auch das Gesamtgebilde adt, als ein Raum, der mehrere Quadratkilometer umfaßt und in dem mehrere Hunderttausend oder Millionen Menschen leben, für den einzelnen Bewohner relevant?“6

Lege ich diese Fragestellungen, die ich auch für meine Forschung relevant sind, zugrunde, scheint es mir unumgänglich, dass es Überschneidungen in der geografischen und kulturanthropologischen Perspektive geben wird, Näheres dazu im nächsten Abschnitt.

Mich interessierten in meiner Forschung die Untersuchungs-bjekte und deren aktive Raumwahrnehmung und -aneignung der gesamten adt Hamburg, und damit ging einher, auch etwas über die gelernte adt zu erfahren.

Durch die Vorstudie und besonders durch die vorliegende Forschung scheint es klar, dass die adtwahrnehmung auch über die „Möblierung“ der adt, die oftmals durch Wahrzeichen dargestellt wird, erfolgt. Gerade die Menschen im den von Hamburg müssen allerdings größere Wegstrecken zurückgelegt haben, um die im Norden gelegenen Wahrzeichen sehen und wiedergeben zu können. Damit sind diese Wege auf jeden Fall mit den Mental Maps erforscht und in ihnen - ob implizit oder explizit - enthalten. Ich habe den Eindruck, dass ich Plochs Anregungen - ohne sie vorher im Einzelnen gekannt zu haben - nachgekommen bin, was ich im zweiten Abschnitt noch einmal verdeutlichen will.

Im Gegensatz zur rein geografischen Perspektive bietet die kulturanthropologische Perspektive, auch durch die qualitative Auswertung der Mental Maps, wesentlich mehr Raum für Interpretationen - zugespitzt formuliert „für die Interpretationen der interpretierten adt.“7Ich sehe gerade in der Nutzung dieses ielraums eine meiner Forschungsaufgaben. Voraussichtlich wird die Bandbreite der Interpretationen jedoch dann kleiner, wenn man nicht mehr feststellen muss, dass „als kulturwissenschaftliches Verfahren (...) Methoden und Möglichkeiten des mental mapping allerdings noch wenig ausgelotet [sind]“8.

2. Gelebte/gelernte adt

In der Vorstudie hatten wir den Eindruck, durch die Aufforderung, ein persönliches Bild von Hamburg zu zeichnen, eher die cht auf die adt gelenkt zu haben und schlossen daraus, dass „medial vermittelte und gemanagte Bilder bedeutsamer sind als eigene Erfahrungen.“9 Die Vermutung, andere Ergebnisse bei anderer Aufforderung zu erzielen, lag nahe und wird auch von Ploch bestätigt, die sagt, dass es einen Unterschied macht, ob nach dem konkreten Lebensraum des Respondenten im städtischen Raum gefragt wird oder ob er aufgefordert wird, seine adt zu zeichnen.10

Es geht also einerseits um die gelernte, anderseits um die gelebte adt, wobei es scheinbar an gewissen Punkten Überschneidungen gibt. Hat „die passive - besser gesagt ‚gelernte’ - ite menschlicher Aneignung städtischen Raums“11nicht auch aktive iten? Durch die Wiedergabe eines Bildes, das auch durch Wahrzeichen geprägt ist, könnte man auf ein bestimmtes urbanes Lebensgefühl schließen. Gleichzeitig ist zu fragen, ob und wie bestimmte Wahrzeichen eventuell persönlich genutzt werden, sei es als Orientierungshilfe, Vorzeigeobjekt, für kulturelle Veranstaltungen, ort und Freizeit oder Naherholung. Ploch äußert zwar die Befürchtung, dass bei einer Aufforderung, das eigene Bild z.B. von Frankfurt, Berlin oder Hamburg zu zeichnen, „das Ergebnis (...) dominiert [wäre] von Messeturm, dem Reichstag und dem Hafen, (...) Vorstellungen von dem, was man gegenwärtig noch in München typisch für Hamburg halten könnte.“12

Folgt man jedoch den o.g. Anregungen Plochs für mögliche Fragestellungen aus kulturanthropologischer Perspektive, und will dabei den Blick nicht auf das offizielle adtbild lenken, allerdings dennoch etwas über die adtwahrnehmung und -aneignung erfahren, ist entweder eine ausgeklügelte Fragestellung erforderlich, oder man akzeptiert die Tatsache, dass in Mental Maps „...’offizielle’ und öffentliche Bilder (...) fast durchwegs einen prominenten Platz einnehmen und gleichsam in den ‚persönlichen’ Besitz übergegangen sind.“13

In meinem Material gibt es eine Vermischung der offiziellen und in den persönlichen Besitz übergegangenen Bilder in manchen Punkten, da ich nach dem Bild von Hamburg gefragt habe. Herausfinden wollte ich, ob die Menschen im den Hamburgs ein ander(e)s gelerntes, soll heißen:

kompletteres Hamburg-Bild im Kopf haben als diejenigen im Norden. Dabei ging es nicht um das Gesamtgebilde adt, das offenbar nicht darstellbar ist, denn „der Raum ist für uns keine Größe, die wir in all ihren Facetten getreu dem objektiven Erscheinungsbild in unseren Köpfen abbilden, sondern deren Komplexität wir systematisieren und damit reduzieren.“14

Wichtig war mir, ob für den den ein Bild von Hamburg dies- und jenseits der „Grenzlinie“15Elbe existiert und ob die Elbe für den den eine andere Rolle spielt als für den Norden. Es stand zu vermuten, dass die Elbüberquerung von den nach Norden häufiger/selbstverständlicher ist und auch größtenteils anderen Zwecken dient als umgekehrt. Gehört die Elbe damit zum gelebten Teil der südlichen adt oder ist sie wie (scheinbar) für den Norden eher ein gelerntes Merk- oder Wahrzeichen16unter anderen? Ist der Norden Hamburgs für den den für bestimmte eigene Zwecke wichtig oder hat er vor allem repräsentativen Charakter? Andererseits ging es um die Frage - nicht nur um der Vergleichbarkeit mit der Vorstudie von 1997 willen -, welches (vermittelte) Vorstellungsbild17von Hamburg in den Köpfen der d-HamburgerInnen steckt. Haben sie ein gleich(es), ähnlich(es) oder ganz ander(e)s vermitteltes Vorstellungsbild der adt?

3. Vorteile von Mental Mapping

Insgesamt bieten Mental Maps - so Beatrice Ploch - die Möglichkeit, „subjektiv erfahrene Lebenswelten als ganze [zu] erkennen, die nicht erst aus wissenschaftlichen Deutungen verdichtet werden müssen.“18 Dazu kommt, dass „jede Mental Map (...) zu einem Großteil einzigartig [ist], weil sie die eigenen, subjektiven Erfahrungen zum Fundament hat.“19Das Mental Mapping hatte für meine Arbeit darüber hinaus einen weiteren entscheidenden Vorteil gegenüber anderen „Interviewtechniken“. Da die Befragten vorher nicht wussten, was auf sie zukam, gab es für sie keine Möglichkeit, sich vorzubereiten und ich erhielt dadurch spontan und unbeeinflusst ihr jeweiliges „Bild im Kopf“.

Da ich als Forscherin am Prozess des Zeichnens nicht beteiligt war, fand also der Dialog zwischen den Zeichnenden und dem Blatt Papier statt. Eine eventuell vorausgesetzte Erwartungshaltung von mir, die nur sehr wenige verbalisierten, trat nach meiner Bitte, erst zu zeichnen und alle Erklärungen hinterher zu erhalten, in den Hintergrund bzw. fiel weg, da die ZeichnerInnen sich dann dem Füllen des weißen Blatt Papiers widmeten. Mir fiel damit zunächst die Rolle der Beobachterin zu, die ich in einem wie auch immer gearteten Interview nicht hätte einnehmen können. Ploch sagt dazu: „Die Mental Map stellt letztendlich die Antwort von Befragten als ihre cht der Welt, ihr gezeichnetes Weltbild dar. Im Gegensatz zur teilnehmenden Beobachtung, qualitativen Interviews mit Hilfe eines Frageleitfadens oder standardisierten Befragungen ermöglicht das Mental Map-Verfahren dem Respondenten in stärkerem Maße eine eigene hwerpunktsetzung in einem - aus seiner Perspektive - individuell formulierten Kontext.“20

4. Art, Fähigkeit und Ästhetik der Darstellung

Es war vorher klar, dass ich weder ein Abbild des Gesamtgebildes adt erhalten würde, noch eines der realen adt, so eindeutig meine Aufforderung, das jeweilige Bild von Hamburg zu zeichnen, auch schien. Ich erhielt hauptsächlich systematisierte Ausschnitte in Form von zusammengesetzten mbolen oder geschlossenen Darstellungen eines bestimmten adtraumes, manchmal auch ganz abstrakt präsentierte Hamburg-Bilder. Diese stematik und Reduktion, von der auch Beatrice Ploch spricht21, zeigte sich schon in der Vorstudie auf sehr unterschiedliche und individuelle Weise, was einerseits mit den jeweiligen Fähigkeiten zu zeichnen erklärbar wäre, andererseits aber auch mit subjektiven Bildern über die adt im Kopf - denn, wie Ina-Maria Greverus festgestellt hat, „es gibt sie nicht, die adt.“22

Es ist natürlich die Frage zu stellen, ob die Aufforderung zu zeichnen vorrangig diejenigen unter Druck setzte, die glaubten, nicht zeichnen zu können. cher hatten die zeichnerisch „Begabten“ gewisse Vorteile, da die Hemmschwelle nicht so groß war. Ich versuchte bei den wenigen, wo sie vorhanden war, diese Hemmschwelle abzubauen, indem ich betonte, dass es nicht darauf ankäme, zeichnen zu können. Bis auf eine einzige Person, die trotzdem nicht zeichnen wollte, hatte diese Aussage offenbar eine positive Wirkung, meistens wurde jedoch ohne Hemmungen oder Misstrauen sofort losgelegt. Ich erkläre mir diese Offenheit meiner InterviewpartnerInnen damit, dass ich an sie alle über eine ihnen bekannte Kontaktperson herangetreten bin, wodurch garantiert schien, dass ich nichts „hlimmes“ von ihnen will. Mehrere Kontaktpersonen, die auch schon gezeichnet hatten, konnten selber vermitteln, dass es leicht und „harmlos“ ist, das Interview zu machen. Im Gegensatz dazu bestand bei der Vorstudie von 1997 das Problem, ohne Kontaktherstellung einige Personen ansprechen zu müssen - besonders die über 60-Jährigen, die uns fast alle fremd waren, lehnten das Zeichnen oft ab. e fühlten sich tatsächlich unter Druck gesetzt, weil sie annahmen, wir würden etwas Besonderes von ihnen erwarten. Dazu kam bei allen Unbekannten - zunächst - eine Angst vor Datenmissbrauch im weitesten nne. Letzteres wurde jedoch in meiner jetzigen Forschung kein einziges Mal thematisiert.

Die Qualität des Gezeichneten, besser gesagt: das ästhetische Moment der Zeichnungen, birgt die Gefahr, Mental Maps genau auf diesen Aspekt zu reduzieren. Um dies zu vermeiden, bedarf es einer bestimmten Voraussetzung, nämlich „daß es sich der Wissenschaftler zutraut, das Gesamtbild - die Mental Map - auch als Mosaik zahlreicher Einzelteile zu begreifen, und sich somit ein wenig vom bestechenden Gesamteindruck löst, um eine systematische vergleichende Analyse von Mental Maps vorzunehmen.“23

Für meine Arbeit war diese Gefahr der Reduktion nicht relevant: zum einen durch die Art der konkreten Vorab-Fragestellung der Forschung und zum anderen - was viel entscheidender ist - weil hier gerade die Einzelsymbole als solche im Vordergrund der Auswertung stehen, da sie Maßstab für die Vergleichbarkeit sind, und nicht der „bestechende Gesamteindruck“.

5. Das innere, subjektive Bild

Ein inneres oder mentales Bild zu entwerfen ist ein Prozess, in dem die äußere Realität interpretiert und geordnet wird, wobei das Moment der Prioritätensetzung eine spezifische Rolle spielt. Dieser Prozess ist (auch) in Mental Maps erkennbar, die damit ebenfalls eine subjektive cht auf die Welt darstellen. Bereits bei Lynch, dem Pionier der Mental-Map-Methode, ist die Rede davon, dass „das Bild einer gegebenen Wirklichkeit für verschiedene Wahrnehmer je ein ganz verschiedenes sein [kann].“24Das heißt, das Dargestellte zeigt nicht die Realität, sondern ist deren subjektives Abbild, und es zeigt diese Realität lückenhaft. Trotzdem sind diese (Ab-) Bilder nicht weniger real, denn „sie dienen u.a. dazu, die Komplexität und Vielfalt (groß)städtischen Daseins und urbaner Verhaltensanmutungen zu bewältigen, erlauben das ch-Einrichten und Zurechtfinden im Lebensraum ‚adt’.“25

Damit ein mentales Bild zu einer Mental Map wird, findet also eine Umsetzung des subjektiv erlebten adtbildes mit gestalterischen Mitteln statt, das eine Reduktions- und Abstraktionsleistung voraussetzt bzw. Resultat einer lektions- und/oder Verdichtungsleistung ist. Zugleich sind erhebliche Fokussierungsleistungen gefordert - Mental Maps sind immer auch mbolisierungsleistung26.

6. Elemente von Mental Maps

Lynch, dessen udie sich auf Raumvorstellungen beschränkte, teilte die Elemente der adtbilder in fünf Typen ein: Wege, Grenzlinien, Bereiche, Brennpunkte und Merk- oder Wahrzeichen27. Aus diesen Elementen wird - wie Thomas Hengartner beschreibt - ein subjektiv vollständiges Bild geformt, und „konstituierend sind die Merkmale der objektiven adtstruktur mit hoher Einprägsamkeit, die affektive Bewertung von Orten, Orte von Aktivitäten, die recke Wohnort-Arbeitsort bzw. Wohnort-adtzentrum sowie sozialstrukturelle Merkmale.“28 Vor allem die Grenzlinien und Merk- oder Wahrzeichen spielen bei meiner 14 Forschung die entscheidende Rolle, daher werde ich besonders auf diese Elemente bei der Auswertung meiner Befragung zurückkommen.

7. Mobilität und Raumaneignung

Auf die Frage von Ploch: „Bestimmen die Mobilitätsleistungen/-möglichkeiten der Befragten die Reichweite ihrer Mental Maps?“29konnten wir in der Vorstudie mit einem klaren Ja antworten. Als besonderer Beleg dafür erschienen uns die immer reduzierteren Zeichnungen der Ältesten und die recht weitreichenden Mental Maps der Jüngsten. Auch Ploch stellte fest, dass jüngere Menschen mobiler sind und sich weiträumiger orientieren.30Für die vorliegende Arbeit kann ich dieser These nur sehr bedingt zustimmen, denn bezogen auf die Alterseinteilung lässt sich kein so eindeutiges Ergebnis feststellen. Hier ist vielmehr zu fragen, ob Mobilitätszwänge die Reichweite bestimmen, denn kulturelle Angebote und bessere Einkaufsmöglichkeiten schienen für sehr viele der Befragten aus dem den nur nördlich der Elbe gegeben, sodass die Nutzung dieser Angebote Mobilität erfordert.

Es stellt sich zudem die generelle Frage, ob nicht gewisse Mobilitätsleistungen gerade (aber nicht nur) in einer Großstadt so selbstverständlich erbracht werden, dass sie den Befragten nicht erwähnenswert erscheinen. Als Beleg dafür lässt sich in beiden Forschungen heranziehen, dass die zurückzulegenden Wege meistens nicht eingezeichnet sind, und wenn, dann eher symbolisch als ein ück raße ohne konkrete Benennung oder in Form eines Fortbewegungsmittels wie Fahrrad, Auto oder öffentliches Verkehrsmittel.31Beatrice Ploch traf für eine Forschung in zwei Frankfurt-nahen Landkreisen eine ähnliche Aussage, nämlich „daß Mobilitätsleistungen, die täglich (...) erbracht werden, bei den Karten, die von einer sehr weiten Erschließung des Raums zeugen, oft ausgespart bleiben“32. Hier wird auch die Frage: „Wie mitteilungsrelevant ist für die Befragten das für sie lbstverständliche?“33 wichtig, die laut Ploch bedeutsam für die Interpretation der Mental Maps ist.

Ob eine dargestellte Raumerschließung oder -aneignung, die ja sehr viel mit Mobilität zu tun hat, nun eher eine adt-Idee oder adt-Erfahrung repräsentiert, lässt sich oft schwer sagen. Zwar sind dargestellte Raumaneignungen nur selten auf den eigenen adtteil beschränkt, die Ausdehnung umfasst meist mehrere, nicht unbedingt aneinander grenzende adtteile. In der Vorstudie handelte es sich um drei oder vier verschiedene Zonen. Am ehesten auf ihren adtteil oder entsprechende mbole beschränkten sich die über 69-Jährigen, was wir mit ihrer vergleichsweise großen Immobilität erklärten. Bis an die adtgrenzen Hamburgs bzw. darüber hinaus reichten nur zwei aller Mental Maps: Auf ihnen wurde Hamburg als Landkarte oder Plan dargestellt. Auch Plochs Untersuchung bestätigte, dass das „Gesamtgebilde adt“34fast nie wahrgenommen oder genutzt wird. Da die zwei „Ausnahme“-Personen gler waren, nehme ich an, dass sie die adt auf eine sehr eigene Art, d.h. in Teilen weitreichender nutzten, daher auch eine andere Wahrnehmung hatten und darstellten. Gibt es jedoch keine gezeichneten Aussagen zu tatsächlich „be“nutzten35 Räumen, bleibt es offen, ob die adtaneignung als aktiv oder passiv zu bezeichnen ist. Zu fragen ist jedoch, ob dieser Unterschied wichtig ist, denn „das mentale Abbild dieses Raums - das Bewertungen einschließt auch im Hinblick auf Möglichkeiten, die er dem Individuum zur Befriedigung seiner Bedürfnisse bereitstellt - ist Forschungsgegenstand der Kulturanthro- pologie.“36

Von dieser Aussage ausgehend sehe ich im Vordergrund die Möglichkeiten stadtspezifischer Angebote - unabhängig von ihrer tatsächlichen Nutzung - als Teil eines urbanen Lebensgefühls, da Wahrnehmung der adt „sowohl den Umgang mit dem umbauten Raum als auch die Vorstellung, in ädten nach Möglichkeits-, Aktions-, Interaktions- und Kommunikationsräumen zu suchen“37umfasst.

8. Darstellung negativer Faktoren

Im Gegensatz zu Plochs Feststellung, dass „eher negative emotionale Befindlichkeiten gegenüber dem Raum, wie beispielsweise Angst, Haß, Verunsicherung, nicht dargestellt wurden“38, tauchten diese Gefühle in der Vorstudie in einigen Mental Maps auf, und zwar erstaunlicherweise häufiger bei Männern, wofür wir keine Erklärung hatten. In der überwiegenden Zahl der Mental Maps wurde jedoch ein eher schönes und freundliches Bild von Hamburg gezeichnet, entsprechend Greverus’ Feststellung für Frankfurt: „Die städtischen Merkzeichen werden nicht bedrohlich.“39

In dem neuen Material wurde ebenfalls mehrheitlich ein schönes, freundliches Hamburg dargestellt. Es gibt aber auch Kritik an der aktuellen politischen und sozialen Lage sowie Umweltaspekten, hier vorrangig den Verkehr betreffend. Dieser Punkt war schon in der Vorstudie Thema40, sodass die Feststellung, die sowohl Greverus als auch Ploch für ihre Forschungen in Frankfurt trafen, für Hamburg offenbar nur sehr eingeschränkt gilt: „Das adtgrün und der Verkehr scheinen miteinander versöhnt: Fahrräder und Nahverkehr erschließen die adt. Das Auto ist daraus verbannt (...).“41Und Ploch: „(...) trotz Verkehrschaos kennt das Frankfurt der Mental Maps weder raßen noch Autos.“42

9. Geschlechterdifferenz

In Plochs Untersuchung wiesen die Mental Maps von Männern und Frauen deutliche Unterschiede auf: Männer orientierten sich weiträumig, zeichneten oft ihren Arbeitsplatz ein, jedoch kaum Familie und Freunde. Im Gegensatz dazu verwiesen die Mental Maps der Frauen meist auf eine geringere Reichweite und enthielten oft Einkaufsmöglichkeiten, Infrastruktur sowie Familie und Freunde. Frauen verorteten sich jedoch genauso selten wie Männer in ihren Lebensräumen.43

In unserer Vorstudie waren in Bezug auf die Weiträumigkeit keine wesentlichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen festzustellen. Arbeitsplätze, wenn auch meist nicht konkret benannt, fanden sich - allerdings in sehr geringer Anzahl - sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Beide Geschlechter ließen Familie und Freunde außen vor, und nur sehr vereinzelt zeichneten Frauen Einkaufsmöglichkeiten ein. Frauen haben sich jedoch deutlich häufiger selbst verortet, indem sie den adtteil, in dem sie leben, einzeichneten, jedoch ohne ihn als „mein Viertel“ oder ähnlich zu bezeichnen oder ihr Haus zu kennzeichnen. eine Kennzeichnung tauchte insgesamt nur zweimal auf.

Im Gegensatz zur Vorstudie habe ich in der aktuellen Forschung für eine genau gleiche Geschlechterverteilung in jeder Altersgruppe gesorgt, um aufgrund von Plochs Feststellung, die ja in der Vorstudie nicht bestätigt werden konnte, das neue Material noch einmal zu überprüfen. Auf diese Frage komme ich nach der Darstellung meiner Ergebnisse zurück.

10. adtbild in Mental Maps und Reiseführern

Nicht unerwähnt lassen möchte ich die Wechselwirkungen, die zwischen Mental Maps und Reiseführern oder Tourismusbroschüren zu bestehen scheinen. konnten wir beispielsweise in der Vorstudie feststellen, dass Hamburg sich nach außen weitestgehend so darstellt, wie auch die BewohnerInnen ihre adt „sehen“, zumindest was die optischen Wahr- und Merkzeichen angeht. Bezüglich der kulturellen Angebote wie Theater, Kino, Musical und Museum, die einen hohen Anteil der Veranstaltungs-Programme ausmachten, unterschieden sich die Mental Maps stark von den offiziellen Fotos der Broschüren und Reiseführer. Der ellenwert von Kultur schien für TouristInnen ungleich höher zu sein als für die Befragten. Das Rennen in der Publikumsgunst von Veranstaltern machten damals vor allem die bekannten Musicals wie „Cats“, „Phantom der Oper“ und „Buddy Holly“, die keinen spezifischen Bezugspunkt zur adt haben. Inzwischen scheint jedoch eine optische Verankerung, speziell des Musical-andortes am Hafen, auch für die HambugerInnen stattgefunden zu haben, denn das von „Buddy Holly“ zum „König der Löwen“ gewordene Musical in seinem Zelt auf einwerder wurde in der aktuellen Befragung mehrfach dargestellt.

Wozu könnte nun so eine Möglichkeit des Vergleiches von Mental Maps mit offiziellen Darstellungen dienen? Einerseits der Überprüfung, ob nach außen „richtig“ geworben wird, denn ein bei den HamburgerInnen selbst verankertes adtgefühl - auch wenn es klischeehaft wäre - ist so sicher leichter „rüberzubringen“. Andererseits könnte die Außenwerbung, das sei hier schon einmal vorweggenommen, vor allem Hamburgs den betreffend noch viel entdecken und Broschüren und Reiseführer enorm ausweiten - frei nach dem Motto: „Entdecken e die andere ite Hamburgs ...“

Abschließen möchte ich diese Betrachtung zu Mental Maps mit zwei unkommentierten Zitaten, die Teile des bereits Gesagten noch einmal zusammenfassen, nämlich den Aspekt der adtwahrnehmung im allgemeinen und der oftmals „geschönten“ Darstellung:

„Die adtgestalt übt einen entscheidenden Einfluß auf die Wahrnehmung der städtischen Umwelt aus - und zwar im Wohnen wie im ch-Aufhalten und Verweilen, im Bewegen und im Verharren, im Handeln und ch- Beziehen, im Erzählen und Erinnern. Die gebaute und gestaltete städtische Welt: Gebäude, raßenzüge, Häuserfluchten und Dachlinien; Wahrzeichen ebenso wie Vorgärten, Grünflächen oder Laubenkolonien prägen die Verortung des Menschen in der adt, seinen Raumbezug und sein adtbild.“44

„In den seltensten Fällen konnten wir in den Zeichnungen der Lebensräume der Befragten allerdings Problematisierungen ihrer Raum-Beziehungen erkennen. Ich erkenne darin das Bedürfnis, den eigenen Lebensraum ‚harmonisch’ darzustellen, das Bedrohliche wird daraus verbannt, es bleibt - aus der Perspektive der Befragten - der konfliktfreie Nahraum, der uns nicht selten (zu) ‚idyllisch’ erscheint.“45

III. Historischer Abriss

In der folgenden Darstellung der historischen adtentwicklung Hamburgs lege ich aufgrund des thematischen hwerpunktes der Arbeit das Augenmerk auf die südlichen adtteile1. Zunächst zeige ich die allmähliche Anbindung dieser adtteile an Hamburg auf, die im Zuge von Reichsgründung, Zollanschluss sowie Hafen- und adterweiterung stattfand. Aufgrund der Annahme, dass d-Hamburg - zumindest für viele - beinahe eine „terra incognita“ ist, stelle ich dann jeden adtteil mit seiner Geschichte und spezifischen Entwicklung bis heute kurz vor. Die Reihenfolge dabei ist alphabetisch: erst der Bezirk Hamburg-Mitte und danach der Bezirk Harburg, wobei die drei adtteile des Alten Landes in einem Extrakapitel zum hluss behandelt werden. Als Grundlage für meine Darstellung dienten mir im Wesentlichen der DuMont Kunst-Reiseführer von Hermann Hipp über Hamburg2und das „Haspa-Handbuch für alle adtteile der Hansestadt“3.

1. Die geografische Lage

Als Keim der adt Hamburg lag auf dem Geestsporn, der sich von Osten her zwischen Alster und Bille vorschiebt, die Hammaburg, deren uren auf eine sächsische Burg des 7./8. Jahrhunderts hinweisen. Dort liegt noch heute mit Petrikirche und Rathaus das Zentrum der adt. Das kleinere Gegenstück ist das am Rand der südlichen Geest gelegene Harburg. In der dazwischen liegenden Flussmarsch breiten sich nach Osten hin die Vier- und Marschlande, nach Westen das südlich der Elbe gelegene Alte Land aus. Das romspaltungsgebiet der Elbe, in dem sich durch Tide und dimentation Nebenarme und Inseln gebildet haben, bot die natürliche Grundlage für die entscheidende Existenzbedingung der adt: den Hamburger Hafen.

2. Reichsgründung und Zollanschluss

Nach der Reichsgründung 1871 war Hamburg zunächst außerhalb des deutschen Zollgebietes verblieben. 1881 entschied Hamburg, sein Territorium in das Zollinland des Deutschen Reiches einbeziehen zu lassen, jedoch sollte ein großer Teil des Hafengebietes wie bisher Zollausland bleiben. 1888 wurde sowohl der Anschluss Hamburgs an das deutsche Zollgebiet vollzogen als auch der Hamburger Freihafen in Betrieb genommen. Waren konnten damit ohne Einfuhrzölle importiert und selbst nach zwischenzeitlich erfolgter Verarbeitung wieder ohne Zollentrichtung exportiert werden. Vor Inbetriebnahme des Freihafens war auf der alten Brook-Halbinsel die eicherstadt für die Warenlagerung gebaut worden, durch ihre Einfügung in das Freihafengebiet wurde ein Binnenmarkt ohne innere Zollgrenzen geschaffen.

3. adtentwicklung und Hafenausbau

Zusammen mit der Ende des 19. Jahrhunderts beginnenden adterweiterung erfolgte der etwa hundert Jahre dauernde Hafenausbau: Zur Elbe offene künstliche Hafenbecken mit Kaimauern, an denen hiffe festmachen konnten und die mit huppen, Bahngleisen, raßen und beweglichen Dampfkränen ausgestattet waren, lösten die Liegeplätze im Binnenhafen und im rom ab. Dadurch wurden eine tidenunabhängige Benutzbarkeit und ein schneller Güterumschlag ermöglicht. it 1869 überschritt der Hafenausbau die Norderelbe, und zwischen deren dufer und der Grenze zu Wilhelmsburg, im Westen bis zum derelbearm Köhlfleet, entwickelte sich um die Jahrhundertwende das Hafengebiet.

4. Verkehrsanbindung oberhalb und unterhalb der Elbe

Die cherung der Infrastruktur in den adterweiterungsgebieten verlangte die Anlage von raßen und öffentlichen Nahverkehrssystemen. Die erste Brücke über die derelbe wurde 1868 bis 1872 als Verbindung zum seit 1847 in Harburg bestehenden Bahnhof des Hannoverschen Eisenbahnsystems erbaut. Endziel war Hannover, Ausgangspunkt der Hannoversche Bahnhof am Lohseplatz als Hamburgs Tor zum den. Noch erhalten ist die erste raßenbrücke über die derelbe, die 1897 bis 1899 errichtet wurde und heute Alte Harburger Elbbrücke heißt. Der Verkehr auf und unter Wasser wurde etwa zur selben Zeit ausgebaut: Die seit 1839 bestehenden . Pauli-Landungsbrücken als Zentrum für den Hafenfährverkehr und die Unterelbe- und ebäderschiffe erfuhren 1907 bis 1909 eine Erweiterung, der (alte) Elbtunnel zwischen . Pauli und einwerder entstand in den Jahren 1907 bis 1911. Dem Vorbild der 1914 bis 1926 gebauten Freihafen-Elbbrücke folgend, wurde die Eisenbahn-Elbbrücke 1926/27 mit einem neuartig konstruierten Oberbau versehen. Der Bau der Autobahnbrücke über die Norderelbe erfolgte 1959 bis 1962 und verbindet Wilhelmsburg und Billwerder Insel; die Bahn-Linie Hamburg-Harburg wurde 1978 bis 1983 errichtet. Als Wahrzeichen der Hafenmodernisierung wurde im Zusammenhang mit dem Bau der Autobahn und des neuen Elbtunnels von 1970 bis 1974 die Köhlbrandbrücke gebaut.

5. Hafenerweiterung

Bis zum Ersten Weltkrieg war der Welthafen Hamburg entstanden, der sich von den Elbbrücken bis zum Köhlbrand erstreckte. Das Hamburg zur Verfügung stehende Territorium war damit jedoch fast erschöpft, denn südlich der bereits angelegten Häfen und westlich von Waltershof bzw. Finkenwerder begann damals der aat Preußen. 1929 schlossen Hamburg und Preußen einen Vertrag über die Gründung einer Hafengemeinschaft. Dieser Vertrag sah als Hafenerweiterungsgebiet den ganzen Raum westlich des Köhlbrands bis zur Mündung der Alten derelbe vor. Damit handelte es sich um eine Fläche von ca. 5100 Hektar, die jedoch durch das Hafenerweiterungsgesetz von 1961 und das Hafenentwicklungsgesetz von 1982 reduziert wurde.

Bereits seit dem Ersten Weltkrieg gab es Pläne, einen gemeinsamen adtorganismus, wenigstens aber einen planerisch einheitlichen Entwicklungsraum mit den Nachbarstädten und dem Umland zu schaffen. lche Pläne wurden im „Dritten Reich“ durch das Reichsgesetz über Groß- Hamburg und andere Gebietsbereinigungen („Groß-Hamburg-Gesetz“) von 1937 umgesetzt: Die preußischen Nachbargebiete wurden mit Hamburg vereinigt, andere Teile von Alt-Hamburg wie Großhansdorf-hmalenbek, Geesthacht und Cuxhaven mit Neuwerk fielen an Preußen. Eine zentrale Hafenverwaltung des gesamten Hafenraumes wurde nun durch den Anschluss Altonas und Harburgs möglich. Durch den Krieg blieben diese Möglichkeiten zwar vorerst ungenutzt, in der anschließenden Auf- und Ausbauphase der Nachkriegszeit wuchs der Hafen dann bis in die 1960er Jahre hauptsächlich in südlicher Richtung. Nachdem sich Hamburg 1967 entschlossen hatte, den Hafen auf Containerumschlag umzustellen, erfolgte auch die Ausweitung nach Westen.

6. Verwaltung

it 1819 führt Hamburg den aatstitel „Freie und Hansestadt Hamburg“; sie ist heute in 7 Verwaltungsbezirke und 104 adtteile gegliedert, in denen 180 Ortsteile liegen. Neben anderen nördlich der Elbe gelegenen adtteilen gehören die Veddel und Finkenwerder zum Bezirk Hamburg-Mitte, ebenso die Hafengebiete Kleiner Grasbrook, einwerder und Waltershof. Die Besonderheit von Hamburg-Mitte ist, dass dort unter der Bezeichnung „Ortsteil 150, hiffsbevölkerung“ Menschen mit der Wohnsitzangabe „An Bord“ gemeldet sind. Den Bezirk Harburg bilden die adtteile Harburg, Neuland, Gut Moor, Wilsdorf, Rönneburg, Langenbek, nsdorf, Marmsdorf, Eißendorf, Heimfeld, Wilhelmsburg, Altenwerder, Moorburg, Hausbruch, Neugraben-Fischbek, Francop, Neuenfelde und Cranz.

7. Die adtteile des dens

Bezirk Hamburg-Mitte

Der nördlich des Finkenwerder Landscheidewegs gelegene Teil Finkenwerders gehört seit 1445 zu Hamburg - seit 1919 als Vorort -, der südliche Teil ging erst mit dem Groß-Hamburg-Gesetz 1937/38 an Hamburg. Im 17. Jahrhundert erfolgte eine Neueindeichung, die für den den Finkenwerders stabilere Lebensverhältnisse brachte, im Nordosten siedelten sich erste Fischer an. Der Norden war wegen ständiger Überschwemmungen landwirtschaftlich wenig ertragreich; die Wende kam mit einer 1801 von Hamburg erlassenen Verfügung, die die Grundbesitzer am Deich für dessen Zustand verantwortlich machte. Die Deiche überstanden die urmflut von 1806 und hatten ein Anwachsen der Bevölkerung zur Folge. Um 1800 wurde mit dem Obst- und Gemüseanbau begonnen, 100 Jahre später war damit der Getreideanbau verdrängt.

Mit der Industrialisierung wurde auch Finkenwerder in die Hafenerweiterung einbezogen, 1918 erfolgte die Gründung der Deutschen Werft. Bereits seit 1900 wurde das Vorland vor den Deichen zum Köhlfleet und zur Elbe hin aufgeschüttet, um ein Wohnviertel für Hafen- und Werftarbeiter sowie ein neues Industriegebiet zu schaffen - auf dem Ostteil dieses Geländes liegt der Kern des heutigen adtteils. 1914 wurde auch im Hinterland das Geländeniveau angehoben, die geplante Arbeiterwohnstadt wurde jedoch erst angelegt, als die Werften in Finkenwerder und Waltershof in die Kriegsaufrüstung mit einbezogen wurden. Am Rande dieses Wohngebietes stehen noch heute die im Jahr 1943 als Behelfssiedlung für Bombenopfer gebauten Plattenhäuser.

Nach der urmflut 1962 beendete die Abriegelung der Alten derelbe das Inseldasein von Finkenwerder. Der Bau der Köhlbrandbrücke sowie des Neuen Elbtunnels brachten den massiven Durchgangsverkehr mit sich, der auch heute noch herrscht. Die ehemalige Fischerei spielt inzwischen keine Rolle mehr, der adtteil lebt hauptsächlich von der Flugzeugindustrie der Airbus Deutschland GmbH, des größten Arbeitgebers des adtteils, und vom Obstanbau, hauptsächlich Äpfeln. Das Bild Finkenwerders ist geprägt vom Industrieareal bis zur Marschenlandschaft, von Großwohnsiedlungen bis zu Überresten der im 17. und 18. Jahrhundert sich entwickelnden alten Fischersiedlung. Teile des nördlichen und südlichen Finkenwerders werden noch heute landwirtschaftlich genutzt, die zugehörigen alten Höfe liegen auf sogenannten Wurten, zum hutz vor urmflut aufgeschütteten Hügeln.

Die im Mittelalter eingedeichten Elbinseln Veddel, Kleiner Grasbrook und einwerder gehörten zu Holstein und kamen zusammen mit Waltershof durch den Gottorfer Vertrag 1768 zu Hamburg. Diese ehemaligen Weideflächen wurden für Hamburg interessant, als der Hafen die Norderelbe überschritt und wurden die Hauptgebiete des Hafens. Der Grasbrook, der zwischen der adt und der Norderelbe lag, wurde 1549 durchtrennt; auf dem nördlichen Teil entstand die eicherstadt, der südliche Teil erhielt den Namen Kleiner Grasbrook. Ebenso wie einwerder bildet der Kleine Grasbrook seit 1871 einen Vorort, seit 1894 einen adtteil von Hamburg.

Um 1850 begann die Erschließung für Hafen und Industrie, zwischen Norderelbe und dem Ostufer des Reiherstiegs entstanden Werft- und Gewerbegebiete. Diese Zone, nach den vom Querkanal und nach Osten vom einwerder Hafen begrenzt, wurde 1951 dem „Werftenstadtteil“ einwerder zugeschlagen. 1876 bis 1879 wurde der Petroleumhafen, der seit 1922 dwesthafen heißt, in sicherer Entfernung zum bisherigen Hafenbereich und der adt gebaut. Zwischen 1887 und 1894 entstanden die Hafenbecken für die eschiffhäfen entlang der Elbe (gelschiffhafen, 1976 weitgehend zugeschüttet, Hansahafen und Indiahafen, Letzterer nicht mehr vorhanden), östlich und südlich die Flussschiffhäfen (Moldauhafen, alehafen und reehafen).

Mit seiner Erschließung wurde der Kleine Grasbrook auch zum Wohngebiet, das sich in etwa auf dem Gelände des heutigen Überseezentrums befand. hon 1887 erfolgte jedoch die Umsiedlung, da das Gebiet im künftigen Freihafen lag. Einige wenige Bewohner gibt es noch heute, sie wohnen außerhalb der Freihafengrenze an der Harburger Chaussee, in Kopfbauten von eichern und Lagerhäusern und in Hausbooten am reehafen.

Wie der gesamte Hafen wurde auch der Kleine Grasbrook im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört, dennoch finden sich hier noch vereinzelt uren der Hafenentwicklung des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts, nämlich die ältesten noch erhaltenen huppen des Hamburger Hafens.

einwerder, das vorher Nordersand hieß, kam Mitte des 19. Jahrhunderts zu seinem Namen: Der Werder (Flussinsel) gegenüber . Pauli wurde seit 1838 durch ndaufschüttungen erhöht, um Flächen für Hafen- und Industriezwecke zu schaffen. Nach dem Großen Brand 1842 wurden die huttmassen der zerstörten Häuser nach Nordersand verbracht, daraus bildete sich dann ab 1843 der Name einwerder.

Der heutige adtteil umfasst das Gebiet mehrerer Elbinseln, die bis ins 14. Jahrhundert zu der großen Elbinsel Gorieswerder gehörten. Die erste in diesem Gebiet liegende Örtlichkeit war der bereits 1338 erwähnte Grevenhof, der den holsteinischen Grafen gehörte und als Pachthof bis 1888 bestand. Auf Inseln südlich des Nordersands bestanden bis 1906 die Pachthöfe Ellerholz und Roß, deren Namen sich heute in raßen und hleusen wiederfinden. einwerder wurde zum Hauptort der Hamburger Werftindustrie. Das erste Hamburger Trockendock entstand 1851, das erste hwimmdock 1859. In der Folge siedelten sich sowohl andere Industrien und Unternehmen als auch zunehmend Bewohner an, deren Anzahl bis 1887 stetig wuchs. Als dann einwerder Teil des Freihafens und damit als Wohnort aufgegeben wurde, endete die Bevölkerungszunahme. Von 1897 bis 1903 entstanden als zweiter großer Erweiterungsbereich des Hafens südlich der Norderelbe die großen Hafenbecken von einwerder, Kuhwerder und Roß-Neuhof. Vor allem für die dort beschäftigten Arbeiter aus . Pauli und Neustadt stellte der alte Elbtunnel, dessen Betrieb von einwerder aus geführt wird, den Weg zum Arbeitsplatz dar.

Der Köhlbrand, die Verbindung zwischen Norder- und derelbe, wurde 1908 aufgrund des Köhlbrandvertrages zwischen Hamburg und Preußen 600 Meter nach Westen verlegt, ein Überbleibsel des ursprünglichen Verlaufs ist der Kohlenschiffhafen. dlich davon liegt die 1623 durch einen Ringdeich gesicherte Insel Neuhof, die um 1900 von der Hafenindustrie erfasst wurde. 1924 bis 1927 entstand hier das zweite Hamburger Großkraftwerk, und dort beginnt die Auffahrtrampe zur Köhlbrandbrücke. it 1996 ist einwerder durch das Musicalzelt auch Kulturstandort. Für die 50 Bewohner einwerders gibt es heute nur zwei reine Wohnhäuser auf einwerder, die zwischen dem hachtgebäude des Elbtunnels und der Elbe stehen, die übrigen Wohnungen sind Dienstwohnungen oder liegen auf dem Gelände von Firmen.

Der 1894 geschaffene adtteil Veddel umfasst das Gebiet der Elbinseln Kleine Veddel, Peute und einen kleinen Teil von Kaltehofe, die bis Ende des 14. Jahrhunderts einen Teil der großen Insel Gorieswerder bildeten. Diese größte Insel reichte von der Kaltehofe bis Finkenwerder und war durch Gräben und Dämme in mehrere Areale geteilt, die eigene Namen hatten (u. a. Große Veddel, die an den adtteil Kleiner Grasbrook fiel). Durch urmfluten, natürliche römung, Kanal- und Deichbauten sowie Durchstiche wandelte sich Größe und Lage der Elbinseln, die Landwirtschaft blieb bis in die 1870er Jahre bestimmend. Mit der Freihafenkonzeption wurden die Elbinseln für die adtplanung interessant: Die Große Veddel, westlich der 1872 in Betrieb genommenen Bahnstrecke, wurde ins Freihafengebiet einbezogen, die Peute wurde ab Mitte der 1880er Jahre als Industriegebiet erschlossen.

Innerhalb der Hafenentwicklung wurde die Veddel seit der Gründerzeit zum Wohnquartier. Ab 1879 wurde die „oman-edlung“ als Zeichen eines sozial und politisch motivierten Wohnungsbaus errichtet. it 1887 wurden die Bewohner des zukünftigen Freihafengebietes ausgesiedelt, für sie entstanden Hamburg-typische Mietshäuser nördlich der oman-edlung. Um 1914 kamen Pläne auf, die oman-edlung durch Mietshäuser für Hafen- und Industriearbeiter zu ersetzen. Die Umsetzung erfolgte jedoch erst in den Jahren 1926 bis 1928 durch den Bau der Groß-edlung Veddel - diese wurde Teil des „Gürtels um Hamburgs alten Leib“, wie Fritz humacher die zwischen 1924 und 1929 geschaffenen Großsiedlungen nannte. Außer dieser Großsiedlung gibt es heute in Veddel fast keine Wohngebäude mehr.

Die Veddel beheimatet knapp 5000 EinwohnerInnen: Neben alten Veddelern auch Menschen aus 35 Nationen, die teilweise schon seit Jahrzehnten dort wohnen. Dieser Hamburger adtteil ist damit zwar international wie kein anderer, die unterschiedlichen Kulturen leben jedoch im Alltag eher nebeneinander als miteinander. Einerseits ist die Veddel durch hohe Arbeitslosigkeit und ein niedriges Einkommensniveau gekennzeichnet, andererseits ist die Peute eines der größten Industriegebiete Hamburgs, auf der hauptsächlich die Norddeutsche Affinierie angesiedelt ist.

Durch die Internationale Gartenbauausstellung 2013 auf den Elbinseln Veddel und Wilhelmsburg und dem von Hamburg geplanten rung über die Elbe werden nachhaltige Impulse für die wirtschaftliche und soziale adtteilentwicklung versprochen, die eine Aufwertung dieser adtteile mit sich bringen sollen.

Waltershof, ehemals Griesenwerder, bildete seit 1637 zusammen mit dem hamburgischen Rugenwerder ein Pachtgut, das ab dem 17. Jahrhundert von Hamburger Bürgern als mmersitz genutzt und 1788 nach dem nator Walter Beckhoff (1693 bis 1768) „Waltershof“ genannt wurde. Das 1838 vom aat erworbene Herrenhaus von 1775 fiel dem Elbtunnelbau 1969 zum Opfer. Griesenwerder, 1344 erstmals erwähnt, und Rugenwerder, seit dem 15. Jahrhundert in hamburgischen Besitz und 1598 von Hamburg an eine Privatperson verkauft, waren seit dem 17. Jahrhundert von einem gemeinsamen Deich umgeben.

Auf den Inseln wurden Vieh- und Milchwirtschaft sowie Reetgewinnung betrieben, was sich nach der Verlegung des Köhlbrandes änderte, denn dadurch wurde der Hafen zwischen Köhlbrand und Finkenwerder erweitert. Der 1911 bis 1913 angelegte Petroleumhafen war einer der ersten modernen, mit umfangreichen und modernen cherungseinrichtungen versehenen Häfen in Europa für den Mineralölumschlag.

Nach den Bombenangriffen des Zweiten Weltkrieges wurde Waltershof für zwei Jahrzehnte mit Behelfsheimen, einer hule und Läden zum dauerhaft bewohnten adtteil. Bis in die 1960er Jahre bestanden viele Kleingärten; die urmflut 1962, der beginnende Containerumschlag und der Bau des Elbtunnels brachten jedoch deren Ende und den Fortzug nahezu aller Einwohner mit sich - heute leben dort noch zehn Menschen. Aufgrund des Mitte der 60er Jahre aufkommenden Containerverkehrs wurde 1968 im Containerterminal am Burchardkai die erste Containerbrücke in Hamburg aufgestellt, daneben entstand der Eurokai sowie weiter westlich moderne Anlagen am Finkenwerder Vorhafen und Dradenauhafen. Auf Waltershof liegt der Verbindungspunkt zwischen Hafen und Autobahn A7, der durch die Köhlbrandbrücke als Querverbindung geschaffen ist, und der südliche Teil des Elbtunnels, durch den diese Autobahn führt.

Bezirk Harburg

Das um 1250 als Elbinsel erwähnte Altenwerder wurde um 1300 und nach einer urmflut 1418 nochmals eingedeicht. it 1675 bzw. 1719 gehörte Altenwerder zu Braunschweig-Lüneburg, dann zu Preußen und ging 1837/38 auf Groß-Hamburg über. Außer Milchwirtschaft wurde seit dem Mittelalter auch Fischfang betrieben, der im 19. Jahrhundert wie in Finkenwerder aufblühte. Durch die Hafenerweiterung seit 1973 wurden die Bewohner von Altenwerder umgesiedelt, die Häuser abgerissen und der Großteil durch Material von Elbausbaggerungen aufgespült. Das letzte Zeugnis für die ehemalige edlung ist die Kirche von 1831 mit ihrem Friedhof. it März 2002 ist hier das größte Containerterminal Europas samt Nebenanlagen in Betrieb, das bis 2004 fertig gestellt sein soll.

Eißendorf, erstmals 1332/33 erwähnt, war lange Zeit ein Haufendorf, das zum Kirchspiel nstorf gehörte und sich im 17. Jahrhundert zum Bauerndorf weiterentwickelte. Mit der Industrialiserung Ende des 19. Jahrhunderts ging die Landwirtschaft immer weiter zurück, und Eißendorf wurde zum adterweiterungsgebiet für Harburg. 1910 erfolgte die Eingemeindung nach Harburg, aber erst nach dem Ersten Weltkrieg begann die wirkliche adterweiterung. Heute noch erhalten sind zwei Großsiedlungen aus den 20er Jahren: der Adolf-von-Elm-Hof, der für die gewerkschaftliche Baugenossenschaft „Wohnungskultur“ 1928 entstand, und die edlung an der Eißendorfer raße 115-133, entstanden 1929/30 für die Baugenossenschaft „Hoffnung“. In der Denickestraße steht eine verdichtete Einzelhaussiedlung, die in den 1950er Jahren in Hamburg zu den meistbeachteten Wohnungsbauten gehörte. Zu dieser Zeit lebten über elf Prozent der Eißendorfer Bevölkerung in den rund zwanzig Kleingartensiedlungen, von denen heute noch einige existieren. Etwa die Hälfte des hügeligen adtteils ist reines Waldgebiet, das zum aatsforst Hamburg gehört, und die Häuser liegen in machen raßen mitten im Wald.

Gut Moor, südlich von Neuland, wurde bis 1839 nur zusammen mit den in Niedersachsen liegenden Dörfern Groß- und Klein-Moor aufgeführt. Die Gemeinde wurde 1885 Teil des Kreises Harburg und kam 1937/38 zu Hamburg. Haupteinnahmequelle der Moorbauern waren Viehzucht und Milchwirtschaft, Ende des 19. Jahrhunderts taten sich die drei Moordörfer zusammen, um ihre Erzeugnisse nach Harburg zu liefern.

Es gibt heute im adtteil keine Vollerwerbshöfe mehr, die Felder sind oft an Bauern aus den Nachbargemeinden verpachtet. Der adtteil zählt zu den am dünnsten besiedelten in ganz Hamburg, denn er hat nur gut 30 Wohnhäuser. In Gut Moor sind die Annehmlichkeiten einer Großstadt nicht zu finden: Es gibt kein Lebensmittelgeschäft, keine eigene hule und einen schlechten öffentlichen Nahverkehrsanschluss.

Das um 1133/37 zuerst erwähnte Harburg erhielt 1288 die Rechte einer „gefreiten Gemeinde“ und 1297 das adtrecht, womit die wirtschaftliche Entwicklung der Vogtei Harburg begann. Die ehemalige Horeburg, deren Überreste sich in den Grundmauern des Hauses Bauhofstraße 8 befinden, wandelte sich von einer Burg zu einer hlossanlage und schließlich in den 1920er Jahren zu einem städtischen Wohnhaus. Die Horeburg gelangte 1257 in den Besitz der Welfen und diente unter Führung eines herzoglichen Vogts als Grenzfestung des welfischen Herzogtums Braunschweig-Lüneburg gegen das Erzbistum Bremen und die Grafschaft Holstein.

[...]


1 Wildner, Kathrin: „Picturing the city“ Themen und Methoden der adtethnologie. In: KEA 8, Zeitschrift für Kulturwissenschaften. Bremen 1995, 16

2Hengartner, Thomas: Zur Wahrnehmung städtischer Umwelt. In: Urbane Welten: Referate der Österreichischen Volkskundetagung 1998 in Linz. Wien 1999, 17

3 Vgl. Ploch, Beatrice: Eignen sich Mental Maps zur Erforschung des adtraumes? Möglichkeiten der Methode. In: KEA 8, Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Bremen 1995,

4 Lynch, Kevin: Das Bild der adt. Berlin 1965, ite 60

5 Ploch, Beatrice: Vom illustrativen haubild zur Methode. Mental Maps und ihre Bedeutung für die Kulturanthropologie. In: Greverus, I.-M. (Hg): Kulturtexte, 20 Jahre Institut für Kulturanthropologie und europäische Ethnologie (NOTIZEN 46). Frankfurt a. M. 1994, 120

6 Ploch 1995, 27

7 Ebd.

8 Hengartner 1999, 21

9 Ploch 1995, 26

10Vgl. ebd., 24

11Ebd., 26

12Ebd.

13Hengartner 1999, 22

14Ploch 1994, 114

15Vgl. Lynch 1965, 61

16Ebd., 62

17Vgl. Ploch 1995, 26

18Ploch 1994, 115

19Ebd., 113

20Ploch 1995, 24

21Vgl. Ploch 1994, 114

22Greverus, Ina-Maria: Was sucht der Anthropologe in der adt? Eine Collage. In: Dies., Johannes Moser, Kirsten lein (Hg.): ADTgedanken aus und über Frankfurt am Main (NOTIZEN 48). Frankfurt a. M. 1994, 25

23Ploch 1995, 24

24Lynch 1965, 16

25Hengartner 1999, 16

26Vgl. ebd., 20/21

27Vgl. Lynch 1965, 60

28Hengartner, Thomas: Der Bahnhof als Fokus städtischen Lebens? Volkskundliche Überlegungen zu einem urbanen Phänomen par excellence. In: hweizerisches Archiv für Volkskunde 90. 1994, 193

29Ploch 1995, 32

30Vgl. ebd., 28/29

31Einen Unterschied gibt es jedoch zwischen d und Nord. Vgl. dazu Kapitel V, 4.

32Ploch 1994, 130

33Ploch 1995, 26

34Vgl. Ebd., 27

35Ebd., 38

36Ploch 1994, 115

37Hengartner 1999, 16/17

38Vgl. Ploch 1995, 28

39Greverus 1994, 66

40s. Anhang II, Abb. 1-2

41Ebd.

42Ploch 1995, 38

43Vgl. ebd., 32/33

44Hengartner, 1999, 25

45Ploch 1995, 28

Fin de l'extrait de 156 pages

Résumé des informations

Titre
Hamburg - eine geteilte Stadt? Mentale Bilder von Stadt und Urbanität
Université
University of Hamburg
Note
2,7
Auteur
Année
2004
Pages
156
N° de catalogue
V59992
ISBN (ebook)
9783638537704
ISBN (Livre)
9783638713832
Taille d'un fichier
11952 KB
Langue
allemand
Mots clés
Hamburg, Stadt, Mentale, Bilder, Stadt, Urbanität
Citation du texte
MA Eva Zander (Auteur), 2004, Hamburg - eine geteilte Stadt? Mentale Bilder von Stadt und Urbanität, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59992

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