Familiengeschichte und Kaufmannsbuch - Verhältnis von Wirtschaft und Familiengeschichte im Spätmittelalter

Am Beispiel des „Püchel von mein(!) Geslecht und Abentewer“ des Ulman Stromer


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

22 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

Biografie Ulman Stromers

Die Entwicklung des Handels im späten Mittelalters
Staat und Handel im späten Mittelalter
Stadt und wirtschaftliche Administration
Kaufmännische Kommunikationswege und –Netze

Stromers „Püchel“
Exkurs – Die erste deutsche Papiermühle

Fazit

Anhang

Literaturliste

Einleitung

Globalisierung ist das Schlagwort unserer Zeit. Scheinbar sämtliche Probleme, vor denen unsere Gesellschaft heute steht, wie zunehmende Arbeitslosigkeit, mangelndes Wirtschaftswachstum, geringe Geburtenrate, Zunahme der internationalen Handels- und Wirtschaftsverflechtungen, aus denen sich wiederum zunehmend Monopolpositionen einzelner Organisationen und Unternehmungen herausbilden, oder einfach die modernen Kriege, werden mit dieser Entwicklung zu erklären versucht. Historisch betrachtet ist eine monopolistische, die bekannte Welt umspannende Wirtschaftsordnung jedoch nicht so neu wie sie heute im Allgemeinen dargestellt und rezipiert wird. Wenn wir einleitend das 19. und frühe 20. Jahrhundert betrachten, dann fällt auf, dass es bereits in den 1890 Jahren internationale Börsen und Terminmärkte gab, die ebenso wie in der heutigen Zeit global die Preise und somit das Verhältnis von Angebot und Nachfrage regelten und manipulierten. Im Jahre 1929 führte diese Manipulation erst zum Zusammenbruch einiger Wirtschaftszweige, dann des gesamten Banken- und Kreditsystems in der industrialisierten Welt. Die Folge war eine Weltwirtschaftskrise, welche die damals stärksten Industrienationen, England, Frankreich, Deutschland, USA, bis zum Vorabend des zweiten Weltkrieges in schwere innerpolitische Probleme stürzte, die in den einzelnen Ländern zugegebenermaßen unterschiedlich und teilweise nachteilig für die Nation gelöst wurden[1].

Wenn der Historiker nun noch etwas weiter in der Geschichte zurück geht, so findet er bereits im späten Mittelalter Belege dafür, dass das Phänomen der umfassenden wirtschaftlichen Monopolisierungsbestrebungen auch hier anzutreffen ist. Sicherlich in bescheidenerem Maße als heute, da die bekannte Welt noch etwas kleiner war, aber wenn man sich die großen Handelstädte der damaligen Zeit, wie London, Brügge, Mailand, Venedig, Lyon, Nürnberg oder Lübeck anschaut und dies in den Kontext der Entdeckungen und Eroberungen in Amerika, dem regen Austausch mit Asien und Nordafrika setzt, dann gewinnt man schnell den Eindruck, es habe bereits ein globaler Welthandel bestanden, der jedoch starke eurozentristische Züge aufwies. Die Ausbildung eines intensiven Banken- und Kreditsystems - beispielhaft sind hier die Fugger oder Medici zu nennen - untermauert diesen Eindruck. Sicherlich kann man die Entwicklungen im späten Mittelalter nicht mit dem heutigen Ausmaß an Handelsbeziehungen, Kommunikation und Industrie vergleichen, und bestimmt war es nicht möglich in so kurzer Zeit wie heute Waren, Dienstleistungen und Menschen von A nach B zu befördern, aber unter Berücksichtigung des Standes der technischen Entwicklung - dies in Relation zum Status Quo - kann eine ähnliche Situation eruiert werden. Der Beginn des globalen Zeitalters setzte folglich bereits in wesentlich früherer Zeit ein, als es den Menschen heute durch die Boulevardpresse glaubhaft gemacht werden soll. Ebenso wie heutzutage, wurde das Leben der Menschen durch diese Entwicklungen in Handel und Wirtschaft verändert und beeinflusst. Es bildeten sich Handelszentren, neue Kommunikationswege, verbesserte Infrastrukturen und große Unternehmungen heraus, die sich auf das Geschäft mit der damaligen Welt spezialisierten.

Diese Unternehmungen wurden häufig von Familien geführt, die sich ihren Platz in der Hierarchie der damaligen Gesellschaft verschafft hatten. Sie besaßen, Geld, politische und wirtschaftliche Macht und somit Einfluss. Diese Konstellation ermöglichet es diesen Familien die weitere Entwicklung ihrer Nation und somit Europas mehr oder minder mit zu gestalten. Eine dieser Familien war die der Stromers aus Nürnberg, welche in dieser Arbeit näher betrachtet wird. Nürnberg war nicht nur eine der größten Städte in Deutschland, sondern ebenso zentraler Handelsknotenpunkt in Mitteleuropa[2] und Deutschland. Die folgenden Ausarbeitungen sollen zeigen, wie sich das Handelshaus Stromer in den Kontext des eurozentristischen Handels integrierte, welche Stellung innerhalb der Stadt und der Nation sich daraus für die Familienmitglieder ergaben und welche Folgen das für die Familie und deren Geschichte hatte. Da sich die Historie der Familie Stromer in Nürnberg über mehrere Jahrhunderte erstreckt soll in dieser Arbeit lediglich die Zeit des Ulman Stromer, also das 14. bzw. beginnende 15. Jahrhundert, betrachtet werden. Die zentrale These ist somit, dass sich die Einbindung der Handelshäuser, wie das der Stromer, in den expandierenden europäischen Handel, sich nachhaltig auf die deutsche Geschichte und in unserem Fall ebenfalls auf die Familiengeschichte der Stromers auswirkte. Zu Beginn wird kurz der biographische Werdegang Ulman Stromers nachgezeichnet, im weiteren Verlauf die mittelalterliche Stadt in den wirtschaftlichen Gesamtzusammenhang der damaligen Zeit eingeordnet und danach auf das „Püchel von mein Geschlecht und Abenteuer“ Stromers eingegangen. Die Errichtung der ersten deutschen Papiermühle in Deutschland (Nürnberg) und nördlich der Alpen, wird hier ebenfalls von Bedeutung sein. Zum Ende der vorliegenden Arbeit wird ein Fazit gezogen, in welchem zusammenfassend überprüft wird, ob sich die oben aufgestellte These halten lässt oder verworfen werden muss.

Biografie Ulman Stromers

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Die folgenden Ausführungen stützen sich zu einem großen Teil auf die Aufzeichnungen eines der Nachfahren Ulmans, auf Prof. Ernst Freiherr von Stromer Reichenbach. Das nebenstehende Portrait Ulmans wurde erst im 17. Jahrhundert angefertigt und zeigt sein Ebenbild wahrscheinlich nur in verzerrter Form[3]. Ulman Stromair (Stromer) „der gar alte“ wurde am 06.01.1329 in Nürnberg geboren. Seine Jugend, über welche nicht viele Aufzeichnungen existieren, hat er vermutlich damit verbracht, den Beruf des Kaufmanns zu erlernen. Professor Stromer vermutet, dass dies in Nord-West Italien geschehen ist, da das Handelshaus Stromer, später Gruber-Podmer-Stromer[4], intensive Kontakte nach Norditalien unterhielt. Seine Aufgabe war es nicht nur die vorhandenen Beziehungen zu erhalten, sondern auch neue aufzubauen und sich weiter ausbilden zu lassen. In den Urkunden der Stadt Nürnberg wird Ulman erstmals im Jahr 1370 erwähnt. Sein „Püchel“, das als erste deutsche Städtechronik in die Geschichte einging und ausgeprägte kaufmännische Charakteristika aufweist, was die Form der Aufzeichnungen anbelangt, untermauert die These der handelswirtschaftlichen Ausbildung, wenn auch nicht notwendigerweise in Norditalien. Im Laufe seines Lebens war Ulman Stromer zwei Mal verheiratet. Im Jahr 1358 heiratete er Anna Hegnein, mit der er 2 Kinder hatte, und die 1365 starb. Lediglich ein Jahr später ehelichte er Agnes Groland, mit welcher er sieben Kinder zeugte[5].

Zusammen mit seinen zwei Brüdern führte er das Handelshaus und gründete im Jahr 1390 die erste deutsche Papiermühle. Diese Gründung war nicht nur die erste in Deutschland, sondern die erste nördlich der Alpen überhaupt. Auf die Inbetriebnahme und auf die daraus resultierenden Probleme mit dem Pächter der Mühle, wird in den folgenden Kapiteln noch näher eingegangen. Politisch engagierte sich Ulman aktiv in der Stadt Nürnberg. So erledigte er im Namen der Stadt diplomatische Aufträge, die zu einer regen Korrespondenz mit der Reichsstadt Frankfurt führten. Seiner Familie wurden enge Kontakte zu König Wenzel und Herzog Ruprecht, sowie zu dessen gleichnamigem Sohn und späterem König nachgesagt. Ebenso zu Elisabeth, der Gattin Ruprechts des Jüngeren. Da Wenzel nach dem Städtekrieg gegenüber den Reichsstädten eher abgeneigt war, waren somit die auswärtigen Aufträge, welche an Ulman herangetragen wurden, eher diplomatisch diffiziler Natur, denn als einfach einzustufen. Als Mitglied des städtischen Adels, dem Patriziat, und als einer der Oberbürgermeister (Obristhauptleute) der Stadt Nürnberg, hatte Ulman zu dieser Zeit nicht nur Einfluss auf die Geschicke der eigenen Unternehmungen, sondern ebenso auf die seiner Konkurrenten. Wie sich diese Macht- und Wirtschaftskonstellation Ulmans auf den sich ausweitenden intereuropäischen Handel ausgehend von Nürnberg und seine zeitgenössischen Aufzeichnungen auswirkte, werden die weiteren Ausführungen klären. Sicher ist jedoch, dass Ulman im Jahre 1406 oder 1407 starb, vermutlich an den Auswirkungen der Pest.

Die Entwicklung des Handels im späten Mittelalter

Das 14. Jahrhundert stellte den Zenit für den europäischen Handel dar. Zum einen erreichten die mächtigen Städtebünde, wie die Hanse in den Jahren 1370-1388 ihre Blütezeit[6], zum anderen sorgte der Beginn des Hundertjährigen Krieges[7] für eine Verschiebung der wirtschaftlichen Prioritäten auf der Produktions- und Nachfrageseite, was nicht nur für England und Frankreich, sondern ebenso für die Anrainerstaaten galt, da diese engen wirtschaftlichen Kontakt untereinander pflegten. Als Beleg führt Wallerstein an, dass „der Krieg das westeuropäische Staatensystem in eine Kriegswirtschaft verwandelte“[8], was dazu führte, dass es zu erhöhten Feudalabgaben kam, die wiederum die Produzenten stark belasteten. Bedingt durch den Ausbruch des Krieges und der damit verbundenen Bevölkerungsreduktion, kam es zu einer Stagnation des Handels, zumindest auf den Gebieten der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Verbrauchsgüter[9], da die Kosten für die Aufrechterhaltung der Handelsbeziehungen stark vom Wachstum der Bevölkerung abhingen und die Preiselastizität der Handelswaren wesentlich geringer war, als in heutiger Zeit. Im Gegenzug verteuerten sich die Preise für industriell hergestellte Waren, wie Tuch, was jedoch den Preisverfall für Getreide und Pelze nicht auffangen konnte.

Nach 1370 fielen die Preise für landwirtschaftliche Güter erneut, was zum allmählichen Niedergang vieler Handelsniederlassungen beitrug. Das Widererstarken der Nationalstaaten wie Dänemark, Holland oder England führte zusammen mit dem Krieg, seinen Folgen und der sich immer weiter ausbreitenden Pest in Europa dazu, dass selbst mächtige Handelskooperationen, wie die Hanse nicht überlebten[10]. Ferdinand Braudel bemerkt hierzu: „Das verheerende Unwetter des ausgehenden 14. Jahrhunderts traf die weniger leistungsfähigen Wirtschaftsgefüge mit voller Wucht; lediglich die stärksten bleiben relativ ungeschoren“[11]. Die Hanse gehörte sicher nicht zu den „weniger leistungsfähigen Wirtschaftsgefügen“, jedoch wurde ihr die Ausrichtung auf landwirtschaftliche Handelsgüter und Produkte des täglichen Bedarfs, sowie auf Massenware zum Verhängnis. Zusammenfassend hierzu bemerkt Wallerstein: „Von 1150 bis 1300 vollzog sich in Europa im Rahmen der feudalen Produktionsweise eine Expansion. Diese Expansion hatte eine geographische, eine kommerzielle und eine demographische Dimension. Von etwa 1300 bis 1450 schrumpfte das, was zuvor expandiert war; und auch das wieder auf den drei Ebenen von Geographie, Handel und Bevölkerung“[12]. Dies führte zu einer Krise, die besonders auf ökonomischer Basis zu spüren war.

[...]


[1] Rostow, Walt Whitman: Die Stadien wirtschaftlichen Wachstums. S.99-100

[2] Scott, Tom: Society and Economy in Germany 1300-1600. S.60

[3] Bockwitz, Hans H.: Zur Kulturgeschichte des Papiers. S.44 und Stromer von Reichenbach, Ernst: Unsere Ahnen in der Reichsstadt Nürnberg. S.17

[4] Sporhan-Krempel, Lore: Nürnberg als Nachrichtenzentrum zwischen 1400 und 1700. S.30

[5] Vgl. hierzu das Schaubild 1 im Anhang. Dieses wurde anhand der Ausführungen von Urs Martin Zahnd und Ernst Freiherr Stromer von Reichenbach in Eigenarbeit erstellt.

[6] Braudel, Ferdinand: Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts. S.109

[7] Vgl. hierzu den Artikel Hundertjähriger Krieg aus http://de.wikipedia.org/wiki/Hundertj%C3%A4hriger_Krieg; relevant ist für diese Arbeit jedoch lediglich die erste Phase von 1337-1386

[8] Wallerstein, Emmanuel: Das moderne Weltsystem. S.32-33

[9] Ebd.

[10] Vgl. Braudel S.110

[11] Ebd. S.111

[12] Vgl. Wallerstein S.45

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Familiengeschichte und Kaufmannsbuch - Verhältnis von Wirtschaft und Familiengeschichte im Spätmittelalter
Untertitel
Am Beispiel des „Püchel von mein(!) Geslecht und Abentewer“ des Ulman Stromer
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Familiengeschichtsschreibung im Spätmittelalter
Note
2,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
22
Katalognummer
V60191
ISBN (eBook)
9783638539319
ISBN (Buch)
9783638653312
Dateigröße
1262 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit bezieht sich zwar auf das Mittelalter, wurde jedoch für die Wirtschafts- und Sozialgeschichte verfasst.
Schlagworte
Familiengeschichte, Kaufmannsbuch, Verhältnis, Wirtschaft, Familiengeschichte, Spätmittelalter, Familiengeschichtsschreibung, Spätmittelalter
Arbeit zitieren
Daniel Rottgardt (Autor:in), 2006, Familiengeschichte und Kaufmannsbuch - Verhältnis von Wirtschaft und Familiengeschichte im Spätmittelalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60191

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